Erfüllung

Bewirken der geschuldeten Leistung

Das Schuldverhältnis im engeren Sinne, d.h. die zwischen Gläubiger und Schuldner bestehende Forderungsbeziehung, erlischt gemäß § 362 Abs. 1 BGB, wenn die geschuldete Leistung an den Gläubiger bewirkt wird. Dabei ist mit Bewirken der "Leistung" das Herbeiführen des Leistungserfolges und nicht etwa nur die Vornahme von Leistungshandlungen gemeint. Im Falle eines Kaufvertrages bedeutet dies z.B., dass der Verkäufer dem Käufer den unmittelbaren Besitz und das Eigentum an dem verkauften Gegenstand verschaffen muss (§ 433 Abs. 1 Satz 1 BGB). Besonders deutlich wird dies am Beispiel des Werkvertrages, bei dem der Unternehmer die geschuldete Leistung nur durch das Herstellen des Werkes (Leistungserfolg) bewirken kann, nicht aber durch das bloße Arbeiten am Werk (Leistungshandlung) (§ 631 Abs. 1 1. HS BGB).

Die Vornahme einer Leistungshandlung genügt dagegen dann zum Bewirken der "Leistung", wenn der Schuldner eine nicht erfolgsbezogene Handlung oder ein Unterlassen schuldet. Paradebeispiel hierfür ist der Dienstvertrag, bei dem der Dienstverpflichtete lediglich die Vornahme der vereinbarten Arbeitsleistung als solcher schuldet (§ 611 Abs. 1 1. HS BGB).

Zur Erfüllung reicht es selbstverständlich nicht aus, dass der Schuldner irgendeine Leistung erbringt. Erforderlich ist vielmehr, dass der Schuldner die "geschuldete" Leistung erbringt, also in der rechten Zeit, am rechten Ort und in der rechten Art und Weise leistet. Demnach führt die Erbringung einer von der vertraglichen Vereinbarung abweichenden (mangelhaften) Leistung nicht zur Erfüllung. Das gilt nunmehr kraft gesetzlicher Anordnung auch beim Stückkauf, wenn der geleistete Kaufgegenstand einen Mangel im Sinne des § 434 BGB aufweist.

Hinsichtlich der Erfüllung der "geschuldeten Leistung" ist auch umstritten, ob und wann der Schuldner einer Geldschuld die Forderung durch eine Banküberweisung erfüllen kann. Dabei ist die Frage, ob der Schuldner mit "Buchgeld" zahlen darf, von der Frage zu trennen, ob diese "Zahlung" dann auch zur Erfüllung im Sinne des § 362 Abs. 1 BGB führt oder eine Leistung an Erfüllungs statt im Sinne des § 364 Abs. 1 BGB darstellt. Ob eine Forderung durch "Buchgeld" - also durch Zuwendung eines Auszahlungsanspruchs gegen die Bank - beglichen werden darf, bestimmt sich nach herrschender Meinung alleine nach der Parteivereinbarung (BGH NJW 1983, 1605, 1606). Haben die Parteien darüber - wie meist - keine ausdrückliche vertragliche Vereinbarung getroffen, dann ist die Frage nach dieser Auffassung durch Vertragsauslegung zu beantworten (§§ 133, 157 BGB). So ergibt sich z.B. aus der Verkehrssitte, dass bei einem alltäglichen Kauf in einem Lebensmittelgeschäft alleine die Zahlung mit Bargeld vereinbart ist, während sich andererseits aus der Interessenlage beider Parteien eine Beschränkung auf "Buchgeld" ergibt, wenn größere Beträge auf eine weite Distanz zu leisten sind (vgl. dazu Gernhuber, Die Erfüllung und ihre Surrogate, § 11, 3). Die Rechtsprechung geht davon aus, dass die Parteien stillschweigend vereinbart haben, dass eine Geldschuld sowohl mit Bar- als auch mit Buchgeld erfüllt werden kann, wenn der Gläubiger dem Schuldner sein Girokonto auf Briefen, Rechnungen und dergleichen bekannt gegeben hat (BGHZ 98, 24, 30).

