Die Historische Anthropologie widmet sich den Grundbedürfnissen/Grundbefindlichkeiten des Menschen in Geschichte und Gegenwart. Dazu gehören beispielsweise Themen wie die Kulturgeschichte der Gefühle, das Verhältnis des Menschen zu Tod und Sterben, zu Schwangerschaft und Geburt, aber auch das Verhältnis des Menschen zum Tier und zu seiner Umwelt. Daneben beschäftigt sich die Historische Anthropologie auch mit Fragen nach der konkreten Gestaltung des Alltagslebens in Geschichte und Gegenwart (z.B. Wohnen, Nahrung, Kleidung etc.)

Die Europäische Ethnologie verfolgt ähnliche Fragestellungen, hat jedoch einen Schwerpunkt in der Gegenwartsforschung, ihr Untersuchungsraum ist Europa. In ihren Gegenwartsforschungen steht sie der Soziologie nahe und bevorzugt qualitative Forschungsmethoden wie z.B. die teilnehmende Beobachtung, Leitfadengestützte und/oder narrative Interviews und die Ethnografie als dichte Beschreibung (alltags-)kultureller Phänomene.

Die Vorlesung führt in die Fragestellungen und Perspektiven beider Disziplinen ein. Sie stellt zentrale theoretische Konzepte vor, bietet daneben jedoch themenzentrierte Einblicke in fachspezifische Forschungsfragen und Ergebnisse.

Lektüreempfehlungen zur Einführung:

Gert Dressel: Historische Anthropologie. Eine Einführung, Wien 1996.

Richard van Dülmen: Historische Anthropologie: Entwicklung, Probleme, Aufgaben. 2. Aufl. Köln/Weimar/Wien 2001.

Jakob Tanner: Historische Anthropologie zur Einführung. 2. Aufl. Hamburg 2008.

Wolfgang Kaschuba: Einführung in die Europäische Ethnologie, 3. Aufl. München 2006.

Soziale Randgruppen gibt es in den meisten, wenn nicht in allen menschlichen Gesellschaften. Die Kriterien der Aus- und Abgrenzung hingegen sind kulturell definiert und entsprechend auch historisch variabel. Unterschiedlich ist auch, in welchen Formen und in welchem Ausmaß soziale Randgruppen eigene kulturelle Normen und Formen ausprägen, die sich gezielt vom gesellschaftlichen Mainstream abgrenzen und auf diese Weise eigene kulturelle und soziale Identitäten generieren.

In dieser Lehrveranstaltung werden wir uns primär mit den kulturellen Aspekten der sozialen Randgruppenbildung auseinandersetzen. Zeitlich begeben wir uns zurück bis in das späte Mittelalter und die Frühe Neuzeit, denn die Vielfalt an auch rechtlich und sozial ausgegrenzten Menschengruppen wie z.B. Prostituierten, Henkern, Schindern und Abdeckern und einer Vielzahl an fahrenden Bevölkerungsgruppen (Vaganten) führte tatsächlich zur Entwicklung eigener Lebens- und Kommunikationsformen bis hin zur Ausprägung einer eigenen Vagantensprache, die in Teilen Eingang in unsere Gegenwartssprache gefunden hat. Dabei schauen wir auch auf die sozialen, gesellschaftlichen und rechtlichen Prozesse, die Menschen und ihre Kultur marginalisierten und marginalisieren, wie beispielsweise das Befremden gegenüber mobilen Lebensformen, die zumindest Teile der Sinti und Roma bis heute pflegen. Auch Figuren wie der ‚Landstreicher‘, den Hermann Hesse zu Beginn des 20. Jahrhunderts romantisierte, der jedoch spätestens in den 1950er und frühen 1960er zur bürgerlichen Antifigur des ‚Gammlers‘ mutierte, stehen im Interesse unserer Forschungen. Thematisieren könnten wir auch den aktuellen Umgang mit den sog. 'sozial Randständigen' in Saarbrücken durch Öffentlichkeit und Medien (Beispiel Film 'Saarbrooklyn' im Spiegel TV 2019).

Das Saarland ist bekanntlich ein Industrieland, und das schon seit dem 19. Jahrhundert. Die Auswirkungen dieser industriellen Geschichte auch auf die Saarländische Alltagskultur wurden bislang nur ausschnitthaft untersucht. In diese Forschungslücke möchte das Projektseminar zur Saarländischen Industriekultur vorstoßen. Es handelt sich um eine zweisemestrige Veranstaltung für Masterstudierende, die in diesem Kontext unter Anleitung eigenständig kleine Forschungsprojekte durchführen sollen. Die Ergebnisse werden in konkrete Projektvorhaben münden (Ausstellung, Tagung, Publikation etc.) Welches Projekt wir am Ende finden, werden wir im Verlauf des kommenden Jahres gemeinsam überlegen. 

Die Teilnahme an beiden Teilen der Veranstaltungen  im SS 2019 und in WS 2019/20 ist zentraler Bestandteil der Prüfungsleistungen und deshalb verbindlich.