Bereicherungsrecht
Die ungerechtfertigte Bereicherung
1. Die Hauptfunktion des Bereicherungsrechts
Wer durch die Leistung eines anderen oder in sonstiger Weise auf dessen Kosten etwas erlangt, ist diesem gemäß § 812 Abs. 1 S. 1 BGB zur Herausgabe verpflichtet. Der Gerechtigkeitsgehalt dieser Vorschrift erklärt sich von selbst. Bezahlt jemand versehentlich seine Schuld doppelt, so ist es eine Selbstverständlichkeit, dass der Gläubiger die zweite Zahlung herausgeben muss. Genauso selbstverständlich ist es, dass derjenige, der fremde Kohle verheizt und dadurch Geld für deren Kauf spart, dem Eigentümer auch dann ausgleichspflichtig ist, wenn er die Kohle schuldlos für seine eigene halten durfte und nicht gemäß § 823 Abs. 1 BGB schadensersatzpflichtig ist. Die primäre Funktion des Bereicherungsrechts besteht somit in der Abschöpfung eines ungerechtfertigten Vorteils. Darin liegt zugleich der Unterschied gegenüber dem Schadensrecht. Während es dort um den Ausgleich einer Einbuße im Vermögen des Gläubigers geht, besteht das Ziel des Bereicherungsrechts umgekehrt in der Rückgängigmachung einer Vermehrung im Vermögen des Schuldners. Der Vermögenszuwachs des Bereicherten wird zugunsten des Entreicherten abgeschöpft. In Konsequenz dieser Abschöpfungsfunktion ist jeder Bereicherungsanspruch grundsätzlich - vorbehaltlich einer verschärften Haftung gemäß §§ 818 Abs. 4, 819, 820 BGB - ausgeschlossen, wenn sich im Vermögen des Bereicherten kein Überschuss mehr findet, vgl. § 818 Abs. 3 BGB (Larenz/Canaris, Lehrbuch des Schuldrechts, Band II, Halbband 2, Besonderer Teil, 13. Auflage, 1994, § 67 I 1 = S. 127 f.). Allerdings wäre die Feststellung unzutreffend, dass schadensersatzrechtliche Aspekte im Bereicherungsrecht keine Rolle spielten. Wurde jemandem aufgrund eines unwirksamen schuldrechtlichen Vertrags eine Sache wirksam übereignet - was ja nach dem Abstraktions- und Trennungsprinzip möglich ist - und zerstört er diese nun, kann er sich nicht immer auf den Wegfall der Bereicherung gemäß § 818 Abs. 3 BGB berufen. Er haftet verschärft gemäß §§ 819, 818 Abs. 4, 292, 989 BGB auf Schadensersatz, wenn er die Unwirksamkeit des Vertrages kannte (Larenz/Canaris, Lehrbuch des Schuldrechts, Band II, Halbband 2, Besonderer Teil, 13. Auflage, 1994, § 67 I 1 c = S. 128 f.).
2. Die einzelnen Tatbestände im Überblick
a) Die Unterscheidung zwischen Leistungs- und Nichtleistungskondiktion
§ 812 Abs. 1 S. 1 BGB unterscheidet zwischen der Bereicherung durch die Leistung eines anderen und der Bereicherung in sonstiger Weise. Hieran entzündete der sich bis heute überlebende Streit, ob § 812 Abs. 1 S. 1 BGB nur einen einzigen einheitlichen Grundtatbestand enthält und der Leistungskondiktion nur die Bedeutung eines besonders hervorgehobenen Beispiels beizumessen ist (Einheitstheorie), oder ob mit der heute weit überwiegenden Trennungstheorie die Verschiedenheit der beiden Alternativen des § 812 Abs. 1 S. 1 BGB scharf betont wird, § 812 Abs. 1 S. 1 BGB also in den Tatbestand der Leistungskondiktion (,,Wer durch die Leistung eines anderen ...", § 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 BGB) und der Nichtleistungskondiktion (,, ... oder in sonstiger Weise auf dessen Kosten ...", § 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 2 BGB) zerfällt.
Der Begriff ,,Kondiktion" (von lat. condictio) ist gleichbedeutend mit ,,Bereicherungsanspruch". Zum einen legt es bereits die Systematik des Gesetzes nahe, von einer Sonderstellung der Leistungskondiktion auszugehen. Denn das Gesetz hält in den §§ 813, 814, 815, 817, 819 Abs. 2, 820 Abs. 1 BGB Tatbestände bereit, die nur für die Leistungskondiktion gelten. Zum anderen spricht die Verschiedenheit der erfassten Sachverhalte für eine Zweiteilung. Einerseits dient die Leistungskondiktion der Rückabwicklung fehlgeschlagener Güterbewegungen (Leistungen), die z.B. aufgrund eines unerkannt nichtigen Vertrages vorgenommen wurden. Andererseits geht es um Fallgestaltungen, in denen jemand aus einem fremden Recht Vorteile zieht, etwa indem er wirksam eine fremde Sache veräußert (§ 932 BGB). Hier steht der Schutz des fremden Rechtes im Mittelpunkt, der Bereicherungsanspruch hat jetzt die Funktion einer Ergänzung zu den vindikatorischen, negatorischen und deliktischen Ansprüchen aus §§ 985, 1004, 823 BGB. Die Rückabwicklung von Güterbewegungen und Güterschutz sind die beiden Gebiete, denen Leistungskondiktion und Eingriffskondiktion (als wichtigste Nichtleistungskondiktion) funktionell zugeordnet sind (Larenz/Canaris, Lehrbuch des Schuldrechts, Band II, Halbband 2, Besonderer Teil, 13. Auflage, 1994, § 67 I 2 = S. 129 f.). In Klausuren sollte ganz selbstverständlich von dieser Unterteilung des § 812 Abs. 1 S. 1 BGB ausgegangen werden. Eine Konsequenz dieser Zweiteilung ist, dass das Tatbestandsmerkmal ,,auf dessen Kosten" für die Leistungskondiktion keine Rolle mehr spielt: Gläubiger und Schuldner werden ausschließlich durch den Leistungsbegriff bestimmt.
b) Die Leistungskondiktion
Das Gesetz unterscheidet in den §§ 812 ff. BGB verschiedene Tatbestände der Leistungskondiktion. Ihre Darstellung gehört nicht in den Rahmen dieser Vorlesung. Im Folgenden seien sie um der Vollständigkeit willen aufgezählt (einen kurzen Überblick gibt: Musielak, GK BGB, Rdnr. 704). Nur auf die Tatbestandsvoraussetzungen der condictio indebiti (§ 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 BGB) wird unten überblicksartig eingegangen.
