Dionysios I. von Syrakus hatte alles, was man sich nur wünschen kann, Reichtum und Macht, Ansehen und Ruhm, prächtige Paläste, seine Lieblinge. Doch er lebte in ständiger Angst um sein Leben und konnte niemandem trauen. Seine eigenen Töchter lehrte er das Rasieren mit glühenden Nussschalen, weil niemand ein Messer an seine Kehle führen durfte und um sein Bett zog er einen tiefen Graben.

Damokles, ein Günstling am Hof, wurde es nicht müde zu betonen, dass es nie einen glücklicheren Menschen gegeben habe als Dionysios. Ob er dieses Glück kosten wolle, fragte ihn der Herrscher, natürlich bejahte Damokles. So wurde er auf ein goldenes Lager gebettet, ihm wurden die köstlichsten Speisen vorgesetzt, doch mitten in dieser Pracht ließ Dionysios ein blitzendes Schwert an einem Rosshaar von der Decke herabhängen, so dass es den Nacken des Damokles bedrohte und dieser flehte "den Tyrannen an, ihn wegzulassen, weil er nicht mehr glückselig sein wolle." (Cicero, Tusculanen, 62,3).

 

Cicero erzählt diese Begebenheit in seinen Gesprächen in Tusculum. Grausam, habgierig, misstrauisch, in jeglicher Hinsicht deviant. Cicero und andere antike Autoren bedienen sich aller gängigen Topoi, um Dionysios wie ein Muster von einem antiken Tyrannen zu beschreiben. Doch war seine Herrschaft reine Gewaltherrschaft? Wie gestaltet sich die Kommunikation mit den Untertanen? Wie entstanden diese Tyrannisherrschaften überhaupt? Welche Formen von Herrschaftsrepräsentation, welche politischen Grundlinien sind festzustellen? Warum sind sie nicht von langer Dauer? Welche Rolle spielt die geographische Lage, welche Bedeutung kommt der gesamtpolitischen Situation in Griechenland zu? Wie unterscheiden sich diese Tyrannen von den Tyrannen der archaischen Zeit? Sind sie überhaupt als solche zu bezeichnen? Oder muss eine neue Definition, eine neue Theorie ihrer Herrschaft her? Dies sind einige der Fragen, die wir im Seminar stellen werden.

 

Die Theorie der Tyrannis wurde anhand der älteren Tyrannis entwickelt und es gibt bis heute keine vollständige, brauchbare Abhandlung über die so genannte jüngere Tyrannis, die einen Zeitraum vom Ende des Peloponnesischen Kriegs bis ins 4. Jahrhundert v. Chr. umspannt und räumlich vor allem Sizilien und Thessalien sowie den östlichen Ägäisraum umfasst. Dies macht die Jüngere Tyrannis zu einem anspruchsvollen, aber gleichzeitig auch interessanten und lohnenswerten Thema.