Der Schuldnerverzug

Das BGB regelt den Schuldnerverzug im allgemeinen Schuldrecht in den §§ 286 bis 290 BGB. Die klausurrelevanten Anspruchsgrundlagen findet man in den §§ 280 Abs. 1, 2, 3, 281 BGB. Dabei betrifft § 280 Abs. 2 BGB den Verzögerungsschaden und § 280 Abs. 3 in Verbindung mit § 281 BGB den Nichterfüllungsschaden (Schadensersatz statt der Leistung).

Die Voraussetzungen des Schuldnerverzuges ergeben sich aus § 286 BGB. Sie lauten schlagwortartig: Nichtleistung trotz Möglichkeit, Fälligkeit der Forderung und Mahnung. Die Durchsetzbarkeit und das Vertretenmüssen sind keine Voraussetzungen für den Schuldnerverzug, obwohl man das häufig anders liest. Das Nichtvertretenmüssen schließt nach § 286 Abs. 4 BGB den Verzug aus und spielt insoweit eine Rolle als Gegenrecht für den Schuldner, bei dem im Übrigen die Voraussetzungen des Schuldnerverzuges erfüllt sind. Und auch die fehlende Durchsetzbarkeit gehört zu den Gegenrechten, deren Vorliegen vom Anspruchsgegner zu beweisen ist.

Aus dem folgenden Bild ergibt sich die Beweislastverteilung für die verzugsrelevanten Merkmale:

Verzug

Für Forderungen, die auf ein Entgelt gehen, gilt eine Sonderregel, die in Abs. 3 des § 286 BGB festgehalten ist:

(3) Der Schuldner einer Entgeltforderung kommt spätestens in Verzug, wenn er nicht innerhalb von 30 Tagen nach Fälligkeit und Zugang einer Rechnung oder gleichwertigen Zahlungsaufstellung leistet; dies gilt gegenüber einem Schuldner, der Verbraucher ist, nur, wenn auf diese Folgen in der Rechnung oder Zahlungsaufstellung besonders hingewiesen worden ist. Wenn der Zeitpunkt des Zugangs der Rechnung oder Zahlungsaufstellung unsicher ist, kommt der Schuldner, der nicht Verbraucher ist, spätestens 30 Tage nach Fälligkeit und Empfang der Gegenleistung in Verzug.

Nichtleistung trotz Möglichkeit

Der Schuldner kann nur in Verzug kommen, wenn er einen bestehenden Anspruch nicht erfüllt. Da sich aus der Gesetzessystematik ergibt, dass Verzug und Unmöglichkeit einander ausschließen, kann Verzug nur solange vorliegen, wie die Leistung noch möglich ist und vom Schuldner nachgeholt werden kann. Die Nachholbarkeit der Leistung ist demnach das einschlägige Abgrenzungskriterium zwischen Unmöglichkeit und Verzug: Sobald die Leistung dauernd unmöglich wird, sind die Rechtsfolgen für diese Vertragsverletzung den Vorschriften über die Unmöglichkeit zu entnehmen (§§ 275, 280, 283, 326 Abs. 5 BGB) (BGH NJW 1982, 2238, 2239). Ist die Leistung nur vorübergehend unmöglich, so bejaht die Rechtsprechung gleichwohl endgültige, objektive Unmöglichkeit, wenn das vorübergehende Leistungshindernis den Vertragszweck derart beeinträchtigt, dass dem Gläubiger ein Warten auf die Leistung nicht mehr zugemutet werden kann. Eine wichtige Rolle bei der Abgrenzung von Unmöglichkeit und Verzug mittels des Kriteriums der Nachholbarkeit spielt die bereits vorgestellte Fallgruppe der "Unmöglichkeit der Leistung durch Zeitablauf". Durch Zeitablauf tritt insbesondere dann Unmöglichkeit ein, wenn die vereinbarte Leistungszeit beim absoluten Fixgeschäft abgelaufen ist oder wenn es sich um ein Dauerschuldverhältnis handelt, bei dem die Leistungszeit eine so wichtige Rolle spielt, dass die einmal verlorene Zeit nicht mehr nachgeholt werden kann. Wichtige Beispiele hierfür sind nach herrschender Meinung der Arbeitsvertrag mit fest vereinbarter Arbeitszeit und der Raummietvertrag (MüKo/Ernst, § 275 Rdnr. 48).

Fälligkeit und Durchsetzbarkeit der Forderung

Fällig wird eine Leistung in dem Zeitpunkt, in dem der Gläubiger berechtigt ist, sie zu fordern. Haben die Parteien nichts anderes bestimmt, so wird die Forderung mit ihrem Entstehen "sofort" fällig (§ 271 Abs. 1 BGB). Die Parteien können jedoch die Fälligkeit der Forderung durch Vereinbarung (Stundung) hinausschieben. Solange die Forderung gestundet ist, kann der Schuldner durch Nichtleistung nicht in Verzug geraten.

Neben der Fälligkeit setzt der Schuldnerverzug noch die Durchsetzbarkeit der nicht erfüllten Forderung voraus. Nicht durchsetzbar sind zum einen die unvollkommenen Verbindlichkeiten (Naturalobligationen) wie z.B. Spiel- oder Wettschulden im Sinne des § 762 Abs. 1 BGB. Ebenfalls nicht durchsetzbar sind Forderungen, denen eine Einrede entgegensteht. Dabei ist allerdings problematisch und umstritten, ob bereits das Bestehen oder erst die Geltendmachung der Einrede den Verzug ausschließt. Hier ist im Detail nahezu alles umstritten, so dass es nur Sinn macht, sich die Grundlinien der Diskussion zu merken (vgl. zum Meinungsstand: Emmerich, Das Recht der Leistungsstörungen, § 16 I 2).

Trotz zahlreicher Abweichungen in Einzelfragen ist man sich heute in Rechtsprechung und Lehre weitgehend einig, dass alleine das Bestehen der Einrede des § 320 BGB den Eintritt des Verzuges hindert, während die Einrede des Zurückbehaltungsrechtes gemäß § 273 den Verzug erst ausschließt, wenn sich der Schuldner darauf beruft (Emmerich aaO.; zu § 320 BGB: BGH NJW 1992, 556, 557; NJW 1993, 2674 f.; zu § 273 BGB: BGH NJW 1995, 1152, 1154). Diese grundlegende Differenzierung wird damit begründet, dass anders als bei der Einrede des § 320 BGB der Gläubiger bei der Einrede des § 273 BGB nicht unbedingt damit rechnen muss, dass der Schuldner von ihr Gebrauch machen wird. Die wechselseitige Abhängigkeit der Ansprüche, auf der das Einrederecht beruht, besteht nämlich nicht wie bei § 320 BGB auf Grund des Synallagmas von vorneherein, sondern wird erst durch die Geltendmachung des Zurückbehaltungsrechts vom Schuldner selbst herbeigeführt. Im Übrigen unterscheiden sich § 320 BGB und § 273 BGB dadurch, dass der Gläubiger das Zurückbehaltungsrecht des § 273 BGB gemäß § 273 Abs. 3 BGB durch Sicherheitsleistung abwenden kann (vgl. § 320 Abs. 1 Satz 3 BGB). Das ist ihm aber nur möglich, wenn der Schuldner ihm vorher mitteilt, dass er von seinem Zurückbehaltungsrecht Gebrauch zu machen gedenkt (MüKo/Ernst, § 286 Rdnr. 28).

Allerdings kann auch bei Bestehen des Einrederechts des § 320 BGB der Gläubiger eines leistungsunwilligen Schuldners den Schuldnerverzug herbeiführen. Das RG und Teile der Literatur nahmen an, dies sei schon dann der Fall, wenn der Gläubiger zur Gegenleistung "bereit und imstande" sei. Diese Ansicht hat der BGH in einem grundlegenden Urteil ausdrücklich aufgegeben, da sie der Funktion des § 320 BGB nicht gerecht werde. Nach dieser Vorschrift könne der Schuldner seine Leistung bis zur "Bewirkung" der Gegenleistung verweigern. Damit komme zum Ausdruck, dass § 320 BGB den Anspruch auf die Gegenleistung sichern und Druck auf den Gläubiger ausüben solle, damit dieser leiste. Diese Funktion könne aber § 320 BGB nur erfüllen, wenn Schuldnerverzug erst bei Nichtleistung des Schuldners trotz eines Annahmeverzug begründenden Angebotes der Gegenleistung durch den Gläubiger eintrete. Dafür müsse der Gläubiger aber dem Schuldner die Gegenleistung so, wie sie zu bewirken ist, tatsächlich angeboten haben, so dass er nur noch zuzugreifen brauche (BGH NJW 1992, 556, 557 f.).

