Produkthaftung und Produzentenhaftung

Die Gliederungsüberschrift deutet zwei Ansatzmöglichkeiten für die Haftung eines Herstellers für Schäden an, die von seinen Produkten angerichtet werden. Die eine setzt beim Produktfehler an, die andere orientiert sich an einem Fehlverhalten des Produzenten. Der ersten Möglichkeit hat sich das seit dem 1. Januar 1990 geltende Produkthaftungsgesetz verschrieben. Die zweite Möglichkeit ist im BGB-Deliktsrecht verwirklicht worden, das nach § 15 Abs. 2 ProdHaftG für den Bereich der Produzentenhaftung als parallele Haftungsordnung auch heute noch gilt.

Welche Probleme sollen mit der Produkt- oder Produzentenhaftung gelöst werden? Die Antwort auf diese Frage findet man am leichtesten, wenn man sich die Differenzierungen im Interessenschutz in Erinnerung ruft, die wir am Anfang der Erörterungen zum Haftungsrecht entwickelt haben. Dort haben wir das Erfüllungsinteresse und das Integritätsinteresse zu unterscheiden gelernt. Ein Teil des Erfüllungsinteresses ist das Äquivalenzinteresse. In ihm ist das Interesse eines Vertragspartners angesprochen, für seine Leistung die entsprechende Gegenleistung zu erhalten. Ist die Gegenleistung mangelhaft, entspricht sie nicht den vertraglich festgelegten oder allgemein erwarteten Eigenschaften, so ist das Äquivalenzverhältnis gestört. Die Mittel, diese Störung auszugleichen, stellt das vertragliche Gewährleistungsrecht zur Verfügung. Im Kaufrecht sind dies der Anspruch auf Nacherfüllung, der Rücktritt, die Minderung und der Anspruch auf Schadensersatz. Die Wahrung des Äquivalenz- und Erfüllungsinteresses ist nicht Gegenstand der Produkt- oder Produzentenhaftung. Diese Haftungen zielen auf die Wahrung des Integritätsinteresses. Damit ist das Interesse am Bestand der ohne das fehlerhafte Produkt vorhandenen Rechtsgüter angesprochen. Produkt- und Produzentenhaftungsfragen treten also dann auf, wenn ein Produkt Schäden an anderen Rechtsgütern anrichtet.

Man kann sich vertragliche und außervertragliche Begründungsmöglichkeiten für eine Produkt- oder Produzentenhaftung denken. Vertragliche Haftungstatbestände haben den Vorteil, dass man die Haftungszurechnung an den Geschäftsherrn in der arbeitsteiligen Produktion über § 278 BGB leichter in den Griff bekommt. Ihre Schwierigkeiten liegen darin, Vertragsbande zwischen dem Geschädigten und dem Hersteller zu knüpfen, wenn der Geschädigte das Produkt nicht seinerseits unmittelbar vom Hersteller erworben hat. Deliktsrechtliche Begründungsmöglichkeiten haben die letzteren Schwierigkeiten nicht. Sie sehen sich aber mit dem Problem konfrontiert, dass dem Produzenten bei arbeitsteiliger Produktion möglicherweise der Entlastungsbeweis im Rahmen des § 831 BGB zu Gebote steht und dass im Rahmen des § 823 Abs. 1 BGB das erforderliche Fehlverhalten des Produzenten vom Geschädigten nachgewiesen werden muss.

Vertragrechtliche Begründungsmöglichkeiten

Vertragshaftungen, die das Integritätsinteresse schützen, können begründet werden durch entsprechende Garantieabsprachen oder im Rahmen der Haftung aus §§ 280 Abs. 1, 241 Abs. 2 BGB durch die Verletzung vertraglicher Schutzpflichten. Ausdrückliche Garantieabsprachen in dem gemeinten Sinne kommen so gut wie nie vor. Wenn man dennoch auf dieser Schiene Vertragshaftungen begründen will, muss man andere Ansatzmöglichkeiten suchen. Die glaubte man in Produktaussagen, Werbekampagnen und ähnlichen Dingen zu finden, mit denen ein Hersteller die Nachfrage nach seinen Produkten zu wecken sucht. Die Rechtspraxis hat sich allerdings mit diesen Begründungsmöglichkeiten nicht anfreunden können und letztendlich die Lösung im Deliktsrecht gesucht und gefunden.

Auch der Vertragshaftungsansatz bei der positiven Forderungsverletzung (§§ 280 Abs. 1, 241 Abs. 2 BGB) hat sich nicht durchsetzen können. Die Rechtsprechung hat es abgelehnt, den Hersteller als Erfüllungsgehilfen des Händlers anzusehen, mit dem der geschädigte Konsument unmittelbare Vertragsbeziehungen begründet hatte. Sie hat auch die Ideen verworfen, den Konsumenten als durch den Vertrag des Händlers mit dem Hersteller geschützt anzusehen oder den Händler den Schaden des Konsumenten beim Hersteller im Wege der Drittschadensliquidation liquidieren zu lassen. Schließlich hätten beide Begründungsmöglichkeiten auch nur dem unmittelbaren Vertragspartner des Händlers geholfen. Um den Kreis der Schutzberechtigten zu erweitern, hätte man zum Institut des Vertrages mit Schutzwirkung zu Gunsten Dritter (§ 311 Abs. 3 BGB) greifen müssen. Aber auch das hätte auf keinen Fall so weit gereicht, dass auch Schäden sog. bystander hätten liquidiert werden können. Deliktsrechtliche Begründungen bieten diese Möglichkeiten. Sie haben aber mit anderen Schwierigkeiten zu kämpfen.

