Befreiende Unmöglichkeit

Literatur: Musielak, Die befreiende Unmöglichkeit, JA 2011, 801

Die gesetzliche Grundkonzeption

Das Schuldverhältnis im engeren Sinne erlischt entweder durch das Bewirken der geschuldeten Leistung (§ 362 Abs. 1 BGB) oder durch das Vorliegen eines Erfüllungssurrogates (§§ 378, 389 BGB). Die Erfüllung ist der regelmäßige Erlöschensgrund für ein Schuldverhältnis, nicht aber der einzig mögliche. Weitere Erlöschenstatbestände können sich aus Schwierigkeiten ergeben, die bei der Abwicklung des Schuldverhältnisses auftreten. Diese Abwicklungsschwierigkeiten werden heute allgemein mit dem Begriff "Leistungsstörungen" umschrieben. Schlüsselbegriff im Recht der Leistungsstörungen und wichtiger Erlöschenstatbestand ist die Unmöglichkeit. Das Gesetz erwähnt diesen Begriff zwar seit der Schuldrechtsmodernisierung nicht mehr in den Gesetzesüberschriften. Es enthält aber in § 275 Abs. 1 BGB eine Regelung über die schuldbefreiende Unmöglichkeit. Diese Regelung greift bei objektiver wie bei subjektiver Unmöglichkeit und bei nachträglicher wie bei anfänglicher Unmöglichkeit. Das Eingreifen bei anfänglicher Unmöglichkeit ist neu und wird in § 311a Abs. 1 BGB ausdrücklich angeordnet. Es kommt dann zu einem Schuldverhältnis, das sich von der ersten Sekunde an auf Sekundärpflichten des Leistungsstörungsrechts beschränkt.

Was versteht nun aber das BGB unter Unmöglichkeit? Schon rein begrifflich ist eine Leistung erst dann (objektiv) unmöglich, wenn sie endgültig von niemandem, also weder vom Schuldner noch von einem Dritten, erbracht werden kann (endgültige Unerbringlichkeit der Leistung). Kann die Leistung zwar von irgend jemandem erbracht werden, nur vom Schuldner selbst nicht, so spricht man von subjektiver Unmöglichkeit oder Unvermögen. Dieses Unvermögen führt erst dann zur Schuldbefreiung, wenn es dem Schuldner nicht gelingt, das Unvermögen zu überwinden, weil etwa der Eigentümer einer geschuldeten Sache sich weigert, die Sache dem Schuldner zu übertragen. Ist es dem Schuldner nur nicht zumutbar, den vom Eigentümer geforderten Preis zu zahlen, liegt kein schuldbefreiendes Unvermögen vor, sondern eventuell eine Situation, bei der dem Schuldner ein Leistungsverweigerungsrecht nach § 275 Abs. 2 BGB eingeräumt wird. Die schuldbefreiende Unmöglichkeit begründet eine automatisch wirkende Einwendung, das Leistungsverweigerungsrecht eine vom Schuldner auszuübende Einrede.

Man hat schon zum alten Recht im Wesentlichen die Fälle der naturgesetzlichen, der rechtlichen und der faktischen (oder praktischen) Unmöglichkeit sowie der Unmöglichkeit durch Zeitablauf unterschieden. Die Unterscheidung ist auch nach neuem Recht noch tragfähig.

Von naturgesetzlicher Unmöglichkeit spricht man, wenn die Leistung nach Naturgesetzen oder nach dem gegenwärtigen Stand von Wissenschaft und Technik von niemandem erbracht werden kann. So liegt es etwa, wenn die geschuldete Sache zerstört wird oder jedenfalls so schwer beschädigt wird, dass es sich wirtschaftlich um einen anderen Gegenstand handelt. Ebenfalls hier einzuordnen sind die Fälle, in denen sich jemand vertraglich zu einem nach naturwissenschaftlichen Erkenntnissen nicht erzielbaren Erfolg verpflichtet. Hierbei geht es häufig um den Einsatz "übersinnlicher Kräfte" oder sonstige wissenschaftlich nicht anerkannte Praktiken. In diesen Fällen geht die Rechtsprechung regelmäßig von Unmöglichkeit aus (vgl. die Zusammenstellung bei Emmerich, Das Recht der Leistungsstörungen, 6. Auflage 2005, § 3 II 1 b). Ein typisches Beispiel hierfür ist der vom LG Kassel in NJW 1985, 1642 in diesem Sinne entschiedene Fall, in dem sich eine Frau ihrer Vertragspartnerin gegenüber gegen Zahlung von 3.000 DM verpflichtet hatte, den ehemaligen Lebenspartner ihrer Kundin durch mentale Beeinflussung auf "parapsychologischer Grundlage" wieder zu ihr zurückzuführen.

Von rechtlicher Unmöglichkeit spricht man, wenn eine Leistung aus rechtlichen Gründen von niemandem erbracht werden kann. Ein typisches Beispiel hierfür ist die Herbeiführung eines rechtlichen Erfolges, der bereits besteht. Dieser Fall kann etwa eintreten, wenn der bestohlene Eigentümer die gestohlene Sache unbedingt wieder haben will und sie daher dem Dieb "abkauft": Einen solchen Kaufvertrag - sollte er überhaupt vor § 138 Abs. 1 BGB Bestand haben - könnte der Dieb nicht erfüllen, da er das Eigentum an der Sache nicht auf sein Opfer, das ja noch Eigentümer ist, übertragen kann. Rechtliche Unmöglichkeit liegt weiterhin vor, wenn die Rechtsordnung den angestrebten Rechtserfolg nicht anerkennt. Dies greift z.B. dann ein, wenn ein Vertrag über die Leistung von Gegenständen geschlossen wird, die dem Geschäftsverkehr entzogen sind (z.B. amtliche Dokumente wie der Reisepass oder Betäubungsmittel, deren Handel nach dem BtMG unter Androhung von Strafe untersagt ist).

Anders als die naturgesetzliche und die rechtliche Unmöglichkeit wird die faktische oder praktische Unmöglichkeit eigentlich nicht mehr vom Begriff der Unmöglichkeit erfasst. Denn unter faktischer Unmöglichkeit versteht man die "Fälle, in denen die Erbringung der Leistung zwar nicht schlechthin für jedermann unmöglich ist, aber doch jedem Menschen so erhebliche Schwierigkeiten bereitete, dass kein vernünftiger Mensch ohne besonderen Anlass auch nur auf die Idee käme, den Versuch einer Leistungserbringung zu wagen" (Emmerich, Das Recht der Leistungsstörungen, § 2, 5). Demnach handelt es sich also bei der faktischen Unmöglichkeit um Fälle, bei denen die Leistungserbringung zwar theoretisch möglich wäre, bei denen jedoch die praktische Durchführung der Leistungserbringung auf derartige Schwierigkeiten stoßen würde, dass man sie aus Billigkeitsgründen den Fällen der naturgesetzlichen und der rechtlichen Unmöglichkeit gleichstellt. Als typische Beispiele für die faktische Unmöglichkeit werden immer wieder gerne das Aufsuchen eines Ringes, der auf den Meeresgrund gefallen ist, sowie die Hebung einer Münzsammlung, die sich unter dem Fundament eines Hochhauses befindet, angeführt.

Schwierigkeiten bereitet die faktische Unmöglichkeit eigentlich nur deswegen, weil sie von der so genannten "wirtschaftlichen Unmöglichkeit" abzugrenzen ist, deren Subsumtion unter den Begriff Unmöglichkeit außerordentlich umstritten ist. Nach den vagen, in der Literatur vertretenen Ansichten muss man sich die wirtschaftliche Unmöglichkeit als ein quantitatives Minus zur faktischen Unmöglichkeit vorstellen: Die Leistungserbringung sei zwar weniger schwierig als bei der faktischen Unmöglichkeit, aber immerhin noch so schwierig, dass ihre Einforderung vom Schuldner die "Opfergrenze" überschritte und daher diesem nicht zugemutet werden könne. Man spricht dann auch von "übermäßiger Leistungserschwerung". Für diese Fälle bietet sich nach der Schuldrechtsmodernisierung die Vorschrift des § 275 Abs. 2 BGB an: Der Schuldner erhält ein Leistungsverweigerungsrecht. Für die automatische Schuldbefreiung besteht kein Bedürfnis.

Schließlich kann die Unmöglichkeit der Leistungserbringung auch durch Zeitablauf eintreten. Grundsätzlich führt die Nichterbringung der Leistung zur vereinbarten Leistungszeit zum Verzug des Schuldners und nicht zur Unmöglichkeit der Leistung, da die Leistung weiterhin nachholbar und damit möglich ist. Allerdings kann die Leistungszeit nach dem Inhalt der vertraglichen Vereinbarung von solcher Wichtigkeit sein, dass die Leistung durch Zeitablauf unmöglich wird. Das wichtigste Beispiel hierfür ist das "absolute Fixgeschäft".

Von einem absoluten Fixgeschäft spricht man, wenn die Leistungszeit nach der vertraglichen Vereinbarung von derart großer Bedeutung ist, dass nach Überschreitung des Erfüllungszeitraums das Leistungsinteresse des Gläubigers unter keinem Gesichtspunkt mehr befriedigt werden kann. Als Schulbeispiel für das absolute Fixgeschäft wird immer wieder gerne der Fall angeführt, dass ein Taxi zum Flughafen für eine bestimmte Uhrzeit bestellt wird, um einen Flug zu erreichen. Kommt das Taxi erst mit erheblicher Verspätung, so dass der Kunde absehbar den Flug nicht mehr erreichen kann, ist für ihn die gewünschte Taxifahrt sinnlos geworden. Zwar ist eine Fahrt zum Flughafen weiterhin physisch möglich, dennoch ist die Leistung nicht mehr nachholbar, weil nicht alleine die Fahrt zum Flughafen geschuldet war, sondern die Fahrt zum Flughafen innerhalb eines bestimmten, eng bemessenen Zeitraumes. Weitere charakteristische Beispiele für absolute Fixgeschäfte sind Verträge über ausgeprägte Saisonartikel, die für die beteiligten Kreise erkennbar nur innerhalb eines bestimmten Zeitraumes mit Gewinn absetzbar sind, wie z.B. Schokoladenostereier und -hasen, Weihnachtsbäume, Sommer- bzw. Winterkleidung mit den "Farben der Saison" etc. Werden diese Artikel erst nach Ablauf der Saison geliefert, dann haben sie den vertraglich vorausgesetzten Zweck eingebüßt und sind für den Abnehmer nutzlos geworden. So hat etwa ein Lebensmittelgeschäft, das beim Großhändler für das Ostergeschäft 30 Paletten Schokoladenosterhasen der Marke "X" bestellt hat, im Sommer keinerlei Verwendung mehr für eine dann erst eintreffende Lieferung; vielmehr ist mit Abschluss des Ostergeschäftes der Erfüllungszeitraum abgelaufen und die Leistung unmöglich geworden. Ebenso verhält es sich mit einigen Dauerschuldverhältnissen, bei denen im Hinblick auf den Vertragszweck die Leistungszeit eine wichtige Rolle spielt, so dass die einmal verlorene Zeit grundsätzlich nicht mehr nachgeholt werden kann.

Ein praktisch wichtiges Beispiel hierfür ist der Arbeitsvertrag, bei dem bei Nichtleistung des Arbeitnehmers innerhalb der vereinbarten Arbeitszeit grundsätzlich Unmöglichkeit eintritt, da der Arbeitnehmer die Leistung bei einem typischen Arbeitsvertrag nicht nach Feierabend erbringen kann. Auch am nächsten Arbeitstag kann er die Leistung nicht nachholen, da er dann die für diesen Tag geschuldete Arbeitsleistung erbringen muss (vgl. Heiderhoff, JuS 1998, 1087, 1089 m.w.N.). Ein weiteres wichtiges Beispiel für solche Dauerschuldverhältnisse ist der Raummietvertrag: Auch hier führt jeder verstrichene Tag, an dem dem Mieter die Mietwohnung nicht zur Verfügung stand, zur (Teil-)Unmöglichkeit (MüKo/Ernst, § 275 Rdnr. 48).

Vom absoluten Fixgeschäft ist das relative Fixgeschäft zu unterscheiden. Das relative Fixgeschäft ist dadurch gekennzeichnet, dass auch bei ihm die Leistung nach der Vereinbarung der Parteien innerhalb eines bestimmten Erfüllungszeitraumes erfolgen soll, so dass das Geschäft mit der Einhaltung des Leistungszeitraumes "stehen oder fallen soll". Dabei kommt der Leistungszeit beim relativen Fixgeschäft jedoch kein derart die Leistung prägender Charakter zu, dass nach Ablauf des Erfüllungszeitraumes die Leistung nicht mehr nachholbar und damit unmöglich wird. Vielmehr räumt das Gesetz dem Gläubiger in § 323 Abs. 2 Nr. 2 BGB beim relativen Fixgeschäft ein Rücktrittsrecht für den Fall ein, dass der Schuldner den Erfüllungszeitraum überschreitet.

Selbst wenn die Parteien kein absolutes Fixgeschäft vereinbart haben, kann durch ein auch nur vorübergehendes Leistungshindernis ausnahmsweise der Vertragszweck derartig beeinträchtigt werden, dass dem Gläubiger ein weiteres Zuwarten nicht mehr zugemutet werden kann. In derartigen Fällen, insbesondere wenn eine Beseitigung des Leistungshindernisses nicht absehbar war, hat die Rechtsprechung häufig die vorübergehende Leistungsverzögerung der dauernden Unmöglichkeit gleichgestellt (vgl. Emmerich, Recht der Leistungsstörungen, § 4 III 3, IV mit zahlreichen Nachweisen). Dabei hat sie jedes Mal im Wege einer umfassenden Interessenabwägung auf die konkreten Umstände des Einzelfalles abgestellt, so dass sich die Ergebnisse kaum verallgemeinern lassen. Jedenfalls kann man sagen, dass sie eine Gleichstellung mit der dauernden Unmöglichkeit tendenziell dann bejaht hat, wenn es sich bei den Gläubigern um Kaufleute handelte, die auf kurzfristige Dispositionen angewiesen waren, so dass ihnen ein längeres Zuwarten nicht zuzumuten war. Als Leistungshinderungsgründe, die für eine Gleichstellung mit der dauernden Unmöglichkeit in Betracht kommen, hat sie insbesondere den Ausbruch von Kriegen oder Revolutionen am Ort der Leistungserbringung in Betracht gezogen, da diese Ereignisse von unabsehbarer Dauer sein können (vgl. dazu die Rechtsprechungsanalyse bei: MüKo/Ernst, § 275 Rdnr. 139 ff.). Diese Rechtsprechung zur Gleichstellung vorübergehender Leistungshindernisse mit der dauernden Unmöglichkeit ist auf nachhaltige Kritik im Schrifttum gestoßen, das insbesondere darauf hinweist, dass es sich bei all diesen Fällen um typische Beispiele handele, die nach den Grundsätzen über den Wegfall der Geschäftsgrundlage zu lösen seien (vgl. hierzu: MüKo/Ernst, § 275 Rdnr. 143 ff).

Die Regelung bei der Stückschuld

Die Unmöglichkeit befreit den Schuldner von der Leistungspflicht unabhängig davon, ob er die Unmöglichkeit zu vertreten hat. Das Vertretenmüssen spielt nur eine Rolle für die Ausgestaltung des Sekundärschuldverhältnisses, weil eine Verpflichtung des Schuldners zum Schadensersatz dann nicht gegeben ist, wenn der Schuldner die Nichtleistung nicht zu vertreten hat (§ 280 Abs. 1 Satz 2 BGB).

Das ist bei Stückschulden eindeutig und zwingend. Geht das individuell geschuldete Stück unter, kann niemand die Leistungsverpflichtung mehr erfüllen. Bei Gattungsschulden sieht das anders aus. Von einer Stückschuld spricht man, wenn der Leistungsgegenstand von vorneherein von den Parteien derart individuell bestimmt ist, dass die Schuld nur mit diesem bestimmten Gegenstand erfüllt werden kann. Demgegenüber spricht man von einer Gattungsschuld, wenn sich die Parteien darauf beschränken, den Leistungsgegenstand allgemein nach Merkmalen zu beschreiben, so dass zunächst offen bleibt, mit welchem konkreten Gegenstand der Schuldner später erfüllt. In einem solchen Fall ist der Schuldner verpflichtet, sich den Gegenstand, den er zur Erfüllung seiner Schuld benötigt, zu beschaffen. Die schuldbefreiende Unmöglichkeit tritt erst dann ein, wenn die Beschaffung des Gegenstands nicht möglich ist. Das ist etwa dann der Fall, wenn die gesamte Gattung untergeht und damit die Leistung objektiv unmöglich wird. Dies kann insbesondere dann vorkommen, wenn zwar eine Gattungsschuld vereinbart wurde, der Schuldner aber seine Verpflichtung auf den eigenen Vorrat beschränkt hat. Eine solche Vereinbarung kann auch konkludent erfolgen und kommt nach der Interessenlage der Parteien und der Verkehrssitte (§§ 133, 157 BGB) insbesondere dann in Betracht, wenn ein Erzeuger (z.B. ein Landwirt) seine eigenen Produkte verkauft. Eine solche Gattungsschuld bezeichnet man als "beschränkte Gattungsschuld" oder "Vorratsschuld".

Die Regelung bei der Gattungsschuld

Da die Schuldbefreiung bei der Gattungsschuld nach der Grundregel erst dann eintritt, wenn eine Leistung aus der Gattung nicht (mehr) möglich ist, der Schuldner damit die Garantie für seine Fähigkeit zur Beschaffung dieses Gegenstandes auf dem Markt und damit auch das Beschaffungsrisiko übernimmt, ist der Schuldner naturgemäß bestrebt, diesen Zustand möglichst schnell zu beenden und seine Verpflichtung durch Auswahl eines individuell bestimmten Gegenstandes auf diesen Gegenstand zu beschränken. Mit dieser Auswahl leitet der Schuldner einen Vorgang ein, der dazu führt, dass sich seine Gattungsschuld kraft Gesetzes in eine Stückschuld verwandelt. Dieser Vorgang wird "Konkretisierung" der Gattungsschuld genannt. Die Voraussetzungen der Konkretisierung sind in § 243 BGB geregelt. Danach setzt die Konkretisierung zunächst voraus, dass die vom Schuldner aus der Gattung ausgewählten Sachen gemäß § 243 Abs. 1 BGB von "mittlerer Art und Güte" sind. Ist dies der Fall, so ist für die Konkretisierung nach § 243 Abs. 2 BGB nur noch erforderlich, dass der Schuldner "das seinerseits Erforderliche getan hat". Was im jeweiligen Fall "das Erforderliche" ist, bestimmt sich nach der Art der Schuld. Dabei kommen als Schuldarten Hol-, Bring- und Schickschuld in Betracht.

Bei der Bringschuld hat der Schuldner das seinerseits Erforderliche getan, wenn er die Ware aus der Gattung ausgesondert und sie dem Gläubiger an seinem Wohnort bzw. dem Sitz seiner gewerblichen Niederlassung termingerecht in einer Annahmeverzug begründenden Weise angeboten hat. Bei der Schickschuld dagegen reicht es für die Konkretisierung aus, wenn der Schuldner die Ware aussondert und sie am Leistungsort ordnungsgemäß verpackt an eine sorgfältig ausgewählte Transportperson übergibt. Was der Schuldner bei der Holschuld tun muss, um eine Konkretisierung herbeizuführen, ist äußerst umstritten. Die geringsten Anforderungen an den Schuldner stellt die Auffassung, die lediglich verlangt, dass der Schuldner den Gegenstand aussondert und für den Gläubiger bereitstellt. Demgegenüber stellt die Ansicht, die vom Schuldner verlangt, dass er die Sache aussondert, für den Gläubiger bereitstellt und ihm über die Aussonderung eine Mitteilung macht (Esser/Schmidt, Schuldrecht Band I, Allgemeiner Teil, § 13 I 2 c), die höchsten Anforderungen an den Schuldner. Am ausgewogensten im Hinblick auf die gegenläufigen Interessen der Parteien erscheint schließlich die vermittelnde Ansicht, die vom Schuldner neben Aussonderung und Bereitstellung verlangt, dass er den Gläubiger zur Abholung der Ware auffordert (Musielak, Grundkurs BGB, Rdnr. 194; Medicus, Schuldrecht I, Allgemeiner Teil, § 19 IV 2 (Rdnr. 183)). Diese Meinung hat insbesondere den Vorteil, dass sie das ungerechte Ergebnis vermeidet, dass die Konkretisierung nur daran scheitert, dass der juristisch nicht versierte Schuldner dem Gläubiger gegenüber nicht "die richtigen Worte findet".

Hat der Schuldner die Gattungsschuld durch Konkretisierung in eine Stückschuld umgewandelt, dann wird der Schuldner beim Untergang des Gegenstandes gemäß § 275 Abs. 1 BGB von seiner Leistungspflicht frei. Die Konkretisierung führt demnach zur Verlagerung der Leistungsgefahr vom Schuldner auf den Gläubiger.

Auch bei Gattungsschulden können persönliche Leistungshindernisse, die nicht nur auf einem Geldmangel des Schuldners beruhen, zur Anwendung des § 275 Abs. 1 BGB führen. Beispiele für solche Leistungshindernisse sind plötzliche Erkrankungen, Vertreibungen aus der Heimat, Freiheitsentziehungen oder vergleichbar einschneidende Ereignisse auf Seiten des Schuldners (Emmerich, Das Recht der Leistungsstörungen, § 3 IV 4).

Es ist auch anerkannt, dass die Haftung des Schuldners für Gattungsschulden dann entfallen kann, wenn infolge nicht vorhersehbarer Umstände so erhebliche Leistungshindernisse entstanden sind, dass dem Schuldner die Beschaffung nicht mehr zugemutet werden kann. Obgleich darüber Einigkeit besteht, wird über die richtige Begründung dieses Ergebnisses heftig gestritten. Während das Reichsgericht in solchen Fällen von wirtschaftlicher Unmöglichkeit ausgegangen ist, stellt der BGH dagegen auf die Regeln über den Wegfall der Geschäftsgrundlage ab (BGH NJW 1994, 515, 516). Mit der Schuldrechtsmodernisierung sollte der Fall im Rahmen des § 275 Abs. 2 BGB gelöst werden.

Ein anschauliches Beispiel für diese Problematik stellt der vom BGH 1994 entschiedene Fall "Porsche 959" dar (BGH NJW 1994, 515 f.), dem folgender, für die Zwecke der Vorlesung vereinfachter, Sachverhalt zugrunde lag:

Der als Wiederverkäufer von Kraftfahrzeugen tätige A steht seit längerer Zeit in Geschäftsbeziehungen zu dem Porsche-Vertragshändler B. Als B von der Porsche AG erfährt, es sei beabsichtigt, nach entsprechender Entwicklungsdauer ein mit einer Vielzahl technischer Neuerungen ausgestattetes Porsche-Modell als Serienmodell in begrenzter Stückzahl auf den Markt zu bringen, unterrichtet er unter anderem den A hiervon. Schließlich kommt es zum Vertragsschluss zwischen A und B über einen Porsche neuen Typs zu dem "am Tage der Lieferung gültigen Listenpreis nach Liefermöglichkeit der Porsche AG".

Nach dem Abschluss des Kaufvertrages zwischen A und B entscheidet sich die Porsche AG kurzfristig, den Verkauf des als "Porsche 959" bezeichneten Modells, von dem nur 200 Fahrzeuge hergestellt worden sind, nicht über ihr Händlernetz, sondern unter eigener Auswahl der Interessenten direkt ab Werk durchzuführen. Daraufhin teilt B dem A mit, dass er den Kaufvertrag aus diesem Grunde nicht erfüllen könne und dass dem A keine Ansprüche gegen ihn zustehen, da er das Verhalten der Porsche-AG nicht zu vertreten habe. A ist demgegenüber der Ansicht, dass er einen Anspruch auf Schadensersatz wegen Nichterfüllung gegen B habe und klagt daher gegen ihn auf Zahlung.

Als Anspruchsgrundlage für das Begehren des A kommt § 281 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 BGB in Betracht.

Ein wirksamer Kaufvertrag liegt vor. Den kann man auch über Güter schließen, die erst noch hergestellt werden müssen. Allerdings könnte der Anspruch von vorneherein deshalb ausgeschlossen sein, weil A und B in ihrem Kaufvertrag die Haftung des B für nachträglich auftretende Lieferschwierigkeiten ausgeschlossen haben. Dies könnte man ebenfalls aus dem Passus "nach Lieferungsmöglichkeit der Porsche AG" herzuleiten versuchen. Einer solchen Auslegung, nach der diese Klausel auch den Fall der Verwirklichung des Beschaffungsrisikos erfasst, steht jedoch, wie der BGH mit Recht betont, sowohl der Wortlaut wie auch der Sinn der Vertragsbestimmung entgegen, die dem B zwar das allein in der Sphäre der Porsche AG liegende Produktionsrisiko, nicht aber das Beschaffungsrisiko abnehmen soll.

Schließlich könnte der B jedoch wegen § 275 Abs. 1 BGB von seiner Primärleistungspflicht und wegen § 280 Abs. 1 Satz 2 von der sekundären Schadensersatzpflicht befreit worden sein.

Allerdings ist anerkannt, dass die Haftung des Schuldners für Gattungsschulden dann entfallen kann, wenn infolge nicht vorhersehbarer Umstände so erhebliche Leistungshindernisse entstanden sind, dass dem Schuldner die Beschaffung nicht mehr zugemutet werden kann. Der BGH leitet dieses Ergebnis aus der Anwendung der Regeln über den Wegfall der Geschäftsgrundlage her (BGH NJW 1994, 515, 516). Demnach ist zu fragen, ob die Entscheidung der Porsche AG, B nicht zu beliefern, dazu führt, dass man B die Beschaffung eines Porsche 959 zur Erfüllung seiner vertraglichen Verpflichtungen nicht mehr zumuten kann. Dafür spricht in der Tat, dass B das Verhalten der Porsche AG nicht vorhersehen konnte und dass er als in die Absatzorganisation der Porsche AG eingebundener Händler nach dem Willen der Parteien kein hohes, besonders vergütetes Beschaffungsrisiko übernommen hat.

Andererseits hat B jedoch die Entscheidung der Porsche AG widerspruchslos hingenommen und dem A gegenüber als unabänderlich dargestellt, obgleich wie der BGH es formuliert "nach der Lebenserfahrung davon auszugehen ist, dass" - bei entsprechenden Bemühungen des B - "die Porsche AG als höchst zuverlässiger Vertragspartner auf B und die von ihm eingegangenen Verpflichtungen Rücksicht genommen hätte, ganz abgesehen davon, dass die Porsche AG möglicherweise auf Grund des Direkthändlervertrages mit B zu entsprechender Rücksichtnahme verpflichtet gewesen wäre". Es war aber für B als in die Absatzorganisation eingebundener Händler jedenfalls nicht von vorneherein aussichtslos und unzumutbar, auf die Porsche AG einzuwirken und etwa durch Androhung von im Hinblick auf das Verhalten der Porsche AG durchaus nahe liegenden Regressansprüchen zu versuchen, einen Porsche 959 zu beschaffen (so auch der BGH, in: NJW 1994, 515, 516). Daher ist die Verpflichtung des B nicht nach § 275 Abs. 1 BGB bzw. nach den Regeln über den Wegfall der Geschäftsgrundlage entfallen. Die übrigen Voraussetzungen des § 281 BGB sind im Hinblick auf die endgültige und beharrliche Leistungsverweigerung des B gegeben.

Konsequenzen der leistungsbefreienden Unmöglichkeit für den gegenseitigen Vertrag

Wird die Leistung dem Schuldner unmöglich, dann wird er sich natürlich in erster Linie fragen, ob die Unmöglichkeit ihn von seiner Primärleistungspflicht entbindet und ob ihn sekundäre Leistungspflichten treffen. Selbst wenn er aber im Falle unverschuldeter Unmöglichkeit seine Haftung erfolgreich "abwehren" kann, wird er sich bei gegenseitigen Verträgen häufig in einem zweiten Schritt fragen, was nun aus seiner Forderung (z.B. dem Anspruch auf Zahlung des Kaufpreises aus § 433 Abs. 2 BGB) gegen den Gläubiger wird.

Dies hängt nach der Regelung des § 326 BGB grundsätzlich davon ab, ob der Gläubiger die Unmöglichkeit zu vertreten hat oder nicht. Hat der Gläubiger die Unmöglichkeit ausnahmsweise einmal zu vertreten, dann behält der Schuldner gemäß § 326 Abs. 2 Satz 1 BGB den Anspruch auf die Gegenleistung, auf den er sich nach § 326 Abs. 2 Satz 2 BGB die durch den Wegfall seiner Leistungspflicht entstehenden Vorteile anrechnen lassen muss. Hat der Gläubiger dagegen die Unmöglichkeit ebenso wenig wie der Schuldner zu vertreten, dann verliert der Schuldner natürlich gemäß § 326 Abs. 1 BGB den Anspruch auf die Gegenleistung. § 326 Abs. 1 BGB ist damit Ausdruck der synallagmatischen Verknüpfung von Leistung und Gegenleistung beim zweiseitig verpflichtenden Vertrag: Haben weder (gemeint ist der Sachleistungs-)Schuldner noch Gläubiger die Unmöglichkeit der Leistungserbringung durch den Schuldner zu vertreten, dann verlieren beide ihre Ansprüche.

Das Erlöschen der beiderseitigen Leistungspflichten nach §§ 275 Abs. 1, 326 Abs. 1 BGB führt jedoch nicht in jedem Falle auch zur Aufhebung des Schuldverhältnisses im weiteren Sinne. So kann der (Sachleistungs-)Gläubiger trotz des Untergangs seines Anspruchs nach § 275 Abs. 1 BGB einen Anspruch auf Herausgabe oder Abtretung des so genannten "stellvertretenden commodums" gemäß § 285 Abs. 1 BGB haben. § 285 Abs. 1 BGB gibt dem Gläubiger, der seinen Anspruch wegen Unmöglichkeit verloren hat, einen Anspruch auf Herausgabe oder Abtretung dessen, was der Schuldner als Ersatz für den geschuldeten Gegenstand erlangt hat. Damit handelt es sich bei § 285 BGB dogmatisch betrachtet um einen Fall schuldrechtlicher Surrogation. Typische Beispiele für solche Surrogate sind etwa Schadensersatzansprüche oder Ansprüche auf Versicherungsleistungen, die dem Schuldner wegen des Untergangs des Leistungsgegenstandes zustehen. Verlangt der Gläubiger nun gemäß § 285 Abs. 1 BGB das stellvertretende commodum, so tritt dieses an die Stelle des ursprünglich geschuldeten Gegenstandes, so dass der Gläubiger auch weiterhin zur Gegenleistung verpflichtet bleibt (§ 326 Abs. 3 Satz 1 BGB). Diese wird allerdings nach § 326 Abs. 3 Satz 2 BGB nach Maßgabe des § 441 Abs. 3 BGB in dem Verhältnis gemindert, in dem das Surrogat hinter dem Wert der ursprünglich geschuldeten Leistung zurückbleibt.

Andererseits kann es auch vorkommen, dass der Gläubiger bereits vor dem Eintritt der Unmöglichkeit an den Schuldner geleistet hat. Ist dies geschehen, dann kann der Gläubiger das Geleistete nach § 326 Abs. 4 BGB nach den Rücktrittsregeln der §§ 346 bis 348 BGB wieder zurückverlangen.

Zusammenfassend kann man § 326 Abs. 1 BGB entnehmen, dass der (Sachleistungs-)Schuldner grundsätzlich während des gesamten Erfüllungszeitraumes die Gegenleistungsgefahr trägt. Das BGB hält sich jedoch nicht streng an diesen Grundsatz und hat daher in einigen Fällen zum Schutze des Schuldners einen vorzeitigen Gefahrübergang angeordnet. Dabei handelt es sich um § 326 Abs. 2 Satz 1 Fall 2 BGB, wonach der Gläubiger, sobald er in Annahmeverzug ist, die Gegenleistungsgefahr trägt, sowie um die §§ 446, 447 BGB im Kaufrecht und die §§ 644, 645 BGB im Werkvertragsrecht.

Übergang der Preisgefahr

Grundsätzlich trägt gemäß § 326 Abs. 1 S. 1 BGB der Verkäufer die Preisgefahr solange, bis er erfüllt hat. Die Erfüllung ist das natürliche Ende des Unmöglichkeitsrechts und damit auch der Gefahrtragungsvorschriften. In einigen Fällen, lässt das Gesetz die Preisgefahr jedoch schon früher auf den Käufer übergehen. Übergang der Preisgefahr meint, dass der Verkäufer trotz (zufälligen) Untergangs seiner Leistung den Anspruch auf die Gegenleistung in Form des Kaufpreises behält, oder aus der Sicht des Käufers, dass dieser nunmehr die Gefahr trägt, den Kaufpreis entrichten zu müssen, obgleich er die Kaufsache nicht erhalten hat und auch nichts verlangen kann, weil der Käufer von seinen Verpflichtungen frei geworden ist. Mit den Übergang der Preisgefahr trifft der wirtschaftliche Verlust nunmehr den Käufer, denn er muss zahlen, ohne etwas dafür zu erhalten (Larenz, Lehrbuch des Schuldrecht, Band II, Halbband 1, Besonderer Teil, 13. Auflage, § 42 II, S. 96).

a. § 446 BGB: Gefahrübergang im Zeitpunkt der Übergabe

Gemäß § 446 S. 1 BGB geht mit der Übergabe der verkauften Sache die Gefahr des zufälligen Untergangs und der zufälligen Verschlechterung auf den Käufer über. Der Sinn dieser Vorschrift erhellt sich im Zusammenspiel mit S. 2, denn mit der Übergabe gebühren ja auch die Nutzungen der Sache dem Käufer. Damit ist der wirtschaftliche Erfolg des Kaufvertrags für ihn im Wesentlichen eingetreten. Er ist nunmehr "näher dran", den wirtschaftlichen Verlust zu tragen, wenn die Sache durch Zufall untergeht, zudem sich die Sache nach erfolgter Übergabe im räumlichen Macht- und Kontrollbereich des Käufers befindet.

§ 446 BGB betrifft nur die Fälle der Übergabe des Kaufgegenstandes vor der Übereignung. Denn nach vollständiger Übereignung hat der Verkäufer seine Leistungspflichten aus § 433 Abs. 1 BGB erfüllt, so dass sich die Frage nach Unmöglichkeit und Gefahrtragung gar nicht mehr stellen kann. Was nach vollständiger Erfüllung mit der Sache passiert, tangiert den Verkäufer nicht mehr, der Kaufpreisanspruch kann ihm nicht mehr genommen werden. Denn dann gilt der Grundsatz, dass jeder Eigentümer die Gefahr des zufälligen Untergangs ihm gehörender Sachen zu tragen hat, casum sentit dominus. Hauptanwendungsfall des § 446 BGB ist der Verkauf unter Eigentumsvorbehalt (vgl. den Beispielsfall bei Schmidt/Brüggemeier, Grundkurs Zivilrecht, Rdnr. 498).

b. § 447 BGB: Gefahrübergang beim Versendungskauf

Der Anwendungsbereich der Fallgruppe des Gefahrübergangs beim Versendungskauf gemäß § 447 BGB ist durch die Schuldrechtsreform erheblich beschränkt worden. Gemäß § 474 Abs. 2 BGB findet § 447 BGB auf den in § 474 Abs. 1 legal definierten Verbrauchsgüterkauf keine Anwendung. Dieser Ausschluss stützt sich in erster Linie auf die Erwägung, dass das Risiko des zufälligen Untergangs der verschickten Ware von derjenigen Vertragspartei getragen werden soll, die eher als die andere imstande ist, dieses Risiko zu minimieren und Vorsorge gegen die Schadensfolgen zu treffen (Handkommentar zum BGB, Sänger, § 474 Rdnr. 6). Auf Grund des § 474 Abs. 2 BGB findet der Gefahrübergang nach § 447 BGB nur bei Kaufverträgen statt, an denen entweder sowohl auf Käufer- wie auf Verkäuferseite kein Verbraucher beteiligt ist, oder lediglich auf der Verkäuferseite, nicht aber auf der Käuferseite ein Verbraucher steht.

Ein Versendungskauf liegt vor, wenn der Verkäufer die Kaufsache auf Wunsch des Käufers nach einem anderen Ort als dem Erfüllungsort versendet. Der Begriff des Erfüllungsortes iSd § 447 BGB ist identisch mit dem des Leistungsortes, also dem Ort, an dem der Schuldner seine Leistungshandlung vorzunehmen hat. Dieser Ort ist im Zweifel der Ort, an dem der Schuldner seinen Wohnsitz oder gewerbliche Niederlassung hat, § 269 Abs. 1 BGB. Daran ändert in der Regel auch die Tatsache nichts, dass er die Mühen und Kosten der Versendung übernimmt, § 269 Abs. 3 BGB. Nur dann, wenn der Verkäufer eine Bringschuld übernommen hat, ist der Leistungsort auch der Wohnsitz bzw. die Niederlassung des Käufers. In diesem Fall findet § 447 BGB keine Anwendung. § 447 BGB erfasst also den Fall der Schickschuld (Schmidt/Brüggemeier, Grundkurs Zivilrecht, Rdnr. 502).

§ 447 BGB lässt die Gefahr bereits in dem Moment übergehen, in dem der Verkäufer die Sache dem Spediteur, Frachtführer oder der sonst zur Ausführung der Versendung bestimmten Person übergibt. Der Käufer hat also die Preisgefahr zu tragen, bevor er in Besitz der Sache gelangt. Den Zweck dieser Vorschrift sieht die hM darin, dass der Käufer, auf dessen Verlangen die gekaufte Sache nach einem anderen Ort als dem Leistungsort versandt wird, das dadurch erhöhte Risiko ordnungsgemäßer Erfüllung tragen soll, insbesondere das für Transportschäden und Verluste (Palandt/Weidenkaff, § 447, Rdnr. 2). Geht die Sache also auf den Transport verloren und wird infolgedessen dem Verkäufer die Erfüllung seiner Leistungspflicht unmöglich, behält er abweichend von § 326 Abs. 1 S. 1 BGB seinen Anspruch auf den Kaufpreis. Anders, wenn der Verkäufer bei der ihm als vertragliche Nebenpflicht obliegenden Vorbereitung der Versendung, insbesondere Auswahl des Spediteurs und Verpackung der Ware, die vertragsmäßige Sorgfalt nicht beachtet. Verstößt er gegen diese Pflichten schuldhaft und folgt daraus der Untergang oder die Verschlechterung der Sache, tritt der Gefahrübergang nicht ein, weil es an der Voraussetzung der zufälligen Verschlechterung oder des zufälligen Untergangs fehlt. Zudem haftet der Verkäufer aus § 280 Abs. 1 BGB (Larenz, Lehrbuch des Schuldrecht, Band II, Halbband 1, Besonderer Teil, 13. Auflage, § 42 II c). Für ein Verschulden des Beförderers haftet der Verkäufer dagegen nicht, da es sich beim Transport gerade nicht um eine Leistungspflicht des Verkäufers handelt, ihm das Fehlverhalten des Transportpersonals also nicht gemäß § 278 BGB zugerechnet werden kann (Schmidt/Brüggemeier, Grundkurs Zivilrecht, Rdnr. 504). Nach hM bezieht sich § 447 BGB nur auf die Transportgefahr, also Schäden, die ursächlich mit dem Transport zusammenhängen (zB Palandt/Weidenkaff, § 447, Rdnr. 15; aA mit beachtlichen Argumenten: Larenz, Lehrbuch des Schuldrecht, Band II, Halbband 1, Besonderer Teil, 13. Auflage, § 42 II c). Das häufigste Transportrisiko stellt es dar, wenn die Kaufsache bei einem fahrlässig durch das Transportpersonal verursachten Unfall zerstört oder beschädigt wird.

Nach hM kommt § 447 BGB auch zur Anwendung, wenn der Verkäufer für den Transport eigene Leute einsetzt. In einem solchen Fall ist aber zunächst zu prüfen, ob keine Bringschuld vorliegt. Liegt eine Bringschuld vor, dann handelt es sich um keinen Versendungskauf. Das ist etwa der Fall beim Möbelkauf oder beim Kauf einer Waschmaschine, wenn der Verkäufer auch die Montage übernimmt. Liegt eine Schickschuld vor und haben die den Transport durchführenden Leute des Verkäufers die Verschlechterung oder Beschädigung nicht verschuldet, trifft den Käufer gemäß § 477 BGB die Preisgefahr. Dagegen haftet der Verkäufer gemäß § 278 BGB für das schuldhafte Verhalten seiner Leute. Denn hat der Verkäufer die Zustellung freiwillig übernommen, so ist er wie eine Beauftragter (§ 662 BGB) zur sorgfältigen Ausführung verpflichtet. Das ergibt sich aus der allgemeinen Pflicht, bei allen mit der Vertragserfüllung zusammenhängenden Tätigkeiten das Interesse des Vertragspartners zu beachten, insbesondere ihn nicht zu schädigen, § 242 BGB (Larenz, Lehrbuch des Schuldrecht, Band II, Halbband 1, Besonderer Teil, 13. Auflage, § 42 II c = S. 103; Lorenz/Riehm, Lehrbuch zum neuen Schuldrecht, Rdnr. 479; aA: Medicus, Schuldrecht II, Besonderer Teil, Rdnr. 38).

c. § 326 Abs. 2 S. 1 BGB: Gefahrübergang bei Gläubigerverzug

Allgemein geht die Preisgefahr auf den Käufer nach § 326 Abs. 2 S. 1 BGB über, wenn er durch Nichtabnahme der ihm richtig angebotenen Leistung oder durch Unterlassen seiner Mitwirkung gemäß den §§ 293 ff. BGB in Annahme- oder Gläubigerverzug gerät. § 326 Abs. 2 S. 1 BGB bestimmt in Verbindung mit Abs. 1, dass der Schuldner - hier: der Verkäufer - seinen Anspruch auf die Gegenleistung behält, wenn seine Leistung infolge eines von ihm nicht zu vertretenden Umstandes unmöglich wird zu einer Zeit, in welcher der Gläubiger in Annahmeverzug ist. Zu beachten ist, dass der Verkäufer während des Gläubigerverzuges nur Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit zu vertreten hat, § 300 Abs. 1 BGB.

Zuletzt geändert: Donnerstag, 2. Februar 2012, 16:58