Eine verbreitete Auffassung in der Literatur will dagegen unabhängig von der Vereinbarung der Parteien wegen der Üblichkeit des bargeldlosen Zahlungsverkehrs im Wirtschaftsleben und der Verkehrsanschauung der beteiligten Kreise die Zahlung mit "Buchgeld" der Zahlung mit Bargeld gleichstellen. Nach dieser Auffassung können also Geldschulden ohne weiteres mit Buchgeld erfüllt werden, es sei denn die Parteien hätten ausdrücklich etwas anderes vereinbart (Medicus, Bürgerliches Recht, Rdnr. 757; Gernhuber, Die Erfüllung und ihre Surrogate, § 11, 2 (S. 195 f.)). Selbst wenn man dieser Auffassung mit der Rechtsprechung nicht folgen will, so muss man doch zur Kenntnis nehmen, dass die Zahlung mit Buchgeld jedenfalls im Verkehr zwischen Kaufleuten Handelsbrauch ist und daher mit Rücksicht auf § 346 HGB zur Erfüllung von Geldschulden führt.

Zu erörtern bleibt die Frage, ob die nach den in Literatur und Rechtsprechung diskutierten Kriterien zulässige Begleichung einer Geldschuld mit "Buchgeld" zur Erfüllung gemäß § 362 Abs. 1 BGB führt oder ob es sich dabei um eine Leistung an Erfüllungs statt gemäß § 364 Abs. 1 BGB handelt. Die h.M. in der Literatur will bei der Zahlung mit Buchgeld § 362 Abs. 1 BGB anwenden (Palandt/Grüneberg, § 362 Rdnr. 9; MüKo/Wenzel, § 362 Rdnr. 22), der BGH dagegen hat sich in einer sehr frühen Entscheidung auf die Bejahung einer Leistung an Erfüllungs statt festgelegt (BGH NJW 1953, 897). In neueren Entscheidungen dagegen lässt der BGH die Frage offen, da sie nur von untergeordneter Bedeutung sei (BGH NJW 1983, 1605, 1606; BGHZ 98, 24, 30). Dem ist zuzustimmen, weil die h.M. auch bei Anwendung von § 362 Abs. 1 BGB die Erfüllungswirkung einer Überweisung von der Parteivereinbarung abhängig macht, so dass unabhängig davon, ob man eine Leistung an Erfüllungs statt bejaht oder nicht, eine Geldschuld nur dann mit Buchgeld beglichen werden kann, wenn der Gläubiger mit dieser Zahlungsweise einverstanden ist.

Fraglich ist, ob der Schuldner die geschuldete Leistung persönlich erbringen muss. Dies ist gemäß § 267 Abs. 1 Satz 1 BGB nur dann der Fall, wenn in dem Vertrag ausdrücklich oder konkludent vereinbart wurde, dass "der Schuldner in Person zu leisten hat". Bei bestimmten Verträgen wie z.B. dem Dienstvertrag wird sogar von Gesetzes wegen vermutet, dass die Leistung höchstpersönlich zu erbringen ist (§§ 613 Satz 1 BGB). Grundsätzlich aber kann der Schuldner die Leistung durch Einschaltung von Dritten bewirken.