Deliktsrechtliche Begründungen der Produzentenhaftung

§ 831 BGB

Als Ausgangspunkt für deliktsrechtliche Begründungen einer Produzentenhaftung bietet sich § 831 BGB an. Es ist ja in der Regel nicht der Hersteller selbst, der ein fehlerhaftes Produkt hervorbringt, sondern es sind im Rahmen einer arbeitsteiligen Produktion seine Gehilfen. Die Begründung in und aus § 831 BGB hat allerdings mit einem doppelten Problem zu kämpfen. Das eine liegt in der Entlastungsmöglichkeit des Geschäftsherrn von den in § 831 BGB für ihn normierten Verkehrspflichten im Hinblick auf Auswahl, Überwachung, Gerätschaften und Leitung. Lässt man hier den sog. dezentralisierten Entlastungsbeweis zu, erweist sich § 831 BGB alsbald als stumpfes Schwert. Unter einem dezentralisierten Entlastungsbeweis versteht man die Möglichkeit eines Geschäftsherrn, sich schon dadurch zu entlasten, dass er die Auswahl und Überwachung auf der ersten Stufe (etwa mittleres Management) korrekt geleistet hat, so dass ihn Fehler auf den unteren Ebenen nichts mehr angehen. Das Reichsgericht hat eine derartige haftungsbefreiende Pflichtendelegation für möglich gehalten (vgl. RGZ 78, 107; 87, 1).

Die zweite Schwierigkeit einer Begründung aus § 831 BGB liegt darin, dass § 831 BGB die Rechtswidrigkeit des Gehilfenverhaltens zur haftungsbegründenden Voraussetzung erhebt, die in den hier vorliegenden Fällen der nur mittelbaren Rechtsgutsverletzungen nicht vermutet (indiziert) wird, sondern vom Geschädigten über ein Fehlverhalten der Gehilfen begründet und bewiesen werden muss. Ich darf auf die Erörterungen zum Rechtswidrigkeitsbegriff im Zusammenhang mit dem Straßenbahnurteil verweisen.

Einen Ausweg aus den Dilemmata der Haftungsbegründung aus § 831 BGB bot die Entwicklung nicht delegierbarer Verkehrs- und Organisationspflichten des Herstellers mit einer Beweislastumkehr dergestalt, dass nicht der Geschädigte die Verletzung der Verkehrspflichten, sondern der Hersteller die Einhaltung der Verkehrs- und Organisationspflichten im Streitfall zu beweisen hat. Diesen Weg hat der BGH mit dem Hühnerpest-Urteil beschritten und die deliktsrechtliche Produzentenhaftung in § 823 Abs. 1 BGB angesiedelt.

Noch im traditionellen Rahmen des § 831 BGB bewegte sich das Schubstreben-Urteil:

Gericht: BGH 6. Zivilsenat, Datum: 17.10.1967, Az: VI ZR 70/66

Leitsatz

Zur Haftung eines Zulieferer-Unternehmens für die Folgen eines Kraftwagenunfalls, der durch Bruch einer dem Kraftwagen-Hersteller gelieferten und von ihm eingebauten schadhaften Schubstrebe entstanden ist.

Orientierungssatz

Beruht ein Kraftwagenunfall auf dem Bruch einer dem Kraftwagenhersteller gelieferten und von ihm eingebauten, wegen eines Bearbeitungsfehlers im Zuliefererunternehmen schadhaften Schubstrebe, so haftet der Zulieferer gemäß BGB § 831 für die Folgen des Unfalls, sofern er nicht beweist, daß er seine mit der Herstellung und Überprüfung des Werkstücks betrauten Arbeiter oder Angestellten mit der erforderlichen Sorgfalt ausgesucht, angeleitet und beaufsichtigt hat.

Fundstelle

NJW 1968, 247 (ST)

§ 823 Abs. 1 BGB

Etwa ein Jahr nach dem Schubstreben-Urteil kam es dann zum Hühnerpest-Urteil, in dem der BGH die vertraglichen Begründungsmöglichkeiten verwarf und für die deliktsrechtliche Begründung § 823 Abs. 1 BGB heranzog. Wenn in der Entscheidung vom Verschulden die Rede ist, so beruht das noch auf einer nicht hinreichend durchdachten Rechtswidrigkeits- und Verschuldenslehre, wie der BGH in einer späteren Leitentscheidung ausdrücklich klarstellt:

Gericht: BGH 6. Zivilsenat, Datum: 26.11.1968, Az: VI ZR 212/66

Leitsatz

1. Wird bei bestimmungsgemäßer Verwendung eines Industrieerzeugnisses eine Person oder eine Sache dadurch geschädigt, daß das Produkt fehlerhaft hergestellt war, so muß der Hersteller beweisen, daß ihn hinsichtlich des Fehlers kein Verschulden trifft.

2. Erbringt der Hersteller diesen Beweis nicht, so haftet er nach Deliktsgrundsätzen. Ein Zwischenerwerber kann den bei einem Dritten eingetretenen Schaden nicht nach Vertragsrecht liquidieren.

Fundstelle

BGHZ 51, 91-108 (LT1-2)

Zum Sachverhalt (vereinfacht)

Die Klägerin, die eine Hühnerfarm betreibt, ließ ihre Hühner durch einen Tierarzt gegen Hühnerpest impfen. Der Tierarzt verwendete hierfür einen Impfstoff, den er von der beklagten Herstellerfirma bezogen hatte. Einige Tage danach brach jedoch die Hühnerpest aus. Mehr als 4.000 Hühner verendeten.

