Es scheint plausibel, ja selbstverständlich anzunehmen, dass zwischen Werken verschiedener Kunstzweige in ontologischer Hinsicht erhebliche Unterschiede bestehen können.

Die Basis der Zugänglichkeit eines sprachlichen Kunstwerks beispielsweise, etwa eines gelungenen Romans, bilden im Allgemeinen zahlreiche physische Objekte, nämlich die Exemplare der verschiedenen legitimen Ausgaben und Auflagen; keines dieser Objekte läuft Gefahr, als Fälschung des betreffenden Romans diskreditiert zu werden. Anders bei Gemälden. Ein Gemälde scheint immer nur in einem einzigen physischen Objekt seine Existenz und Zugänglichkeit zu besitzen. Tauchen auf dem Kunstmarkt zwei Objekte auf, von denen jedes mit dem Anspruch angeboten wird, es sei das fragliche Gemälde, so wird jeder schon von vornherein sagen: Bei einem dieser Objekte (mindestens einem) muss es sich um eine Fälschung handeln.

Unbeirrt von solchen Differenzbefunden vertritt M. E. Reicher in ihrem Buch Werk und Autorschaft. Eine Ontologie der Kunst von 2019 die zunächst überraschend, ja abenteuerlich wirkende These, es seien sämtliche Werke (nicht nur Kunstwerke) in ontologischer Hinsicht von derselben Art, es handle sich nämlich durchweg um abstrakte Objekt. Wie das?

Aus Reichers Rechtfertigung dieser These, aus den dafür beigebrachten Beobachtungen, vorgenommenen terminologischen Klärungen und anderen Vorbereitungen kann man in allgemeinontologischer wie werkontologischer Hinsicht eine Menge lernen, selbst wenn man sich die Hauptthese am Ende nicht zu eigen macht.

Das Buch soll im Seminar gelesen und auf der Grundlage studentischer Referate diskutiert werden. Die Anschaffung wird empfohlen.

Zeit: Dienstag 18:00 - 20:00
Ort: Gebäude A2 3, Raum 0.09