Bei allen anderen Einreden (wie z.B. der Einrede der Verjährung (§ 214 BGB) oder der Einrede der ungerechtfertigten Bereicherung (§ 821 BGB)) hat sich noch kein so klares Meinungsbild wie zu §§ 273, 320 BGB herauskristallisiert. Bei diesen Einreden lässt sich somit die Position, dass schon das Bestehen der Einrede den Verzug ausschließt, in der Klausur ebenso gut vertreten wie die Position, dass erst die Geltendmachung der Einrede Verzug ausschließende Wirkung hat. Überwiegend wird wohl die erstere Ansicht vertreten. Diese stützt sich auf das Argument, dass derjenige, der das Recht hat, durch Verweigerung eine Hemmung des gegen ihn gerichteten Anspruchs herbeizuführen, auch das Recht haben müsse, die Leistung zunächst einmal zu unterlassen (so etwa Larenz, Lehrbuch des Schuldrechts, Band 1, § 23 I c (S. 350)). Dieses Argument ist jedoch nicht zwingend und lässt sich ebenso gut umkehren (vgl. Jahr, JuS 1964, 293, 302). Unabhängig davon, welcher Auffassung man sich in diesem Streit auch anschließen mag, sollte man aber bedenken, dass Einreden im materiellrechtlichen Sinne im Zivilprozess nur berücksichtigt werden dürfen, wenn sich der Schuldner vor Gericht auf sie beruft, indem er gegenüber dem Gericht erklärt, dass er auf Grund der Einrede die Leistung verweigere oder schon früher dem Gläubiger gegenüber verweigert habe. Hat der Schuldner sich bis zum Schluss der letzten mündlichen Verhandlung in der Tatsacheninstanz nicht auf die Einrede berufen, so darf sie vom Gericht nicht berücksichtigt werden. Selbst, wenn man also davon ausgeht, dass bereits das Bestehen der Einrede den Verzug ausschließt, darf man in diesem Fall die Einrede nicht berücksichtigen. Der Schuldner muss sich dann so behandeln lassen, als wäre er in Verzug gekommen (Larenz, Lehrbuch des Schuldrechts, Band 1, § 23 I c (S. 350); Emmerich, Das Recht der Leistungsstörungen, § 16 Rdnr. 12).

Für die sich aus der Ausübung von Gestaltungsrechten wie z.B. Anfechtung oder Rücktritt ergebenden Einwendungen ist anerkannt, dass sie erst nach ihrer Ausübung den Verzug ausschließen. Dabei ergibt sich für die Aufrechnung und die Anfechtung aus den gesetzlichen Rückwirkungsfiktionen der §§ 389, 142 Abs. 1 BGB, dass sie bei wirksamer Ausübung nachträglich den bereits eingetretenen Verzug entfallen lassen (für die Aufrechnung durch den Schuldner: BGH NJW 1981, 1729, 1731; MüKo/Ernst, § 286 Rdnr. 29; Emmerich, Das Recht der Leistungsstörungen, § 16 Rdnr. 7; für die Anfechtung: Emmerich aaO.). Beim Rücktritt, ist dies umstritten. Dabei geht die wohl herrschende Meinung wegen der Gleichartigkeit der Sachverhalte davon aus, dass auch der Rücktritt rückwirkend den Verzug entfallen lässt (vgl. Emmerich aaO.; MüKo/Ernst, § 286 Rdnr. 29).

Mahnung

Nicht auf eine Entgeltzahlung gerichtete Forderungen

Leistet der Schuldner bei Fälligkeit der Forderung nicht, so kommt er gemäß § 286 Abs. 1 Satz 1 BGB regelmäßig noch nicht in Verzug. Um den Verzug herbeizuführen, muss der Gläubiger den Schuldner grundsätzlich nach der Fälligkeit der Forderung erst einmal mahnen. Die zwischen Fälligkeit und Verzugseintritt geschaltete Mahnung soll den Schuldner schützen, indem sie ihn vor den negativen Folgen des Schuldnerverzuges warnt und ihm Gelegenheit gibt, diese durch die Erfüllung der Forderung abzuwenden (Emmerich, Das Recht der Leistungsstörungen, § 16 Rdnr. 15).

Die Mahnung ist die an den Schuldner gerichtete, empfangsbedürftige Aufforderung des Gläubigers, die geschuldete Leistung endlich zu erbringen. Sie ist keine Willenserklärung, sondern eine rechtsgeschäftsähnliche Handlung, da die durch sie ausgelösten Rechtsfolgen kraft Gesetzes und nicht aufgrund des Willens des Gläubigers eintreten. Nach ganz herrschender Meinung werden aber auf die Mahnung die Vorschriften über Willenserklärungen, insbesondere die Vorschriften über die Geschäftsfähigkeit, die Stellvertretung, die Auslegung und den Zugang, entsprechend angewandt (BGH NJW 1987, 1546, 1547; MüKo/Ernst, § 286 Rdnr. 46). Das bedeutet beispielsweise, dass die von einem Geschäftsunfähigen abgegebene Mahnung entsprechend § 105 BGB unwirksam ist, während die Mahnung eines beschränkt Geschäftsfähigen, da lediglich rechtlich vorteilhaft im Sinne des § 107 BGB, wirksam ist.

Die Mahnung kann ihren Zweck, den Schuldner zu warnen und zur ordnungsgemäßen Leistung zu bewegen, nur erfüllen und ist daher nur wirksam, wenn sie eindeutig und bestimmt ist. Das setzt insbesondere voraus, dass sie ihrem Wortlaut nach den Schuldner unmissverständlich zur Leistung auffordert (er"mahnt"). Dies ist etwa bei Schreiben, in denen der Gläubiger dem Schuldner mitteilt, dass er "der Ankunft der Leistung gerne entgegensehe" oder dass er "für eine Mitteilung darüber, wann er die Leistung erwarten dürfe, sehr dankbar wäre" vom Reichsgericht verneint worden (RGZ 93, 300, 301 f.).

Eine wirksame Mahnung muss jedoch nicht nur eindeutig und bestimmt sein, sondern sich selbstverständlich auch auf die geschuldete Leistung beziehen. Daher ist eine Mahnung, mit der der Gläubiger etwas anderes als die geschuldete Leistung verlangt, unwirksam (MüKo/Ernst, § 286 Rdnr. 50). Fraglich ist jedoch, ob bereits in einer Zuvielforderung (pluspetitio) ein solches Verlangen einer nicht geschuldeten Leistung zu sehen ist. Rechtsprechung und herrschende Lehre wollen dies nicht allgemein, sondern am Einzelfall entscheiden. Dabei soll es darauf ankommen, ob der Schuldner der Mahnung durch Auslegung entsprechend §§ 133, 157 BGB eine Aufforderung zur Erbringung der tatsächlich geschuldeten Leistung entnehmen konnte. Dies soll dann in Betracht kommen, wenn für den Schuldner erkennbar ist, welche Leistung von ihm verlangt wird, und wenn der Gläubiger außerdem bereit ist, auch die Minderleistung anzunehmen. Die Zuvielforderung soll dagegen zur Unwirksamkeit der Mahnung führen, wenn der geforderte Betrag unverhältnismäßig hoch ist, wenn der Gläubiger auf der Zuvielforderung besteht oder wenn der Schuldner nicht in der Lage ist, den tatsächlich geschuldeten Betrag zu berechnen (vgl. Emmerich, Das Recht der Leistungsstörungen, § 16 Rdnr. 29 m.w.N.). Umgekehrt kann es aber auch zu einer Zuwenigforderung kommen. Sie führt nach der Rechtsprechung des BGH nur zum Verzug in Höhe des gemahnten Betrages (BGH NJW 1982, 1983, 1985). Gegenüber dieser Rechtsprechung wird aber in der Literatur kritisch eingewandt, dass der Schuldner im Einzelfall auch eine Zuwenigforderung entsprechend §§ 133, 157 BGB als Forderung zur Begleichung der gesamten Forderung auslegen kann (Soergel/Wiedemann, § 284 Rdnr. 27).

