Das Zustandekommen des Individualvertrages

Das Modell des Vertragsschlusses durch Angebot und Annahme

Verträge sind mehrseitige Rechtsgeschäfte. In der Regel handelt es sich um zweiseitige Rechtsgeschäfte, die aus zwei übereinstimmenden Willenserklärungen bestehen. Kennzeichnend für den Vertragsschluss ist, dass die Parteien Willenserklärungen abgeben, die sich inhaltlich "decken" und die besagen, dass eine bestimmte Regelung gelten solle. Eine bloße Willenseinigung ("meeting of the minds") genügt also nicht. Die Willensübereinstimmung muss sich auch darauf beziehen, dass der Abrede rechtliche Verbindlichkeit zukommen soll. Die Parteien können durch ihre übereinstimmenden Willenserklärungen ihre rechtlichen Beziehungen zueinander gestalten. Wesentliches Merkmal dieser "Rechtsgestaltung durch Vertrag" ist der Konsens der Parteien. Legt man das zu Grunde, was wir bereits über die Auslegung empfangsbedürftiger Willenserklärungen gemäß §§ 133, 157 BGB gelernt haben, so ist klar, dass Konsens der Parteien nicht notwendigerweise auch bedeuten muss, dass der innere Wille der Parteien übereinstimmt. Vielmehr kommt es im Regelfall darauf an, dass die Willenserklärungen mit dem Inhalt, den sie bei einer Auslegung nach dem Empfängerhorizont auf objektiver Grundlage erfahren haben, übereinstimmen (so genannter "normativer Konsens").

Das BGB kennt keine allgemeine Bestimmung, in der geregelt ist, wie sich der Vertragsschluss technisch vollzieht. Allerdings hat es in den §§ 145 ff. einige mit dem Vertragsschluss zusammenhängende Probleme geregelt. Aus dieser Regelung kann man entnehmen, wie sich das BGB den Mechanismus des Vertragsschlusses vorstellt. Grundsätzlich kommt ein Vertrag danach durch Angebot und Annahme zu Stande, also durch einen rechtlich verbindlichen Vorschlag einer Partei, dem die andere Partei vorbehaltlos zustimmt ("Modell der sukzessiven Perfektion des Vertrages").

Allerdings kommen in der Rechtswirklichkeit Verträge auch abweichend von diesem Mechanismus zu Stande. So kann es vorkommen, dass die Parteien nach längerer, kontroverser Verhandlung gemeinsam einen Vertragstext formulieren, dem sie dann durch ihre Unterschrift zustimmen. Ebenso kommt es häufig vor, dass die Parteien einen Dritten (z.B. einen Notar) damit beauftragen, einen Vertragsentwurf vorzubereiten, dem sie dann anschließend zustimmen. Wollte man in diesen Fällen des Vertragsschlusses das "Angebot-Annahme-Schema" zu Grunde legen, so liefe das auf eine Fiktion hinaus: Jede Partei wäre dann Antragender und Annehmender zugleich. In diesen Fällen kommt es dann zum Vertragsschluss durch "Zustimmung der Parteien zu einem Vertragsentwurf". Daraus kann man ableiten, dass der Vertragsschluss zwar in der Regel durch Angebot und Annahme erfolgt, dass aber andererseits dieser Mechanismus nicht die einzig mögliche Form des Vertragsschlusses ist. Für das Zustandekommen eines Vertrages ist somit nicht ein bestimmter Mechanismus ausschlaggebend, sondern alleine, dass die Parteien zwei übereinstimmende Willenserklärungen abgegeben haben.