1. condictio indebiti (§ 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 BGB)
Grundtatbestand der Leistungskondiktion ist die sog. condictio indebiti, § 812 Abs. 1 S. 1 Alt.1 BGB. Sie ist tatbestandlich erfüllt, wenn ein Rechtsgrund für eine durch Leistung bewirkte Vermögensverschiebung von Anfang an nicht vorhanden ist, wenn das Kausalgeschäft z.B. wegen Geschäftsunfähigkeit (§ 105 BGB) oder Formmangels (§ 125 BGB) nichtig ist. § 813 BGB erweitert den Tatbestand der condictio indebiti auf Fälle, in denen die Schuld zwar besteht, aber mit einer peremptorischen Einrede behaftet ist. Eine Ausnahme gilt für die Einrede der Verjährung (§ 813 Abs. 1 S. 2 BGB).
2. condictio ob causam finitam (§ 812 Abs.1 S. 2 Alt. 1 BGB)
Die condictio ob causam finitam ist durch den nachträglichen Wegfall des Rechtsgrundes gekennzeichnet, z.B. durch den Widerruf einer Schenkung wegen groben Undanks, §§ 530, 531 Abs. 2 (BGH, NJW 1999, 1626 (1630)).
3. condictio ob rem oder condictio causa data causa non secuta (§ 812 Abs. 1 S. 2 Alt. 2 BGB)
Hier besteht der Bereicherungsanspruch auch dann, wenn der mit der Leistung nach dem Inhalt des Rechtsgeschäfts bezweckte Erfolg nicht eintritt. Welche Gestaltungen hierunter fallen, gehört in eine spätere Vorlesung zum Bereicherungsrecht. Als Regelsatz lässt sich formulieren: Wer zur Erreichung eines nach dem Inhalt des Rechtsgeschäfts bezweckten Erfolges wissentlich eine nicht geschuldete Leistung erbringt, kann Herausgabe des Erlangten verlangen, wenn der Erfolg nicht eintritt.
4. condictio ob turpem vel iniustam causam (§ 817 S. 1 BGB)
Diese Kondiktion betrifft den Fall, dass der Empfänger mit der Leistungsannahme gegen ein gesetzliches Verbot oder die guten Sitten verstößt. Da in solchen Fällen meist schon das Verpflichtungsgeschäft gemäß §§ 134, 138 BGB nichtig sein wird, greift bereits die condictio indebiti ein, sodass es des Rückgriffs auf § 817 S. 1 BGB nur in seltenen Fällen bedarf (Larenz/Canaris, Lehrbuch des Schuldrechts, Band II, Halbband 2, Besonderer Teil, 13. Auflage, 1994, § 67 I 6 = S. 157 f.).
c) Die Nichtleistungskondiktion ( § 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 2 BGB)
Innerhalb der Nichtleistungskondiktion wird weiter unterschieden zwischen der Eingriffs-, Rückgriffs-, und Verwendungskondiktion. Im Gegensatz zur Leistungskondiktion sind die Unterfälle der Nichtleistungskondiktion im Gesetz mit Ausnahme des § 816 BGB nicht geregelt. Für mehr als einen sporadischen Überblick ist hier nicht der Ort (Überblick bei: Musielak, GK BGB, Rdnr. 714).
1. Eingriffskondiktion
Der wichtigste Unterfall der Nichtleistungskondiktion ist die Eingriffskondiktion. Sie ist dadurch gekennzeichnet, dass der Bereicherungsschuldner in eine fremde Rechtsposition eingreift und sich dadurch einen Vermögensvorteil verschafft. Der Bereicherungsanspruch wird ausgelöst, weil der erlangte Vorteil nach dem Recht der Güterzuordnung nicht dem Eingreifenden, sondern dem Bereicherungsgläubiger zusteht. Einen Sondertatbestand der Eingriffskondiktion bildet § 816 BGB. Verkauft und übereignet ein Nichteigentümer eine Sache an einen Dritten und erwirbt dieser gemäß §§ 929, 932 BGB an der Sache Eigentum, kann der Alteigentümer von dem ,,nicht berechtigten" Veräußerer die Herausgabe des Verkaufserlöses gemäß § 816 Abs. 1 S. 1 BGB verlangen. Ein Durchgriff gegen den Dritten ist ausgeschlossen (Ausnahme: § 816 Abs. 1 S. 2 BGB).
2. Verwendungskondiktion
Hierbei handelt es sich um Sachverhalte, in denen jemand Vermögenswerte auf fremdes Gut verwendet, ohne jedoch dem Eigentümer dadurch eine Leistung zu erbringen
3. Rückgriffskondiktion
Hier geht um Fälle, in denen der Bereicherungsgläubiger auf fremde Schuld zahlt, ohne dadurch eine Leistung an den fremden Schuldner zu erbringen.
