Inhalt des Schadensersatzanspruchs
Der Inhalt des Schadensersatzanspruchs
Der Herstellungsanspruch
Der Inhalt des Herstellungsanspruchs richtet sich nach den je verschiedenen Wirkungen, die das haftungsauslösende Ereignis auf den - materiellen wie immateriellen - Güterstand des Anspruchsberechtigten ausübt. Er ist nicht auf den Güterstand im Zeitpunkt der Verletzungshandlung bezogen, sondern entwicklungsgerichtet (Lange, § 5 II 1; Oetker in: MünchKomm-BGB, § 249 Rn. 312). Er ändert sich deshalb insoweit, als auch der Zustand, auf dessen Herstellung er sich bezieht, Veränderungen unterworfen wäre. Wer Pflanzen zerstört, muss zur Herstellung solche Pflanzen oder auch Früchte liefern, wie sie sich bis zum Herstellungszeitpunkt beim Gläubiger entwickelt hätten. Andererseits befreien den Schuldner hypothetische, alternative Kausalverläufe von der Herstellungspflicht. Schließlich braucht die Herstellung nicht allein den ursprünglichen Güterstand zu betreffen, sondern kann die Lieferung zuvor gar nicht vorhandener Güter zum Inhalt haben, wenn das haftungsauslösende Ereignis den Zufluss dieser Güter verhindert haben sollte.
Bereich materieller Güter
Im materiellen Bereich bedeutet die Herstellung bei sach- und gegenstandsbezogenen Einbußen die Reparatur der betroffenen oder die Lieferung einer gleichartigen Sache. Lässt sich der Schaden auf mehreren Wegen „in Natur“ ausgleichen, so hat der Geschädigte ein Wahlrecht. Das Wahlrecht wird problematisch, wenn die unterschiedlichen Wege verschieden hohe Kosten verursachen. Es gibt keine Regel, nach der der Geschädigte auf die Herstellungsart mit den geringsten Kosten beschränkt wäre. Allerdings müssen anerkennungswerte Gründe für die Wahl der teureren Herstellungsart sprechen. Sie werden dem Eigentümer des fabrikneuen Fahrzeugs (bis zu 1000 km Fahrleistung, nicht älter als ein Monat) zugebilligt, der statt der Reparatur auf der Lieferung eines Neuwagens (gegen Herausgabe des beschädigten Wagens) bestehen darf , aber auch dem Eigentümer eines meist älteren Gebrauchtwagens, der den ihm vertrauten Wagen reparieren lassen darf und sich nicht mit dem billigeren, ihm unbekannten Gebrauchtwagen abspeisen lassen muss. Wenn die Reparatur allerdings um mehr als 30% teurer ist als die Beschaffung eines gleichwertigen Ersatzwagens, muss der Geschädigte von der Reparatur Abstand nehmen (BGH 6. Zivilsenat; 1991-10-15; VI ZR 67/91). Führt er sie dennoch aus, so kann er beim Schädiger lediglich die Kosten des billigeren Herstellungsweges liquidieren (BGH 6. Zivilsenat; 1972-06-20; VI ZR 61/71; dazu Medicus, Die teure Autoreparatur - BGH, NJW 1972, 1800, JuS 1973, 211). Das Risiko, dass sich ein nach den genannten Kriterien zunächst wählbarer Herstellungsweg später als unerwartet teuer erweist, trägt der Schädiger. Dabei darf sich der Geschädigte auf ein eingeholtes Sachverständigengutachten verlassen (OLG Düsseldorf; 1976-06-03; 12 U 214/75).