Das Vertragsangebot

Das Angebot (auch Antrag oder Offerte genannt) ist eine empfangsbedürftige Willenserklärung. Vergegenwärtigt man sich den soeben erläuterten Mechanismus des Vertragsschlusses durch Angebot und Annahme, so ist einleuchtend, dass das Vertragsangebot inhaltlich so bestimmt sein muss, dass der Vertrag durch eine einfache, vorbehaltlose Annahmeerklärung zu Stande kommen kann. Dieses Erfordernis wird häufig auf die Kurzformel gebracht, dass ein Vertragsangebot dann hinreichend inhaltlich bestimmt ist, wenn es so formuliert ist, dass es mit einem bloßen "Ja" der anderen Partei angenommen werden kann. Das setzt voraus, dass das Angebot alle regelungsbedürftigen Hauptpunkte, die für den jeweiligen Vertragstyp konstituierend sind (so genannte "essentialia negotii"), abdeckt. Bietet demnach der Verkäufer im Antiquariat dem Käufer ein bestimmtes Buch zum Kauf an, ohne einen Kaufpreis zu nennen, so hat der Verkäufer noch kein Vertragsangebot abgegeben, da der Kaufpreis zum konstituierenden Mindestinhalt eines Kaufvertrages gehört (vgl. § 433 BGB). Dies könnte nur dann anders sein, wenn der Erklärung des Verkäufers durch Auslegung zu entnehmen wäre, dass er die Bestimmung des Kaufpreises dem Käufer oder einem Dritten (§§ 315 ff. BGB) überlassen wollte. Dies kommt jedoch nach der Interessenlage nur in seltenen Fällen einmal in Betracht.

Neben der hinreichenden inhaltlichen Bestimmtheit ist für ein Angebot erforderlich, dass die Erklärung erkennen lässt, dass der Antragende sich mit dieser Erklärung rechtlich binden will, dass er also den Vertrag mit dem Inhalt des Antrages gelten lassen will, wenn das Angebot angenommen wird ("Rechtsbindungswille"). Dies ist dann nicht der Fall, wenn der Erklärende lediglich eine Einladung bzw. Aufforderung zur Abgabe von Angeboten (sogenannte "invitatio ad offerendum") abgeben will. Ob der Erklärende mit Rechtsbindungswillen gehandelt und nicht lediglich eine invitatio abgegeben hat, lässt sich, wie bereits im Verlaufe der Vorlesung erörtert, mithilfe der Auslegung (§§ 133, 157 BGB) ermitteln. Meist kommt es hierbei entscheidend auf die Verkehrssitte und die Interessenlage des Antragenden an. Typische Beispiele für eine invitatio ad offerendum sind z.B. die "Angebote" in Katalogen, Reklamezetteln, Postwurfsendungen, Zeitungsinseraten, Schaufensterauslagen oder Speisekarten. Der fehlende Rechtsbindungswille wird in diesen Fällen damit begründet, dass der Anbieter wegen der unübersehbaren Zahl der Erklärungsadressaten sich erkennbar noch nicht binden will, da er sonst unter Umständen Verträge abschließen muss, die seine Warenvorräte oder sonstigen Kapazitäten weit übersteigen, so dass er sich wegen Nichterfüllung schadensersatzpflichtig macht.

Umstritten ist insbesondere, ob schon im Aufstellen von Waren im Supermarkt ein Vertragsangebot gesehen werden kann. Dies soll verdeutlicht werden an folgendem Fall (zur ausformulierten Lösung):

Die Großhandelskette "A-Markt" überrascht Kunden und Wettbewerber kurz vor dem Einsetzen des Weihnachtsgeschäfts mit dem "Angebot" eines leistungsfähigen Personalcomputers zu einem sehr günstigen Preis. Der Computerfachhändler C ärgert sich darüber maßlos, weil er zu Recht befürchtet, dass ihm dadurch das bevorstehende Weihnachtsgeschäft "vermasselt" wird. Kurz entschlossen begibt er sich mit einigen Mitarbeitern zur Filiale des "A-Markts" in seiner Heimatstadt, transportiert alle noch vorhandenen Computer zur Kasse und erklärt der verdutzten Verkäuferin V, er wolle alle Geräte kaufen. Der alsbald hinzu gerufene Filialleiter F erklärt, man wolle C keine Computer verkaufen. C ist dagegen der Auffassung, es sei längst ein Vertrag zu Stande gekommen. Wer hat Recht ?

