Am 5. Mai 1521, also vor recht genau 500 Jahren, notiert Albrecht Dürer im Tagebuch seiner Reise in die Niederlande, dass er in Antwerpen von Meister Joachim Patinir eingeladen worden sei – "der gute Landschaftsmaler". Damit hat Dürer erstmals in deutscher Sprache eine künstlerische Spezialisierung und eine malerische Gattung begrifflich auf den Punkt gebracht. Die Vorlesung geht der Entwicklung der Landschaftsmalerei als einem medialen Gefüge nach, das für eine ästhetische Auffassung von 'Natur' genauso von Bedeutung gewesen ist wie für soziale und ökonomische Praktiken, sich Raum und Welt anzueignen und verfügbar zu machen. Dass die Landschaftsmalerei als 'autonome' Gattung just in der ersten großen maritimen Expansionsphase Europas in Erscheinung tritt, bildet dabei einen zentralen Ausgangspunkt für unsere Überlegungen: Bereits in ihrer Frühphase ist die europäische Landschaftskunst ein Projekt der imaginären und realen 'Landnahme' dies- und jenseits der ozeanischen Horizonte. Die Hauptetappen dieser Entwicklung von den sog. flämischen Weltlandschaften um 1500 bis zu Alexander von Humboldts Vorlesungen über die Landschaftsmalerei als 'Anregungsmittel zum Naturstudium' um 1850 werden in der Vorlesung in 13 Kapiteln dargelegt.
Einführende Literatur
- Barrell, John: The Dark Side of the Landscape: The Rural Poor in English Painting 1730-1840, Cambridge 1980.
- Busch, Werner (Hg.), Landschaftsmalerei, Berlin 1997 (Geschichte der klassischen Bildgattungen in Quellentexten und Kommentaren Bd. 3).
- Büttner, Nils: Die Erfindung der Landschaft: Kosmographie und Landschaftskunst im Zeitalter Bruegels. Göttingen 2000.
- Expedition Kunst: die Entdeckung der Natur von Caspar David Friedrich bis Alexander von Humboldt, hrsg. von Jenns E. Howoldt und Uwe M. Schneede, Ausst.-Kat. Hamburger Kunsthalle 2002.
- DozentIn: Nadine Pamela Linz
- DozentIn: Joachim Rees
In den Fürstenstaaten der Frühen Neuzeit haben Frauen häufig temporär oder über lange Zeiträume hinweg politische Macht ausgeübt: als Regentinnen minderjähriger Prinzen, als Statthalterinnen in einem dynastischen Herrschaftsverband oder als Königinnen eigenen Rechts. Selbst als 'Favoritin' oder 'maitresse en titre' eines männlichen Herrschers haben Frauen informell an politischer Macht partizipiert. Für die visuelle Repräsentation weiblicher Macht im weltlichen Bereich mussten vielfach neue Bildformen gefunden werden, weshalb sich die Inszenierung der Herrscherin im vormodernen Europa durch eine große typologische und ikonographische Vielfalt auszeichnet. Im Seminar verschaffen wir uns einen Überblick über diesen Bereich weiblich geprägter Bildkultur von den Bildnissen Elisabeths I. von England über Rubens' Gemäldezyklen für Maria de' Medici und Isabella Clara Eugenia bis zu den geschmackskulturellen 'Influencerinnen' des 18. Jahrhunderts, die Marquise de Pompadour und die Comtesse du Barry. Mit dem (Bild-) Kult um die preußische Königin Luise um 1800 und Königin Viktoria v. Großbritannien behandeln wir abschließend die Frage, wie sich das Bild der Herrscherin im Zeitalter des Nationalismus am Beginn der Moderne verändert.
Einführende Literatur
- Baumbach, Gabriele / Bischoff, Cordula (Hgg.): Frauen und Bildnis 1600-1700. Barocke Repräsentationskultur an europäischen Fürstenhöfen, Kassel 2003.
- Baumgärtel, Bettina / Neysters, Silvia (Hgg.): Die Galerie der Starken Frauen. Regentinnen, Amazonen, Salondamen, München 1995.
- Gaehtgens, Barbara: Artikel "Regentin", in: Handbuch der politischen Ikonographie, hrsg. v. Uwe Fleckner, Martin Warnke, Hendrik Ziegler, Bd. 2, München 2011, S. 293-303.
- Lunenfeld, Marvin: The Royal Image: Symbol and Paradigm in Portraits of Early Modern Female Sovereigns and Regents, in: Gazette des Beaux-Arts, 97 (1981), S. 157-161.
- Roggendorf, Simone / Ruby, Sigrid (Hgg.): (En)gendered: Frühneuzeitlicher Kunstdiskurs und weibliche Porträtkultur nördlich der Alpen, Marburg 2004.