Die Mahnung muss grundsätzlich beziffert sein. Eine unbezifferte Mahnung kann jedoch ausnahmsweise wirksam sein. Der BGH hat dies für den Schmerzensgeldanspruch anerkannt, wenn der Gläubiger dem Schuldner in seinem Leistungsverlangen ausreichend konkrete Tatsachen zur Berechnung der Forderungshöhe mitgeteilt hat (vgl. Emmerich, Das Recht der Leistungsstörungen, § 16 Rdnr. 17). Praktisch besonders relevant sind die Fälle, in denen dem Gläubiger neben seinem Hauptanspruch noch ein fälliger Auskunftsanspruch zusteht, der dazu dient, ihm die Berechnung der Anspruchshöhe überhaupt erst zu ermöglichen. Ein typisches Beispiel hierfür ist der Pflichtteilsanspruch (§ 2305 BGB), dessen Höhe der Pflichtteilsberechtigte regelmäßig erst durch Auskunft des Erben über den Bestand des Nachlasses ermitteln kann. Zu dieser Auskunft ist der Erbe dem Pflichtteilsberechtigten nach § 2314 Abs. 1 BGB verpflichtet. Kommt es zwischen Erben und Pflichtteilsberechtigtem über die Höhe des Pflichtteilsanspruches zum Streit, so kann der Pflichtteilsberechtigte im Wege der Stufenklage gemäß § 254 ZPO gegen den Erben vorgehen, indem er die Klage auf Zahlung des (noch unbestimmten) Pflichtteils mit einer Klage auf Vorlegung eines Verzeichnisses der Nachlassgegenstände verbindet (§§ 2314 Abs. 1, 260 BGB) und nach Vorlage des Verzeichnisses den Zahlungsanspruch der Höhe nach bestimmt. Würde man eine unbezifferte Mahnung beim Pflichtteilsanspruch nicht zulassen, dann könnte der Erbe durch Verzögerung der Auskunft über den Nachlassbestand den Beginn des Verzuges mit dem Pflichtteilsanspruch treuwidrig hinauszögern. Der Pflichtteilsberechtigte würde dann praktisch zur Erhebung der Stufenklage (§ 254 ZPO) gezwungen, da hier - anders als bei der Zahlungsaufforderung - ein unbezifferter Klageantrag zulässig wäre. Um dieses unsinnige Ergebnis zu vermeiden, ließ der BGH eine unbezifferte Mahnung dann zu, wenn dem Gläubiger zugleich ein fälliger Auskunftsanspruch zusteht und der Gläubiger den Schuldner mit der Aufforderung zur Erfüllung des Pflichtteilsanspruches in noch unbestimmter Höhe zugleich zur Erfüllung seines Auskunftsanspruches auffordert (BGHZ 80, 269, 276 f.). In Anlehnung an die Stufenklage spricht man hier von einer "Stufenmahnung" entsprechend § 254 ZPO (OLG Düsseldorf, NJW 1993, 1079, 1080). Die unbezifferte Stufenmahnung ist über den Pflichtteilsanspruch hinaus auch im Unterhaltsrecht anerkannt (so OLG Düsseldorf aaO.).

Schließlich setzt eine wirksame Mahnung nach dem eindeutigen Wortlaut des § 286 Abs. 1 Satz 1 BGB voraus, dass sie nach dem Eintritt der Fälligkeit erklärt wird. Eine vor der Fälligkeit der Forderung erklärte Mahnung ist unwirksam. Allerdings darf die Mahnung nach allgemeiner Ansicht mit den die Fälligkeit der Forderung erst herbeiführenden Handlungen (z.B. Kündigung des Darlehens) zusammen fallen, da alles andere reiner Formalismus wäre (Emmerich, Das Recht der Leistungsstörungen, § 16 Rdnr. 20). Ebenso gestattet die Rechtsprechung dem Gläubiger, bei Sukzessivlieferungsverträgen und laufenden Unterhaltsleistungen die Mahnung bereits auf die zukünftigen (noch nicht fälligen) Raten zu erstrecken, wenn dies nur deutlich genug aus der Mahnung hervorgeht. Damit wird das wenig praktikable Ergebnis vermieden, dass der Gläubiger die Mahnung nach Fälligkeit jeder neuen Rate wiederholen muss. Bei Unterhaltsansprüchen wirkt die Mahnung jedoch nur so lange fort, wie sich die rechtlichen oder tatsächlichen Verhältnisse nicht nachhaltig verändern (vgl. Emmerich, Das Recht der Leistungsstörungen, § 16 Rdnr. 21 und 22).

Entbehrlichkeit der Mahnung

Kalendermäßige Bestimmung der Leistungszeit

Die nach § 286 Abs. 1 Satz 1 BGB für den Schuldnerverzug regelmäßig erforderliche Mahnung kann nach § 286 Abs. 2 BGB ausnahmsweise entbehrlich sein. Praktisch besonders bedeutsam ist dabei § 286 Abs. 2 Nr. 1 BGB, wonach die Mahnung entbehrlich ist, wenn die Leistungszeit nach dem Kalender bestimmt ist ("dies interpellat pro homine": Der Termin mahnt für den Menschen). Bei der Auslegung des Tatbestandsmerkmales der "kalendermäßigen Bestimmung" der Leistungszeit ist es sinnvoll, sich den Zweck der Mahnung nochmals vor Augen zu halten: Sie soll den Schuldner an seine Leistungspflicht erinnern und ihn vor den negativen Folgen der Leistungsverzögerung warnen. Wenn der Gesetzgeber dies bei der kalendermäßigen Bestimmung der Leistungszeit für entbehrlich hält, so muss er davon ausgehen, dass der Schuldner in diesen Fällen weniger schutzwürdig ist, da er ohnehin über die Leistungszeit nicht im Zweifel sein kann. Das ist dann der Fall, wenn sich die vertraglich oder gesetzlich bestimmte Leistungszeit allein mit Hilfe des Kalenders bestimmen lässt. Es ist aber auch dann der Fall, wenn die Leistungszeit zwar unter Bezugnahme auf ein künftiges, zeitlich ungewisses Ereignis festgelegt ist, von dem Ereignis an aber eine kalendermäßige Bestimmung möglich ist. Das bestimmt jetzt ausdrücklich § 286 Abs. 2 Nr. 2 BGB und macht damit die Rechtsprechung des BGH obsolet, nach der die kalendermäßige Bestimmung der Leistungszeit verneint wurde bei der Bestimmung "160 Tage nach dem tatsächlichen Arbeitsbeginn" (vgl. BGH NJW 1986, 2049, 2050).

Eine die Mahnung entbehrlich machende kalendermäßige Bestimmung der Leistungszeit liegt vor, wenn ein Kalendertag unmittelbar oder mittelbar bezeichnet ist. Von einer unmittelbaren Bezeichnung ist auszugehen, wenn ein Kalendertag ausdrücklich benannt ("1. Januar 2001") oder doch unmissverständlich umschrieben ist ("Zahlung am ersten Werktag des Monats"). Eine mittelbare Bezeichnung eines Kalendertages liegt dagegen vor, wenn die Leistung eine bestimmte Zeit nach einem feststehenden Termin zu erfolgen hat ("am 9. Tag von heute ab") (vgl. RGZ 103, 33, 34). Eine kalendermäßige Bestimmung der Leistungszeit ist auch dann zu bejahen, wenn der Schuldner die Leistung innerhalb eines festgelegten Zeitraumes erbringen kann, dessen Ende eindeutig bestimmt ist (z.B.: "Lieferung bis Ende Mai"; Verzug tritt dann am 1. Juni ein).

§ 286 Abs. 2 Nrn. 3 und 4 BGB regelt zwei weitere Fälle der Entbehrlichkeit der Mahnung, die bis zum 31.12.2001 gesetzlich nicht geregelt waren und dennoch als Entwicklungen der Rechtsprechung zum geltenden Recht gehörten.

Endgültige und ernsthafte Erfüllungsverweigerung

Nach ständiger Rechtsprechung ist die Mahnung nach § 242 BGB entbehrlich, wenn der Schuldner endgültig und ernstlich die Erfüllung verweigert, indem er sich etwa vom Vertrag lossagt oder die Nichtigkeit des Vertrages behauptet, da das Beharren auf der Mahnung in diesen Fällen zwecklose Förmelei wäre (BGHZ 2, 310, 312; 65, 372, 377). Diesen Fall hat der Gesetzgeber als Nr. 3 in das Gesetz aufgenommen.