Fest steht, daß der von dem Tierarzt verwendete Impfstoff infolge eines Fabrikationsfehlers bakterielle Verunreinigungen enthielt und daß der Ausbruch der Hühnerpest auf die fehlerhafte Beschaffenheit des Impfstoffs zurückzuführen ist. Wie es zu der Verunreinigung kam, insbesondere, ob bei der Herstellung sorgfaltswidrig gehandelt wurde, ist ungeklärt.

Die Klägerin nimmt die Beklagte auf Ersatz ihrer Schäden in Anspruch.

Landgericht und Oberlandesgericht haben den Klageanspruch dem Grunde nach für gerechtfertigt erklärt. Die Revision der Beklagten hatte keinen Erfolg.

Aus den Entscheidungsgründen:

I. 1. Die Grundsätze über die Drittschadensliquidation können im vorliegenden Falle nicht angewendet werden.

Grundsätzlich kann auf Grund eines Vertrages nur der den Ersatz eines Schadens verlangen, bei dem der Schaden tatsächlich eingetreten ist und dem er rechtlich zur Last fällt. Tritt der Schaden bei einem Dritten ein, so haftet ihm der Schädiger - von besonderen Ausnahmen abgesehen (vgl § 618 Abs 3 mit §§ 844, 845 BGB) - nur nach Deliktsrecht. Diese Unterscheidung zwischen begünstigter Vertragshaftung und begrenzter Deliktshaftung gehört zum System des geltenden Haftungsrechts und ist nicht nur ein theoretisches Dogma. Nur in besonderen Fällen hat die Rechtsprechung Ausnahmen zugelassen, nämlich dann, wenn das durch den Vertrag geschützte Interesse infolge besonderer Rechtsbeziehungen zwischen dem aus dem Vertrag berechtigten Gläubiger und dem Träger des Interesses dergestalt auf den Dritten "verlagert" ist, daß der Schaden rechtlich ihn und nicht den Gläubiger trifft. Daraus darf der Schädiger keinen Vorteil zum Nachteil des Dritten ziehen: er muß dem Gläubiger den Drittschaden ersetzen. Das gilt - von den seltenen Fällen einer "Gefahrenentlastung" abgesehen (BGHZ 40, 91, 100) - dann, wenn der Gläubiger für Rechnung des Dritten kontrahiert hatte (BGHZ 25, 250, 258) oder wenn die Sache, deren Obhut der Schuldner versprochen hatte, nicht dem Gläubiger, sondern dem Dritten gehörte (BGHZ 15, 224).

Ein solcher Ausnahmefall liegt hier nicht vor. [...] Zudem setzt Drittschadensliquidation voraus, daß nur ein Schaden entstanden ist, der sich, wäre nicht "zufällig" ein Dritter Träger des geschützten Rechtsgutes, bei dem Gläubiger ausgewirkt hätte. Von einer solchen "Verlagerung" des Schadens kann hier nicht gesprochen werden. Dieser ist hier sowohl tatsächlich wie rechtlich bei der Klägerin eingetreten, während er bei einer echten Schadensverlagerung tatsächlich, wenn auch nicht rechtlich, beim Gläubiger eintritt. Er konnte nicht ebensogut beim Tierarzt wie bei den Hühnerhaltern eintreten, sondern nur bei diesen und nicht, worauf es entscheidend ankommt, statt beim Tierarzt bei ihnen.

Die Grundsätze über die Drittschadensliquidation können im vorliegenden Falle nicht angewendet werden.

2. Der Klägerin [steht auch kein] Ersatzanspruch aus einem Vertrag [zwischen Tierarzt und Produzent] mit Schutzwirkung zugunsten Dritter [zu].

a) Der Bundesgerichtshof hat zwar unter diesem rechtlichen Gesichtspunkt unter bestimmten Umständen auch einem am Vertrag nicht beteiligten Dritten Ersatzansprüche zugebilligt (BGHZ 33, 247, 249 und 49, 350, 351 mit Nachweisen). Diese Grundsätze können hier jedoch nicht herangezogen werden. Keineswegs kann schon jeder, der infolge einer Sorgfaltsverletzung des Schuldners Schaden erlitten hat, einen eigenen Ersatzanspruch aus dem Vertrag zwischen Gläubiger und Schuldner ableiten (Senatsurteil vom 30. April 1968 VI ZR 29/67 -, NJW 1968, 1323). Der Senat hat in seinem Urteil vom 18. Juni 1968 (VI ZR 120/67, NJW 1968, 1929) erneut darauf hingewiesen, daß das Gesetz zwischen unmittelbar und mittelbar Geschädigten unterscheidet und daß die Haftung aus einem Vertrag grundsätzlich an das Band geknüpft ist, das den Schuldner mit seinem Partner verbindet (vgl auch BGH Urt v 9. Oktober 1968 VIII ZR 173/66 -, WM 1968, 1354). Andernfalls besteht die Gefahr, daß der Schuldner das Risiko, das er bei Abschluß eines Vertrages eingeht, nicht mehr einkalkulieren kann. Daher wäre es nicht mehr mit den Grundsätzen von Treu und Glauben, aus denen der Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten Dritter gerade entwickelt worden ist, zu vereinbaren, wenn der Schuldner für so weitgehende Folgen seiner Vertragsverletzung haften müßte. Das kann nur dann angenommen werden, wenn der Gläubiger sozusagen für das Wohl und Wehe des Dritten mitverantwortlich ist, weil dessen Schädigung auch ihn trifft, indem er ihm gegenüber zu Schutz und Fürsorge verpflichtet ist. Dieses Innenverhältnis zwischen dem Gläubiger und einem Dritten, durchweg gekennzeichnet durch einen personenrechtlichen Einschlag, führt zur Schutzwirkung zugunsten des Dritten, nicht das Verhältnis zwischen dem Gläubiger und seinem Vertragspartner. Ein solches Verhältnis liegt bei einem Kauf- oder einem Werkvertrag in aller Regel nicht vor (vgl Larenz, Schuldrecht 9. Aufl II § 37 IV).

b) Auch im vorliegenden Fall fehlt es an solchen engen Beziehungen zwischen dem Gläubiger (Tierarzt) und seinen Auftraggebern. (Wird ausgeführt).