3. Verhältnis der Leistungs- zur Nichtleistungskondiktion
Die ganz hM geht davon aus, dass die Nichtleistungskondiktion zur Leistungskondiktion subsidiär ist. Das aufgrund einer Leistung Erlangte kann nicht im Wege der Nichtleistungskondiktion kondiziert werden. Bedeutung erhält das Subsidiaritätsdogma in Mehrpersonenverhältnissen. Einen gesetzlichen Anhaltspunkt für das Subsidiaritätsdogma bietet § 816 Abs. 1 S. 1 BGB. Diese Vorschrift schließt einen Durchgriff des Alteigentümers gegen den gutgläubigen Erwerber aus. Das Leistungsverhältnis zwischen unberechtigt Verfügendem und dem gutgläubigen Dritten wird gegen die Nichtleistungskondiktionsansprüche des Alteigentümers abgeschirmt.
4. Kondiktionssperren
Die §§ 814, 815, 817 S. 2 BGB enthalten Tatbestände, die einen Ausschluss nur der Leistungskondiktionen zur Folge haben. Dabei bildet § 814 BGB nur für condictio indebiti eine Kondiktionssperre, § 815 BGB ist ausschließlich auf die condictio ob rem anwendbar. Die praktisch wichtigste Kondiktionssperre des § 817 S. 2 BGB gilt für alle Fälle der Leistungskondiktion. Hierfür genügt entgegen dem Wortlaut (,,gleichfalls"), dass nur dem Leistenden ein Gesetzes- oder Sittenverstoß anzulasten ist. Ihrem Wortlaut nach bezieht sich § 817 S. 2 BGB zwar nur auf die Fälle des § 817 S. 1 BGB, also auf Sachverhalte, in denen der Empfänger der Leistung gegen ein gesetzliches Verbot oder die guten Sitten verstößt. Das hätte aber zur Folge, dass § 817 S. 2 BGB ausschließlich dem gesetzes- oder sittenwidrig handelnden Empfänger zugute käme, nicht aber einem redlich Handelnden. Um diesen Wertungswiderspruch zu beseitigen, wird § 817 S. 2 BGB über seinem Wortlaut hinaus angewandt, wenn nur dem Leistenden der Vorwurf der Gesetzes- oder Sittenwidrigkeit gemacht wird (Musielak, GK BGB, Rdnr. 709).
5. Insbesondere: die condictio indebiti
Die condictio indebiti (§ 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 BGB) setzt dem Grunde nach dreierlei voraus:
- Der Kondiktionsschuldner muss etwas erlangt haben
- durch Leistung des Kondiktionsgläubigers
- und dies ohne rechtlichen Grund.
(1) Das Erlangte
Als Erlangtes kommen zunächst alle dinglichen und persönlichen Rechte in Betracht, wie z.B. das Eigentum, Pfandrechte, Anwartschaftsrechte. Weiter kann das Erlangte in einer vorteilhaften Rechtsstellung zu finden sein, wie im Besitz oder einer Grundbuchposition. Erlangt sein können aber auch gegenständlich nicht fassbare Vorteile wie vor allem Dienstleistungen oder unkörperliche Nutzungen (z.B. Gebrauch eines Kfz). Zwar können solche Vorteile nicht herausgegeben werden, doch bleibt dann immer noch der Wertersatz gem. § 818 Abs. 2 BGB (zum Erlangten: Medicus, Schuldrecht II, Besonderer Teil, Rdnr. 673).
(2) Die Leistung
Zentraler Begriff der Leistungskondiktion ist die Leistung. Leistung bedeutet nach ständiger neuerer Rechtsprechung die bewusste und zweckgerichtete Mehrung fremden Vermögens.
a) Zunächst ist das Bewusstsein erforderlich, fremdes Vermögen zu vermehren. Deshalb leistet jemand nicht, der ein fremdes Pferd füttert in der irrigen Annahme, es sei sein eigenes. Der Handelnde weiß ja gar nicht, dass sein Tun fremdem Vermögen zugute kommt (Medicus, Schuldrecht II, Besonderer Teil, Rdnr. 635).
b) Schließlich muss mit der Leistung ein bestimmter Zweck verfolgt werden. So leistet z.B. der Verkäufer bei Erfüllung des Kaufvertrages, um seine Verpflichtung aus § 433 Abs. 1 BGB zu erfüllen. Das Kriterium des Leistungszwecks wird insbesondere bei Mehrpersonenverhältnissen bedeutsam, weil anhand der Zweckrichtung der Leistung die einzelnen Leistungsbeziehungen bestimmt werden. Die Bestimmung der einzelnen Leistungsbeziehungen hat weit gehende Auswirkungen auf den Bereicherungsausgleich, denn nach der bereits oben aufgestellten Regel kann (bei Mehrpersonenverhältnissen) der Gegenstand einer Leistung grundsätzlich nicht im Wege der Nichtleistungskondiktion herausverlangt werden (Subsidiarität der Nichtleistungskondiktion).