Selbstmahnung

Eine Selbstmahnung liegt vor, wenn der Schuldner die Leistung für einen bestimmten Zeitpunkt verspricht oder erklärt, dass die Ware bereits unterwegs sei und dadurch den Gläubiger von der Mahnung abhält. Beruft sich ein Schuldner, der sich in diesem Sinne selbst gemahnt hat, später auf die fehlende Mahnung, so verhält er sich treuwidrig. Das Gleiche gilt, wenn der Schuldner den Gläubiger durch die wahrheitswidrige Behauptung, er habe bereits geleistet, von der Mahnung abhält. Die gesetzliche Grundlage für die Entbehrlichkeit der Mahnung in diesem Fall ist jetzt Nr. 4.

Besondere Erfüllungsdringlichkeit

Eine Mahnung ist auch dann nach § 286 Abs. 2 Nr. 4 BGB entbehrlich, wenn sich die besondere Dringlichkeit der Leistung für den Gläubiger aus dem Vertragsinhalt ergibt (§§ 133, 157 BGB). Der BGH hat dies z.B. im Falle eines Werkvertrages bejaht, bei dem der Unternehmer dem Besteller die möglichst schleunige Ausbesserung eines Schiffsmotors versprochen hat, da der Besteller während der Reparaturzeit nichts verdiente, während die Kosten weiterliefen. Er hat die Entbehrlichkeit der Mahnung nach § 242 BGB mit dem Zweck der Mahnung begründet, dem Schuldner vor Augen zu führen, dass das Ausbleiben seiner Leistung Folgen haben werde und ihn daher zur sofortigen Leistung zu veranlassen. Dieser mit der Mahnung verfolgte Zweck werde aber bei besonderer Erfüllungsdringlichkeit bereits dadurch erreicht, dass der Schuldner sich auf Grund des Vertragsinhaltes ohnehin darüber klar sei, dass er die Folgen der Leistungsverzögerung auf sich nehmen müsse (BGH NJW 1963, 1823, 1824).

"Schulfall" für diese Fallgruppe ist der Anruf bei einem Handwerker wegen eines Wasserrohrbruches.

Fur semper in mora

Gemäß dem Rechtsgrundsatz fur semper in mora ("Der Dieb ist immer in Verzug"), nach dem der Täter einer unerlaubten Handlung einer besonderen Aufforderung zur Rückgabe der durch einen rechtswidrigen Eingriff erlangten Sache nicht bedarf, ist eine Mahnung dann entbehrlich, wenn der Schuldner zur Herausgabe einer Sache aus Delikt verpflichtet ist. Die §§ 848, 849 BGB, die einige Verzugsfolgen ohne Mahnung eintreten lassen, stehen nach herrschender Meinung einer solchen auf elementaren Gerechtigkeitserwägungen basierenden Wertung nicht entgegen (Palandt/Grüneberg, § 286 Rdnr. 25; MüKo/Ernst, § 286 Rdnr. 69; Emmerich, Das Recht der Leistungsstörungen, § 16 Rdnr. 43).

Da § 286 BGB dispositiv ist, können die Parteien auf die Mahnung verzichten. Ein solcher Verzicht kann ausdrücklich oder konkludent erfolgen. Ein konkludenter Verzicht auf die Mahnung ist etwa anzunehmen, wenn die Parteien vereinbaren, dass an die Stelle der Mahnung eine andere Handlung des Gläubigers treten soll. Dies ist z.B. bei Vereinbarung der im internationalen Handelsverkehr gebräuchlichen Klausel "Kasse gegen Dokumente" ("cash against documents") der Fall, bei der an die Stelle der Mahnung die Vorlage der Dokumente durch den Gläubiger =Verkäufer) tritt, so dass der vorleistungspflichtige Schuldner =Käufer), wenn er bei Vorlage der Dokumente nicht zahlt, in Verzug gerät (Emmerich, Das Recht der Leistungsstörungen, § 16 Rdnr. 44; BGH NJW 1987, 2435, 2436). Allerdings kann die Mahnung als Verzugsvoraussetzung in Allgemeinen Geschäftsbedingungen gemäß § 309 Nr. 4 Var. 1 BGB nicht zu Gunsten des Verwenders abbedungen werden.

Entgeltforderungen

Bei Entgeltforderungen (= Geldforderungen, die als Gegenleistung in einem synallagmatischen Vertrag vereinbart worden sind) ist keine Mahnung mehr erforderlich (vgl. zum Begriff der Geldforderung: Huber/Faust, Schuldrechtsmodernisierung, S. 91). Hier hebt der Gesetzgeber in Abs. 3 des § 286 BGB auf den Zugang einer Rechnung oder einer gleichwertigen Zahlungsaufforderung ab. Für die Rechnung oder die Zahlungsaufforderung müssen aber ähnliche Bestimmtheitsgrundsätze gelten, wie sie die Rechtsprechung für die Mahnung entwickelt hat. Die oben angeführten Grundsätze über die Wirksamkeit von Mahnungen bei Zuvielforderungen gelten entsprechend für überhöhte Rechnungen und Zahlungsaufforderungen. Ferner löst die Rechnung den Verzug gegenüber einem Verbraucher (§ 13 BGB) nur dann aus, wenn dieser auf die verzugsauslösenden Rechtsfolgen in der Rechnung hingewiesen worden ist (§ 286 Abs. 3 S. 1 BGB a.E.). Da eine den vorstehend geschilderten Anforderungen genügende Rechnung gemäß § 286 Abs. 3 S. 1 1. HS BGB den Schuldnerverzug erst auslöst, wenn der Schuldner nicht innerhalb von 30 Tagen nach Fälligkeit und ihrem Zugang leistet, bleibt es dem Gläubiger auch bei Entgeltforderungen unbenommen, durch Mahnung den Verzugseintritt zeitlich früher herbeizuführen. Ferner kommt auch bei Entgeltforderungen der Schuldner vor Verstreichen der 30-Tagesfrist in Verzug, wenn die Voraussetzungen für eine Entbehrlichkeit der Mahnung gemäß § 286 Abs. 2 BGB erfüllt sind (vgl. Huber/Faust, Schuldrechtsmodernisierung, S. 93). Dies stellt das Gesetz durch das Wörtchen "spätestens" klar.

Verschulden

Der Schuldnerverzug ist gemäß § 286 Abs. 4 BGB ausgeschlossen, wenn der Schuldner die Leistungsverzögerung nicht zu vertreten hat. Was der Schuldner zu vertreten hat, ergibt sich aus §§ 276 bis 278 BGB. Damit hat sich der Gesetzgeber auch beim Schuldnerverzug für das Verschuldensprinzip in der besonderen Ausprägung entschieden, dass das Verschulden nicht Voraussetzung für den Verzug ist, sondern das Nichtverschulden den Eintritt des Verzuges hindert. Der Schuldner befindet sich daher stets im Verzug, wenn die Voraussetzungen des § 286 Abs. 1 bis 3 BGB vorliegen und er nicht beweisen kann, dass er oder ein Erfüllungsgehilfe (§ 278 BGB) die Leistungsverzögerung weder vorsätzlich noch fahrlässig herbeigeführt hat. Als Entschuldigungsgründe, die ein Verschulden ausschließen und den Eintritt des Verzuges hindern, kommen insbesondere in Betracht:

- zufällige vorübergehende Unmöglichkeit: Der Schuldner hat die Leistungsverzögerung nicht zu vertreten, wenn er durch unerwartete und außerhalb seiner Person liegende Umstände vorübergehend an der Leistung gehindert wird. Man spricht in diesen Fällen zufälliger übermäßiger Leistungserschwerung von höherer Gewalt. Beispiele hierfür sind Betriebsstilllegungen oder Verkehrsbehinderungen, die auf einem Krieg oder einer Umweltkatastrophe beruhen. Der Entschuldigungsgrund der höheren Gewalt wird aber regelmäßig nur dann eingreifen, wenn das Leistungshindernis für den Schuldner bei Vertragsschluss nicht vorhersehbar war. Ebenso hat der Schuldner unverschuldete bei Vertragsschluss nicht vorhersehbare persönliche Gründe nicht zu vertreten. Dies gilt insbesondere für schwere Erkrankungen des Schuldners, wenn sie nicht von diesem selbst willentlich herbeigeführt wurden und die Leistungserbringung von der persönlichen Mitwirkung des Schuldners abhängt (vgl. zum Ganzen: Emmerich, Das Recht der Leistungsstörungen, § 16 VI 1).