II. [...] a) Der Klageanspruch würde ohne weiteres zuzusprechen sein, wenn der von Diederichsen (Die Haftung des Warenherstellers, 1967) vertretenen Ansicht gefolgt werden könnte, daß der Hersteller für jede Art von Fehlern des Produkts ohne Rücksicht auf Verschulden, also wie bei einer Gefährdungs- oder gar Erfolgshaftung ("strict liability"), einstehen müsse. Diederichsen glaubt, dies aus "rechtssoziologischen und rechtstheoretischen Überlegungen" dem geltenden Recht entnehmen zu können. Es kann jedoch schon zweifelhaft sein, ob sein Standpunkt rechtspolitisch zu befürworten wäre. Jedenfalls läßt sich eine Haftung ohne Verschulden mit den Grundsätzen des geltenden Haftungsrechts nicht vereinbaren. Die in einzelnen Gesetzen angeordnete Gefährdungshaftung meist zudem bis zu unterschiedlichen Höchstgrenzen - auch auf die Produzentenhaftung auszudehnen, ist dem Richter verwehrt. Vielmehr muß der Gesetzgeber entscheiden, ob und inwieweit dem Hersteller eine stärker objektivierte Haftung aufzuerlegen ist (vgl die Begründung des Referentenentwurfs eines Gesetzes über Änderung und Ergänzung schadensersatzrechtlicher Vorschriften, 1967, S 102).

b) Ebensowenig ist es - von besonders gelagerten Fällen abgesehen (vgl Lukes, JuS 1968, 347) - rechtlich möglich, dem Endabnehmer dadurch einen direkten Ersatzanspruch zu gewähren, daß ein zwischen ihm und dem Produzenten unmittelbar, wenn auch stillschweigend, abgeschlossener Garantievertrag angenommen wird (so Müller, AcP 1965, 311). Darin, daß der Produzent seine Ware unter Benennung seiner Urheberschaft, nämlich mit seinem Etikett, in Originalverpackungen, unter seinem Warenzeichen oder der von ihm geprägten Bezeichnung (Markenwaren) usw vertreiben läßt, liegt im allgemeinen noch keine Willenserklärung in dem Sinne, daß er dem Verbraucher für sorgfältige Herstellung einstehen wolle (vgl RGZ 87, 1; Schlegelberger/Hefermehl, HGB 4. Aufl Bem 51 vor § 373; Simitis, Gutachten zum DJT 1968 S 24 mit weiteren Nachweisen). In aller Regel läßt sich sogar in der Werbung für Markenwaren, die den Endabnehmer in besonders eindringlicher Weise anspricht, noch keine Zusage finden, für etwaige Mängel der Ware haften zu wollen (BGHZ 48, 118, 122/123). Das kann auch dann nicht angenommen werden, wenn es um die, zudem erheblich weitergehende Frage geht, ob der Hersteller auch einem Endabnehmer seines Produkts direkt haften wolle (vgl Rehbinder, ZHR 1967, 173; Weitnauer, NJW 1968, 1597).

c) Außer Frage steht auch, daß dem Endabnehmer ein Ersatzanspruch nicht schon aus Verletzung der aus "sozialem Kontakt" angeblich folgenden Schutzpflichten gewährt werden kann (vgl Lorenz in der Festschrift für Nattorp, 1961 S 83; Soergel/Schmidt aaO Bem 5 vor § 275). Zwischen Hersteller und Abnehmer bestehen keine geschäftlichen Beziehungen; sie sollen auch nicht angebahnt und demnächst abgeschlossen werden. Die soziologisch gewiß vorhandenen Beziehungen haben rechtlich nicht das Gewicht, daß aus ihnen Haftungsansprüche kraft rechtlicher Sonderbeziehungen folgten. Das gilt auch für den Versuch von Weimar, die Haftung des Produzenten aus der Generalklausel des § 242 BGB anzuleiten (Untersuchungen zum Problem der Produktenhaftung, Basler Studien zur Rechtswissenschaft Heft 79 S 69ff, und DRiZ 1968, 266).