- DozentIn: Nadine Pamela Linz
- DozentIn: Joachim Rees
Besuche in Museen und Ausstellungen bestätigen immer wieder auf Neue, dass die Betitelung eines Kunstwerks ein stark nachgefragtes und höchst folgenreiches Text-Bild-Gefüge darstellt: Betrachter:innen suchen zielgerichtet Wandbeschilderungen mit Werktiteln auf und manche Titel – wie "Mona Lisa", "Nachtwache" oder "Guernica" – haben längst den Status von persönlichen Eigennamen erlangt, die in der Welt der Kunst offenbar kein zweites Mal vergeben werden können. Wir gehen in der Lehrveranstaltung der Geschichte von Werkbenennungen nach und fragen dabei insbesondere nach den rhetorischen Formen und rezeptionssteuernden Funktionen von Gemäldetiteln. Die Entstehung des Kunstmarkts im 17. Jh., das kunstakademische Ausstellungswesen im 18. Jh. sowie das Netzwerk der privaten Kunstgalerien im 19 Jh. bilden dabei jeweils eigene Praktiken und Formate der Betitelung aus. Die seit dem frühen 20. Jh. einsetzenden und bis heute variierten Strategien der Nichtbetitelung oder Titelverweigerung, die wir gemeinsam analysieren wollen, lassen sich historisch besser einordnen, wenn wir zuvor geklärt haben, warum der 'Titelzwang' des modernen Kunstsystems überhaupt entstanden ist. Die Teilnahme an der Lehrveranstaltung ist an die Übernahme eines ca. 30-minütigen Referats und die Bereitschaft geknüpft, sich aktiv an der Seminardiskussion zu beteiligen.
Einführende Literatur
- Bock, Nicolas: De Titulis: zur Vorgeschichte des modernen Bildtitels (Kunstwissenschaftliche Studien, Bd. 195) Berlin/München 2017.
- Kim, Sukmo: Bildtitel: eine Kunstgeschichte des Bildtitels, Hamburg 2015.
- Laurence Brogniez (Hg.): Ceci n'est pas un titre: les artistes et l'intitulation, Lyon 2014.
- Vogt, Tobias: Untitled: zur Karriere unbetitelter Kunst in der jüngsten Moderne, München 2006.
- Welchman, John C.: Invisible Colors: A Visual History of Titles, New Haven 1997.
- Yeazell, Ruth Bernard: Picture Titles: How and Why Western Paintings Acquired Their Names, Princeton/Oxford 2015.
- DozentIn: Nadine Pamela Linz
- DozentIn: Joachim Rees
Was ist ein Denkbild? Auf diese Frage geben Philosophie, Kunst- und Literaturwissenschaften unterschiedliche Antworten. Ein Minimalkonsens dürfte in der Annahme bestehen, dass im ›Denkbild‹ Visuelles, Sprachliches und Kognitives prägnant verdichtet und miteinander vermittelt werden. Walter Benjamin hat den offenen Formbegriff ›Denkbild‹ durch seine in den 1920er Jahren entstandenen kurzen Prosaskizzen nachhaltig geprägt: vordergründig in der modernen Großstadt und ihren Medien verankert, setzt eine momentane Seherfahrung weitreichende historische und erkenntnistheoretische Reflexionen frei. Das dahinter liegende Konzept des bildhaften Verstehens reicht dabei weit in die frühneuzeitliche Tradition der Emblematik zurück. Die Lehrveranstaltung greift diese Ambivalenz im Sinne Benjamins auf und widmet sich in Fallstudien visuellen und textuellen Figurationen anschaulicher Erkenntnis von Dürer bis zur abstrakten Fotografie in historischer und systematischer Perspektive. Die Teilnahme ist an die Übernahme eines Referats und die aktive Beteiligung an den Seminardiskussionen geknüpft.
Einführende Literatur
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Bachmayer, Hans Matthäus (Hg.): Bildwelten – Denkbilder, München 1986.
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Kellein, Thomas: Fotografische Denkbilder heute, in: Abstrakte Fotografie, Ausst.-Kat. Kunsthalle Bielefeld, hg. v. Thomas Kellein u. Angela Lampe, Ostfildern-Ruit 2000, S. 223-237.
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Leifeld, Britta: Das Denkbild bei Walter Benjamin: die unsagbare Moderne als denkbares Bild, Frankfurt/M., Bern, Berlin u.a., 2000.
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Rump, Mark C.: Denkbilder und Denkfotografien: Übereinstimmungen und Unterschiede in den Ansätzen Walter Benjamins und Vilém Flussers, in: Fotografie denken. Über Vilém Flussers Philosophie der Medienmoderne, hg. v. Gottfried Jäger, Bielefeld 2001, S. 39-60.
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Naumann, Barbara, Pankow, Edgar (Hg.): Bilder-Denken: Bildlichkeit und Argumentation, München 2004.
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Gelshorn, Julia: Das Netzwerk: zu einem Denkbild in Kunst und Wissenschaft, in: Hubert Locher, Peter J. Schneemann (Hg.): Grammatik der Kunstgeschichte. Sprachproblem und Regelwerk im "Bild-Diskurs" (Festschrift Oskar Bätschmann zum 65. Geburtstag), Zürich 2008, S. 54-77.
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Seeba, Hinrich C.: Denkbilder. Zur visuellen Erkenntnis in Kunst und Literatur, in: Ders.: Denkbilder. Detmolder Vorträge zur Kulturgeschichte der Literatur, Bielefeld 2011, S. 179-204.
- DozentIn: Nadine Pamela Linz
- DozentIn: Joachim Rees