Entscheidet sich der Geschädigte für einen von mehreren wählbaren Herstellungswegen, so kann er lediglich die Kosten des gewählten Herstellungsweges liquidieren, wenn auch der nicht gewählte Herstellungsweg teurer geworden wäre (BGH 6. Zivilsenat; 1970-05-26; VI ZR 168/68 zur Eigenreparatur). Die hiervon abweichende Rechtsprechung erhebt einen Gedanken zum Dogma - was der Geschädigte mit der Ersatzleistung mache, gehe den Schädiger nichts an - der aus Praktikabilitätsgründen allein für den Fall der vorgestreckten Herstellungskosten tragbar ist, nach erfolgreich durchgeführter Herstellung jedoch seine Berechtigung verliert, weil er das mit dem Ausgleichsprinzip verbundene Bereicherungsverbot verletzt. Abzulehnen sind deshalb Entscheidungen, die dem Geschädigten die wegen Eigenreparatur gar nicht angefallene Mehrwertsteuer zubilligen (so aber BGH 6. Zivilsenat; 1973-06-19; VI ZR 46/72) oder trotz Inzahlunggabe des beschädigten Fahrzeugs die fiktiven Reparaturkosten ersetzen (BGH 7. Zivilsenat; 1986-11-06; VII ZR 97/85). Mit Blick auf die Mehrwertsteuer hat der Gesetzgeber jetzt eine eindeutige Anordnung in § 249 Abs. 2 BGB getroffen.
Auch das (während der Reparatur oder bis zur Beschaffung der Ersatzsache) anfallende Interimsinteresse ist im Herstellungswege zu befriedigen. Der Schädiger muss etwa dem Geschädigten einen Mietwagen für diese Zeit stellen. Dabei hat er auch die Kosten einer Zusatzversicherung zu tragen. Andererseits muss der Geschädigte sich das anrechnen lassen, was er wegen der Nichtbenutzung der eigenen Sache spart. Das geschieht heute praktisch durch die Anmietung eines Wagentyps der nächst niedrigen Fahrzeugklasse. Wird das Interimsinteresse nicht im Herstellungswege befriedigt, sollte es nach erfolgter Herstellung der Hauptsache regelmäßig keinen Anspruch wegen entgangener Nutzungen geben.
Andere als sach- und gegenstandsbezogene, materielle Nachteile können ebenfalls durch Herstellung in Natur ausgeglichen werden: die Belastung mit einer Verbindlichkeit durch Freistellung, auch wenn der Geschädigte vermögenslos ist (BGH 2. Zivilsenat; 1972-06-29; II ZR 123/71); die kartellrechtswidrig verweigerte Lieferung (GWB §§ 26 Abs 2, 35 ) durch Annahme des Kaufangebots (BGH Kartellsenat; 1961-10-26; KZR 1/61 (Gummistrümpfe); ebenso der sittenwidrige (BGB § 826) Ausschluss von Leistungen durch Kontrahierung und Aufnahme; der nachteilige Vertragsschluss durch Aufhebung des Vertrages (BGH 8. Zivilsenat; 1968-02-28; VIII ZR 210/65) oder gar durch Anpassung des vereinbarten Preises (BGH 8. Zivilsenat; 1977-05-25; VIII ZR 186/75).
Ausgeschlossen ist die Rückgängigmachung von Amtshandlungen (BGH 3. Zivilsenat; 1952-02-11; III ZR 140/50). Sie muss im Verwaltungsrechtsweg erstritten werden.
Das Schadensrecht erweist sich als außerordentlich flexibel. Die Probleme liegen denn auch regelmäßig gar nicht im Bereich der Haftungsausfüllung, sondern einerseits im Bereich der Haftungsbegründung und andererseits in (ungelösten) Fragen der Konkurrenz zu den „systemgerechten“ BGB-Lösungen. Wo etwa die im System vorgesehenen Anfechtungsgründe versagen, soll dort über die Systemwertungen hinweg dem benachteiligten Vertragspartner aus culpa in contrahendo ein Lösungsrecht oder entgegen dem Alles-oder-nichts-Prinzip des Anfechtungsrechts eine Preisanpassung gewährt werden? Die Antworten müssen im Zusammenhang mit den je betroffenen Haftungsvorschriften gefunden werden.
