Disziplinen und disziplinübergreifende Wissensbereiche

Die disziplinübergreifenden Wissensbereiche können wir in drei Kategorien erfassen: Begründungswissen, Informationswissen und Darstellungswissen.

Zäumen wir das Pferd von hinten auf, so umfasst das Darstellungswissen die Regeln für die Anfertigung von Referaten, Protokollen, Gutachten, Urteilen, Verfügungen und Beschlüssen. Im Zuge der Universitätsausbildung von besonderer Bedeutung ist die Darstellung einer Lösungsentwicklung in Form eines Gutachtens. Diese Form beherrscht die Hausarbeiten und Klausuren in den universitären Übungen wie im Ersten juristischen Staatsexamen. Das Informationswissen soll uns die Wege weisen, wie man an das Basismaterial des Juristen zur Bewältigung seiner Aufgaben herankommt: die Gesetze, die Rechtsprechung und die Literatur. Was aus der Flut des Basismaterials relevant ist für die Beantwortung einer juristischen Fallfrage und ob das Basismaterial überhaupt ausreicht, praktische juristische Fälle zu lösen, das erfährt man allein aus Überlegungen zum allgemeinen und zum speziell juristischen Begründungswissen.

Die rechtswissenschaftlichen Disziplinen, die uns in den Plänen für das Studium der Rechtswissenschaft ebenso wie in dem Fächerkatalog, den die verschiedenen Prüfungsordnungen vorgeben, entgegentreten, lassen sich danach unterscheiden, mit welchem Ziel man den jeweiligen Stoff angeht.

Die Rechtsdogmatik macht sich zur Aufgabe, Antworten auf das bereitzuhalten, was hic et nunc rechtens ist. Die Rechtsgeschichte betrachtet die Rechtsordnungen vergangener Zeiten und vermag so häufig Verbindungslinien zwischen früheren Rechtsordnungen und heute geltenden Rechtsordnungen verschiedener Staaten herzustellen: Das römische Recht ist die Mutter vieler europäischer Rechtsordnungen und damit vielleicht die Basis für die Zukunftsaufgabe der europäischen Privatrechtsangleichung! Die Rechtsphilosophie stellt vor allem die Frage nach dem richtigen Recht und seiner Begründbarkeit, die Frage nach der Gerechtigkeit. Sie ist das Fundament allen Rechts, das auf die Verwirklichung der Rechtsidee (= Gerechtigkeit) zustrebt. Die Rechtstheorie leistet vor allem Strukturanalysen über Normen und Argumentationen. In der Begründungslehre geht sie eine Verbindung mit der Rechtsphilosophie ein. Die Rechtsinformatik befasst sich mit den Einsatzmöglichkeiten der EDV im Recht, nicht etwa mit den Rechtsfragen, die die EDV aufwirft. Die Rechtssoziologie betrachtet das Recht unter einem empirisch-theoretischen Standpunkt. Stärker empirisch ausgerichtete Analysen nennt man Rechtstatsachenforschung. Sie können etwa Zusammenhänge zwischen Kriminalität und Sozialisation oder Richterherkunft und Entscheidungsinhalten versuchen herzustellen.

Unsere Bemühungen haben ihren Schwerpunkt im geltenden Recht. Für es gewinnt eine weitere Gliederung Bedeutung: die Einteilung des Rechts in Rechtsgebiete. Schaut man sich den Studienplan für das Studium der Rechtswissenschaft unter diesem Gesichtspunkt an, so scheint das geltende Recht in drei Bereiche geteilt: das Bürgerliche Recht, das Öffentliche Recht und das Strafrecht. In diesen Bereichen muss man Scheine erwerben, um überhaupt zum Ersten Staatsexamen zugelassen zu werden.

Noch grundlegender ist eine andere Differenzierung: die nach privatem und öffentlichem Recht. An sie knüpft eine Rechtsgebietseinteilung an, die ganz verschiedene Funktionen erfüllt. Einmal dient sie der leichteren Orientierung in der Flut von Normen, Entscheidungen und literarischen Stellungnahmen, die für eine rechtliche Beurteilung relevant werden können. Zum anderen haben sich für die verschiedenen Bereiche unterschiedliche Rechtsprinzipien herausgebildet, die vor allem eine Orientierung in solchen Problemlagen ermöglichen sollen, in denen die Gesetze die Antwort schuldig bleiben. Und schließlich ist unser Gerichtswesen in großem Umfang sachlich an der Rechtsgebietseinteilung ausgerichtet. So bestimmt etwa § 13 GVG:

"Vor die ordentlichen Gerichte gehören alle bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten und Strafsachen, für die nicht entweder die Zuständigkeit von Verwaltungsbehörden oder Verwaltungsgerichten begründet ist oder auf Grund von Vorschriften des Bundesrechts besondere Gerichte bestellt oder zugelassen sind."

Und § 40 Abs. 1 VwGO lautet:

"Der Verwaltungsrechtsweg ist in allen öffentlich-rechtlichen Streitigkeiten nichtverfassungsrechtlicher Art gegeben, soweit die Streitigkeiten nicht durch Bundesrecht einem anderen Gericht ausdrücklich zugewiesen sind ...."
Zuletzt geändert: Samstag, 26. September 2009, 12:35