- Unverschuldete Unkenntnis der Person und/oder der Anschrift des Gläubigers: Dieser Entschuldigungsgrund liegt etwa dann vor, wenn der Gläubiger seinen Wohnsitz gewechselt hat, ohne den Schuldner darüber zu unterrichten oder wenn die Forderung durch Abtretung oder infolge eines Erbfalles auf einen anderen als den bisherigen Gläubiger übergegangen ist und der Schuldner über Anschrift und/oder Person des neuen Gläubigers nicht informiert worden ist. Es ist nämlich grundsätzlich nicht Sache des Schuldners, Ermittlungen über Person und/oder Adresse des Gläubigers anzustellen (Soergel/Wiedemann, § 285 Rdnr. 6).

- Tatsachen- oder Rechtsirrtum: Irrt sich der Schuldner über die tatsächlichen Voraussetzungen seiner Leistungspflicht (Tatsachenirrtum), ohne dabei Sorgfaltspflichten zu verletzen, dann gerät der Schuldner unstreitig nicht in Verzug. Dies wäre z.B. anzunehmen, wenn der Schuldner einen gegen ihn gerichteten Schadensersatzanspruch auf Grund unvollständiger Angaben des Gläubigers über den Schadensumfang der Höhe nach falsch berechnet. Nicht entschuldigt dagegen wäre z.B. ein Irrtum des Schuldners über seine Leistungspflicht, der darauf beruht, dass dieser sich den Vertragstext nicht ordentlich durchgelesen hat. Beruht die Leistungsverzögerung darauf, dass der Schuldner die Rechtslage zu seinen Gunsten falsch beurteilt hat (Rechtsirrtum), so ist das Vertretenmüssen problematisch. Die Rechtsprechung erkennt den Rechtsirrtum als Entschuldigungsgrund zwar grundsätzlich an, hat aber in den Einzelheiten noch zu keiner klaren Linie gefunden. Dabei stehen sich Urteile und Stellungnahmen in der Literatur, die einen entschuldigenden Rechtsirrtum erst dann bejahen, wenn der Schuldner bei Wahrung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt mit einem Obsiegen in einem Rechtsstreit rechnen durfte und solche, die einen entschuldigenden Rechtsirrtum bei verwickelter Rechtslage bereits dann bejahen, wenn der Standpunkt des Schuldners vertretbar war, unversöhnlich gegenüber (Emmerich, Das Recht der Leistungsstörungen, § 16 VI 2 a). Für das Zivilrecht weitgehend anerkannt ist lediglich, dass derjenige, der sich auf eine gefestigte Rechtsprechung verlässt, nicht schuldhaft handelt und insbesondere nicht damit rechnen muss, dass diese Rechtsprechung sich ändern wird (Emmerich aaO.).

Jeder Schuldner hat allgemein jede Leistungsverzögerung zu vertreten, die nur darauf beruht, dass er einen finanziellen Engpass hat. Man könnte auch salopp formulieren: "Geld hat man zu haben!" (Emmerich, Das Recht der Leistungsstörungen, § 16 Rdnr. 65; Larenz, Lehrbuch des Schuldrechts, Band 1: Allgemeiner Teil, § 23 I b (S. 348)).

Verzug im Synallagma

Das frühere Recht kannte eigene Regeln und eigene Anspruchsgrundlagen für den Verzug bei gegenseitigen Verträgen. Das am 1.1.2002 in Kraft getretene Recht kommt ohne solche Regeln aus.

Die Voraussetzungen für das Rücktrittsrecht in einem gegenseitigen Vertrag sind nach § 323 Abs. 1 BGB:

  • das Bestehen einer – nicht notwendig im Gegenseitigkeitsverhältnis stehenden ‑ Leistungsverpflichtung;
  • die Fälligkeit der Leistungsverpflichtung;
  • die Setzung einer angemessenen Frist zur Leistung oder Nacherfüllung;
  • das Ausbleiben der Leistung insgesamt oder der vertragsgemäßen Leistung oder der Nacherfüllung innerhalb der gesetzten Frist.

Im Unterschied zum früheren Recht muss der Schuldner sich nicht im Verzug befinden. Das wird er zwar regelmäßig durch die Leistungsaufforderung mit Fristsetzung. Dem Verzug aber würde der Schuldner durch den Nachweis entgehen, dass er die Verzögerung nicht zu vertreten hat (§ 286 Abs. 4 BGB). Das Rücktrittsrecht besteht dagegen unabhängig vom Vertretenmüssen. Es ist nur ausgeschlossen, wenn der Gläubiger für den Umstand, der ihn zum Rücktritt berechtigen würde, allein oder weit überwiegend verantwortlich ist, oder wenn der Gläubiger sich im Falle eines vom Schuldner nicht zu vertretenden Umstands im Verzug der Annahme befindet (§ 323 Abs. 6 BGB).

Der Gläubiger muss auch nicht mehr wie im früheren Recht die Fristsetzung mit einer Ablehnungsandrohung verbinden. Die Fallstricke des § 326 Abs. 1 Satz 1 BGB a.F. sind abgeschafft. Es genügt die einfache Setzung einer angemessenen Frist.

Dies kann vor dem Hintergrund des Zwecks der Nachfristsetzung nicht bedeuten, dass ein bisher nicht leistungswilliger Schuldner für seine Vertragsverletzung noch belohnt wird, indem der Gläubiger diesem Schuldner noch Gelegenheit gewähren müsste, nun erst die Bewirkung der Leistung in die Wege zu leiten, indem er seine Leistung jetzt erst insgesamt herstellt oder überhaupt erst vorbereitet. Vielmehr soll dem Schuldner nur eine letzte Möglichkeit zur Vertragserfüllung eröffnet werden, so dass eine Frist schon dann angemessen ist, wenn sie dem Schuldner die Gelegenheit bietet, seine im Wesentlichen schon vorbereitete Leistung nunmehr zu erbringen (RGZ 89, 123, 125; BGH NJW 1982, 1279, 1280; 1985, 320, 323; 855, 857; ebenso für das neue Recht: Huber/Faust, Schuldrechtsmodernisierung, S. 188). Im Streitfall entscheidet dann das Gericht, ob die vom Gläubiger gesetzte Nachfrist angemessen ist. Bei dieser Entscheidung hat das Gericht die Interessen des Schuldners an einer nachträglichen Vertragserfüllung und des Gläubigers an einer möglichst pünktlichen Erfüllung in gleicher Weise zu beachten. Dabei gilt als allgemeiner Maßstab, dass die Frist umso kürzer sein darf, je dringender nach den vertraglichen Abreden das Interesse des Gläubigers an einer raschen und pünktlichen Erfüllung ist oder je länger der Schuldner sich bereits in Verzug befindet (MüKo/Ernst, § 323 Rdnr. 70; BGH NJW 1982, 1279, 1280).

Verfährt der Gläubiger bei der Fristbestimmung redlich, erklärt er sie also nicht nur zum Schein oder um eine kurzfristige Verlegenheit des Schuldners auszunutzen, so wäre es unbillig, eine zu kurze Nachfristsetzung als unwirksam anzusehen und ihm damit das Risiko aufzubürden, dass das Gericht die von ihm vorgenommene Konkretisierung des unbestimmten Rechtsbegriffs "angemessen" billigt. Das würde im Ergebnis nämlich darauf hinauslaufen, dass der Gläubiger gut beraten wäre, wenn er die Frist entgegen seinen berechtigten Interessen etwas zu großzügig bestimmen würde, da er dann immer auf der sicheren Seite wäre. Daher hat schon das Reichsgericht es als "eine im Interesse aller Beteiligten liegende und statthafte Ergänzung der von ihm abgegebenen Willenserklärung" angesehen, wenn seiner zu kurzen Fristbestimmung "die Wirkung beigelegt wird, dass er bereit sei, die ausstehende Leistung innerhalb derjenigen Frist vorzunehmen, die nach Lage der Sache als die angemessene zu gelten hat" (RGZ 56, 231, 234 f.). Auf der dogmatischen Basis der ergänzenden Auslegung der Fristsetzungserklärung wird somit bei der Bestimmung einer zu kurzen Nachfrist durch den redlich handelnden Gläubiger eine angemessene Nachfrist in Gang gesetzt (Palandt/Heinrichs, § 326 Rdnr. 17). Die Gerichte kommen dem Gläubiger auch insoweit entgegen, als sie es zulassen, dass dem Schuldner einfach eine "angemessene" Frist gesetzt wird, da sie im Streitfall ohnehin darüber entscheiden, welche Frist angemessen ist (MüKo/Ernst, § 323 Rdnr. 77 f.).