Bereich immaterieller Güter
Immaterielle Nachteile sind zunächst einmal solche, die den Geschädigten an Körper und Gesundheit treffen. Der Herstellungsanspruch umfasst sämtliche Maßnahmen, die geeignet und erforderlich sind, um den Verletzten wieder im ursprünglichen Umfang am gesellschaftlichen Leben teilhaben zu lassen: ärztliche Behandlung, Operation, Medikamente, der ärztlich gebotene Besuch des Verletzten von ihm nahe stehenden Personen, Kur und Nachbehandlung in einem Rehabilitationszentrum (Überblick bei Baltzer,VersR 1976, 1). Über Eignung und Erforderlichkeit der Maßnahmen sollte allein nach den Regeln der medizinischen und psychologischen Wissenschaft entschieden werden. Was der Verletzte sich ohne Haftpflicht des Verletzers hätte leisten können, ist ohne Belang (bedenklich KG Berlin; 1973-01-22; 12 U 1044/72). Das Schadensrecht gesteht den Armen wie den Reichen dieselbe Behandlung zu (zutreffend Esser/Schmidt, § 32 I 2).
Immaterielle Beeinträchtigungen, die außerhalb der Körper- und Gesundheitssphäre liegen, sind vor allem solche des allgemeinen Persönlichkeitsrechts. Hier kommen unterschiedliche Herstellungsmaßnahmen in Betracht: die Entfernung unrichtiger Zeugnisse aus den Personalakten; die Herausgabe von unbefugt hergestellten Abschriften und Photokopien von persönlichen Dokumenten; der Widerruf beleidigender Behauptungen, wenn die Unwahrheit der zu widerrufenden Behauptung feststeht (BGH 6. Zivilsenat; 1962-06-05; VI ZR 236/61). Lässt sich weder die Wahrheit noch die Unwahrheit der ehrverletzenden Behauptung beweisen, ist die adäquate Rechtsfolge der abgeschwächte Widerruf mit der Erklärung, dass die Behauptung nicht aufrechterhalten werden könne, weil sie nicht bewiesen werden könne. Der Bundesgerichtshof will indessen diesen abgeschwächten Widerruf nicht zulassen, solange der Kläger ernsthafte Anhaltspunkte für die Wahrheit der ehrenrührigen Behauptung nicht ausgeräumt hat (BGH 6. Zivilsenat; 1977-06-14; VI ZR 111/75 (Heimstättengemeinschaft) mit Nachweisen zur abweichenden Literatur). Diese Formel ist ihrer Vagheit wegen kaum als Anleitung für die untergerichtliche Praxis geeignet.
Eine immaterielle Beeinträchtigung liegt auch im Freizeitverlust. Die Frage ist, ob er im Herstellungswege etwa dadurch ausgeglichen werden kann, dass der Schädiger für die Bereitstellung neuer Freizeit sorgt (durch Bezahlung unbezahlten Urlaubs). Der Bundesgerichtshof lässt dies für die allgemeine Freizeit nicht zu (BGH 6. Zivilsenat; 1988-11-22; VI ZR 126/88; dazu Schmidt, Jürgen, NJW 1976, 1932 mit abweichenden Vorschlägen). Allein der „vertane Urlaub“ führt zu einem Ersatzanspruch (BGH 7. Zivilsenat; 1974-10-10; VII ZR 231/73). Unter Herstellungsgesichtspunkten kann es jedoch keinen Unterschied zwischen Urlaubszeit und allgemeiner Freizeit geben. Beide dienen dem schon und noch im Arbeitsleben Stehenden zur Reproduktion seiner Arbeitskraft. Werden sie ihm haftungsbedingt genommen, so kommt als Herstellungsmaßnahme die Bereitstellung neuer Freizeit in Betracht. Die Frage ist deshalb eine andere. Wieviel an nicht ausgleichsfähigen Einbußen will man dem Geschädigten als Eigenlast zumuten? Um nicht die Solidargemeinschaft der Versicherten, die den Hauptteil der Kosten tragen müsste, mit weiteren und derzeit unübersehbaren Schadensposten zu belasten, sollte man im Einklang mit dem Bundesgerichtshof den Freizeitverlust unersetzt lassen, zumal man ihn bei entsprechendem Interesse durch Abschluss von Rechtsschutzversicherungen verringern kann. Der Anspruch auf Ersatz „vertanen Urlaubs“ bleibt hiervon unberührt, da der Urlaub dessen, der im Arbeitsleben steht, Vermögenswert hat, der unabhängig von Herstellungsansprüchen nach § 251 zu kompensieren ist.