2. Besondere Überlegung verdient der Gedanke, eine auf dem Gesetz beruhende, aus dem Vertrauensgedanken entwickelte quasikontraktliche Sonderrechtsbeziehung zwischen Hersteller und Verbraucher anzuerkennen. In der Tat dürften die Beziehungen, die zwischen dem Käufer eines schadenstiftenden Produktes und dessen Hersteller vor Eintritt des Schadens bestanden haben, von engerer Art sein als die, die den Hersteller mit "jedermann" dann - und erst dann - in Verbindung bringen, wenn dieser durch sein Produkt zu Schaden kommt. Diesen "Jedermann" auf deliktische Ansprüche zu verweisen, ist gerecht. Hinsichtlich der Ersatzansprüche eines Käufers dagegen könnte erwogen werden, sie auch dann aus Vertragsrecht abzuleiten, wenn er die Ware nicht beim Hersteller direkt, sondern über einen Händler gekauft hat.

a) Von derartigen Sonderrechtsbeziehungen zwischen Hersteller und Abnehmer der Ware ausgehend hatte zunächst Lorenz (auf dem Karlsruher Forum 1963) die Ansicht vertreten, der Hersteller müsse für das Vertrauen, das er mit einem Produkt, verstärkt durch die Werbung, beim Verbraucher erweckt habe, entsprechend § 122 BGB einstehen. Diesen Gedanken hat der VIII Zivilsenat des Bundesgerichtshofs am Schluß seines Urteils vom 13. Juli 1963 (BGHZ 40, 91, 108) erwähnt. Er hat damit aber keine Stellung nehmen wollen. In seinem Urteil BGHZ 48, 118 hat er es abgelehnt, der Werbung haftungsbegründende Kraft zuzulegen. Daß sie im Ringen um den "König Kunde" immer umfangreicher und, betriebswirtschaftlich gesehen, immer bedeutungsvoller geworden ist, besagt noch nicht, daß ihr rechtlich die Bedeutung einer Haftungszusage zukäme. so versteht sie ein verständiger Verbraucher auch nicht. Lorenz hat denn auch seinen Gedanken - den vor allem Markert (BB 1964, 319ff) und Rehbinder (ZHR 1967, 180ff) aufgenommen hatten - nicht weiterverfolgt (s Kieler Tagung für Rechtsvergleichung 1965, Heft 28 der Schriftenreihe für Rechtsvergleichung S 51/52).

b) Auf dem Grundgedanken von Lorenz bauen die Lösungsversuche auf, die Haftung des Herstellers aus einem Einstehen für in Anspruch genommenes und vom Verbraucher gewährtes Vertrauen, entsprechend den für culpa in contrahendo entwickelten Rechtssätzen, abzuleiten (vgl Rehbinder, BB 1965, 439 und ZHR 1967, 176; Steffen, JR 1968, 287 und vor allem Canaris, JZ 1968, 494).

Es ist indes zweifelhaft, ob diese Überlegungen tragfähig sein könnten, im Wege einer Fortbildung des Rechts dem Verbraucher einen Ersatzanspruch zu gewähren, der, so wie der deliktische Anspruch, nicht ohne weiteres abbedungen werden könnte, andererseits nicht vom Entlastungsbeweis des § 831 BGB bedroht wäre. Der Senat hat sich schon in seinem Urteil vom 21. März 1967 (VI ZR 164/65, LM BGB § 276 (Ha) Nr 4) gegen die Versuche gewandt, die Haftung eines außerhalb des Vertrages stehenden Dritten aus in Anspruch genommenen Vertrauen zu begründen, und betont, daß damit die durch den Vertrag gezogene Abgrenzung zwischen schuldrechtlichem und deliktischem Haftungsbereich in folgenschwerer Weise durchbrochen würde. Ob die dort gegen eine Haftungsausdehnung bei positiver Vertragsverletzung ausgesprochenen Bedenken auch gegen die Einbeziehung des Produzenten in eine vertragsähnliche Haftung sprechen, braucht im vorliegenden Fall nicht abschließend entschieden zu werden. Auch braucht der Frage nicht nachgegangen zu werden, wie einem durch das Produkt Geschädigten ein solcher quasikontraktlicher Anspruch zugesprochen werden soll, wenn er das Produkt nicht gekauft hatte, sondern bei dessen Benutzung durch ihn selbst oder durch andere zu Schaden gekommen war. Im vorliegend zu entscheidenden Fall handelt es sich nicht um hintereinander geschaltete, rechtlich selbständige Kaufverträge in einer "Absatzkette", bei der der Verkäufer in der Tat oft der bloße "Verteiler" des Herstellers geworden ist, ein "Durchgriff" daher naheliegt. Hier stand vielmehr zwischen der Klägerin und der Beklagten ein Tierarzt, der allein zu entscheiden hatte, welchen Impfstoff er benutzte. Ihm und nicht einer etwaigen Werbung der Beklagten hatte die Klägerin ihr Vertrauen gewährt. Sie wäre nicht imstande gewesen, selbst den Impfstoff bei der Beklagten unmittelbar oder im Handel zukaufen: die Beklagte durfte ihn nur an den Tierarzt abgeben und nur dieser durfte in anwenden (§ 87 Der Ausführungsvorschriften zum Viehseuchengesetz idF v 1. März 1958, BAnz Nr 45 v 6. März 1958, BGBl III 7831-1-1). Schon deshalb scheidet hier der Gedanke aus, zwischen den Parteien hätten vertragsähnliche Beziehungen bestanden. Die Klägerin war nicht "Verbraucherin" des Impfstoffes, auch nicht dessen "Benutzerin", sondern, rechtlich gesehen, "nur" die Geschädigte. als solche ist sie aber auf deliktische Ersatzansprüche beschränkt.

III. Nach dem vom Berufungsgericht festgestellten Sachverhalt sind die Voraussetzungen des § 823 BGB erfüllt. Der von der Beklagten gelieferte Impfstoff war fehlerhaft und die Ursache für die Erkrankung der Hühner. Auch wenn hier, wie oben ausgeführt, die Regeln des Vertragsrechts nicht anwendbar sind, so muß dennoch davon ausgegangen werden, daß der Beklagten ein eigenes Verschulden zur Last fällt. Wird jemand bei bestimmungsgemäßer Verwendung eines Industrieerzeugnisses dadurch an einem der in § 823 Abs 1 BGB geschützten Rechtsgüter geschädigt, daß dieses Produkt fehlerhaft hergestellt war, so ist es Sache des Herstellers, die Vorgänge aufzuklären, die den Fehler verursacht haben, und dabei darzutun, daß ihn hieran kein Verschulden trifft.