Wenn man bereits im Aufstellen der mit einem Preis ausgezeichneten Waren in einem Selbstbedienungsladen ein Vertragsangebot sieht, dann kommt in diesen Läden ein Kaufvertrag regelmäßig dadurch zu Stande, dass der Käufer die Ware an der Kasse vorlegt; das Herausnehmen der Ware aus dem Regal genügt dagegen noch nicht, weil dieses Verhalten bei objektiver Betrachtung noch keinen hinreichenden Schluss auf die Kaufabsicht des Kunden zulässt, es vielmehr diesem nach der Verkehrssitte unbenommen bleibt, die Ware bis zum Vorzeigen an der Kasse jederzeit wieder in das Regel zurückzulegen. Durch das Vorzeigen aller noch vorhandenen Computergeräte an der Kasse hätte C somit nach dieser Auffassung das Kaufvertragsangebot des "A-Marktes" angenommen.

Es ist allerdings äußerst fraglich, ob man bereits dem Aufstellen von Waren im Selbstbedienungsladen durch Auslegung (§§ 133, 157 BGB) die Bedeutung eines rechtlich verbindlichen Angebotes entnehmen kann. Dagegen spricht alleine schon der Umstand, dass es sich in einem Geschäft - wie auch der Kunde weiß - nie ganz vermeiden lässt, dass es zu Falschauszeichnungen kommt. In diesem Fall will der Geschäftsinhaber aber erkennbar noch die Möglichkeit haben, von dem Geschäft zu diesen Bedingungen Abstand zu nehmen. Darüber hinaus ist es auch nicht ganz auszuschließen, dass der Geschäftsinhaber mit einem bestimmten Kunden keinen Vertrag schließen will, etwa weil dieser z.B. wegen vorangegangener Ladendiebstähle oder Beleidigungen des Personals Hausverbot hat oder aber weil er wie in unserem Fall als Konkurrent Sonderangebote durch Massenaufkauf zunichte machen will. Es ist zwar zuzugeben, dass diese Vorkommnisse in dem meist nahezu anonymen Geschäftsbetrieb die Ausnahme darstellen und dass der Geschäftsinhaber potentiell mit allen Kunden "ins Geschäft kommen" will, doch ändert dies nichts daran, dass der Geschäftsinhaber ein schutzwürdiges Interesse daran hat, nicht in jedem Falle schon durch das Aufstellen der Ware gebunden zu sein. Legt man diese Interessenlage zu Grunde, so spricht sehr vieles dafür, mit der herrschenden Meinung in dem Aufstellen der ausgezeichneten Ware lediglich eine invitatio ad offerendum zu sehen. Der Vertragsschluss in einem Selbstbedienungsladen vollzieht sich dann also dadurch, dass der Kunde durch das Vorzeigen der Ware an der Kasse ein Angebot abgibt, das die Kassiererin durch das Verbuchen des Preises in der Registrierkasse annimmt.

Folgt man dieser Auffassung, so hat der "A-Markt" alleine durch das Aufstellen der Computer in den Verkaufsräumen noch kein Angebot abgegeben. Damit ist in der Erklärung des C an der Kasse auch noch keine Annahmeerklärung sondern ein Vertragsangebot zu sehen, das der "A-Markt" nicht angenommen hat und auch nicht anzunehmen verpflichtet war. Es ist somit kein Kaufvertrag zwischen C und dem A-Markt zu Stande gekommen.

Das Vertragsangebot kann an eine bestimmte Person, aber auch an eine unbestimmte Vielzahl von Personen gerichtet sein. Im letzteren Fall ist aber dem Angebot meist durch Auslegung eine konkludente Beschränkung der Leistungspflicht auf den vorhandenen Warenvorrat zu entnehmen. Man spricht in diesen Fällen von einer Offerte "ad incertas personas". Ein typisches Beispiel für ein solches Angebot an einen unbestimmten Personenkreis stellt die Aufstellung eines Warenautomaten dar. Die ganz herrschende Meinung sieht in der Aufstellung eines Warenautomaten ein Angebot auf Abschluss eines Kaufvertrages an jedermann, das auf den Vorrat beschränkt ist und unter Bedingung abgegeben wird, dass der Apparat funktioniert und dass der Kunde den Automaten ordnungsgemäß bedient (vgl. dazu den Fall "Der Warenautomat").