Wird mithin eine unangemessen kurze Frist bestimmt, so ist die Fristsetzung nicht unwirksam. Sie setzt auch nach den Vorstellungen des Gesetzgebers eine angemessene Frist in Gang (Regierungsentwurf BT‑Drucks. 14/6040, S. 138).

Ein weiterer Unterschied zum früheren Recht liegt in den Rechtsfolgen. Der Erfüllungsanspruch ist nicht mit dem Ablauf der Frist ausgeschlossen, sondern erst mit der Ausübung des Rücktrittsrechts.

§ 323 Abs. 2 BGB erklärt die Fristsetzung in bestimmten Fällen für entbehrlich. Inhaltliche Änderungen gegenüber dem früheren Recht sind darin nicht enthalten. Nr. 1 positiviert die anerkannte Rechtspraxis, dass eine ernsthafte und endgültige Erfüllungsverweigerung die Fristsetzung entbehrlich mache. Nr. 2 normiert diese Folge für das relative Fixgeschäft, macht damit die Auslegungsregel des früheren Rechts entbehrlich und verwandelt das früher vertraglich gedachte Rücktrittsrecht in ein gesetzliches Rücktrittsrecht. Nr. 3 hebt in einer Art Auffangtatbestand auf besondere Umstände ab, die unter Abwägung der beiderseitigen Interessen den sofortigen Rücktritt rechtfertigen (vgl. zur Auslegung dieser "Gummiklausel": Faust/Huber, Schuldrechtsmodernisierung, S. 190. Das ist eine Verdoppelung dessen, was nach früherem Recht als Gebot von Treu und Glauben galt.

Schließlich ist es für die Auslösung des Rücktrittsrechts noch erforderlich, dass die Fristsetzung erfolglos war, die Leistung also nicht rechtzeitig vor Ablauf der Frist bewirkt worden ist. Dabei ist fraglich und umstritten, ob es für die Beurteilung der Rechtzeitigkeit der Leistung auf den Zeitpunkt der Vornahme der Leistungshandlung oder auf den Zeitpunkt des Eintritts des Leistungserfolges ankommt. Wenn man bedenkt, dass man bei der Auslegung des § 362 Abs. 1 BGB unter "Bewirkung der Leistung" die Herbeiführung des Leistungserfolges versteht und dass das Abstellen auf den Zeitpunkt der Leistungshandlung den Gläubiger benachteiligt, da er etwa im Falle einer Schickschuld noch eine gewisse Zeit über die rechtzeitige Leistung des Gläubigers im Unklaren gelassen wird, so spricht Einiges dafür, auf den Eintritt des Leistungserfolges abzustellen. Dennoch stellten der BGH und die ganz herrschende Meinung in der Literatur schon zum alten Recht auf den Zeitpunkt der Vornahme der Leistungshandlung ab, da man vom Schuldner für die Abwendung der Rechtsfolge des § 323 Abs. 1 BGB nicht mehr verlangen könne, als das seinerseits zur Leistung Erforderliche zu tun, und dies sei nun einmal die Vornahme der Leistungshandlung, also etwa im Falle einer Schickschuld (z.B. Versendungskauf) die rechtzeitige Absendung der Ware (BGHZ 12, 367, 369; MüKo/Ernst, § 323 Rdnr. 84 f.).

Teilleistung

Hat der Schuldner eine Teilleistung bewirkt, so kann nach § 323 Abs. 5 Satz 1 BGB der Gläubiger von dem gesamten Vertrag nur zurücktreten, wenn er an der Teilleistung kein Interesse hat. Diese Regelung galt auch schon im früheren Recht. Durch die Neufassung steht allerdings jetzt auch Kraft gesetzlicher Anordnung fest, dass der Gläubiger nicht vor die Entscheidung gestellt ist, am gesamten Vertrag festzuhalten oder vom gesamten Vertrag zurückzutreten. Er darf auch den Teilrücktritt wählen.

Verzugsfolgen

Ersatz des Verzögerungsschadens gemäß § 280 Abs. 1 und 2 BGB

Entsteht dem Gläubiger infolge der verzögerten Leistung ein Schaden, so kann er diesen nach § 280 Abs. 1 und 2 BGB ersetzt verlangen. Dabei ist es grundsätzlich gleichgültig, aus welchem Schuldverhältnis (im weiteren Sinne) die Forderung stammt, mit der der Schuldner in Verzug geraten ist, da § 280 Abs. 1 und 2 BGB grundsätzlich auf Forderungen jeder Art, also auch auf Ansprüche aus gegenseitigen Verträgen oder aus sachen-, familien- und erbrechtlichen Tatbeständen, anwendbar ist. Der Anspruch auf Ersatz des Verzögerungsschadens nach § 280 Abs. 1 und 2 BGB tritt neben den fortbestehenden Erfüllungsanspruch und ist daher auch streng vom Anspruch auf Ersatz des Nichterfüllungsschadens (Schadensersatz statt der Leistung) nach § 281 Abs. 1 BGB zu unterscheiden, der gerade an die Stelle des Erfüllungsanspruchs tritt und damit im Falle eines vertraglichen Schuldverhältnisses zur Vertragsliquidierung führt.

Als Verzögerungsschaden gemäß § 280 Abs. 1 und 2 BGB ist dem Gläubiger der gesamte auf die Verzögerung zurückzuführende Schaden zu ersetzen. Der Schuldner braucht diesen Schaden nicht schuldhaft herbeigeführt zu haben. Das Vertretenmüssen spielt lediglich für die Pflichtverletzung (die nicht rechtzeitige Leistung) als solche eine Rolle (§§ 280 Abs. 1 Satz 2, § 286 Abs. 4 BGB). Aus diesem Grunde ist es auch gleichgültig, ob der Schuldner die Entstehung des Schadens vorhersehen konnte oder nicht. Inhalt und Umfang des Schadensersatzanspruches richten sich nach den allgemeinen Vorschriften der §§ 249 bis 255 BGB (RGZ 107, 149, 150): Der Gläubiger ist also so zu stellen, wie er bei rechtzeitiger Erfüllung des Schuldners stehen würde, wobei bei dem Vergleich der gegenwärtigen, tatsächlichen Vermögenslage des Schuldners mit seiner hypothetischen Vermögenslage bei der gegenwärtigen Vermögenslage die Erfüllung des Anspruchs, wenn sie nicht bereits erfolgt ist, hinzugedacht werden muss.

Die nach § 249 Abs. 1 BGB grundsätzlich zu leistende Naturalrestitution wird aber praktisch nur in Ausnahmefällen in Betracht kommen, so dass der Verzögerungsschaden regelmäßig gemäß § 251 Abs. 1 BGB in Geld zu ersetzen sein wird. Ein besonders einprägsames Beispiel für eine solche ausnahmsweise in Betracht kommende Naturalrestitution stellt der in RGZ 131, 158 ff. geschilderte Fall dar, in dem der Eigentümer eines Grundstückes, der dem Eigentümer eines benachbarten Rittergutes ein Wegerecht an seinem Grundstück eingeräumt hatte, sich diesem gegenüber auch vertraglich zur Instandhaltung dieses Weges verpflichtet hatte und dieser Unterhaltungspflicht nicht nachgekommen war, so dass der Weg infolge des Verzuges derart beeinträchtigt worden war, dass er anders als durch Pflasterung nicht mehr in einen dem früheren Zustand entsprechenden Zustand versetzt werden konnte. In diesem Fall hat das Reichsgericht dem Gläubiger als Ersatz des Verzögerungsschadens Naturalrestitution zugebilligt (RGZ 131, 158, 178).

Im Einzelnen kann der Gläubiger als Ersatz des Verzögerungsschadens insbesondere die folgenden Schadenspositionen geltend machen:

* Entgangener Gewinn (§ 252 BGB): Der Gläubiger kann nach §§ 280 Abs. 1 und 2, 252 BGB den entgangenen Gewinn verlangen, den er aus einem beabsichtigten, infolge des Verzuges aber nicht realisierten, Geschäft gezogen hätte. Dies geht nach der Auffassung des BGH sogar so weit, dass dem Gläubiger auch der entgangene Gewinn aus solchen Geschäften (wie z.B. Spekulationsgeschäften in Aktien) zu ersetzen ist, zu denen er sich erst während des Verzuges entschlossen hat, und die er durchgeführt haben würde, wenn er über den geschuldeten Gegenstand hätte verfügen können (BGH NJW 1983, 758).