1. Nicht in Frage steht, daß auch bei der "Produzentenhaftung" der Geschädigte nachzuweisen hat, daß der Schaden durch einen Fehler des Produktes verursacht ist. Die Klägerin hatte daher zu beweisen, daß die Geflügelpest bei ihren Hühnern ausgebrochen ist, weil der Impfstoff von der Beklagten stammte und bei seiner Auslieferung aktive Viren enthielt.

Diesen Beweis hat das Berufungsgericht als erbracht angesehen. (Wird ausgeführt.)

2. [...] 3. Die Revision greift diese Würdigung des Berufungsgerichts an. Ihre Rügen haben keinen Erfolg.

Richtig ist zwar, daß das Berufungsgericht kein Verschulden der Beklagten selbst als bewiesen angesehen hat. Vielmehr hat es lediglich angenommen, daß wahrscheinlich eine Hilfsperson den Schaden verschuldet habe. Eine Haftung der Beklagten gemäß § 278 BGB läßt sich indessen, wie oben dargetan, nicht aus der Anwendung des Vertragsrechts ableiten. Das nötigt aber nicht dazu, den Rechtsstreit an den Tatrichter zurückzuverweisen. Denn es war auch dann Sache der Beklagten, sich zu entlasten, wenn die Klägerin sich nur auf § 823 BGB stützen kann.

aa) Dies ergibt sich schon daraus, daß der Ersatzanspruch der Klägerin auch aus § 823 Abs 2 BGB folgt. Denn die Beklagte hat durch die Auslieferung der gefährlichen Flaschen mit Impfstoff gegen ein Schutzgesetz verstoßen. Dieser Impfstoff, ein Arzneimittel im Sinne des Arzneimittelgesetzes vom 16. Mai 1961 (§ 3 Abs 3 AMG), war geeignet, bei den Hühnern schädliche, ja tödliche Wirkungen hervorzurufen. § 6 AMG verbietet es, derartigen Impfstoff in den Verkehr zu bringen. Diese Vorschrift stellt - nicht anders als der für gesundheitsschädliche Lebensmittel geltende § 3 LebMG (vgl RGZ 170, 155, 156 zu § 4 LebMG) - ein Gesetz zum Schutz der gefährdeten Menschen oder Tiere dar. Ist aber ein Verstoß gegen ein Schutzgesetz bewiesen, so spricht eine Vermutung dafür, daß dies schuldhaft geschehen ist. Der das Schutzgesetz Übertretende muß daher Umstände dartun und beweisen, die geeignet sind, die Annahme seines Verschuldens auszuräumen (Senatsurteil vom 12. März 1968 - VI ZR 178/66 -, NJW 1968, 1279). Diesen Beweis hat ein Betriebsinhaber nicht geführt, wenn eine mögliche Ursache ungeklärt geblieben ist, die in der Sphäre seiner Verantwortlichkeit liegt und ein schadensursächliches Verschulden enthalten würde (Senatsurteile vom 3. Januar 1961 - VI ZR 67/60 -, VersR 1961, 231, und vom 4. April 1967 - VI ZR 98/65 -, VersR 1967, 685).

bb) Diese Beweislastregelung würde aber auch dann gelten, wenn die Klägerin ihren Ersatzanspruch allein auf Absatz 1 des § 823 BGB stützen könnte. Auch dann war es Sache der Beklagten, sich zu entlasten.

Zwar hat in aller Regel der Geschädigte, der sich auf § 823 Abs 1 BGB stützt, nicht nur die Kausalität zwischen seinem Schaden und dem Verhalten des Schädigers darzutun und notfalls zu beweisen, sondern auch dessen Verschulden (BGHZ 24, 21, 29). Jedoch hängt die Möglichkeit dieses Nachweises der subjektiven Voraussetzungen erheblich davon ab, inwieweit der Geschädigte den objektiven Geschehensablauf in seinen Einzelheiten aufklären kann. Das aber ist vor allem dann mit besonderen Schwierigkeiten verknüpft, wenn es um Vorgänge geht, die sich bei der Herstellung des Produkts im Betriebe abgespielt haben. Die Rechtsprechung ist daher seit langem dem Geschädigten dadurch zu Hilfe gekommen, daß sie sich mit dem Nachweis einer Kausalkette begnügt hat, die nach der Lebenserfahrung zunächst für ein "Organisationsverschulden" des Herstellers spricht. Hierbei kann jedoch für Schadensersatzansprüche aus "Produzentenhaftung" nicht stehengeblieben werden. Allzuoft wird der Betriebsinhaber die Möglichkeit dartun, daß der Fehler des Produkts auch auf eine Weise verursacht worden sein kann, die den Schluß auf sein Verschulden nicht zuläßt - ein Nachweis, der zumeist wiederum auf Vorgängen im Betriebe des Schädigers beruht, daher vom Geschädigten schwer zu widerlegen ist. Infolgedessen kann der Hersteller dann, wenn es um Schäden geht, die aus dem Gefahrenbereich seines Betriebes erwachsen sind, noch nicht dadurch als entlastet angesehen werden, daß er Möglichkeiten aufzeigt, nach denen der Fehler des Produkts auch ohne ein in seinem Organisationsbereich liegendes Verschulden entstanden sein kann. Dies gebieten in den Fällen der Produzentenhaftung die schutzbedürftigen Interessen des Geschädigten - gleich ob Endabnehmer, Benutzer oder Dritter; andererseits erlauben es die schutzwürdigen Interessen des Produzenten, von ihm den Nachweis seiner Schuldlosigkeit zu verlangen.

Diese Beweisregel greift freilich erst ein, wenn der Geschädigte nachgewiesen hat, daß sein Schaden im Organisations- und Gefahrenbereich des Herstellers, und zwar durch einen objektiven Mangel oder Zustand der Verkehrswidrigkeit ausgelöst worden ist. Dieser Beweis wird vom Geschädigten sogar dann verlangt, wenn er den Schädiger wegen Verletzung vertraglicher oder vorvertraglicher Schutz- und Nebenpflichten in Anspruch nimmt (Senatsurteile vom 26. September 1961 - VI ZR 92/61 -, LM BGB § 276 (Fa) Nr 13 = NJW 1962, 31 und vom 18. Januar 1966 - VI ZR 184/64 -, MDR 1966, 491). Nichts anderes gilt, wenn er den Produzenten wegen Verletzung der Verkehrssicherungspflicht in Anspruch nimmt. Hat er aber diesen Beweis geführt, so ist der Produzent "näher daran", den Sachverhalt aufzuklären und die Folgen der Beweislosigkeit zu tragen. Er überblickt die Produktionssphäre, bestimmt und organisiert den Herstellungsprozeß und die Auslieferungskontrolle der fertigen Produkte. Oft machen die Größe des Betriebes, seine komplizierte, verschachtelte, auf Arbeitsteilung beruhende Organisation, verwickelte technische, chemische oder biologische Vorgänge und dergleichen es dem Geschädigten praktisch unmöglich, die Ursache des schadenstiftenden Fehlers aufzuklären. Er vermag daher dem Richter den Sachverhalt nicht in solcher Weise darzulegen, daß dieser zuverlässig beurteilen kann, ob der Betriebsleitung ein Versäumnis vorzuwerfen ist oder ob es sich um einen von einem Arbeiter verschuldeten Fabrikationsfehler, um einen der immer wieder einmal vorkommenden "Ausreißer" oder gar um einen "Entwicklungsfehler" gehandelt hat, der nach dem damaligen Stand der Technik und Wissenschaft unvorhersehbar war. Liegt so aber die Ursache der Unaufklärbarkeit im Bereich des Produzenten, so gehört sie auch zu seiner Risikosphäre. Dann ist es sachgerecht und zumutbar, daß ihn das Risiko der Nichterweislichkeit seiner Schuldlosigkeit trifft.

Von solcher Beweisregel ist die Rechtsprechung schon immer bei vertraglichen oder quasivertraglichen Sonderrechtsbeziehungen zwischen Geschädigtem (Gläubiger) und Schädiger (Schuldner) ausgegangen (BGHZ 48, 310, 312; BGH LM BGB § 536 Nr 6a = NJW 1964, 34; BGH NJW 1968, 2240). Es ist kein durchgreifender Grund ersichtlich, warum diese Beweisregel nicht dann für nach Deliktsrecht zu entscheidende Haftungsfälle ebenso gelten soll, wenn die ihr zugrunde liegenden Erwägungen auch hier zutreffen. Schon § 831 BGB erlegt dem Geschäftsherrn in bestimmten Beziehungen einen Entlastungsbeweis auf; ähnliches gilt in den Haftungsfällen der §§ 832, 833, 834 BGB. Vor allem gilt dies in den Fällen der §§ 836ff BGB. Hier verlangt das Gesetz zwar von dem durch den Einsturz eines Gebäudes Geschädigten den Beweis, daß sein Schaden "die Folge fehlerhafter Errichtung oder mangelhafter Unterhaltung" des Gebäudes war, erlegt aber dem Besitzer usw den Beweis dafür auf, daß er alles getan hat, um die Gefahren, die von seinem Gebäude ausgehen konnten, abzuwenden. Die in diesen Vorschriften angeordnete Umkehr der Behauptungs- und Beweislast geht nicht immer davon aus, das Verschulden des Schädigers sei zu vermuten. Vielmehr beruht sie überwiegend auf dem Gedanken, daß der Schädiger eher als der Geschädigte in der Lage ist, die für den Vorwurf der Fahrlässigkeit maßgebenden Vorgänge aufzuklären, daß es daher gerecht sei, ihn das Risiko einer Unaufklärbarkeit tragen zu lassen. Der Senat hat schon in seinem Urteil vom 1. April 1953 (VI ZR 77/52, LM ZPO § 286 (C) Nr 12) darauf hingewiesen, vom Kläger könne nicht der für ihn gewöhnlich fast unmögliche Nachweis verlangt werden, daß die schadenstiftende Sache durch ein Verschulden des Geschäftsinhabers oder seiner Angestellten in den Betrieb gekommen sei. Vor allem hat der Senat bereits in seinem Urteil vom 17. Oktober 1967 (VI ZR 70/66, NJW 1968, 247) ausgesprochen, es sei Sache des Produzenten, sich zu entlasten, wenn der Geschädigte keine Angaben darüber machen könne, in welchen Einzelpunkten schuldhafte Pflichtverletzungen der Unternehmensleitung vorgelegen hätten. Die moderne Entwicklung der Warenproduktion, an der oft nachträglich nur schwer zu ermittelnde Personen oder Maschinen beteiligt sind und die auf nur noch vom Fachmann zu durchschauenden und zu kontrollierenden Fertigungsprozessen beruht, verlangt eine Fortbildung des Beweisrechts in der Richtung, wie sie das Gesetz in § 836 BGB vorgezeichnet hat (vgl Simitis, Gutachten zum DJT 1968 S 92ff; Stoll in Festschrift für von Hippel, 1967, S 557).