Erstattung der Herstellungskosten
§ 249 Abs. 2 und § 250 BGB „verwandeln“ den Anspruch auf Herstellung in Natur in einen Anspruch auf Erstattung der Herstellungskosten . Dabei gibt § 249 Abs. 2 dem Geschädigten von vornherein eine Wahlmöglichkeit (facultas alternativa), während § 250 Fristsetzung mit Ablehnungsandrohung verlangt und sodann den Herstellungsanspruch in Natur ausschließt. Der Fristsetzung bedarf es dann nicht, wenn der Verpflichtete etwa zu erkennen gibt, dass er auf keinen Fall Schadensersatz durch Naturherstellung leisten könne oder wolle (BGH 3. Zivilsenat; 1963-09-30; III ZR 137/62). Der Geldanspruch der § 249 Abs. 2 und § 250 ist nicht zu verwechseln mit dem Geldanspruch aus § 251. Dieser ist Kompensationsanspruch und wahrt das Vermögensinteresse; jener bleibt dagegen Herstellungsanspruch und ist an die Möglichkeit der Herstellung geknüpft.
Die auf Kostenersatz gehenden Herstellungsansprüche erfassen grundsätzlich nur die Kosten solcher Maßnahmen, die zur Herstellung erforderlich sind. Zur Beurteilung der Erforderlichkeit ist eine ex-ante-Betrachtung maßgeblich, so dass auch fehlgeschlagene Maßnahmen als erforderlich angesehen werden können. Mit dieser Betrachtung fällt das Prognoserisiko dem Schädiger zu. Damit bleibt die Risikoverteilung wie beim (vorrangigen) Anspruch auf Herstellung in Natur. Sie belastet den Schädiger auch mit dem Mehraufwand, den ohne Verschulden des Geschädigten die von diesem beauftragte Werkstatt infolge unwirtschaftlicher und unsachgemäßer Maßnahmen verursacht hat (BGH 6. Zivilsenat; 1974-10-29; VI ZR 42/73), selbst dann, wenn der Geschädigte infolge unrichtiger Beratung durch einen Sachverständigen eine reparaturunwürdige Sache reparieren lässt (BGH 6. Zivilsenat; VI ZR 249/73). Nicht erforderlich ist eine außerordentlich aufwendige Anzeigenaktion, wenn sich derselbe Erfolg (unverzügliche Richtigstellung einer im Fernsehen verbreiteten Behauptung) durch den presserechtlichen Gegendarstellungsanspruch erreichen lässt (BGH 6. Zivilsenat; 1976-04-06; VI ZR 246/74 (Der Fall Bittenbinder)).
Zu den Herstellungskosten rechnen auch Kosten, die für die Herstellung vorbereitende Maßnahmen aufgewendet werden: Kosten für die Inanspruchnahme von Fremdmitteln, soweit dem Geschädigten die Herstellung nur durch die Aufnahme von Fremdmitteln möglich und zumutbar ist (BGH 6. Zivilsenat; 1973-11-06; VI ZR 27/73); auch Kosten für die Erstellung eines Sachverständigengutachtens, ohne das nicht über die Reparaturmöglichkeit befunden werden kann. Allgemeine Rechtsverfolgungskosten sollten dagegen erst dann ersetzt werden, wenn der Schädiger mit seiner Leistung in Verzug gekommen ist, und nur dann, wenn die prozessrechtlichen Kostenregeln nicht eingreifen. Die Praxis ist hier weniger streng (vgl. die Nachweise bei Heinrichs in: Palandt, Bürgerliches Gesetzbuch, § 249 Rn. 20).
Der Kompensationsanspruch
Rechtsfolge des Kompensationsanspruchs aus § 251 BGB ist der Ausgleich des Vermögensverlustes in Geld. Maßgeblich sind die Wiederbeschaffungskosten für den Geschädigten.