Da das Vertragsangebot eine Willenserklärung ist, kann es nach dem, was wir bereits über Willenserklärungen gelernt haben, auch konkludent abgegeben werden. Ein wichtiger Sonderfall konkludent abgegebener Vertragsangebote sind die so genannten "Realofferten", bei denen die angebotene Ware dem potentiellen Vertragspartner rein tatsächlich zugänglich gemacht wird, sodass er durch ihre Verwendung ebenfalls konkludent die Vertragsannahme erklärt. Ein Beispiel für Realofferten sind etwa die Brezeln oder Semmeln am Gasthaustisch, der Betrieb eines Warenautomaten oder aber die Zusendung unbestellter Waren.

Der Antrag löst gemäß § 145 BGB eine Bindung für den Antragenden aus, es sei denn, dass er die Gebundenheit ausgeschlossen hat. Die Bindungswirkung des Antrags äußert sich nicht nur in der Unwiderruflichkeit des Antrages bis zu dessen Erlöschen (§ 146 BGB), sondern nach herrschender Meinung darüber hinaus in einem aus der Bindungswirkung resultierenden gegenseitigen Vertrauensverhältnis mit gegenseitigen Sorgfaltspflichten, deren Verletzung eine Haftung aus culpa in contrahendo (cic) begründet. Wird der Vertragsgegenstand von dem Antragenden trotz bestehender Bindungswirkung schuldhaft zerstört, so haftet er dem Angebotsempfänger auf Schadensersatz. Dabei ist allerdings umstritten, ob der Antragende analog § 160 BGB auf das positive Interesse haftet, d.h. den Angebotsempfänger so stellen muss, wie er bei ordnungsgemäßer Vertragserfüllung stünde oder ob er lediglich auf das negative Interesse haftet, d.h. den Angebotsempfänger so stellen muss, wie dieser stünde, wenn er das Angebot nie erhalten hätte. Jedenfalls verleiht die Bindungswirkung dem Angebotsempfänger die durch den Antragenden nicht mehr einseitig entziehbare Möglichkeit, den Vertragsschluss durch die Annahmeerklärung herbeizuführen (Annahmeposition).

Der Antragende kann also ein Interesse daran haben, die Bindungswirkung des Antrages gemäß § 145 BGB letzter Halbsatz auszuschließen oder zu begrenzen. Hierzu werden in der Praxis gerne Formulierungen wie "freibleibend", "ohne obligo" oder "unverbindlich" gewählt. Da diese Wendungen aber zum Ausdruck bringen, dass sich der Erklärende nicht nur die Möglichkeit offen halten möchte, den Antrag gegebenenfalls zu widerrufen, sondern dass er darüber hinaus auch noch nach dem Zugang der Annahmeerklärung frei darüber entscheiden möchte, ob es zum Vertragsschluss kommt oder nicht, qualifiziert die ganz herrschende Meinung eine mit diesen Wendungen versehene Erklärung nicht als Antrag, bei dem die Gebundenheit ausgeschlossen ist, sondern als invitatio ad offerendum. Allerdings bewirkt eine solche Erklärung immerhin eine Erklärungsobliegenheit. Das bedeutet, dass das Schweigen des Erklärenden auf ein Angebot, das ihm auf sein "unverbindliches Angebot" hin gemacht wird, nach Treu und Glauben und der Verkehrssitte als Annahme gewertet werden kann. Der Antragende kann seinen Antrag aber auch gemäß § 145 BGB letzter Halbsatz mit einem "Widerrufsvorbehalt" versehen. In diesem Fall kann der Antragende sein Angebot jederzeit bis zum Zugang der Annahmeerklärung widerrufen. Ob der Erklärende nur eine invitatio ad offerendum oder aber schon einen Antrag mit Widerrufsvorbehalt abgegeben hat, ist durch Auslegung zu ermitteln. Ein Antrag mit Widerrufsvorbehalt wird insbesondere bei der Klausel "Zwischenverkauf vorbehalten" angenommen.

Die mit der Bindungswirkung des Antrags verbundenen Folgen begründen ein Interesse des Antragenden, nicht auf ewig sein Vertragsangebot aufrechterhalten zu müssen, zumal er es bei Nichtannahme unter Umständen einem anderen Interessenten unterbreiten möchte. Die Bindungswirkung des Angebotes ist beseitigt und das Angebot kann auch nicht mehr angenommen werden, wenn der Antrag erlischt. Dies ist gemäß § 146 1. Alt. BGB dann der Fall, wenn der Antrag dem Antragenden gegenüber abgelehnt wird. Der Antrag erlischt aber auch (§ 146 2. Alt. BGB), wenn er nicht rechtzeitig angenommen wurde.

