Ausgehend von den massiven Umbrüchen im Parteiensystem der Fünften Republik seit den Präsidentschaftswahlen von 2017, die sich für die traditionellen Regierungsparteien auf der Linken wie auf der Rechten mit massiven Einflussverlusten verbanden und neue Gruppierungen auf den Plan gerufen haben, bietet das Oberseminar zunächst forschungsorientierte Einblicke in politische Traditionen Frankreichs seit dem langen 19. Jahrhundert sowie in das französische Regierungs- und Parteiensystem der Fünften Republik, wie es sich seit 1958 in der Ära de Gaulle und dessen Nachfolger im Präsidentenamt herausgebildet und eingespielt hat. In einem zweiten Schritt wird es darum gehen, den maßgeblichen institutionellen wir parteipolitischen Veränderungsmomenten und den tieferen Ursachen für entsprechende Schübe des Wandels seit Mitte der 1980er Jahre, zu Beginn der 2000er Jahre und zuletzt nach 2017 nachzuspüren. Es wird zu fragen sein, ob die Stabilität und Effizienz der Exekutive, die in den ersten drei Jahrzehnten der Fünften Republik als Markenzeichen und als Errungenschaft - vgl. mit geringen Halbwertzeiten Pariser Regierungen in der Dritten und Vierten Republik - galten, nicht eher den institutionellen und elektoralen Zwängen geschuldet waren als den gesellschaftlichen Realitäten und einer adäquaten Repräsentation des Wählerwillens.
Literatur:
Ludivine Bantigny, Histoire de la France contemporaine: La France à l'heure du monde - De 1981 à nos jours, Paris (Seuil) 2013; Robert Elgie / Emiliano Grossman / Amy G. Mazur (Hg.), The Oxford Handbook of French Politics, Oxford (University Press) 2016; Florence Haegel / Simon Persico (Hg.), Partis politiques, Brüssel (Bruylant) 2023; Dietmar Hüser / Sabine Ruß (Hg.), Im Westen viel Neues? - Das französische Wahljahr 2007, Dossier der Zeitschrift Lendemains n°126/127 (2007), S.9-88; Dietmar Hüser / Hans-Christian Herrmann (Hg.), Macrons neues Frankreich: Hintergründe, Reformansätze und deutsch-französische Perspektiven, Bielefeld (transcript) 2020; Pascal Perrineau, La France au front. Essai sur l'avenir du Front National, Paris (Fayard) 2014; Jörg Requate, Frankreich seit 1945, Göttingen (Vandenhoeck & Ruprecht) 2011; Henrik Uterwedde, Frankreich - Eine Länderkunde, Opladen (VBB) 2017; Stefan Seidendorf, Europawahlkampf in Frankreich. Zwischen nationaler Zwischenwahl und Wandel des Parteiensystems, DFI-Aktuell, Mai 2024; Jean Vigreux, Histoire de la France contemporaine: Croissance et contestations 1958-1981, Paris (Seuil) 2014; Matthias Waechter, Geschichte Frankreichs im 20. Jahrhundert, Münche (Beck) 2019.
- DozentIn: Dietmar Hüser
- DozentIn: Dietmar Hüser
Die Vorlesung bietet einen Überblick über die politische, gesellschaftliche, wirtschaftliche und kulturelle Geschichte Frankreichs in den vergangenen gut 100 Jahren. Nach einer Einführung zu politisch-kulturellen Erbschaften und sozio-ökonomischen Trends seit der Französischen Revolution werden die kurz- und langfristigen Folgewirkungen des Ersten Weltkrieges in den Blick genommen, dann die "krisenhaften" 1930er Jahre, die Kriegsniederlage 1940 und das Ende der Dritten Republik samt Übergang zum Vichy-Regime. Es folgen Ausführungen über die Befreiung des Landes 1944/45 und die Vierte Republik, bevor die aktuelle Fünfte Republik von den Anfängen 1958 bis in die frühen 2000er jahre hinein thematisiert wird. Dabei geht es zum einen um die politischen Etappen, festgemacht an den Präsidentschaften von de Gaulle bis Macron, zum anderen um maßgebliche sozio-ökonomische und sozio-kulturelle Entwicklungen. Stets Berücksichtigung finden außen- und europapolitische Fragen sowie vergleichs- und transfergeschichtliche Perspektiven, die Frankreichs Geschichte in einen größeren westeuropäischen Rahmen einbetten.
