Basisqualifikation
Die Basisqualifikation
Die Aufgabe des Juristen als Juristen ist es, Antworten auf Rechtsfragen zu geben. Die Fragen sind in der Regel mit Fällen (tatsächlich geschehenen oder erdachten Sachverhalten) verbunden. Die Antwort ist - aus der Perspektive des Richters betrachtet - die Entscheidung des Falles. Diese Entscheidung soll nicht willkürlich erfolgen und auch nicht ausgewürfelt werden, sondern dem Recht entsprechen. Das Recht stellt (in Gesetzen, Verordnungen, Satzungen, Gerichtsentscheidungen) Normen bereit, die nur dann eine (positive) Antwort auf die gestellte Frage ermöglichen, wenn erstens eine Rechtsfolge nachgefragt wird, die die Rechtsordnung kennt, und zweitens der Sachverhalt die Voraussetzungen erfüllt, an die die Rechtsordnung das Eintreten der Rechtsfolge knüpft. Die erste Bedingung löst die Suche nach einer geeigneten Rechtsgrundlage (Rechtsnorm) aus, die zweite führt zum Vergleich des Sachverhalts mit den in der Rechtsnorm angeführten Voraussetzungen, mit dem Tatbestand der Rechtsnorm. Diesen Vorgang nennen die Juristen Subsumtion.
Die Grundelemente in der Falllösungsarbeit des Juristen sind: der Sachverhalt (Fall), die auf eine Rechtsfolge abzielende Fallfrage (Antrag) und eine Rechtsnorm mit Tatbestand und Rechtsfolge.
Diese sind in einer bestimmten Weise einander zugeordnet.
Der Antrag zielt auf die Rechtsfolge, der Sachverhalt auf den Tatbestand. Die Entscheidung gibt eine Antwort auf den Antrag. Neu ist in unserem Bild das Element der Interpretation. "Alles ist Auslegungssache", weiß schon ein Laie über das Tun der Juristen zu berichten, und in der Tat, ob ein Sachverhalt unter den Tatbestand eines Gesetzes "passt", zeigt sich in der Regel erst nach einer Auslegung des in abstrakter Sprache gehaltenen, für eine Vielzahl von Fällen geschaffenen Tatbestands der Rechtsnorm mit Blick auf den in lebensnaher und konkreter Sprache beschriebenen Sachverhalt. Das den Tatbestand der Rechtsnorm mit dem Lebenssachverhalt verbindende Element ist die Auslegung oder Interpretation.
Schwierigkeiten, dieses Phänomen einzuordnen, haben diejenigen, die die Rechtsanwendung logisch auf ein Dreiermodell mit Obersatz (Rechtsnorm), Untersatz (Fall) und Schlusssatz (Entscheidung) reduzieren. Das machen leider die meisten Juristen und Rechtslehrer (gerade auch in den zur Einführung bestimmten Lehr- und Lernbüchern). Wer nur für drei Prämissen Platz hat, muss bei mehr als dreien etwas fallen lassen. Das ist dann in der Regel die konkrete Sachverhaltsbeschreibung. Zum Untersatz wird das Ergebnis der Subsumtion, dass nämlich ein Fall des Tatbestands gegeben sei. Dazu heißt es dann (im falschen Bilde zutreffend), dass die schwierigste Aufgabe des Juristen darin liege, den Untersatz zuzubereiten.
Das Dreiermodell entspricht dem Stand der Logik vor mehr als 2.000 Jahren (Syllogistik des Aristoteles). Die moderne Logik erlaubt uns Ableitungen über vielzählige Prämissen und damit ein der juristischen Entscheidung angemessenes Vierermodell. Die Entscheidung bleibt der Schlusssatz der Ableitung. Prämissen sind der Sachverhalt, die Rechtsnorm und die Interpretationen, die die Tatbestandsvoraussetzungen der Rechtsnorm so mit den Beschreibungen des Sachverhalts verbinden, dass sich die Entscheidung nach den Regeln der Logik erschließen lässt. Diesem Modell ist die obige Grafik nachgebildet.