Der einfachste Fall nicht rechtzeitiger Annahme ist der, dass der Antragende eine Frist bestimmt hat, die die andere Partei nicht einhält. Die Fristsetzung ist für den Antragenden vorteilhaft, da sie für alle Beteiligten klarstellt, wann die Bindungswirkung des Antrages erlischt. Die Fristsetzung ist ein rechtsgeschäftlicher Akt, bei dem der Antragende völlig frei ist. Die Frist kann also nicht auf ihre Angemessenheit hin überprüft und gegebenenfalls korrigiert werden. Sie wird in der Regel ausdrücklich erklärt, kann aber auch konkludent erklärt werden. Eine solche konkludente Angebotsbefristung kann sich aus der Natur des angestrebten Rechtsgeschäfts ergeben. Ein Paradebeispiel hierfür ist das Angebot zum Kauf eines Loses, das für den Erklärungsempfänger erkennbar die Befristung erhält, dass es nur bis zur Ziehung des Loses angenommen werden kann. Hat der Antragende keine Frist bestimmt, so ist gemäß § 147 BGB zu entscheiden, innerhalb welcher Zeitspanne das Angebot angenommen werden kann.

Hierbei wird - wie schon beim Zugang - wieder die Frage relevant, ob die Willenserklärung unter Anwesenden oder unter Abwesenden abgegeben wurde. Wie wir bereits im Rahmen der Vorlesung erfahren haben, versteht das BGB unter "Anwesenheit" die Möglichkeit unmittelbarer Kommunikation der Parteien. Daher ist ein Antrag auch dann einem Anwesenden gegenüber abgegeben, wenn er mittels Fernsprecher von Person zu Person gestellt wurde, wie § 147 Absatz 1 Satz 2 BGB beispielhaft hervorhebt.

Wird das Angebot einem Anwesenden gegenüber abgegeben, so kann es von diesem nur "sofort" angenommen werden. Dabei bedeutet sofort zwar nicht, dass das Angebot "in Sekundenschnelle" angenommen werden muss, wohl aber, dass die Annahme so schnell wie objektiv möglich erfolgen muss. Selbst schuldloses Zögern verhindert also bei einem Antrag unter Anwesenden das Zustandekommen eines Vertrages. Der einem Abwesenden gemachte Antrag kann dagegen noch bis zu dem Zeitpunkt angenommen werden, in welchem der Antragende den Eingang der Antwort unter regelmäßigen Umständen erwarten konnte (§ 147 Abs. 2 BGB). Zur Ermittlung dieses Zeitraums hat es sich als sinnvoll erwiesen, die Zeit seit der Abgabe des Angebots in die jeweilige Transportfrist von Angebot und Annahme und in eine Überlegungsfrist zu unterteilen. Wie diese Fristen jeweils zu bemessen sind, hängt naturgemäß sehr vom Einzelfall ab, wobei sowohl die allgemeinen Umstände (z.B. Streik der Post, normale Beförderungsdauer eines Briefes) als auch die dem Antragenden bekannten besonderen Umstände auf Empfängerseite (z.B. Krankenhausaufenthalt, urlaubsbedingte Abwesenheit) zu berücksichtigen sind. Im Hinblick auf die Überlegungsfrist spielen insbesondere Art und Inhalt des Antrages eine wichtige Rolle. Dabei muss man z.B. mit einer längeren Zeit rechnen, wenn das Angebot einen komplexen Inhalt hat, der Empfänger noch Erkundigungen einholen oder Berechnungen anstellen muss oder wenn das Geschäft mit erheblichen Risiken verbunden ist.

Die Transportfrist der Annahmeerklärung hängt auch stark davon ab, welches Transportmedium die antwortende Partei wählen wird. Dabei kann der Antragende im Zweifel von dem Grundsatz der "Korrespondenz der Beförderungsmittel" ausgehen. Dies bedeutet, dass der Antragende mit einer Antwort per E-Mail rechnen kann, wenn er seinerseits das Angebot per E-Mail übermittelt hat, dass er aber grundsätzlich nicht davon ausgehen kann, sein per Briefpost übersandtes Angebot werde per E-Mail beantwortet.