Dabei wird es allerdings - so wie bei der für positive Vertragsverletzungen anerkannten Umkehrung der Beweislast - stets auf die in der jeweiligen Fallgruppe gegebene Interessenlage ankommen. Die Frage, ob auch dem Inhaber eines kleineren Betriebes, dessen Herstellungsverfahren überschaubar und durchsichtig ist (Familien- und Einmannbetriebe, landwirtschaftliche Erzeuger und dergleichen), die Übernahme des Beweisrisikos zugemutet werden kann, bedarf hier keiner Prüfung. In den Fällen der hier vorliegenden Art ist es jedenfalls Sache des Herstellers, sich zu entlasten.

4. Diesen Entlastungsbeweis hat die Beklagte nicht erbracht.

Im Zuge der Entwicklung sind vier Fehlverhaltenskategorien eines Herstellers herausgearbeitet worden, die mit Konstruktionsfehlern, Fabrikationsfehlern, Instruktionsfehlern und Produktbeobachtungsfehlern bezeichnet werden. Bei den Konstruktionsfehlern geht es darum, dass schon der konstruktive Entwurf eines Produkts nicht so geartet ist, dass er vermeidbare Schädigungen hindert. Bei den Fabrikationsfehlern ist zwar der konstruktive Entwurf in Ordnung, jedoch werden die Verkehrspflichten einer ordnungsgemäßen Herstellung nicht eingehalten. Bei den Instruktionsfehlern ist weder etwas gegen die Konstruktion noch etwas gegen die Fabrikation einzuwenden. Indessen hätte man Warnungshinweise erwartet, die einen gefahrlosen Umgang mit dem Produkt ermöglicht hätten. Mit den Produktbeobachtungsfehlern werden die Verkehrspflichten auf den Zeitraum nach dem Inverkehrbringen des Produkts erstreckt. Mit dieser Fehlerkategorie kann man Produktschäden erfassen, für die der Hersteller vorher noch nicht hätte verantwortlich gemacht werden können, weil der Stand von Wissenschaft und Technik die Produktion eines besseren Produkts noch nicht erlaubte oder die Gefahr noch nicht erkennen ließ (sog. Entwicklungsfehlerrisiko). Verbessert sich der Wissensstand in Forschung und Technik oder ergibt die Nutzung des Produkts, dass von ihm erhebliche Gefahren ausgehen, so ist auf Grund der Produktbeobachtungspflicht der Hersteller gehalten, nachträgliche Warnhinweise zu geben oder gar das Produkt zurückzurufen.

Eine Haftung, die an die Fehlerhaftigkeit des Produkts im Zeitpunkt des Inverkehrbringens anknüpft - wie die Haftung nach dem Produkthaftungsgesetz - hat diese Möglichkeit nicht. Bei ihr lastet das Entwicklungsfehlerrisiko uneingeschränkt auf den Schultern der Geschädigten.

Gefährdungshaftung für fehlerhafte Produkte

Die Haftung nach dem Produkthaftungsgesetz enthält eine Gefährdungshaftung für fehlerhafte Produkte. Die Haftung knüpft nicht an ein Fehlverhalten des Herstellers an, sondern an die Fehlerhaftigkeit des Produkts im Zeitpunkt des Inverkehrbringens. Dem Geschädigten obliegt allein der Nachweis der Fehlerhaftigkeit des Produkts und einer bei ihm aufgrund der Fehlerhaftigkeit eingetretenen Rechtsgutsverletzung. Hersteller, Quasihersteller und Importeur können sich dann von ihrer Haftung dadurch befreien, dass sie nachweisen, dass

  1. sie das Produkt nicht in Verkehr gebracht haben,
  2. sie ein fehlerfreies Produkt in den Verkehr gebracht haben,
  3. das Produkt nicht zum Vertrieb hergestellt worden ist,
  4. der Fehler auf der Einhaltung zwingender Rechtsvorschriften beruht,
  5. der Fehler nach dem Stand von Wissenschaft und Technik im Zeitpunkt des Inverkehrbringens unerkennbar gewesen ist (sog. Entwicklungsrisiko).

Die Unterschiede zur Produzentenhaftung nach BGB-Deliktsrecht liegen, wenn die Fehlerhaftigkeit des Produkts festgestellt ist, in der dem Geschädigten günstigeren Beweislastverteilung und in der erleichterten Haftungsbegründung gegen Quasihersteller und Importeure. Das Produkthaftungsgesetz hat aber nicht nur Vorteile für den Geschädigten. In ihm lassen sich zB Tatbestände, die an ein Fehlverhalten nach dem Inverkehrbringen des Produkts anknüpfen, nicht unterbringen. Außerdem kennt es keine Haftung für Schäden an gewerblich genutzten Sachen, und es mutet dem Eigentümer nicht gewerblich genutzter Sachen einen Selbstbehalt von 500 Euro zu. Da § 15 Abs. 2 ProdHaftG die Produzentenhaftung nach BGB-Deliktsrecht unberührt lässt, bedeutet das für die praktische Rechtsanwendung, dass immer beide Normengruppen parallel bedacht und herangezogen werden müssen.

Last modified: Wednesday, 3 September 2008, 4:10 PM