Bei den Tropen handelt es sich gleichzeitig um eine geografische Region und eine kulturelle Konstruktion, die eng mit der Geschichte des europäischen Kolonialismus verbunden ist. Wie der Orient können auch die Tropen als eine imaginäre Geografie westlicher Projektionen auf das Andere begriffen und dem Orientalismus vergleichbar mit dem Konzept der Tropikalität (David Arnold) gefasst werden. Dabei werden sie insbesondere als das ,natürliche‘ Gegenbild zum westlichen Kulturraum bzw. der nördlichen Hemisphäre entworfen. Während reisende Künstler seit der Kolonialzeit an der Konstruktion der Imaginationen der Tropen beteiligt waren, sind es gleichsam aktuelle künstlerische Positionen, die bis heute fortgeschriebene kulturelle Klischees dekonstruieren. Das Seminar geht der Frage nach, welche Konstruktionen der Tropen mit der Geschichte der kolonialen Expansion entstanden und verfolgt die visuellen Repräsentationen tropischer Körper und Landschaften bis in die Gegenwart. Im Fokus stehen dabei Positionen zeitgenössischer Kunst, die sich aus einer postkolonialen Perspektive mit den Vor-Bildern der Tropen auseinandersetzen.

Literatur:

David Arnold: The Tropics and the Traveling Gaze: India, Landscape, and Science, 1800-1856, Seattle, London 2006.

Stephan Besser: Pathographie der Tropen: Literatur, Medizin und Kolonialismus um 1900, Dissertation Universiteit van Amsterdam 2009, online unter: https://pure.uva.nl/ws/files/758046/62963_thesis.pdf

Nancy Leys Stepan: Picturing Tropical Nature, London 2001.

Krista A. Thompson: An Eye for the Tropics: Tourism, Photography, and Framing the Caribbean Picturesque, Durham 2006.

Mary Louise Pratt: Imperial Eyes. Travel Writing and Transculturation, London 1992.

Claude Lévi-Strauss: Traurige Tropen, Frankfurt am Main 1978.

Der Begriff des Grotesken geht auf antike Wanddekorationen der Mischwesen von Mensch-, Tier- und Pflanzenformen zurück, die gegen Ende des 15. Jahrhunderts in Italien entdeckt wurden. Der Fundort dieser Malereien – die unterirdischen Säle der domus aurea des Kaisers Nero in Rom – führte zur Gattungsbezeichnung grottesche. Im 19. Jahrhundert wird das Groteske zu einer eigenständigen ästhetischen Kategorie. Vor dem Hintergrund der Unterscheidung zwischen hoher Kunst und Volks- bzw. Populärkultur oft abwertend gebraucht, wird in der Folge von Michail Bachtins Theorie von Karneval und Lachkultur der Begriff grotesker Komik im positiven Sinne als volkstümlich entworfen und einer offiziellen Kultur entgegengestellt. Als subversive soziale Praxis ermöglicht der Karneval eine temporäre Umkehrung der alltäglichen hierarchischen Strukturen und Machtverhältnisse. Die Betonung des Körperlichen – der Körperöffnungen und lebensnotwendigen Prozesse der Nahrungsaufnahme, Ausscheidung und Fortpflanzung – dient der Untergrabung von Hierarchien und der Verhöhnung sozialer Normen, die ebenso wie Darstellungen mit apotropäischer Funktion in der sakralen Architektur zum Ausdruck kommen. Die Welt wird auf den Kopf gestellt, die sozialen, Macht- und Geschlechterverhältnisse umgekehrt. Drolerien, die die Ränder illuminierter Handschriften beleben, zeigen das Motiv der verkehrten Welt und machen die Ränder zu Frei-Räumen grotesker Körperdarstellungen außerhalb der kanonischen Hauptillustrationen im Zentrum. Von den marginalen Darstellungen in der Buchmalerei bis zur sakralen und profanen Bauskulptur fragt das Seminar nach dem grotesken Körper, der in der Bildkunst des Mittelalters als das Andere, Ausgeschlossene wiederkehrt.

Literatur:

Michail Bachtin: Literatur und Karneval. Zur Romantheorie und Lachkultur, München 1969.

Michael Camille: Image on the Edge. The Margins of Medieval Art, London 1992.

Madeline H. Caviness: Reframing Medieval Art: Difference, Margins, Boundaries, Tufts University, Medford 2001, online unter: http://dca.lib.tufts.edu/caviness/abstract.html

Kathrin Kröll, Hugo Steger (Hg): Mein ganzer Körper ist Gesicht. Groteske Darstellungen in der europäischen Kunst und Literatur des Mittelalters, Freiburg im Breisgau 1994.

Lilian M. C. Randall: Images in the Margins of Gothic Manuscripts, Berkeley 1966.    

Jean Wirth: Les marges à drôleries des manuscrits gothiques (1250-1350), Genf 2008.

Jacques Le Goff, Nicolas Truong: Die Geschichte des Körpers im Mittelalter, Stuttgart 2007.

Peter Burke: Helden, Schurken und Narren: Europäische Volkskultur in der frühen Neuzeit, Stuttgart 1981.