Literatur:
Maurice Agulhon, La République. De Jules Ferry à François Mitterrand 1880-1995, 2. Auflage, Paris (Hachette) 1997; Ludivine Bantigny, Histoire de la France contemporaine: La France à l'heure du monde - De 1981 à nos jours, Paris (Seuil) 2013; Armin Heinen / Dietmar Hüser (Hg.), Tour de France, Stuttgart (Steiner) 2008; Dominique Lejeune, La France des trente glorieuses 1945-1974, Paris (Colin) 2015; Céline Pessis et. al. (Hg.), Une autre histoire des "trente glorieuses". Modernisation, contestations et pollutions dans la France d'après-guerre, Paris (La Découverte) 2013; René Rémond, Notre siècle 1918-1995, 3. Auflage, Paris (Fayard) 1996, dt.: Frankreich im 20. Jahrhundert, Bd.1: 1918-1958, Stuttgart (DVA) 1994, Bd.2: 1958 bis zur Gegenwart, Stuttgart (DVA) 1995; Jörg Requate, Frankreich seit 1945, Göttingen (Vandenhoeck & Ruprecht) 2011; Henrik Uterwedde, Frank-reich - Eine Länderkunde, Opladen (VBB) 2017; Jean Vigreux, Histoire de la France contemporaine: Croissance et contestations 1958-1981, Paris (Seuil) 2014; Matthias Waechter, Geschichte Frankreichs im 20. Jahrhundert, Münche (Beck) 2019.
- DozentIn: Dietmar Hüser
Die Veranstaltung hat mehrere Funktionen. Zum einen dient das Kolloquium - eher inhaltlich und methodisch - dem Heranführen fortgeschrittener Studierender, die demnächst eine universitäre Abschlussarbeit anstreben, an aktuelle zeithistorische Forschungsthemen und Forschungsdebatten. Andererseits wird es - eher arbeitstechnisch-praktisch - darum gehen, den Teilnehmerinnen und Teilnehmern konkrete Workshop-Berichte aus laufenden bzw. gerade abgeschlossenen Arbeiten (Bachelor, Master, Staatsexamen) zu ausgewählten Aspekten der europäischen Zeitgeschichte zu präsentieren und gemeinsam zu diskutieren. Ziel ist es, Einblicke in die formalen, inhaltlichen und methodischen Schwierigkeiten zu liefern, die sich in der Regel beim Abfassen wissenschaftlicher Qualifikationsschriften stellen, zugleich Hilfen und Tipps zu geben, diese zu überwinden.
Nach einer einführenden Sitzung am 8. April wird das Kolloquium am 8. Mai, am 12. Juni und am 10. Juli 2020 in drei Blöcken veranstaltet.
Literatur:
Frank Bösch / Jürgen Danyel (Hg), Zeitgeschichte. Konzepte und Methoden, Göttingen (Vandenhoeck & Ruprecht) 2012; Anselm Doering-Manteuffel / Lutz Raphael, Nach dem Boom. Perspektiven auf die Zeitgeschichte seit 1970, 2. Auflage, Göttingen (Vandenhoeck & Ruprecht) 2010; Constantin Goschler / Rüdiger Graf, Europäische Zeitgeschichte seit 1945, Berlin (Akademie-Verlag) 2010; Klaus Große-Kracht / Ralph Jessen / Martin Sabrow (Hg.), Zeitgeschichte als Streitgeschichte. Große Kontroversen seit 1945, München (Beck) 2003; Martin Sabrow, Zeitgeschichte schreiben. Von der Verständigung über die Vergangenheit in der Gegenwart, Göttingen (Wallstein) 2014; Gabriele Metzler, Einführung in das Studium der Zeitgeschichte, Paderborn (Schöningh/UTB) 2004.
- DozentIn: Dietmar Hüser
- DozentIn: Sarah Alyssa May