Beispiel (Musielak, GK BGB, Rdnr. 704): S weist seine Bank B an, an G 2000 DM zu zahlen, die er diesem aus einem Kaufvertrag schuldet. Führt die Bank diese Anweisung aus, dann vermehrt sie zwar bewusst das Vermögen des G, verfolgt im Verhältnis zu G aber keinen Leistungszweck. In der tatsächlichen Auszahlung an G ist keine Leistung im Rechtssinne zu verstehen. Vielmehr leistet die Bank an S, da sie mit der Auszahlung an G ihrer Verpflichtung aus ihrer vertraglichen Beziehung (Bankvertrag) zu S nachkommt. Gleichzeitig hat S in seinem Verhältnis zu G (unter Zuhilfenahme der Bank) eine Leistung erbracht, mit dem Zweck, seine Verpflichtung aus dem Kaufvertrag zu erfüllen. Sofern bei diesen Anweisungsfällen Fehler im Deckungsverhältnis (Beziehung S zu seiner Bank) oder im Valutaverhältnis (Beziehung S zu G) auftreten, gilt in ständiger Rechtsprechung folgender Lösungsgrundsatz (BGHZ 111, 382 (385)): Grundsätzlich gilt, ,,daß sich ein Bereicherungsausgleich in Fällen der Leistung kraft Anweisung grundsätzlich innerhalb des jeweiligen Leistungsverhältnisses vollzieht. Bei Fehlern im Deckungsverhältnis zwischen dem Anweisenden und dem Angewiesenen ist der Bereicherungsausgleich deshalb in diesem Verhältnis vorzunehmen. Weist dagegen das Valutaverhältnis zwischen dem Anweisenden und dem Anweisungsempfänger Fehler auf, ist der Ausgleich der Bereicherung in diesem Verhältnis abzuwickeln. Allerdings hat der BGH wiederholt zum Ausdruck gebracht, dass sich bei der bereicherungsrechtlichen Behandlung von Vorgängen, an denen mehr als zwei Personen beteiligt sind, jede schematische Lösung verbietet. Es komme stets auf die Besonderheiten des Einzelfalles an, die für die sachgerechte bereicherungsrechtliche Abwicklung derartiger Vorgänge zu beachten sind (BGHZ 89, 376 (378) = NJW 1984, 1348 = LM § 812 BGB Nr. 168)".
(3) Das Fehlen des Rechtsgrundes
Das dritte Merkmal der condictio indebiti ist das Fehlen des rechtlichen Grundes für die Leistung. Der Rechtsgrund fehlt, wenn der Zweck der Leistung, nämlich die Erfüllung einer Verbindlichkeit, fehlschlägt. Das ist z.B. der Fall, wenn das zugrunde liegende Rechtsverhältnis nichtig ist. Von dem Fall des § 812 Abs. 1 S. 2 Alt. 1 (condictio ob causam finitam) unterscheidet sich die condictio indebiti dadurch, dass bei ihr der Rechtsgrund von Anfang an fehlt. Unter die condictio indebiti und nicht unter § 812 Abs. 1 S. 2 Alt. 1 BGB fällt nach hM deshalb auch die Anfechtung des Kausalgeschäfts, weil diese gemäß § 142 Abs. 1 BGB ex-tunc-Wirkung hat (Larenz/Canaris, Lehrbuch des Schuldrechts, Band II, Halbband 2, Besonderer Teil, 13. Auflage, 1994, § 68 I 1 = S. 146).
6. Der Bereicherungsumfang
Während die Anspruchsvoraussetzungen in den §§ 812 bis 817, 822 BGB geregelt sind, finden sich Aussagen zu den Rechtsfolgen in den §§ 818 bis 820 BGB.
(1) Der Kondiktionsgegenstand
Primärer Gegenstand der Kondiktion ist das Erlangte. Das folgt schon unmittelbar aus § 812 Abs. 1 S. 1 BGB, wonach der Bereicherungsschuldner zur Herausgabe desjenigen verpflichtet wird, was er rechtsgrundlos erlangt hat (heute ganz hM: Larenz/Canaris, Lehrbuch des Schuldrechts, Band II, Halbband 2, Besonderer Teil, 13. Auflage, 1994, § 71 I 1 = S. 254 f.). So ist beim rechtsgrundlosem Erwerb zB das erlangte Eigentum zurückzuübereignen, die erlangte Forderung zurückzuübertragen.
Für den Fall, dass die Herausgabe wegen der Beschaffenheit des Erlangten nicht möglich oder der Empfänger aus einem anderen Grund zur Herausgabe außerstande ist, ordnet § 818 Abs. 2 BGB Wertersatz an. Bei § 818 Abs. 2 Alt. 1 BGB geht es um sog. ungegenständliche Vorteile (s.o.), wie z.B. Gebrauchsvorteile, Dienst- oder Werkleistungen. Dabei sieht die heute hM diese Gebrauchsvorteile und Dienstleistungen selbst als das Erlangte an, so dass grundsätzlich ihr Wert zu ersetzen ist (Larenz/Canaris, Lehrbuch des Schuldrechts, Band II, Halbband 2, Besonderer Teil, 13. Auflage, 1994, § 71 I 2 a = S. 255 f.; früher wurde das Erlangte überwiegend in den Vorteilen gesehen, die sich durch den rechtsgrundlosen Erwerb im Vermögen des Schuldners ergaben, insbesondere die Ersparung von Aufwendungen). Nach hM hat die Wertbestimmung bei § 818 Abs. 2 BGB grundsätzlich objektiv zu erfolgen.
§ 818 Abs. 1 BGB erstreckt die Herausgabepflicht auf gezogene Nutzungen und Surrogate: Zunächst sind mit dem Erlangten auch die gezogenen Nutzungen (§ 100 BGB) herauszugeben. Es können allerdings nur tatsächlich gezogene Nutzungen beansprucht werden, dagegen nicht auch solche, die hätten gezogen werden können (etwas Anderes gilt bei der verschärften Haftung, §§ 819, 818 Abs. 4, 292, 987 Abs. 2 BGB). Ist ein Geldbetrag Bereicherungsgegenstand, kann der Bereicherungsgläubiger also nur dann Zinsen verlangen, wenn der Bereicherungsschuldner auch einen entsprechenden Zinsbetrag erwirtschaftet hat.
