Grundsatz der Formfreiheit

Das Bürgerliche Gesetzbuch geht vom Prinzip der Formfreiheit aus. Die Formfreiheit ist eine Folge der Privatautonomie. Die Privatautonomie lässt dem Erklärenden die Wahl, in welcher Art und Weise er seinen Willen äußern möchte. Ausnahmsweise jedoch gebietet das Gesetz die Einhaltung einer bestimmten Form. Diese Einschränkung der Privatautonomie findet ihre Rechtfertigung in den Formzwecken.

Formzwecke

Die Formbedürftigkeit des Rechtsgeschäfts, die entweder auf Gesetz oder auf Parteivereinbarung beruht, kann verschiedenen Zwecken dienen. Meistens liegen den Formvorschriften mehrere Erwägungen zugrunde.

Schutzfunktion

Bei bestimmten Geschäften verlangt das Gesetz die Einhaltung einer Form, um den Beteiligten die wirtschaftliche Bedeutung des Geschäfts und das damit verbundene Risiko vor Augen zu führen (z.B. §§ 766, 780, 781 BGB). Formvorschriften, die vor allem dieser Schutzfunktion dienen, erkennt man daran, dass ein Kaufmann nach dem HGB nicht daran gebunden ist (§ 350 HGB). Dahinter steht der Gedanke, dass ein Kaufmann bei der Führung seiner Geschäfte so erfahren ist, dass er eines derartigen Schutzes nicht bedarf.

Beweisfunktion

Beweiszwecken dient insbesondere das Erfordernis der Handschriftlichkeit beim eigenhändigen Testament (§ 2247 BGB). Ansonsten erleichtern alle Formvorschriften wegen der Verkörperung der Erklärung den Beweis. Eine Vorschrift, die den Beweis durch Schriftstücke zwingend erfordert, gibt es im deutschen Recht nicht. In Frankreich hingegen erfordert Art. 1341 Code civil ab einem summenmäßig bestimmten Streitwert (5.000,00 FF laut Dekret vom 15. Juli 1980) einen Beweis durch Schriftstücke. Ein Zeugenbeweis ist dann nicht mehr zulässig. Interessant ist dabei, dass die Schriftform keine Wirksamkeitsvoraussetzung der Erklärung ist. Auch das amerikanische Recht kennt mit dem statute of frauds Regeln, welche die Durchsetzung vertraglicher Verpflichtungen an ein vom Verpflichteten unterschriebenes Schriftstück binden.

Beratungsfunktion

In den Fällen, in denen als Form für die Willenserklärung eine notarielle Beurkundung vorgeschrieben ist, steht die Beratungsfunktion im Vordergrund (§§ 311b Abs. 1, 3 und 5, 518, 1410, 2276 BGB). Der Erklärende muss vom Notar hinsichtlich der rechtlichen Folgen und der Bedeutung des Geschäfts beraten und belehrt werden (§ 17 ff BeurkG, § 24 BNotO).

Arten der Formen

Schriftform (§ 126 BGB)

Verlangt das Gesetz die Schriftform, so muss die Urkunde vom Aussteller eigenhändig durch Namensunterschrift oder mittels notariell beglaubigten Handzeichens unterzeichnet werden (§ 126 Abs. 1 BGB).

(i) Eine Urkunde ist die schriftliche Verkörperung einer Erklärung. Das gesamte formbedürftige Rechtsgeschäft muss in einer Urkunde enthalten sein. Besteht die Urkunde aus mehreren Blättern, so muss deren Zusammengehörigkeit durch körperliche Verbindung oder in sonstiger Weise erkennbar gemacht werden.

(ii) Die Unterzeichnung muss den Text der Urkunde räumlich abschließen. Ein Nachtrag erfordert eine neue Unterschrift. Ein über dem Urkundentext stehender Namenszug ("Oberschrift") ist auch bei durchgestalteten Formularen, die eine Unterzeichnung am oberen Rand vorsehen, keine Unterschrift im Sinne der ZPO §§ 416 und 440 Abs. 2 (BGHZ 113, 48).

(iii) Das Erfordernis "durch Namensunterschrift oder mittels notariell beglaubigten Handzeichens" dient dem Zweck, dass der Aussteller zweifelsfrei festgestellt werden kann. Dabei genügt die Unterzeichnung mit dem Familiennamen oder die Verwendung eines Pseudonyms, wenn der Erklärende dadurch sicher ermittelt werden kann.

