Die Leistungen des Prager Philosophen Bernard Bolzano (1781-1848) sind ebenso zahlreich wie beeindruckend. Bereits 100 Jahre vor Tarski formulierte er eine präzise Definition des Begriffs der logischen Folgerung, erzielte bahnbrechende mathematische Resultate (u.A. den Satz von Bolzano-Weierstrass) und entwickelte originelle Positionen zu beinahe allen Themen der theoretischen und praktischen Philosophie.

Wie kommt es, dass seine Texte bisher nicht zum Kanon der Philosophie zählen? Ein wesentlicher Grund dafür ist, dass Bolzano aufgrund seiner progressiven Ansichten zu sozialen Fragen sehr früh in seiner Karriere mit einem Lehr- und Publikationsverbot belegt wurde. Vor allem seine philosophischen Schriften wurden daher erst im Laufe des 20ten Jahrhunderts wiederentdeckt. Gerade in den letzten Jahrzehnten werden sie jedoch in der theoretischen Philosophie zunehmend rezipiert. In diesem Zusammenhang ist Michael Dummetts Einschätzung, dass Bolzano als "Urgroßvater der Analytischen Philosophie" angesehen werden kann, noch immer adäquat: die Thesen und Argumente, die Bolzano für seine Positionen vorträgt, lesen sich in Teilen wie aktuelle Beiträge zu Sprachphilosophie und Metaphysik. Bolzanos Texte sind zudem nicht nur wegen ihrer Themen interessant, sondern auch aufgrund ihres Stils. Bolzano geht in außerordentlich sorgfältiger und wohlwollender Weise mit den Positionen anderer Autoren um und stellt so ein positives Beispiel für den konstruktiven Umgang mit dem Werk anderer dar.

Im Seminar werden wir uns mit den zentralen Themen der theoretischen Philosophie Bolzanos befassen. Dazu gehört vor allem seine Theorie des Begriffs und seine Theorie der Proposition, die Bolzano in Auseinandersetzung mit zahlreichen neuzeitlichen Philosophen entwickelt, sowie seine umfangreiche Analyse verschiedener Folgerungsbegriffe und seine Theorie der Erklärung.

Literatur: wird in der ersten Sitzung bekanntgegeben

Zeit: Donnerstag 14-16Uhr
Ort: Gebäude A2 2 - Seminarraum 2.01