Des Weiteren erstreckt § 818 Abs. 1 BGB die Herausgabepflicht auf dasjenige, was der Empfänger aufgrund eines erlangten Rechts oder als Ersatz für die Zerstörung, Beschädigung oder Entziehung des erlangten Gegenstandes erwirbt. Aufgrund des erlangten Rechts ist nur erworben, was in bestimmungsgemäßer Ausübung des Rechts erlangt wurde, z.B. bei Einziehung einer Forderung der Leistungsgegenstand. Nicht hierunter fallen die sog. rechtsgeschäftlichen Surrogate (commodum ex negotiatione), also das, was der Bereicherte durch Rechtsgeschäft (z.B. Verkauf des Erlangten.) erwirbt; für diesen Fall der Weiterveräußerung ordnet § 818 Abs. 2 BGB abschließend Wertersatz an. Diese Frage wird relevant, wenn der Verkaufserlös der Sache ihren Wert übersteigt. Dies wird zum einem systematisch begründet: Anders als etwa §§ 2111 Abs. 1 S. 1, 1418 Abs. 1 Nr. 3, 1473 Abs. 1 BGB nennt § 818 Abs. 1 BGB nicht auch das ,,durch Rechtsgeschäft mit Mitteln des Erlangten Erworbene". In die gleiche Richtung weist der augenfällige Unterschied in der Formulierung zu § 285 BGB. Zum anderen ist dieses Ergebnis interessengerecht: Denn der rechtsgeschäftliche Gewinn beruht auf der besonderen geschäftlichen Tüchtigkeit des Bereicherungsschuldners; den berechtigten Interessen des Bereicherungsgläubigers kann mit § 818 Abs. 2 Rechnung getragen werden (Larenz/Canaris, Lehrbuch des Schuldrechts, Band II, Halbband 2, Besonderer Teil, 13. Auflage, 1994, § 72 I c = S. 266 f.; kritisch: Medicus, Schuldrecht II, Besonderer Teil, Rdnr. 676). Schließlich lässt sich so eine Stufung zwischen gutgläubigem und unverklagtem Bereicherungsschuldner zum bösgläubigen oder verklagten Bereicherungsschuldner erreichen; denn dieser haftet ohnehin gem. §§ 819, 818 Abs. 4, 285 BGB bzw. nach §§ 687 Abs. 2, 681, 667 BGB auf Herausgabe des vollen Gewinns.
(2) Die besondere Milde des Bereicherungsrechts (§ 818 Abs. 3 BGB) bei der Abschöpfungskondiktion und die verschärfte Haftung im Rahmen der Fremdgeschäftsführungskondiktion
Nach § 818 Abs. 3 BGB ist die Verpflichtung zur Herausgabe oder zum Ersatz des Wertes ausgeschlossen, soweit der Empfänger nicht mehr bereichert ist. Das gilt aber nur für den gutgläubigen und unverklagten Bereicherungsschuldner. Für den bösgläubigen oder verklagten Bereicherungsschuldner verweisen §§ 819, 818 Abs. 4 BGB auf die allgemeinen Vorschriften, damit auch über § 292 BGB auf die §§ 987 ff. BGB. Daraus folgt eine Zweiteilung der bereicherungsrechtlichen Haftungsordnung (die Darstellung folgt im Wesentlichen Larenz/Canaris, Lehrbuch des Schuldrechts, Band II, Halbband 2, Besonderer Teil, 13. Auflage, 1994, § 71 II, III = S. 257 ff.)
1. Die Milde der Bereicherungshaftung: Die (vermögensorientierte) Abschöpfungskondiktion
Die Bereicherungshaftung des gutgläubigen Bereicherungsschuldners ist durch ihre besondere Milde - insbesondere durch § 818 Abs. 3 BGB - charakterisiert. Denn während der Herausgabepflichtige nach § 280 Abs. 1 BGB oder den §§ 989 f. BGB für jede verschuldete Unmöglichkeit oder Verschlechterung einzutreten hat, wird er nach § 818 Abs. 3 auch bei Verschulden von seiner bereicherungsrechtlichen Herausgabepflicht frei. § 818 Abs. 3 BGB entbindet den gutgläubigen Bereicherungsschuldner also von jeglichen Sorgfaltspflichten im Umgang mit dem Erlangten. Diese Besserstellung wird dadurch verstärkt, dass Bösgläubigkeit gemäß § 819 Abs. 1 BGB positive Kenntnis vom Mangel des rechtlichen Grundes voraussetzt. Fahrlässige Unkenntnis, selbst grobe Fahrlässigkeit schadet nicht. Auch hinsichtlich der bereicherungsrechtlichen Sekundäransprüche ist der Bereicherungsschuldner privilegiert. Er hat nach § 818 Abs.1 BGB nur die tatsächlich gezogenen Nutzungen herauszugeben, während der bösgläubige oder verklagte Bereicherungsschuldner auch für die ordnungswidrig unterlassene Nutzziehung haftet, § 987 Abs. 2 BGB (iVm §§ 819, 818 Abs. 4, 292 BGB). Die Pflicht aus § 818 Abs. 1 BGB zur Herausgabe von Surrogaten erfasst auch nicht das commodum ex negotiatione, während dies über §§ 819, 818 Abs. 4 BGB iVm § 285 BGB als ,,allgemeine Vorschrift" herauszugeben ist. Aufwendungen kann der Bereicherungsschuldner gemäß § 818 Abs. 3 BGB bereicherungsmildernd geltend machen, während dies dem verschärft Haftenden nur in den engen Grenzen des § 994 BGB (iVm §§ 818 Abs. 4, 292 BGB) möglich ist. Der Bereicherungsschuldner, der weder verklagt noch bösgläubig ist, kann mit dem Erlangten nach Belieben verfahren und braucht nur herauszugeben, was noch vorhanden ist - sei es in Natur oder in Form einer sonstigen Mehrung seines Vermögens (z.B.. Ersparung von Aufwendungen). Es geht somit um die bloße Abschöpfung einer noch vorhandenen Bereicherung (Abschöpfungskondiktion).
