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Algerienkrieg, Dekolonialisierung und die Sciences humaines et sociales

Weder Algerien noch Frankreich noch ihre histoire croisée sind ohne die „Algerische Befreiungsrevolution“ (1954-1962), wie der Krieg auf Arabisch bezeichnet wird, zu verstehen. Als widersprüchliches und brutales Ende einer besonderen Kolonialstruktur (Algerien war verwaltungstechnisch ein Teil Frankreichs), gehört der Krieg maßgeblich zum Ende des französischen Kolonialreiches insgesamt. Die Bedeutung des Krieges reicht daher weit über die Ereignishaftigkeit hinaus und stellt einen wesentlichen Bezugspunkt im dekolonialen Denken dar. Dies gilt nicht nur für das politische Feld, sondern auch für den Bereich wissenschaftlicher Erkenntnis – über Krieg und Frieden, die Komplexität hegemonialer Strukturen und dekolonialer Prozesse, moderner Gesellschaften und partizipativer Ansprüche sowie der weltweiten Austauschprozesse. In der Reflexion der Algerien-Frage werden Fragen aufgeworfen und Methoden entwickelt, die auf die Kultur- und Sozialwissenschaften weltweit erheblichen Einfluss haben sollten: Gaston Bouthoul erfindet die „Polémologie“ als Soziologie des Krieges und Mohammed Harbi wirft die Frage der politischen Bedeutung der Kriegsarchive auf. Frantz Fanon entwickelt seine psychiatrischen Arbeiten zur Folter, seine Psychologie des Widerstands und seine Kritik des Kolonialismus, die bis heute weltweit wirkmächtig sind. Pierre Bourdieu macht die Fotografie neu wirksam für die Ethnografie und entwickelt mit den Arbeiten zur Kabylei die Grundpfeiler seiner allgemeinen Sozialtheorie. Das Seminar möchte diesen Zusammenhängen nachgehen und dabei den Zusammenhang von Kolonial-, Kriegs-, Befreiungserfahrung und Wissensgenese nachspüren. Dabei wird uns auch die Diskussion um die Erinnerung und historische Darstellung des Algerienkriegs selbst beschäftigen, die in Frankreich von Camus‘ Nobelpreisrede an bis zu den Arbeiten von Benjamin Stora und Raphaëlle Branche polemisch geführt wird.

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