(iv) Die Unterschrift muss stets eigenhändig vom Erklärenden selbst und mit der Hand geleistet werden. Deshalb genügt die Übermittlung einer Urkunde durch Telefax nicht der Schriftform (BGH NJW 1993, 1126). Eine Vertretung ist grundsätzlich möglich und wird in aller Regel durch die Zusätze i.V. oder i.A. kenntlich gemacht. Es ist ebenso anerkannt, dass der Vertreter mit dem Namen des Vertretenen unterschreiben darf.

Öffentliche Beglaubigung (§ 129 BGB)

Bei der öffentlichen Beglaubigung kommt zur Schriftform noch hinzu, dass ein Notar die Echtheit der Unterschrift oder des Handzeichens mittels eines auf die Urkunde gesetzten Vermerks bestätigt (§ 129 Abs. 1 BGB, §§ 39, 40 BeurkG). Der Notar bezeugt dadurch, dass die Unterschrift oder das Handzeichen in seiner Gegenwart zu dem angegebenen Zeitpunkt von dem Erklärenden vollzogen oder anerkannt worden ist (z.B. §§ 1154, 1155, 1945 BGB, § 29 GBO).

Notarielle Beurkundung (§ 128 BGB)

Hier wird die gesamte Erklärung und nicht lediglich die Unterschrift von einem Notar beurkundet. Der Notar bezeugt, dass die in der Urkunde benannte Person in seiner Gegenwart eine Erklärung des beurkundeten Inhalts abgegeben hat. Für bestimmte Fälle sieht das Gesetz vor, dass die Erklärung bei gleichzeitiger Anwesenheit beider Teile abgegeben werden muss (z.B. §§ 925, 1410, 2276 BGB).

Besondere Formerfordernisse

In manchen Fällen sieht das Gesetz besondere Formerfordernisse vor. So muss z.B. die Willenserklärung zur Eheschließung vor dem Standesbeamten bei gleichzeitiger Anwesenheit beider Eheschließenden persönlich erklärt werden (§§ 1310, 1311 BGB). Besondere Vorschriften gelten auch für das Testament (§ 2232 BGB für das öffentliche, § 2247 BGB für das privatschriftliche Testament).

Textform und elektronische Form

Der heutige Geschäftsverkehr bedient sich vielfach elektronischer Kommunikationsmöglichkeiten, die keiner der vorgestellten Formen genügen. Das gilt sowohl für das Telefax wie für die elektronische Post und das Ausfüllen von Bestellformularen im Internet. Soweit es um Rechtsgeschäfte geht, die formfrei sind, bringt das jedenfalls für die Gültigkeit der Geschäftsabschlüsse keine Probleme mit sich. Die Frage ist aber, ob nicht auch formbedürftige Rechtsgeschäfte über das Netz abgeschlossen können werden sollen, wenn es für den elektronischen Austausch von Willenserklärungen der Unterschriftsleistung und ihren Funktionen vergleichbare Verfahren geben sollte.

Die Frage ist inzwischen durch den Gesetzgeber beantwortet worden. In § 126 Abs. 3 BGB heißt es seit dem 1.8.2001:

Die schriftliche Form kann durch die elektronische Form ersetzt werden, wenn sich nicht aus dem Gesetz ein anderes ergibt.

Wie das Ersetzen der schriftlichen Form durch die elektronische Form erfolgt, bestimmt § 126a Abs. 1 BGB:

Soll die gesetzlich vorgeschriebene schriftliche Form durch die elektronische Form ersetzt werden, so muss der Aussteller der Erklärung dieser seinen Namen hinzufügen und das elektronische Dokument mit einer qualifizierten elektronischen Signatur nach dem Signaturgesetz versehen.

Das Signaturgesetz verweist uns auf ein asynchrones Verschlüsselungsverfahren unter Verwendung von Schlüsselpaaren aus öffentlichen und privaten Schlüsselteilen, das man qualifiziert nennt, wenn das Schlüsselpaar und die dazu gehörige Chipkarte von einem vom Bundesamt für Sicherheit im Internet (BSI) zertifizierten Anbieter stammen. Einen einführenden Vortrag, den der Verfasser auf einem Symposium in Izmir gehalten hat, findet der interessierte Leser hier. Man kann dabei auch einiges zur Rechtsgeschäftslehre wiederholen!