* Nutzungsausfall: Seit der Entscheidung des Großen Zivilsenats des BGH (BGHZ 98, 212) steht für die Praxis fest, dass entgangene Gebrauchsvorteile nur dann ersetzt werden können, wenn es sich um Wirtschaftsgüter von zentraler Bedeutung für die Lebensführung handelt.

* Kosten der Rechtsverfolgung: Muss der Gläubiger infolge des Verzuges Maßnahmen der Rechtsverfolgung einleiten, so kann er die ihm dadurch entstandenen Kosten als Verzögerungsschaden ersetzt verlangen, wenn die Maßnahmen im Zeitpunkt ihrer Einleitung ("ex ante") sachdienlich erscheinen. Die dem Gläubiger durch die Verzug begründende Erstmahnung entstandenen Kosten sind dagegen nicht nach § 280 Abs. 1 und 2 BGB erstattungsfähig, weil sie noch nicht durch den Schuldnerverzug verursacht sind. Die Kosten einer auf die Erstmahnung folgenden Erinnerungsmahnung sind dagegen aus § 280 Abs. 1 und 2 BGB zu ersetzen. Beauftragt der Gläubiger bei Fruchtlosigkeit der Erstmahnung einen Rechtsanwalt, so stellen die dann anfallenden Anwaltskosten einen Verzögerungsschaden dar, da die Beauftragung eines Anwaltes eine adäquate Folge der Nichtleistung des Schuldners darstellt und es dem Gläubiger nicht zugemutet werden kann, die weitere Rechtsverfolgung selbst zu betreiben. Entscheidet sich der Gläubiger statt dessen für die Beauftragung eines Inkassobüros, das für den Gläubiger die Forderung einziehen soll, dann sind statt der Anwaltskosten die Kosten des Inkassobüros als Rechtsverfolgungskosten zu ersetzen, soweit sie nicht die Sätze der Regelung für Rechtsanwälte übersteigen. Diese Begrenzung folgt aus der Schadensminderungspflicht des Gläubigers, die es nicht zulässt, dass dem Gläubiger ein teurerer Service erstattet wird, den zahlreiche Anwälte billiger anbieten. Umstritten ist, ob der Gläubiger, der weder Anwalt noch Inkassobüro einschaltet, den eigenen Zeitaufwand als Verzögerungsschaden geltend machen kann. Der BGH lehnt dies mit der Begründung ab, die sich im Rahmen des Üblichen haltenden Bemühungen des Gläubigers um die Durchsetzung eines Anspruches gehörten zu dessen eigenen Obliegenheiten und damit zum allgemeinen Lebensrisiko, das jeder selbst zu tragen habe (BGH NJW 1976, 1256, 1257). Demgegenüber wendet eine Ansicht in der Literatur ein, es gehe hier allgemeiner um die Frage, ob der Einsatz der eigenen Freizeit und Arbeitskraft einen Vermögensschaden oder einen nach § 253 BGB nicht ersatzfähigen Nichtvermögensschaden darstellt und plädiert dafür, dem Verlust von Freizeit Vermögenswert zuzumessen. Dafür spricht hier in der Tat, dass es unter dem Aspekt der Schadensminderungspflicht kaum einleuchten will, wenn man den Gläubiger, der sich selbst bemüht und damit die Kosten der Rechtsverfolgung niedrig hält, schlechter stellt als denjenigen, der einen Anwalt oder ein Inkassobüro einschaltet (vgl. J. Schmidt, NJW 1976, 1932, 1933).

Anspruch auf Zahlung von Verzugszinsen

Der Gläubiger einer Geldschuld kann gemäß § 288 Abs. 1 Satz 1 BGB im Falle des Schuldnerverzuges Verzugszinsen als Mindestverzögerungsschaden verlangen. Der Zinssatz liegt bei fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz. Den Basiszinssatz bestimmt § 247 Abs. 1 Satz 1 BGB mit 3,62%. Das ist allerdings keine fest stehende, sondern eine veränderliche Größe. Sie wird verändert in Abhängigkeit von Festsetzungen der Europäischen Zentralbank. Die Deutsche Bundesbank gibt den jeweils geltenden Satz im Bundesanzeiger bekannt und hält Informationen über den Basiszinssatz auch im Internet vor. Zur Zeit (19. Mai 2015) beträgt der Basiszinssatz -0,83%. Er ist mithin negativ. Nach § 288 Abs. 2 BGB werden Schuldner von Entgeltforderungen, die keine Verbraucher sind, stärker belastet. Für sie beträgt der Zinssatz neun Prozentpunkte über dem Basiszinssatz.

Der Sinn der Vorschrift des § 288 Abs. 1 und 2 BGB als gegenüber § 280 Abs. 1 und 2 BGB eigenständiger Anspruchsgrundlage liegt darin, dass sie den Gläubiger einer Geldschuld vom Nachweis eines Schadens oder der Kausalität der Leistungsverzögerung für die Schadensentstehung befreit, indem sie die unwiderlegbare Vermutung aufstellt, dass dem Gläubiger ein Mindestschaden in Höhe der Verzugszinsen entstanden ist (BGHZ 74, 231, 235). Dabei trifft die Verpflichtung zur Zahlung von Verzugszinsen nach dem eindeutigen Wortlaut der Vorschrift den Schuldner jeder Geldschuld, selbst wenn es sich bei ihr um ein zinsloses Darlehen handelt (BGH aaO.) - lediglich für die Schenkung macht § 522 BGB eine Ausnahme. Nach § 288 Abs. 3 BGB wird die Verpflichtung des Schuldners, aus einem anderen Rechtsgrund höhere Zinsen zu zahlen, durch § 288 Abs. 1 und 2 BGB nicht verdrängt. Dadurch wird gewährleistet, dass ein höherer vertraglich vereinbarter Zinssatz auch während des Verzuges aufrechterhalten bleibt, so dass der Schuldner nicht auch noch von seiner Vertragsverletzung profitiert.

Es liegt auf der Hand, dass der Gläubiger einer Geldforderung infolge des Schuldnerverzuges einen über den Anspruch aus § 288 Abs. 1 und 2 BGB hinausgehenden Verzögerungsschaden erleiden kann. § 288 Abs. 4 BGB stellt klar, dass der Gläubiger diesen Schaden unter den Voraussetzungen des § 280 Abs. 1 und 2 BGB geltend machen kann. Höhere Schäden können dem Gläubiger insbesondere durch entgangene Anlagezinsen und durch für eine Zwischenfinanzierung aufgewandte Kreditzinsen entstehen. Der im Verlust von Anlagezinsen liegende Verzögerungsschaden kann abstrakt oder konkret berechnet werden. Bei der konkreten Schadensberechnung muss der Gläubiger darlegen und beweisen, ob und wie er das Geld bei rechtzeitiger Leistung des Schuldners angelegt hätte. Bei der abstrakten Schadensberechnung genügt es dagegen, wenn er darlegt und beweist, welcher Zinssatz zur Zeit des Verzuges bei Anlagegeschäften typischerweise am Markt erzielt werden konnte. Kaufleute und Banken können ihren Schaden grundsätzlich abstrakt berechnen. Dazu muss der Gläubiger nur darlegen, dass der Verzug ein Handels- oder Kreditgeschäft verhindert hat, dessen Abschluss typischerweise zum Betrieb des Gläubigers gehört (BGHZ 62, 103, 105). Privatgläubigern dagegen wird die abstrakte Schadensberechnung nur dann ermöglicht, wenn sie Gläubiger eines hohen Geldbetrages sind, den ein Privatmann nach der Lebenserfahrung typischerweise anzulegen pflegt.

Haftungsverschärfung nach § 287 BGB

§ 287 BGB ordnet als weitere Verzugsfolge neben der Verpflichtung des Schuldners zur Leistung von Schadensersatz eine verschärfte Haftung des Schuldners an. Die beiden in dieser Vorschrift enthaltenen Haftungsverschärfungen rechtfertigen sich dadurch, dass in den von ihnen geregelten Fällen die Leistung noch beim Gläubiger vorhanden wäre, wenn der Schuldner fristgemäß geleistet hätte.