Nimmt man den Wortlaut des § 362 Abs. 1 BGB ernst, so genügt es zur Erfüllung, dass der Schuldner die soeben erörterten und in der Vorschrift genannten Voraussetzungen erfüllt. Ohne jeden weiteren rechtsgeschäftlichen Akt würde dann allein das reale Bewirken der geschuldeten Leistung das Schuldverhältnis im engeren Sinne zum Erlöschen bringen. Dies wird denn auch von der Theorie der realen Leistungsbewirkung vertreten. Demgegenüber behaupten zahlreiche andere Auffassungen, dass der Tatbestand des § 362 Abs. 1 BGB um ein ungeschriebenes subjektives Merkmal zu ergänzen sei. Zwischen diesen Auffassungen ist lediglich streitig, welchen Inhalt dieses subjektive Merkmal haben soll. Nur noch von historischem Interesse ist insoweit die heute praktisch nicht mehr vertretene Vertragstheorie, nach der die Erfüllung neben der Bewirkung der geschuldeten Leistung den Abschluss eines auf Aufhebung des Schuldverhältnisses gerichteten Erfüllungsvertrages voraussetzt. Dagegen verlangt die modifizierte (eingeschränkte) Vertragstheorie den Abschluss eines Erfüllungsvertrages nur noch dann, wenn für die Herbeiführung des Leistungserfolges ein Rechtsgeschäft (wie z.B. die Übereignung der Kaufsache beim Kaufvertrag) erforderlich ist. Danach wäre es z.B. bei einem Werkvertrag, bei dem der Unternehmer lediglich einen tatsächlichen Erfolg schuldet, für die Erfüllung der Verpflichtung des Unternehmers ausreichend, wenn dieser das Werk herstellt. Schließlich fordert die Theorie der finalen Leistungsbewirkung für die Erfüllung neben der Bewirkung der geschuldeten Leistung die Abgabe einer einseitigen Leistungszweckbestimmung (Tilgungsbestimmung) durch den Schuldner. Diese Tilgungsbestimmung wird dabei regelmäßig als geschäftsähnliche Handlung qualifiziert (zusammenfassend zu den Erfüllungstheorien: Musielak, Grundkurs BGB, Rdnrn. 209 und 210).

Dass der Erfüllungsleistung eine Zweckbestimmung mitgegeben werden muss, zeigt die einfache Überlegung, dass die bloße Hingabe der Leistung, die bloße Vermögenszuwendung, nicht erkennen lässt, was der Hingebende mit der Hingabe bezweckt. Schon das römische Recht unterschied die nahe liegenden Hingabezweckbestimmungen der Erfüllung (datio solvendi causa), der Schenkung (datio donandi causa) und der Erreichung eines weiteren Zwecks (datio ob rem). Allein die Tilgungsbestimmung macht eine Leistung zur Erfüllungsleistung.

Eine gewisse Klausurrelevanz können die Erfüllungstheorien haben, wenn es um Leistungen an Minderjährige geht. In diesen Fällen bieten die Vertragstheorien dem Minderjährigen offensichtlich einen weitreichenden Schutz: Da der Erfüllungsvertrag den Anspruch des Minderjährigen zum Erlöschen bringen würde, ist er nicht lediglich rechtlich vorteilhaft im Sinne des § 107 BGB. Dies bedeutet aber, dass ein Minderjähriger einen Erfüllungsvertrag ohne Zustimmung seiner gesetzlichen Vertreter nicht wirksam abschließen kann, so dass bei Anwendung der Vertragstheorien eine befreiende Leistung an einen Minderjährigen ohne Mitwirkung seiner Eltern nicht möglich wäre. Dieses dem Minderjährigenschutz dienende Ergebnis erreichen aber auch die Theorien einseitiger Leistungsbewirkung, indem sie für die Erfüllung verlangen, dass die Person, an die die Leistung bewirkt wird, auch zur Annahme der Leistung befugt ist. Diese Annahmebefugnis wird durch den Begriff der "Empfangszuständigkeit" gekennzeichnet und bei Minderjährigen und geschäftsunfähigen Personen verneint. Die Erfüllungstheorien kommen demnach bei der Frage der Erfüllungswirkung der Leistung an einen Minderjährigen zum gleichen Ergebnis, so dass es sich in einer Klausur empfiehlt, den Streit nur knapp darzustellen und unentschieden zu lassen.