Rechtsfolgen des Formmangels

Ein Rechtsgeschäft, welches der durch Gesetz vorgeschriebenen Form ermangelt, ist nichtig (§ 125 S. 1 BGB), also von Anfang an nicht wirksam (Nichtigkeit ex tunc). Die Nichtigkeit kann jedoch durch besondere Anordnungen aufgehoben werden. Man spricht insoweit von der Heilung von Formmängeln. Zu erwähnen sind hier insbesondere die §§ 311b Abs. 1 S. 2, 518 Abs. 2 BGB, 494 Abs. 2 BGB und 507 Abs. 2 Satz 2 BGB. Der gemeinsame Gedanke dieser Heilungsmöglichkeiten liegt in den ersten beiden Fällen darin, dass der keines Schutzes mehr bedarf, der die Leistung erbracht hat. Denn spätestens dieses Opfer musste ihm zeigen, auf was er sich da eingelassen hat. In den beiden zuletzt genannten Fällen des Verbraucherkredites greifen diese Erwägungen nicht. Hier wird dem Gedanken Rechnung getragen, dass mit dem Erhalt der Kreditleistung dem Verbraucher auch der Kredit verbleiben soll. Allerdings werden die Kreditkonditionen dem Informationsstand des Verbrauchers angepasst.

Ist eine Nebenabrede eines formbedürftigen Rechtsgeschäfts formlos abgeschlossen worden, dann ist die Nebenabrede gemäß § 125 S. 1 BGB nichtig. Die Wirksamkeit des an sich formgültig abgeschlossenen Hauptteils richtet sich nach § 139 BGB. Danach ist das gesamte Rechtsgeschäft nichtig, wenn nicht anzunehmen ist, dass es auch ohne die nichtige Nebenabrede vorgenommen sein würde.

Dem Formzwang unterliegen alle Vereinbarungen, die nach dem Willen der Parteien zu dem formbedürften Geschäft gehören. Das gilt grundsätzlich auch für Änderungen des formbedürftigen Rechtsgeschäfts. Eine Ausnahme davon kommt in Betracht, wenn durch eine nachträgliche Vereinbarung nur unvorhergesehen auftretende Schwierigkeiten bei der Vertragsabwicklung beseitigt werden sollen und wenn die zu diesem Zweck getroffene Vereinbarung die beiderseitigen Verpflichtungen aus dem Vertrag nicht wesentlich verändert.

Werden durch eine Abänderung Verpflichtungen eines Vertragspartners eingeschränkt, dann kommt es auf die Formzwecke an, ob die Änderung formbedürftig ist. Bezweckt die Form lediglich den Schutz der Vertragspartei, deren Verpflichtungen eingeschränkt werden, dann ist die Abänderung auch formlos wirksam. Dient sie allerdings noch Beweiszwecken, dann müssen die Formanforderungen auch hier erfüllt werden.

Sofern für den Abschluss eines Vertrags eine Formvorschrift besteht, ist diese grundsätzlich auch für den Vorvertrag (ein Vertrag, durch den sich eine oder mehrere Parteien verpflichten, einen Hauptvertrag abzuschließen, aus dem sich dann erst die unmittelbare Pflicht zur Erbringung der eigentlich erstrebten Hauptleistung ergibt) einzuhalten. Allerdings kommt es auch auf die Funktion der jeweiligen Formvorschrift an. Dient sie lediglich der Beweissicherung, ist die Einhaltung der Form beim Hauptvertrag ausreichend.

Der Formzwang des § 311b Abs. 1 S. 1 BGB gilt auch für einen Vertrag, mit dem über die Vereinbarung eines empfindlichen Nachteils ein mittelbarer Zwang ausgeübt werden soll oder wird, Immobilien zu erwerben oder zu veräußern (z.B. in einem Maklervertrag). Eine solche Vereinbarung liegt insbesondere dann vor, wenn mit einem Vertragsstrafeversprechen oder einer ähnlichen Zusage in dem Maße Druck ausgeübt werden kann, dass der Schutzzweck des § 311b Abs. 1 S. 1 BGB gefährdet wird (BGH NJW 1987, 54 (54)). Aus ähnlichen Gründen bedarf in bestimmten Fällen auch die Vollmachtserklärung einer besonderen Form. Maßgebend ist, ob der Vollmachtgeber bereits durch die Erteilung der Vollmacht rechtlich und tatsächlich in gleicher Weise gebunden wird wie durch den Abschluss des formbedürftigen Rechtsgeschäfts selbst. In diesen Fällen wird § 167 Abs. 2 BGB, der an sich die Formfreiheit der Vollmachtserteilung vorsieht, teleologisch reduziert. Das gilt etwa für die unwiderrufliche Vollmacht und für eine Vollmacht, bei der der Bevollmächtigte von dem Verbot des Selbstkontrahierens (§ 181 BGB) befreit ist.

Es gilt der Grundsatz, dass die gesetzlichen Formvorschriften im Interesse der Rechtssicherheit unbedingt eingehalten werden müssen, und es geht nicht an, sie aus allgemeinen Billigkeitserwägungen außer Anwendung zu lassen. Ausnahmen hiervon sind nur in ganz besonders liegenden Fällen statthaft, sofern es nach den Beziehungen der Beteiligten und nach den gesamten Umständen mit Treu und Glauben unvereinbar wäre, vertragliche Vereinbarungen wegen Formmangels unausgeführt zu lassen (BGH NJW 1965, 812 (813)). Hierzu nun einige Erläuterungen:

Bewusste Nichtbeachtung der Form

Fall (vgl. Edelmannfall RGZ 117, 121):

A verspricht dem B als Belohnung für seine Dienste ein Grundstück. Auf das Verlangen des B nach notarieller Beurkundung (wegen § 313 S. 1 BGB a.F.) entgegnete A, B könne ganz beruhigt sein, er sei ein Mann von Adel und sein Edelmannswort genüge. Letztlich entpuppt sich A jedoch keineswegs als Edelmann und denkt gar nicht daran, dem B das Grundstück zu übereignen.

Das Reichsgericht konnte weder einen Verstoß gegen Treu und Glauben noch einen gegen die guten Sitten erkennen (RGZ 117, 121 (124)). A und B haben in Kenntnis des gesetzlichen Formerfordernisses ihre Vereinbarung formlos getroffen. Wissen die Parteien bei Vertragsabschluss, dass ein Teil ihrer Abmachungen wegen Nichtbeachtung der gesetzlich vorgeschriebenen Form unwirksam ist, so wird das Rechtsgeschäft lediglich von den übrigen Vertragsbestimmungen gebildet (BGHZ 45, 376). A und B haben demnach die Folgen der Nichtigkeit zu tragen, was in diesem Falle zu Lasten des B geht.

In einem späteren, dem Edelmannfall ähnlich gelagerten Fall (Ein bedeutendes wirtschaftliches Unternehmen hat unter Einsatz seines Gewichts und seines Ansehens sowie durch den Hinweis, dass es einen privatschriftlichen Vertrag einem notariellen als gleichwertig anzusehen pflege, einen ehemaligen Mitarbeiter zum Absehen von der Einhaltung der notariellen Form veranlasst – BGHZ 48, 396.) ist der BGH von diesen klaren Regeln abgewichen. Das Unternehmen habe unter Einsatz seiner Bedeutung und seines Ansehens sowie unter Hinweis auf die Geschäftsgepflogenheiten in so nachdrücklicher Weise die Erfüllung des formnichtigen Vertrages in Aussicht gestellt, dass es sich ohne Verstoß gegen Treu und Glauben nicht von dem Vertrag lossagen könne. Seine spätere Berufung auf die Formnichtigkeit des Vertrages stelle ohne Rücksicht darauf, dass sich der Vertragspartner nicht in einem Irrtum über dessen Formbedürftigkeit befunden habe, eine unzulässige Rechtsausübung dar (BGHZ 48, 396 (399/400)).

Ein Vertrag, der den gesetzlichen Formvorschriften nicht entspricht, kann demnach dann nicht als nichtig angesehen werden, wenn die Nichtanerkennung zu einem für einen Vertragspartner untragbaren, nicht etwa nur zu einem harten Ergebnis führen würde.

Täuschung über die Formbedürftigkeit

Ein Absehen vom Formzwang ist insbesondere berechtigt, wenn derjenige, der im Hinblick auf die Nichterfüllung der Form die Einhaltung seines Versprechens verweigert, arglistig die Einhaltung der Form verhindert hat, seinen Vertragspartner also über das Formerfordernis getäuscht hat. Dahinter steht der Grundsatz, dass niemand aus seinem arglistigen Verhalten einen Vorteil ziehen darf. Dem Getäuschten steht es indes frei, sich seinerseits auf den Formmangel zu berufen oder am Vertrag festzuhalten.

Versehentliche Nichtbeachtung der Form

Ist die Nichtbeachtung der Form auf die Unkenntnis der Parteien über die Formbedürftigkeit zurückzuführen, oder ist ihre Einhaltung versehentlich unterblieben, dann ist ein Abweichen von § 125 BGB und damit von der Nichtigkeit wiederum nur bei einem gänzlich untragbaren Ergebnis zulässig. Hat allerdings ein Vertragspartner den Formmangel dem anderen gegenüber zu verantworten, weil er dessen Vertrauen in Anspruch genommen hat, so führt dies zu einer Schadensersatzpflicht wegen vorwerfbarer Verletzung vorvertraglicher Sorgfalts- und Aufklärungspflichten (culpa in contrahendo).