Nach § 287 Satz 1 BGB hat der Schuldner während des Verzugs jede Fahrlässigkeit zu vertreten. Da dies unabhängig von § 287 Satz 1 BGB ohne weiteres auch aus § 276 Abs. 1 BGB folgen würde, der nicht nach dem Grad der Fahrlässigkeit differenziert und mithin auch jede Fahrlässigkeit erfasst, erlangt die Vorschrift nur bei den Schuldverhältnissen Bedeutung, die eine Haftungsbeschränkung vorsehen. § 287 Satz 1 BGB hebt demnach während des Verzuges die für bestimmte Schuldverhältnisse vorgesehenen Haftungsprivilegien wieder auf. Beispiele für solche Haftungsprivilegien findet man in §§ 521 BGB, 599 BGB oder § 690 BGB, die die Haftung des Schenkers, Verleihers und des Verwahrers bei unentgeltlicher Verwahrung wegen der Uneigennützigkeit ihres Handelns auf Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit beschränken.

Die weitere in § 287 Satz 2 BGB angeordnete Haftungsverschärfung sieht vor, dass der Schuldner für die während des Verzugs durch Zufall eintretende Unmöglichkeit der Leistung verantwortlich ist, es sei denn, dass der Schaden auch bei rechtzeitiger Leistung eingetreten wäre. Diese Regelung wird nur verständlich, wenn man bedenkt, dass der Schuldner unabhängig von § 287 Satz 2 BGB regelmäßig bereits für die während des Verzugs eintretende Unmöglichkeit aus §§ 280 Abs. 1, 283 BGB haftet, wenn zwischen Unmöglichkeit und Verzug ein Zurechnungszusammenhang besteht, da der Schuldner ja bereits nach § 286 Abs. 4 BGB ohne Vertretenmüssen nicht in Verzug gerät. Daher bleiben als Anwendungsbereich des § 287 Satz 2 BGB nur die eher seltenen Fälle übrig, in denen es an einem inneren Zusammenhang zwischen Verzug und Unmöglichkeit fehlt, der Leistungsgegenstand also "durch Zufall" untergeht (vgl. auch zur Vertiefung den kurzen Beitrag von Knütel in NJW 1993, 900 f.). Bereits die hierzu in Lehrbüchern aufgezählten Beispiele wie "Erdbeben, Klimakatastrophen, Vulkanausbrüche oder epidemische Seuchen" (vgl. Emmerich, Das Recht der Leistungsstörungen, § 17 III 2) zeigen, dass § 287 Satz 2 BGB nur selten in Alltagsfällen praktische Bedeutung erlangt. § 287 Abs. 2 Satz 2 Halbsatz 2 BGB schließt die Zufallshaftung für den Fall wieder aus, dass der Schaden beim Gläubiger auch bei rechtzeitiger Leistung eingetreten wäre, wenn also die Sache auch beim Gläubiger zufällig untergegangen wäre.

Das kann man sich an folgendem Beispiel klar machen.

Der Verkäufer befindet sich im Verzug, als ein Erdbeben sein Haus und die darin befindliche Kaufsache zerstört. Der Käufer verlangt Schadensersatz wegen Nichterfüllung. Der Anspruch folgt aus §§ 280 Abs. 1 Satz 1, 283 BGB, dessen anspruchsbegründende Voraussetzung allein die Unmöglichkeit der geschuldeten Leistung ist (wegen § 280 Abs. 1 Satz 2 BGB begründet das Nichtvertretenmüssen ein Gegenrecht im Sinne einer anpruchshindernden Einwendung). Das fehlende Verschulden - der Verkäufer konnte nichts für das Erdbeben; es war ein "act of god" - führt nicht automatisch zu einem Nichtvertretenmüssen, wenn der Schuldner auch für Zufall einstehen muss. Das ist für den im Verzug befindlichen Verkäufer nach § 287 Satz 2 BGB der Fall. Er muss also Schadensersatz wegen Nichterfüllung leisten, wenn nicht der Schaden auch bei rechtzeitiger Erfüllung eingetreten wäre. Das wäre er (der Schaden) etwa dann, wenn auch das Haus des Käufers mit allen darin befindlichen Sachen von dem Erdbeben zerstört wird, nicht aber dann, wenn der Käufer in einem vom Erdbeben verschonten Bereich wohnt oder die Kaufsache noch vor dem Erdbeben aufgebraucht oder an einen anderen Ort verbracht hätte.

Anspruch auf Schadensersatz wegen Nichterfüllung aus § 281 Abs. 1 BGB

Der Gläubiger eines Anspruchs kann nach § 281 Abs. 1 BGB anstelle der Leistung Schadensersatz wegen Nichterfüllung verlangen, wenn er dem Schuldner erfolglos eine angemessene Frist zur Leistung gesetzt hat. Dabei ist in Abgrenzung zu § 283 BGB vorausgesetzt, dass die geschuldete Leistung noch möglich und die Leistungspflicht nicht ausgeschlossen ist. Die Voraussetzungen des Schadensersatzanspruchs sind mit Blick auf die Fristsetzung, deren Entbehrlichkeit und die Möglichkeit, bei Teilleistungen Schadensersatz wegen der ganzen Leistung zu verlangen, identisch mit denen, die wir im Zusammenhang mit dem Rücktritt nach § 323 BGB kennen gelernt haben. Der Verzug ist keine Voraussetzung des Schadensersatzanspruchs. Er wird aber regelmäßig vorliegen.

Die Rechtsfolge "Schadensersatz wegen Nichterfüllung" bedeutet, dass der Gläubiger so zu stellen ist, wie er bei ordnungsgemäßer Leistung des Schuldners stünde. Dabei ist der Anspruch jedoch nicht gemäß § 249 Abs. 1 BGB auf Naturalrestitution, sondern auf Geldersatz gerichtet, da der Schadensersatzanspruch nach dem Gesetz an die Stelle des Erfüllungsanspruches tritt (§ 281 Abs. 4 BGB) und Naturalrestitution praktisch dennoch auf Erfüllung hinausliefe.

Die Rechtsfolge des Schadensersatzanspruchs beschreibt das Gesetz mit Schadensersatz statt der Leistung. Es geht darum, den Gläubiger so zu stellen, wie wenn er die Leistung erhalten hätte. Ihm muss mithin der Wert der ausgebliebenen Leistung und u.U. ein Gewinn ersetzt werden, den er gemacht hätte, wenn er die Leistung erhalten hätte.

Ein Problem könnte sich dann ergeben, wenn die Rechtsfolgen im Rahmen eines gegenseitigen Vertrages zu beurteilen sind, bei dem der Gläubiger der verzögerten und dann nicht mehr geschuldeten Leistung seinerseits zu einer Gegenleistung verpflichtet ist. Die Gegenleistung muss in die Berechnung des Schadensersatzanspruchs einbezogen werden. Zwei Möglichkeiten kommen in Betracht. Bei der einen tritt der Schadensersatzanspruch an die Stelle der jetzt nicht mehr zu erbringenden Leistung (Surrogationsmethode). Die Gegenleistungspflicht bleibt bestehen. Bei der anderen wird der Schadensanspruch mit der Gegenleistung verrechnet, und es bleibt ein Schadensersatzanspruch nur bei einer Differenz (Differenzmethode); so insbesondere, wenn der objektive Wert höher als die vereinbarte Gegenleistung war, oder es um den Ersatz des entgangenen Gewinns geht.

Zum früheren Recht hatte sich die Auffassung gebildet, dass die Surrogationsmethode im Falle des Verzuges nicht anwendbar sei. Diese Auffassung findet in der Neuregelung des Schuldrechts keinen Rückhalt mehr. Mit der Differenzmethode erreichte man im früheren Recht eine Kombination von Rücktrittsfolgen (Entfallen der Gegenleistungspflicht) und Schadensersatzfolgen (z.B. durch den Ersatz des entgangenen Gewinns). An sich war diese Kombination ausgeschlossen, weil sich der Gläubiger zwischen Rücktritt und Schadensersatz entscheiden sollte. Im neuen Recht können Rücktritt und Schadensersatz nebeneinander geltend gemacht werden (§ 325 BGB). Damit entfällt die Notwendigkeit, den Schadensersatz statt der Leistung nach der Differenzmethode zu berechnen. Das Regelwerk vereinfacht sich: Schadensersatz statt der Leistung wird immer nach der Surrogationsmethode abgewickelt. Wer sich von der Gegenleistungspflicht befreien möchte, muss zurücktreten (Faust in: Huber/Faust, Schuldrechtsmodernisierung, 2002, 3. Kapitel/ Rdnrn. 189 ff.). Nach dem Rücktritt ist immer noch Schadensersatz möglich. