Stellvertretung

Kennzeichen der Stellvertretung (§§ 164 ff. BGB) ist, dass eine Person, der Vertreter, ein Rechtsgeschäft für eine andere Person, den Vertretenen, vornimmt und die Wirkungen dieses Rechtsgeschäfts den Vertretenen treffen, dieser also unmittelbar berechtigt und verpflichtet wird, obwohl er selbst nicht gehandelt hat. Die Möglichkeit, sich im rechtsgeschäftlichen Bereich vertreten zu lassen, entspricht den praktischen Bedürfnissen des modernen (Wirtschafts-)Lebens. Sie ist eine Form der Arbeitsteilung im rechtsgeschäftlichen Verkehr. Die weitere Form der Arbeitsteilung im rechtsgeschäftlichen Verkehr ist die Botenschaft. Der Bote übermittelt (oder empfängt) lediglich Erklärungen, die inhaltlich nicht von ihm stammen. Der Bote hat keine eigenen Entscheidungsmöglichkeiten mit Blick auf die Willenserklärung, die er übermittelt oder empfängt.

Die Arbeitsteilung allgemein bleibt natürlich nicht auf den rechtsgeschäftlichen Verkehr beschränkt. Jenseits des rechtsgeschäftlichen Verkehrs spricht man von Gehilfen. Dabei gibt es diejenigen, die in die Erfüllung eigener Verpflichtungen des Geschäftsherrn eingebunden werden, die Erfüllungsgehilfen, und diejenigen, bei denen es an einer solchen Sonderverbindung zwischen dem Geschäftsherrn und dem Dritten, mit dem der Gehilfe in Kontakt kommt, fehlt, die Verrichtungsgehilfen. Diese Unterscheidung gewinnt namentlich dann an Bedeutung, wenn es um die Schadensersatzpflicht für vom Gehilfen angerichtete Schäden geht. Für Erfüllungsgehilfen haftet der Geschäftsherr gemäß § 278 BGB ohne jede Entschuldigungsmöglichkeit. Insoweit übernimmt er eine Garantie. Für Verrichtungsgehilfen haftet er nach § 831 Abs. 1 Satz 1 BGB auch. Er kann sich aber nach § 831 Abs. 1 Satz 2 BGB exkulpieren. Er haftet mit anderen Worten nur für eigenes (wenn auch vermutetes) Verschulden.

Damit nun die Folgen rechtsgeschäftlichen Handelns nicht den Handelnden selbst treffen, sondern den Vertretenen, müssen bestimmte Voraussetzungen erfüllt sein.

Im Folgenden sollen zunächst diese Voraussetzungen näher untersucht werden. Die genannten Voraussetzungen können zugleich als Prüfungsschema für die Frage dienen, ob jemand wirksam als Vertreter gehandelt hat oder nicht. Dabei werden den einzelnen Voraussetzungen zugleich diejenigen Problempunkte zugeordnet, die dort auftreten können. Das hat den Vorteil, dass der prüfungslogische Anknüpfungspunkt des Problems deutlich wird, was dem Klausurbearbeiter wiederum den Aufbau seiner Arbeit erleichtert: Denn das Problem ist im Rahmen derjenigen Voraussetzung zu erörtern, der es prüfungslogisch zugehörig ist.

Im Anschluss daran werden die Rechtsfolgen der Stellvertretung erläutert; zunächst bei bestehender Vertretungsmacht, danach – ausführlicher – die Folgen, die sich ergeben, wenn keine wirksame Vertretungsmacht bestand.

Modifié le: mardi 9 septembre 2008, 10:57