Durch Rechtsgeschäft bestimmte Form

Die Parteien können auch für formfreie Rechtsgeschäfte eine Form (in aller Regel ist es die Schriftform) vereinbaren. Eine solche Formvereinbarung kann je nach dem Willen der beteiligten Parteien konstitutive oder deklaratorische Bedeutung haben. Konstitutiven Stellenwert hat die Vereinbarung, wenn die Parteien dem Geschäft nur dann Gültigkeit beimessen wollen, wenn die vereinbarte Form eingehalten wurde. Dagegen ist es auch denkbar, dass die Parteien nur zum Zwecke der Beweissicherung die Schriftform vereinbart haben, ihre Nichteinhaltung die Gültigkeit des Geschäfts aber nicht berühren soll (deklaratorische Bedeutung). Nach § 125 S. 2 BGB hat der Mangel der durch Rechtsgeschäft bestimmten Form im Zweifel ebenso die Nichtigkeit zur Folge. Die Formvereinbarung hat also konstitutive Wirkung, wenn die Parteien nichts anderes vereinbart haben.

Die vereinbarte Schriftformklausel kann nach herrschender Meinung formfrei aufgehoben werden. Dazu genügt auch ein schlüssiges Verhalten. Zur Aufhebung eines vereinbarten, konstitutiv wirkenden Formzwanges genügt es jedoch nicht, dass die Parteien die Geltung der nicht den Formvorschriften entsprechenden Vereinbarung ernstlich gewollt haben. Sie müssen sich vielmehr im Bewusstsein des Formerfordernisses über dieses hinweggesetzt haben (vgl. BGHZ 66, 378 (380/381)). Ansonsten hebt natürlich auch eine ausdrückliche Aufhebungserklärung den Formzwang auf. Wenn die rechtsgeschäftliche Schriftformklausel nur Klarstellungszwecken dient, dann sieht der BGH sogar ganz von der Notwendigkeit einer Aufhebungsvereinbarung ab (BGHZ 49, 364 (367)). Problematisch ist hierbei sicherlich, dass die beabsichtigte Beweissicherung weitgehend verloren geht. Man muss dann letztlich im Prozess strenge Anforderungen an den Beweis einer formlosen Vereinbarung stellen.

Formerfordernisse in gerichtlichen Verfahren

Auch gerichtliche Verfahren unterliegen Formerfordernissen. Schon aus der Notwendigkeit der Aktenführung ergibt sich, dass Eingaben an das Gericht schriftlich erfolgen müssen. Und so finden wir denn in den Verfahrensvorschriften eigenständige Formregeln. Werfen wir einen Blick in die Zivilprozessordnung, die das Verfahren in der streitigen Zivilgerichtsbarkeit regelt, so treffen wir in § 130 ZPO auf eine Regelung für Schriftsätze, die in Nr. 6 das Erfordernis der Unterschrift festschreibt. Danach müssten auch im gerichtlichen Verkehr Schriftsätze durch Telefax an sich ausgeschlossen sein. Denn das Telefax enthält nur die Kopie eines (unterschriebenen) Schriftstücks nicht aber auch selbst eine Unterschrift. Hier hat sich jedoch die Rechtsprechung über das Unterschriftserfordernis hinweggesetzt und das Telefax jedenfalls zur Fristwahrung ausreichen lassen. Läuft mithin eine Frist am Montag ab, so reicht es zur Fristwahrung, wenn am Montag ein Telefax bei Gericht eingeht und das eigentliche Schriftstück erst nach Fristablauf zu den Akten kommt. Darüber wird heute nicht mehr gestritten.

Streit herrschte allerdings über die Frage, ob auch ein Computerfax mit eingescannter Unterschrift zur Fristwahrung ausreicht. Der Bundesgerichtshof wollte das nicht ausreichen lassen. Er verlangte ein Fax vom ausgedruckten und unterschriebenen Original. Das Bundesverwaltungsgericht und das Bundessozialgericht sahen das anders. Um zu einer einheitlichen Entscheidung dieser Rechtsfrage zu kommen, hatte in einem Vorlagebeschluss der Bundesgerichtshof die Frage dem Gemeinsamen Senat der Obersten Gerichtshöfe des Bundes vorgelegt. Der Gemeinsame Senat der obersten Gerichtshöfe des Bundes hat entschieden, dass das Computerfax mit eingescannter Unterschrift zur Fristwahrung ausreicht.

Der Streit ist heute nur noch von historischer Bedeutung, weil der Gesetzgeber der ZPO im Jahre 2001 in § 130 ZPO das Fax ausdrücklich berücksichtigt und in § 130a ZPO sogar eine Regelung für elektronische Schriftsätze getroffen hat.

Zuletzt geändert: Mittwoch, 11. Januar 2012, 11:51