2. Die verschärfte Haftung: Die verhaltensbezogene Fremdgeschäftsführungskondiktion
Kennt der Bereicherungsschuldner den Mangel des rechtlichen Grundes, so haftet er gemäß §§ 819 Abs. 1, 818 Abs. 4, 292, 989 BGB auf Schadensersatz; grundsätzlich nur bei Verschulden und nicht auch für Zufall, wie sich eindeutig aus § 989 BGB ergibt. Kennt der Bereicherungsschuldner die Rechtsgrundlosigkeit seines Erwerbs (§ 819 Abs.1 BGB), muss er das Erlangte wie einen fremden Gegenstand behandeln. Die Parallele zu § 687 Abs. 2 BGB ist deutlich. Gleiches gilt für die Haftungsverschärfung gemäß § 818 Abs. 4 BGB: Die Klageerhebung ist ein deutliches Warnsignal. Der Beklagte soll sich vorsorglich vom Streitbeginne an als Verwahrer und Verwalter fremden Gutes betrachten (deshalb: Fremdgeschäftsführungskondiktion). Die Haftungsverschärfung beinhaltet nicht nur die Pflicht zum Schadensersatz. Für nicht gezogene Nutzungen haftet er gem. § 987 Abs. 2 BGB, Verwendungen kann er nur noch im engen Rahmen des § 994 Abs. 2 BGB geltend machen, das commodum ex negotiatione hat er gemäß § 285 BGB herauszugeben.
Selbstverständlich kann der Bereicherungsgläubiger statt der Ansprüche aus §§ 818 Abs. 4, 819 BGB auch die Abschöpfungskondiktion geltend machen, denn es besteht nicht der geringste Anlass den bösgläubigen und den verklagten Bereicherungsschuldner insoweit besser zu behandeln, als den gutgläubigen unverklagten. Dabei ist dem bösgläubigen und verklagten Bereicherungsschuldner die Berufung auf den Wegfall der Bereicherung versagt (vgl. Larenz/Canaris, Lehrbuch des Schuldrechts, Band II, Halbband 2, Besonderer Teil, 13. Auflage, 1994, § 71 II 2 c = S. 259 f., der diesen Fall der Verwehrung der Berufung auf § 818 Abs. 3 BGB als dritten Haftungstyp neben Abschöpfungs- und Fremdgeschäftsführungskondiktion behandelt: Sog. quasi-kontraktliche Kondiktion).
7. Der Bereicherungsausgleich bei gegenseitigen Verträgen: Saldotheorie und Gegenleistungskondiktion
Obwohl die Rückabwicklung gegenseitiger Verträge zu den vorrangigsten Aufgaben des Bereicherungsrechts gehört, ist die gesetzliche Regelung auf diese Problematik nicht hinreichend abgestimmt. Brennpunkt der Problematik ist dabei die weitreichende Entlastung des gutgläubigen Bereicherungsschuldners durch § 818 Abs. 3 BGB.
(1) Zweikondiktionentheorie und Saldotheorie
Beispielsfall: K kauft von V einen Pkw zum Preis von 50.000 DM. Die wechselseitigen Leistungen werden erbracht. Kurz darauf geht der Wagen durch Zufall unter. Jetzt stellt sich die anfängliche Nichtigkeit des Kaufvertrages heraus.
Wendet man das Gesetz auf diesen Sachverhalt unbefangen an, stellt sich die Rechtslage wie folgt dar: V könnte einen Anspruch gegen K aus § 812 BGB haben. Wegen der Nichtigkeit des Vertrages ist zunächst der Wagen herauszugeben und zurückzuübereignen. Da dies nicht mehr möglich ist, ist grundsätzlich gem. § 818 Abs. 2 BGB Wertersatz zu leisten. K ist aber gemäß § 818 Abs. 3 BGB entreichert, da kein Wert mehr im seinem Vermögen vorhanden ist. K hat V nichts herauszugeben. Umgekehrt kann aber K von V die Rückzahlung des Kaufpreises verlangen, da V seinerseits nicht entreichert ist. Dies ist in der Tat das Ergebnis der Zweikondiktionentheorie, nach der das Schicksal des einen Anspruchs nicht durch das des anderen Anspruchs beeinflusst wird. Die wechselseitigen Kondiktionsansprüche stehen isoliert nebeneinander. Nach dieser Lösung müsste also V den Kaufpreis zurückzahlen, obwohl er selbst nichts mehr verlangen könnte (vgl. die Darstellung bei Medicus, Schuldrecht II, Besonderer Teil, Rdnr. 692).
Zur Vermeidung dieser Konsequenz wurde die Saldotheorie entwickelt. Sie geht davon aus, dass sich die wechselseitige Abhängigkeit von Leistung und Gegenleistung des gegenseitigen Vertrages auch bei der Rückabwicklung des Vertrages auswirken müsse (sog. faktisches Synallagma). Danach gilt: Stehen sich gleichartige Rückabwicklungsgegenstände gegenüber, besteht von vorneherein nur ein einziger Bereicherungsanspruch, nämlich auf den Saldo bei demjenigen, der nach der Saldierung noch bereichert ist. Für den Fall, dass eine Seite entreichert ist, folgt daraus, dass der Wert der Entreicherung zum Abzugsposten beim Bereicherungsanspruch des Entreicherten wird. Im Ergebnis bedeutet die Saldotheorie eine Einschränkung des § 818 Abs. 3 BGB (Medicus, Schuldrecht II, Besonderer Teil, Rdnr. 693; derselbe, Bürgerliches Recht, Rdnr. 225). V darf also den Betrag, um den K entreichert ist, von seiner Bereicherungsverbindlichkeit abziehen. War die Kaufsache ihren Preis wert, braucht V nichts zurückzuzahlen. Stehen sich zwei ungleichartige Ansprüche gegenüber, findet eine Saldierung nicht statt, es bleibt bei zwei Bereicherungsansprüchen. Aber auch hier wirkt sich die Saldotheorie aus: Die Herausgabe des einen Gegenstandes kann von vorneherein nur Zug um Zug gegen Herausgabe des anderen verlangt werden, ohne dass dazu die Geltendmachung eines Zurückbehaltungsrechts erforderlich wäre (BGH, NJW 1988, 3011). Dies muss der Bereicherungsgläubiger bereits in seinem Klageantrag berücksichtigen, wenn er eine Klageabweisung vermeiden will.
