Lieber Herr Klein,
im Mittelalter gab es eine Vielzahl von Jahresberechnungen. Gerade im Frühmittelalter finden Sie noch mehrere Varianten nebeneinander. In älteren Annalenwerken aus der Merowinger- oder frühen Karolingerzeit können Sie das sehr schön sehen. Nehmen Sie das Chronicon Moissiacense (einsehbar: https://www.dmgh.de/mgh_ss_1/index.htm#page/282/mode/1up). Dort wird nach den Jahren der byzantinischen Kaiser datiert. Gelegentlich finden Sie Angaben nach "ab urbe condita" und ab dem 8. Jahrhundert geht die gleiche Chronik dazu über, der Datierung nach Christi Geburt den Vorrang einzuräumen. In einigen Annalenwerken wird noch nach der Weltära datiert.
Wenn Sie Herrscher- oder Papsturkunden als Maßstab nehmen, so wird noch sehr lange nach Herrscherjahren datiert, bevor dann daneben auch nach Christi Geburt datiert wird. Dieser Prozesse setzt erst in der Zeit des Beda Venerabilis ein. Karl der Große beispielsweise hat die Inkarnationsdatierung noch nicht verwendet.
Nach Diokletian ist im europäischen Mittelalter allerdings nicht mehr datiert worden, anders als in der östlichen Christenheit (Ägypten, Äthiopien) wo dies als "Ära der Märtyrer" gerechnet wird.
mit freundlichen Grüßen,
Christian Vogel