Geht die Annahmeerklärung dem Antragenden verspätet zu (§§ 147 Absatz 2, 148 BGB), so kann sie keinen Vertragsschluss mehr herbeiführen. Die verspätete Annahme eines Antrages gilt vielmehr als neuer Antrag (§ 150 Absatz 1 BGB). Dieser Grundsatz erfährt aber dann eine Ausnahme, wenn die dem Antragenden verspätet zugegangene Annahmeerklärung für diesen erkennbar auf verkehrsüblichem Wege dergestalt abgesendet worden ist, dass sie dem Antragenden bei regelmäßiger Beförderung rechtzeitig zugegangen sein würde. In diesem Fall wird nämlich der rechtzeitige Zugang der Annahmeerklärung gemäß § 149 Satz 2 BGB fingiert, wenn nicht der Antragende ohne schuldhaftes Zögern eine Verspätungsanzeige an den Annehmenden absendet.

Die Vertragsannahme

Die Annahme eines Angebotes erfolgt durch eine an den Antragenden gerichtete, grundsätzlich empfangsbedürftige Willenserklärung. Der Inhalt einer Annahmeerklärung besteht in einer einschränkungslosen Bejahung des Antrages. Erfolgt die "Annahmeerklärung" dagegen unter Erweiterungen, Einschränkungen oder sonstigen Änderungen, so gilt diese Erklärung gemäß § 150 Absatz 2 BGB als Ablehnung verbunden mit einem neuen Antrag. § 150 Absatz 2 macht damit deutlich, dass die Annahme inhaltlich mit dem Antrag übereinstimmen muss. Ob dies der Fall ist, muss durch Auslegung (§§ 133, 157 BGB) sowohl des Antrags wie der auf ihn folgenden Willenserklärung der anderen Partei ermittelt werden. Dies wird in Lehrbüchern häufig am Beispiel der Bestellung einer vom Angebot abweichenden Warenmenge diskutiert.

Bestellt die auf das Angebot antwortende Partei weniger als in dem Antrag angeboten wurde, so hängt es alleine von der Auslegung des Vertragsangebotes ab, ob diese Willenserklärung eine Annahme darstellt. Ist dem Angebot nämlich zu entnehmen, dass die in ihm genannte Menge lediglich eine Höchstmenge darstellen sollte, dass der Antragende aber auch mit jeder Annahme, die unter dieser Höchstmenge bleibt, einverstanden ist, dann kommt auch durch die Bestellung einer geringeren als der im Angebot genannten Warenmenge ausnahmsweise ein Vertrag zu Stande. Bestellt der Antragsempfänger dagegen eine größere als die im Angebot genannte Menge, so entscheidet die Auslegung der "Bestellung" darüber, ob diese zum Vertragsschluss führt. Dies ist dann der Fall, wenn die Erklärung "teilbar" ist, d.h. wenn man ihr entnehmen kann, dass sie als mit einem Angebot über die Restmenge verbundene Annahmeerklärung zu verstehen ist.

Die Annahme kann als Willenserklärung wie das Angebot auch konkludent erklärt werden. Dabei braucht die Annahme nicht einmal gegenüber dem Antragenden erklärt zu werden, wenn eine solche Erklärung nach der Verkehrssitte nicht zu erwarten ist oder der Antragende auf sie verzichtet hat (§ 151 Satz 1 BGB). Unter den Voraussetzungen des § 151 Satz 1 BGB ist also die Annahmeerklärung ausnahmsweise nicht empfangsbedürftig. Dies macht es möglich, dass die Annahme durch Erfüllungs-, Aneignungs- oder Gebrauchshandlungen erklärt werden kann. Eine Annahme durch eine Erfüllungshandlung kommt z.B. dann in Betracht, wenn das Versandunternehmen auf eine Bestellung eines Kunden hin die an den Besteller adressierte Ware zur Post aufgibt oder wenn der Hotelbesitzer auf eine kurzfristige, telegraphische Bestellung hin, den Gast in das Gästeverzeichnis einträgt und andere Gäste abweist. Im ersteren Fall greift § 151 Satz 1 BGB deshalb ein, weil im Versandhandel eine entsprechende Verkehrssitte besteht, im letzteren Fall, weil der Kunde, der so kurzfristig ein Hotelzimmer bestellt, konkludent auf den Zugang der Annahmeerklärung verzichtet hat.