Doch hat die Saldotheorie so ihre Schwächen: Denn nach hM begründet sie immer nur einen Abzug, nie aber einen selbständigen Anspruch. Der Verkäufer darf also vom Käufer nicht etwa den überschießenden Betrag verlangen, um den der Wert der Kaufsache den Kaufpreis überstiegen hat. Völlig versagt die Saldotheorie bei Vorleistungen: Hat der Verkäufer den Kaufpreis gestundet, so kann er diesen nicht verlangen, obwohl die Sache beim Käufer ersatzlos untergegangen ist, denn nach der Saldotheorie wäre der Wert der Entreicherung Abzugsposten des Bereicherungsanspruchs des Käufers. Da dieser aber mangels erbrachter Leistung keinen Bereicherungsanspruch hat, kann die Saldotheorie nicht helfen (Medicus, Schuldrecht II, Besonderer Teil, Rdnr. 693).
Schließlich wird die Saldotheorie für bestimmte Fallkonstellationen durchbrochen, die der Anwendung der Zweikondiktionentheorie bedürfen. Aus diesem Grund ist insbesondere anerkannt, dass die Saldotheorie niemals zu Lasten eines Minderjährigen oder Geschäftsunfähigen zur Anwendung kommen kann, weil dies zur Folge hätte, dass die durch die §§ 104 ff. BGB geschützte Person entgegen der dortigen Wertung faktisch am Vertrag fest gehalten würde. Auch wird in den Fällen der arglistigen Täuschung durch den Verkäufer ausnahmsweise die Zweikondiktionentheorie und nicht die Saldotheorie angewandt. Der arglistig getäuschte Käufer kann also den Kaufpreis zurückverlangen, ohne sich seine Entreicherung entgegenhalten lassen zu müssen (BGHZ 53, 144; BGHZ 57, 137 (146 ff.)).
(2) Die Gegenleistungskondiktion
Gerade hinsichtlich der Schwächen der Saldotheorie, insbesondere hinsichtlich der Vorleistungsfälle, hat Canaris einen eigenständigen Ansatz zur Bewältigung der Probleme des Bereicherungsausgleichs bei gegenseitigen Verträgen herausgearbeitet. Dabei differenziert er, je nachdem ob die Entreicherung zufällig oder aber dem Entreicherten zurechenbar ist.
1. Die grundsätzliche Unanwendbarkeit des § 818 Abs. 3 BGB bei Zurechenbarkeit der Entreicherung
Canaris stellt die Frage voran, warum die Anwendung des § 818 Abs. 3 BGB unangemessen erscheint, wenn der Verkäufer den Kondiktionsgegenstand verschenkt oder zerstört hat, warum also das Ergebnis der Zweikondiktionentheorie unangebracht ist, dem Käufer zwar einen Anspruch aus § 812 BGB zuzugestehen, dem Verkäufer aber einen Gegenanspruch zu versagen, wenn sich der Käufer auf Entreicherung beruft. Die Lösung muss bei § 818 Abs. 3 BGB ansetzen. Wie bereits deutlich geworden ist, liegt der Sinn dieser Vorschrift darin, den guten Glauben des Bereicherungsschuldners an die Wirksamkeit seines Erwerbs zu schützen. Dieser Glaube umfasst bei gegenseitigen Verträgen aber auch immer das Bewusstsein, die eigene Leistung verloren zu haben. Nur in diesem Bewusstsein, seine eigene Leistung weggegeben zu haben, darf sich der Bereicherungsschuldner befugt fühlen, mit der Sache nach Belieben zu verfahren, sie zu zerstören oder zu verschenken. Verschenkt er zB die Sache, so steht ihm der Schutz aus § 818 Abs. 3 BGB nicht mehr zu, denn seiner Bewusstseinslage entspricht nunmehr die Möglichkeit eines doppelten Verlustes: einerseits die von ihm als selbstverständlich angesehene Einbuße des Kaufpreises, zum anderen der Verlust der Sache.
Die ratio des § 818 Abs. 3 BGB verlangt, dem Schuldner in Fällen der zurechenbaren Entreicherung den Schutz dieser Vorschrift zu versagen. Auch verlangt die Parallele zu § 346 Abs. 2 Nrn. 2, 3, Abs. 3 Nr. 3 BGB ein Zurückdrängen des § 818 Abs. 3 BGB, um einen schweren Wertungswiderspruch zu vermeiden: Beim gesetzlichen Rücktritt gemäß §§ 323, 326 Abs. 5 BGB (ggf. i.V.m. § 437 Nr. 2 BGB) muss der Rückgewährschuldner gemäß § 346 Abs. 2 Nrn. 2, 3, Abs. 3 Nr. 3 BGB jeweils statt der Rückgewähr Wertersatz leisten, wenn die Sache verbraucht, veräußert, belastet, verarbeitet, umgestaltet, verschlechtert oder untergegangen ist und die Verschlechterung oder der Untergang beim Berechtigten deshalb eingetreten ist, weil er auch diejenige Sorgfalt nicht beobachtet hat, die er in eigenen Angelegenheiten anzuwenden pflegt. Der methodische Weg, dieses Ziel zu erreichen, liegt in der teleologischen Reduktion von § 818 Abs. 3 BGB. Dogmatisch hat dieses Vorgehen im Vergleich zur Saldotheorie weit reichende Auswirkungen. Übereinstimmend mit der Zweikondiktionentheorie bleiben zwei gegenläufige Bereicherungsansprüche bestehen, sodass im obigen Beispielsfall der Käufer einen Anspruch auf Rückzahlung des Kaufpreises hat und dem Verkäufer ein Anspruch auf Wertersatz gem. §§ 812, 818 Abs. 2 BGB zusteht, gegenüber dem sich der Käufer nicht auf den Wegfall der Bereicherung berufen kann (dann aber § 348 BGB analog, sodass Unterschiede zur Saldotheorie meist nur marginal sind).