Außer dem geschäftsfähigen Gläubiger können auch dessen "Hilfspersonen" empfangszuständig sein, wenn der Gläubiger sie zur Entgegennahme der Leistung in seinem Namen ermächtigt hat und sie die Leistung für den Gläubiger entgegennehmen. Als solche empfangszuständigen Hilfspersonen kommen sowohl Empfangsvertreter als auch Empfangsboten des Gläubigers in Betracht. Es kann aber auch vorkommen, dass eine andere Person als der Gläubiger die Leistung im eigenen Namen und für sich selbst entgegen nimmt. Diese Person ist dann keine im Lager des Gläubigers stehende Hilfsperson mehr, sondern "Dritter". Nimmt ein "Dritter" die Leistung entgegen, dann führt dies nur unter den Voraussetzungen der §§ 362 Abs. 2, 185 BGB sowie dann zur Erfüllung, wenn der Dritte ein Nießbrauchs- oder Pfandrecht an der Forderung hat. Der praktisch wichtigste Fall hiervon ist derjenige, dass der Gläubiger dem Dritten im Wege einer Einziehungsermächtigung erlaubt hat, die Leistung im eigenen Namen in Empfang zu nehmen.

Quittieren der Leistung

Die Beweislast für die rechtsvernichtende Einwendung, dass eine Forderung durch Erfüllung erloschen ist, trägt der Schuldner. Deswegen hat der Schuldner ein starkes Interesse daran, die Erfüllung zuverlässig nachweisen zu können. Das BGB trägt diesem Interesse dadurch Rechnung, dass es dem Schuldner in § 368 BGB einen Anspruch auf eine Quittung einräumt. Die Quittung ist in § 368 BGB als ein schriftliches Empfangsbekenntnis legal definiert. Damit ist die Quittung ihrer Rechtsnatur nach eine Erklärung, die eine Tatsache feststellt. Sie ist demnach eine Wissenserklärung und keine Willenserklärung. Die Quittung kann daher auch von einem Minderjährigen oder einem Geschäftsunfähigen ausgestellt werden.

Nach § 368 Satz 1 BGB ist die Quittung "schriftlich" zu erteilen. Dies bedeutet nach allgemeiner Ansicht, dass das Empfangsbekenntnis in der Form des § 126 BGB abgegeben werden muss. Diese bedeutet, dass die Quittung vom Gläubiger eigenhändig durch Namensunterschrift unterzeichnet werden muss (§ 126 Abs. 1 BGB). Eine Urkunde, die lediglich durch Stempel oder faksimilierte Unterschrift gekennzeichnet ist, genügt diesen Anforderungen ebenso wenig wie ein Kassenbon.

Der Anspruch des Schuldners auf Erteilung einer Quittung nach § 368 BGB entsteht nur im Falle der Erfüllung oder der Leistung an Erfüllungs statt, nicht jedoch bei Hinterlegung oder Aufrechnung. Des Weiteren muss der Gläubiger die Quittung nur auf Verlangen des Schuldners erteilen. Es handelt sich bei diesem Anspruch also um einen so genannten "verhaltenen Anspruch".

Da die Erteilung der Quittung alleine im Interesse des Schuldners liegt, weist das Gesetz ihm auch in § 369 Abs. 1 BGB die Kosten der Quittung zu und begründet sogar eine Vorschusspflicht zu Gunsten des Gläubigers. Allerdings macht § 369 Abs. 1 BGB diese Rechtsfolge davon abhängig, dass sich "nicht aus dem zwischen ihm und dem Gläubiger bestehenden Rechtsverhältnisse ein anderes ergibt".

 

Einhalten der Leistungsmodalitäten

Leistungszeit

Neben dem Leistungsort gehört die Leistungszeit zu den wesentlichen Modalitäten der Leistung. Dabei beschreibt der Begriff der Leistungszeit zwei zu unterscheidende Zeitpunkte, nämlich den Zeitpunkt, zu dem Schuldner die Leistung erbringen darf (Erfüllbarkeit) und den Zeitpunkt, ab dem der Gläubiger die Leistung fordern kann (Fälligkeit). Regelmäßig fallen Erfüllbarkeit und Fälligkeit einer Forderung zusammen, jedoch folgt bereits aus § 271 Abs. 2 BGB, dass eine Forderung auch bereits erfüllbar sein kann, bevor sie fällig ist. Umgekehrt ist auch der Fall denkbar, dass der Schuldner von sich aus nicht leisten darf oder jedenfalls nicht leisten muss, der Gläubiger die Leistung aber jederzeit verlangen kann. Man spricht dann von "verhaltenen Ansprüchen". Ein praktisch wichtiges Beispiel für einen solchen verhaltenen Anspruch ist der Anspruch auf Erteilung einer Quittung nach § 368 BGB.

Die Leistungszeit kann gesetzlich bestimmt sein. Typische Beispiele hierfür sind etwa die §§ 556b Abs. 1, 604, 608, 641 BGB. Meistens wird die Leistungszeit aber von den Parteien vertraglich bestimmt. Dabei können die Parteien auch auf unterschiedliche Weise vereinbaren, dass der Schuldner nicht sofort leisten muss. Eine praktisch wichtige Form einer solchen Vereinbarung ist die Stundung. Durch die Stundung schieben die Parteien die Fälligkeit einer Forderung bei Bestehenbleiben der Erfüllbarkeit hinaus. Ein Beispiel für eine Stundung wäre, dass die Parteien bei Abschluss eines Kaufvertrages vereinbaren, dass die Forderung erst in drei Monaten fällig wird. Eine weitere Möglichkeit, den Schuldner durch vertragliche Vereinbarung von seiner sofortigen Leistungspflicht zu befreien, ist die Vereinbarung eines so genannten "pactum de non petendo". Bei der Vereinbarung eines pactum de non petendo wird zwar die Forderung sofort fällig, der Gläubiger verspricht aber, den Anspruch zeitweilig nicht gerichtlich geltend zu machen. Macht der Gläubiger den Anspruch dann aber doch vorzeitig geltend, dann wird die Klage als unzulässig abgewiesen, wenn sich der Schuldner auf diese Prozesseinrede beruft. Im Falle der gerichtlichen Geltendmachung einer gestundeten Forderung wird die Klage dagegen als zurzeit nicht begründet abgewiesen, wenn sich der Schuldner auf die Einrede der Stundung beruft.

Ist die Leistungszeit weder gesetzlich noch vertraglich bestimmt, so kann sie sich gemäß § 271 Abs. 1 BGB aus den Umständen ergeben. Darunter versteht man insbesondere die Natur des Schuldverhältnisses, die Beschaffenheit der Leistung und die Verkehrssitte. So ergibt sich z.B. beim Kauf von Silvesterfeuerwerkskörpern aus den Umständen, dass spätester Lieferungszeitpunkt der 31. Dezember ist.

Erst wenn die Leistungszeit weder gesetzlich noch vertraglich noch durch die Umstände bestimmt ist, greift § 271 Abs. 1 BGB ein und ordnet an, dass der Gläubiger die Leistung "sofort" verlangen und der Schuldner sie "sofort" bewirken kann. Dabei bedeutet sofort, dass der Schuldner so schnell, wie ihm dies nach objektiven Maßstäben möglich ist, leisten muss.

Leistungsort

Der Leistungsort ist der Ort, an dem der Schuldner die Leistungshandlung vornehmen muss. Den Leistungsort nennt das Gesetz in einigen Vorschriften wie z.B. § 447 Abs. 1 BGB auch Erfüllungsort. Dies ist wenig glücklich, weil, wie wir bereits erörtert haben, das BGB selbst in § 362 Abs. 1 BGB unter "Erfüllung" die Herbeiführung des Leistungserfolges und nicht nur die Vornahme der Leistungshandlung versteht. Daher wird auch in der Literatur häufig vorgeschlagen, zur Vermeidung von Begriffsverwirrung den Begriff "Erfüllungsort" zu vermeiden und nur noch vom Leistungsort zu sprechen (vgl. etwa Gernhuber, Die Erfüllung und ihre Surrogate, § 2 I, 3).

Demgegenüber versteht man unter dem Erfolgsort den Ort, an dem der Leistungserfolg eintritt. Von der Bestimmung von Leistungs- und Erfolgsort hängt ab, welche Schuldart vorliegt. Insoweit unterscheidet das BGB drei Schuldarten: Hol-, Bring- und Schickschuld.

Liegen sowohl Leistungs- als auch Erfolgsort beim Schuldner (Wohnsitz oder Sitz der gewerblichen Niederlassung), so handelt es sich um eine "Holschuld". Sie ist kurz gesagt also dadurch gekennzeichnet, dass der Gläubiger den geschuldeten Gegenstand beim Schuldner abholen muss. Liegen Leistungs- oder Erfolgsort dagegen umgekehrt beim Gläubiger (Wohnsitz oder Sitz der gewerblichen Niederlassung), so handelt es sich um eine "Bringschuld", die im Ergebnis dadurch gekennzeichnet ist, dass der Schuldner den geschuldeten Gegenstand zum Gläubiger bringen muss. Schließlich ist es auch möglich, dass Leistungsort und Erfolgsort auseinander fallen, so dass der Schuldner die Leistungshandlung an seinem Wohnsitz bzw. Sitz seiner gewerblichen Niederlassung vornehmen kann, der Leistungserfolg aber beim Gläubiger eintreten soll. In diesem Fall spricht man von einer "Schickschuld", die kurz gesprochen dadurch gekennzeichnet ist, dass der Schuldner den geschuldeten Gegenstand an den Gläubiger versenden soll. Die praktisch wichtigsten Beispiele für Schickschulden sind Geldschulden (§ 270 Abs. 1, 4, 269 Abs. 1 BGB) und der Versendungskauf (§ 447 BGB).

Ebenso wie bei der Leistungszeit kann auch der Leistungsort gesetzlich bestimmt sein. Beispiele für eine solche gesetzliche Bestimmung des Leistungsortes sind z.B. die §§ 374, 697, 700 Abs. 1 Satz 3 BGB. Allerdings wird auch der Leistungsort in erster Linie durch Parteivereinbarung bestimmt. Fehlt eine Parteivereinbarung über den Leistungsort, dann kann auch der Leistungsort aus den Umständen, insbesondere der Natur des Schuldverhältnisses folgen (vgl. § 269 Abs. 1 BGB). Dabei sind wiederum die Verkehrssitte, örtliche Gepflogenheiten und bei Handelsgeschäften der Handelsbrauch (§ 346 HGB) besonders häufig herangezogene Kriterien. Dabei ergibt sich etwa aus den Umständen, insbesondere der Verkehrssitte, dass bei Ladengeschäften des täglichen Lebens für beide Parteien der Ladenraum der Erfüllungsort ist, während bei der Vereinbarung der Lieferung von Kohlen oder Heizöl für die Wohnung eines Verbrauchers aus den Umständen die Annahme einer Bringschuld folgt. Wichtig ist in diesem Zusammenhang, dass beim Verbrauchsgüterkauf nach § 474 Abs. 2 BGB § 447 BGB keine Anwendung findet, was letztlich zu einer Verteilung des Verlustrisikos wie bei einer Bringschuld führt.

Erst wenn keine gesetzliche Bestimmung des Leistungsortes existiert und die Parteien den Leistungsort auch weder vertraglich vereinbart haben, noch dieser sich aus den Umständen ergibt, greift § 269 Abs. 1 BGB ein, wonach der Wohnsitz des Schuldners zurzeit der Entstehung des Schuldverhältnisses der Leistungsort ist.

Beobachtung von Schutzpflichten

Zwischen Gläubiger und Schuldner bestehen meist weiter gehende Rechtsbeziehungen als lediglich die eine Forderungsbeziehung, die wir Schuldverhältnis im engeren Sinne nennen. Das gesamte Rechtsverhältnis zwischen Gläubiger und Schuldner wird als Schuldverhältnis im weiteren Sinne bezeichnet. Dieses umfasst neben den Hauptleistungspflichten noch weitere Pflichten, die man Nebenpflichten nennt. Diese Nebenpflichten kann man in zwei große Gruppen aufteilen: Nebenleistungspflichten und Schutzpflichten.

