Das Konzept der „kulturellen Aneignung“ wird immer öfter öffentlich, aber auch wissenschaftlich diskutiert. Alltägliche Anlässe gibt es viele: Bei einer Demonstration von „Fridays for Future“ wurde etwa eine weiße Musikerin kurzfristig ausgeladen, Grund dafür war ihre besondere Haartracht: Dreadlocks. Folge war eine heftige Diskussion darüber, ob diese Form der kulturellen Aneignung geahndet oder überhaupt beurteilt werden muss? Soll jeder bzw. jede selbst entscheiden dürfen, sich so zu kleiden oder zu frisieren, wie sie oder er es für richtig hält, auch wenn sie oder er vielleicht gar nichts über die Hintergründe der „Mode“ weiß? Wissenschaftlich wird der Leitbegriff momentan intensiv diskutiert: Forschende der Soziologie und Kulturwissenschaften untersuchen das Phänomen seit Jahren, u. a. bei der Frage nach dem Umgang mit Sammlungsgut aus der Kolonialzeit und der Debatte, ob dieses von westlichen Museen ausnahmslos an die jeweiligen Ursprungskulturen zurückgegeben werden sollte. Anhand des aktuellen Standardwerks „Kulturelle Aneignung“ (2021) des Politikwissenschaftlers Lars Distelhorst sollen die Chancen und Herausforderungen dieses neuen Leitbegriffs diskutiert werden.