Eine Annahme durch Aneignungs- oder Gebrauchshandlungen ist etwa anzunehmen, wenn der Empfänger unbestellt zugesandter Waren, diese in Gebrauch nimmt ,z.B. indem er seinen Namen in ein zugesandtes Buch schreibt und es liest (vgl. dazu den Fall "Unbestellte Ware"). Die Vertragsannahme durch Aneignungs- oder Gebrauchshandlungen wird daher in erster Linie bei Realofferten in Betracht kommen. Einer Realofferte wird man regelmäßig auch einen konkludent erklärten Verzicht auf den Zugang der Annahme im Sinne des § 151 Satz 1 2. Alt. BGB entnehmen können.

Die Rechtsnatur der nach § 151 Satz 1 BGB nicht empfangsbedürftigen Annahme ist streitig. Überwiegend wird in einer solchen Annahme eine ganz normale Willenserklärung gesehen, die eben nur nicht empfangsbedürftig ist. Damit ließen sich die obigen Beispiele der Annahme durch Erfüllungs-, Gebrauchs- oder Aneignungshandlungen ganz einfach als konkludente Willenserklärungen einordnen. Demgegenüber wird aber auch vertreten, bei der nicht empfangsbedürftigen Annahme handele es sich nicht um Willenserklärungen, sondern um davon zu unterscheidende "Willensbetätigungen". Dies wird damit begründet, dass die Willenserklärung ihrer Grundstruktur nach einen Kundgabezweck verfolge, während die Willensbetätigung lediglich durch Herstellung eines tatsächlichen Zustandes Rechtsfolgen herbeiführe, ohne dass es dabei auf die Willenskundgabe des Erklärenden ankomme. Diesem Streit kommt jedoch keine praktische Relevanz zu, da die Willensbetätigungen im Wesentlichen nach den gleichen Regeln wie die Willenserklärungen behandelt werden sollen.

Vergegenwärtigt man sich noch einmal, dass eine Annahmeerklärung die vorbehaltlose Zustimmung zum Vertragsangebot erfordert, dann kann bei "sich überkreuzenden Anträgen" in keiner der Willenserklärungen eine Annahmeerklärung gesehen werden, auch wenn eine der Erklärungen der anderen zeitlich nachfolgt. So liegt es z.B. wenn A dem B einen Brief schreibt, in dem er ihm seinen Pkw für 10.000 Euro anbietet und B, ohne den Brief des A zu kennen, dem A schreibt, er wolle den Pkw des A für 10.000 Euro erwerben. Da in diesem Fall in keiner der Erklärungen die auf den Antrag der einen Partei Bezug nehmende Zustimmung der anderen Partei gesehen werden kann, kommt es hier nicht zum Vertragsschluss durch Angebot und Annahme. Es wird daher die Ansicht vertreten, dass bei inhaltlich übereinstimmenden sich überkreuzenden Willenserklärungen kein Vertrag zu Stande komme, da ein Vertragsschluss auf jeden Fall voraussetze, dass die Willenserklärungen der Parteien mit Bezug aufeinander abgegeben werden. Es genüge demnach für den Vertragsschluss nicht, dass die Erklärungen ohne Bezug nebeneinander herlaufen. Demgegenüber wird kritisch eingewandt, dass der Vertragsschluss lediglich zwei sich inhaltlich deckende Willenserklärungen der Parteien voraussetze. Für den Vertragsschluss durch sich überkreuzende, aber übereinstimmende Erklärungen komme es demnach nur darauf an, dass innerhalb der Annahmefrist der jeweiligen Anträge von der anderen Partei der Wille erklärt werde, die vertragliche Regelung in Geltung zu setzen.

Ein zusätzliches Problem des Vertragsschlusses kann daraus resultieren, dass der Antragende nach der Abgabe der Willenserklärung stirbt. Man könnte annehmen, dass in diesem Fall eine Willenserklärung, die dem Empfänger noch nicht zugegangen ist, unwirksam wird. Das BGB hat in § 130 Abs. 2 aber genau das Gegenteil angeordnet: "Auf die Wirksamkeit der Willenserklärung ist es ohne Einfluss, wenn der Erklärende nach der Abgabe stirbt oder geschäftsunfähig wird". § 130 Abs. 2 BGB ist seinem Wortlaut nach auch dann erfüllt, wenn der Erklärende Vorkehrungen getroffen hat, durch die der Zugang der Erklärung bewusst auf die Zeit nach seinem Tod hinausgeschoben wird. Die ganz herrschende Meinung belässt es denn auch grundsätzlich bei diesem Ergebnis und macht lediglich für den Fall des Widerrufes bestimmter bindend gewordener Verfügungen von Todes wegen (Widerruf wechselbezüglicher Verfügungen im gemeinschaftlichen Testament nach §§ 2271 Abs. 1 Satz 1, 2296 BGB; Rücktritt vom Erbvertrag nach §§ 2293, 2296 BGB) eine Ausnahme (vgl. nur Roth, Andreas, NJW 1992, 791).

Im Allgemeinen hindert also der Tod des Erklärenden das Wirksamwerden einer vor seinem Tode abgegebenen Erklärung mit deren Zugang nicht. Damit ist aber noch nicht gesagt, ob ein Vertragsangebot auch noch angenommen werden kann, wenn der Antragende nach der Abgabe der Willenserklärung gestorben ist. Dies hängt gemäß § 153 BGB vom Willen des Antragenden ab. Dabei ist grundsätzlich davon auszugehen, dass das Angebot auch im Falle des zwischenzeitlichen Versterbens des Antragenden fortgelten soll, es sei denn, dass ein anderer Wille des Antragenden anzunehmen ist. Dabei ist fraglich, was unter dem "Willen" des Antragenden zu verstehen ist. Davon hängt wiederum ab, wie dieser Wille zu ermitteln ist. Nach der herrschenden Meinung handelt es sich bei dem "Willen" im Sinne des § 153 BGB um den hypothetischen Willen des Antragenden (vgl. MüKo-Kramer, § 153 Rdnr. 3). Nach dieser Auffassung ist also aus den tatsächlichen Umständen (z.B. durch Befragung von Zeugen) zu ermitteln, ob der Antragende das Angebot auch dann hätte gelten lassen wollen, wenn er bei der Abgabe vorausschauend seinen Tod bedacht hätte. Da es bei dieser Betrachtungsweise nur auf den Willen des Erklärenden ohne Rücksicht darauf ankommt, ob dieser Wille für den Erklärungsempfänger auch erkennbar war, wird von den Vertretern dieser Auslegung dem Empfänger ein Ersatz des Vertrauensschadens analog § 122 BGB zugebilligt, wenn er im Vertrauen auf das Zustandekommen des Vertrages bereits Dispositionen getroffen hat, die sich im Nachhinein als nutzlos erweisen.

Demgegenüber versteht eine beachtliche Mindermeinung unter dem "Willen" im Sinne des § 153 BGB den durch Auslegung der Willenserklärung nach §§ 133, 157 BGB zu ermittelnden normativen Willen des Erklärenden (vgl. so etwa MüKo-Kramer, § 153 Rdnr. 3). Danach müsste man den Willen danach ermitteln, ob der Empfänger der Erklärung nach Treu und Glauben und der Verkehrssitte entnehmen konnte, dass der Antragende die Erklärung auch für den Fall seines Todes aufrechterhalten wollte.

Welcher Auffassung man sich letztlich auch anschließen will, so ist nach allen Auffassungen § 153 BGB jedenfalls zu entnehmen, dass man im Zweifel von der Annahmefähigkeit einer vor dem Tode des Erklärenden abgegebenen Willenserklärung auszugehen hat.

Typische Beispiele eines beim Tode des Antragenden ausnahmsweise nicht annahmefähigen Antrages sind etwa Bestellungen für den persönlichen Bedarf oder Angebote persönlich zu erbringender Leistungen (Beispiel: Schlagersänger bietet einen Auftritt in einer Fernsehsendung an und verstirbt nach Absendung des Angebotes).

Modifié le: dimanche 5 décembre 2010, 15:17