Unter Nebenleistungspflichten versteht man die aus § 242 BGB folgende Pflichten, die dem Schuldner gebieten, sich so zu verhalten, dass der Vertragszweck erreicht werden kann und auch nicht nachträglich gefährdet oder beeinträchtigt wird. Von diesen die Erfüllung der Hauptleistung vorbereitenden und sichernden Nebenpflichten sind die Schutzpflichten zu unterscheiden, die darauf gerichtet sind, den Gläubiger nicht in seinen sonstigen, vom Erfüllungsinteresse zu unterscheidenden Interessen zu beeinträchtigen. Die Schutzpflichten erlegen dem Schuldner demnach die Pflicht auf, das Integritätsinteresse des Gläubigers zu wahren.

Während das Schuldverhältnis im engeren Sinne gemäß § 362 Abs. 1 BGB nach Erfüllung erlischt, können die Schutzpflichten durchaus auch über die Erfüllung der Hauptleistungspflichten hinaus fortwirken. Die Schutzpflicht dauert dabei an, solange die durch den geschäftlichen Verkehr bedingte gesteigerte Einwirkungsmöglichkeit des Gläubigers besteht. Daher muss der Inhaber eines Ladengeschäfts seinen Kunden auch nach vollständiger Abwicklung des Kaufvertrages, also nach Erfüllung der beiderseitigen Hauptleistungspflichten, so lange vor Schaden bewahren, wie dieser sich noch in den Geschäftsräumen aufhält. Da die Schutzpflichten keinen bestimmten Inhalt haben und auch nicht im Hinblick auf Leistungszeit und Leistungsort eindeutig bestimmt sind, sind sie nicht vergleichbar einer Hauptleistungspflicht "erfüllbar". Da weiter die Beobachtung von Schutzpflichten regelmäßig nicht selbständig einklagbar ist, schlagen etwa Schmidt/Brüggemeier vor, auf der Schutzpflichtebene besser nicht von "Erfüllung" zu sprechen (Schmidt/Brüggemeier, Grundkurs Zivilrecht, 7. Auflage 2006, Rdnr. 347).

Leistungsmittler

Der Normalfall der Erfüllung ist dadurch gekennzeichnet, dass der Schuldner dem Gläubiger gegenüber die geschuldete Leistung erbringt. Neben den tatsächlichen Leistungserfolg müssen zwei weitere Voraussetzungen treten, um die Erfüllungswirkung herbeizuführen. Der Schuldner muss der Leistung eine Tilgungsbestimmung beigeben, und der Gläubiger (besser: die Person, die die Leistung in Empfang nimmt) muss über eine Empfangszuständigkeit verfügen. An diesen zusätzlichen Voraussetzungen ändert sich nichts, wenn wir die Fälle einer Leistungsmittlerschaft betrachten. Sie sind dadurch gekennzeichnet, dass eine dritte Person in den Erfüllungsvorgang eingeschaltet wird. Diese dritte Person ist zu unterscheiden von anderen Dritten, die mit der Begründung der Schuld und ihrer Erfüllung zu tun haben können: Stellvertretern, Boten, Erfüllungsgehilfen und Verrichtungsgehilfen.

Stellvertreter und Boten haben ihre Aufgabe bei der Abgabe von Willenserklärungen. Der Stellvertreter gibt eine eigene Erklärung ab, die unter den Voraussetzungen des § 164 Abs. 1 BGB Rechte und Pflichten unmittelbar in der Person des Vertretenen entstehen lässt. Der Bote gibt keine eigene Erklärung ab, sondern übermittelt die Erklärung dessen, der ihn beauftragt hat. Erfüllungs- und Verrichtungsgehilfen haben nichts mit rechtsgeschäftlichen Erklärungen zu tun, sondern mit tatsächlichem Verhalten. Der Verrichtungsgehilfe wird dabei außerhalb einer vertraglichen Beziehung zwischen seinem Geschäftsherrn und der Person, mit der er im Zuge der Verrichtung in Kontakt kommt, tätig, während der Erfüllungsgehilfe in die Erfüllung der (vertraglichen) Verpflichtung des Geschäftsherrn gegenüber einem Vertragspartner des Geschäftsherrn einbezogen ist. Leistungsmittler können Erfüllungsgehilfen sein. Das Besondere an ihrer Stellung ist, dass sie aus eigenen Mitteln dem Gläubiger des Schuldners die vom Schuldner geschuldete Leistung zur Verfügung stellen.

Man pflegt bei einer Leistungsmittlerschaft drei Beziehungen bzw. Verhältnisse voneinander zu unterscheiden: das Zuwendungsverhältnis, das Valutaverhältnis und das Deckungsverhältnis. Ein typisches Beispiel für eine Leistungsmittlerschaft finden wir bei der Überweisung im bargeldlosen Zahlungsverkehr. Hier nimmt die Bank die Rolle des Leistungsmittlers ein. Sie wendet dem Gläubiger des Schuldners das Geschuldete zu, ohne selbst dem Gläubiger gegenüber verpflichtet zu sein. Das Verhältnis zwischen der Bank und dem Gläubiger nennt man das Zuwendungsverhältnis. Das Valutaverhältnis ist die Schuldbeziehung zwischen dem Gläubiger und dem Schuldner. Als Deckungsverhältnis bezeichnet man die Beziehung zwischen dem Schuldner und dem Leistungsmittler. In der Regel ist der Leistungsmittler dem Schuldner aus dem Deckungsverhältnis verpflichtet, die Zuwendung an den Gläubiger des Schuldners vorzunehmen. Es gibt mithin zwei Verpflichtungen und Schuldverhältnisse: die Verpflichtung des Schuldners aus dem Valutaverhältnis, die Leistung an den Gläubiger des Valutaverhältnisses zu erbringen, und die Verpflichtung des Leistungsmittlers aus dem Deckungsverhältnis, die Zuwendung an den Gläubiger des Valutaverhältnisses vorzunehmen.

Beide Verpflichtungen werden mit einem Schlag durch die Zuwendung des Leistungsmittlers an den Gläubiger des Valutaverhältnisses erfüllt. Das kann man sich erfüllungsrechtlich mit folgenden Überlegungen verdeutlichen: Der Gläubiger des Valutaverhältnisses erhält seine Leistung nicht durch eine Zuwendung seines Schuldners, sondern durch die Zuwendung des Leistungsmittlers. Die Schuld des Schuldners aus dem Valutaverhältnis kann nur getilgt werden, wenn es eine auf den Schuldner zurückzuführende Tilgungsbestimmung gibt. Die Tilgungsbestimmung des Schuldners überbringt der Leistungsmittler als Bote des Schuldners. Die Botenstellung wird durch den Überweisungsauftrag begründet. Die Empfangszuständigkeit des Gläubigers für die für ihn gedachte Leistung bereitet keine Probleme. Die Tilgung der Verpflichtung des Leistungsmittlers gegenüber seinem Auftraggeber, dem Schuldner der Valutabeziehung, ergibt sich aus der Empfangszuständigkeit des Gläubigers der Valutabeziehung für die Tilgungsbestimmung des Leistungsmittlers. Hier erweist sich der Gläubiger der Valutabeziehung als Empfangsbote der für den Schuldner der Valutabeziehung gedachten Tilgungsbestimmung.

Auch bei der Einschaltung von Leistungsmittlern kann es vorkommen, dass Leistungen erbracht werden, für die es keinen Rechtsgrund gab: Der Schuldner mag im Valutaverhältnis gar nichts schulden, der Leistungsmittler mag gar nicht verpflichtet sein, die Zuwendung vorzunehmen. Hier stellt sich die Frage nach der bereicherungsrechtlichen Rückabwicklung in solcherart gestörten Dreiecksbeziehungen. Die Antwort lautet: Nicht das Zuwendungsverhältnis, sondern das Deckungs- und das Valutaverhältnis sind für die Rückabwicklung entscheidend. Rückabgewickelt wird mit anderen Worten nur in den gestörten Schuldbeziehungen und nicht im Zuwendungsverhältnis, auch nicht, wenn die Schuldbeziehungen im Deckungsverhältnis und im Valutaverhältnis zugleich gestört sind.

Last modified: Saturday, 14 July 2012, 12:09 PM