Ein gravierender Unterschied ergibt sich in den bereits erwähnten Vorleistungsfällen: Nach der Konstruktion von Canaris hat der Verkäufer einen Wertersatzanspruch aus §§ 812, 818 Abs. 2 BGB. Dem Käufer steht der Einwand aus § 818 Abs. 3 BGB nicht zu, denn er durfte sich zum Umgang mit der Sache nur im Glauben an die Bestandskraft des Vertrags befugt sehen und ging daher von einer eigenen Zahlungspflicht aus, sodass er keines Vertrauensschutzes gemäß § 818 Abs. 3 BGB bedarf (Larenz/Canaris, Lehrbuch des Schuldrechts, Band II, Halbband 2, Besonderer Teil, 13. Auflage, 1994, § 73 III 2 = S. 323 ff.).
2. Die Entlastung des Bereichungsschuldners vom Risiko einer zufallsbedingten Entreicherung
Anders ist nach Canaris die Lage bei der zufälligen Entreicherung. Hier spielt zum einen das Bewusstsein des Bereicherungsschuldners, seine eigene Leistung endgültig verloren zu haben und zugleich das Erlangte aufs Spiel zu setzen keine Rolle, zum anderen weist die Vorschrift des § 346 Abs. 3 Nr. 3 BGB das Zufallsrisiko in den Fällen des gesetzlichen Rücktritts nicht dem Berechtigten sondern dem anderen Teil zu. Diese Wertung müsse auch bei der bereicherungsrechtlichen Rückabwicklung gegenseitiger Verträge rezipiert werden. Ficht der Käufer zB wegen arglistiger Täuschung gemäß § 123 BGB an und ist die Sache bei ihm durch Zufall untergegangen, so darf er nicht schlechter stehen als bei einem Sachmangel der §§ 434 ff. BGB, wo er gemäß §§ 437 Nr. 2, 323 bzw. 326 Abs. 5, 346 Abs. 3 Nr. 3 BGB die Zufallsgefahr nicht trägt (Larenz/Canaris, Lehrbuch des Schuldrechts, Band II, Halbband 2, Besonderer Teil, 13. Auflage, 1994, § 73 III 3 a = S. 327; vgl. zu den Auswirkungen der Reform des Rücktrittsfolgenrechts auf die bereicherungsrechtliche Rückabwicklung: Schulze, in: Handkommentar zum BGB, § 346 Rdnr. 2, der zu Recht darauf hinweist, dass die Folgen der Schuldrechtsmodernisierung für das Bereicherungsrecht noch ungeklärt sind; siehe zur Vertiefung Bockholdt, Die Übertragbarkeit rücktrittsrechtlicher Wertungen auf die bereicherungsrechtliche Rückabwicklung gegenseitiger Verträge, AcP 206 (2006), 769).
3. Zurechnungsmängel und vorrangige gesetzliche Schutzzwecke
Die teleologische Reduktion des § 818 Abs. 3 BGB kommt nach Canaris nur in Betracht, wenn dem Bereicherungsschuldner der Wegfall der Bereicherung zurechenbar ist. Dies verlangt Zurechnungsfähigkeit, die sich in Analogie zu den §§ 104 ff. BGB bestimmt. Der Bereicherungsschuldner kann sich also bei Geschäftsunfähigkeit oder beschränkter Geschäftsfähigkeit uneingeschränkt auf § 818 Abs. 3 BGB berufen. Insoweit besteht Übereinstimmung mit den Verfechtern der Saldotheorie. Des Weiteren soll auch der arglistig getäuschte Käufer sich bei einer Anfechtung gem. § 123 BGB auf den Einwand des § 818 Abs. 3 BGB berufen können (Larenz/Canaris, Lehrbuch des Schuldrechts, Band II, Halbband 2, Besonderer Teil, 13. Auflage, 1994, § 73 III 5 = S. 329 ff.).
4. Restfunktion des § 818 Abs. 3 BGB als vertrauensrechtliche Opfergrenze
Zwar nimmt Canaris eine weit gehende teleologische Reduktion des § 818 Abs. 3 BGB vor, doch belässt er ihr eine gewisse Restfunktion. Der gutgläubige Bereicherungsschuldner geht zwar vom Verlust seiner eigenen Leistung aus, aber eben auch nur von dieser. Daher wird seine Wertersatzpflicht bei Untergang des Kondiktionsgegenstandes der Höhe nach durch die eigene Leistung begrenzt. War zB der Wert der rechtsgrundlos erlangten Leistung höher als die vertraglich vereinbarte Gegenleistung, so braucht der Käufer nicht diese Differenz zu zahlen. Dasselbe gilt hinsichtlich des Kaufpreises zugunsten des Verkäufers, wenn der Kaufpreis über dem Wert der Sache lag. Insoweit ist der Sachwert die Opfergrenze (Larenz/Canaris, Lehrbuch des Schuldrechts, Band II, Halbband 2, Besonderer Teil, 13. Auflage, 1994, § 73 III 6 a = S. 332).
Anmerkung
Da der BGH und die hM weiterhin an der Saldotheorie festhalten, rät sogar Canaris dem Studenten, bei Falllösungen von der Saldotheorie auszugehen. Sachwidrige Ergebnisse lassen sich vermeiden, wenn man die Saldotheorie - durchaus im Einklang mit dem BGH - als bloße Regel qualifiziert, von der - wenn erforderlich - Ausnahmen gemacht werden können und müssen (vgl. Larenz/Canaris, Lehrbuch des Schuldrechts, Band II, Halbband 2, Besonderer Teil, 13. Auflage, 1994, § 73 III 8 = S. 337 f.).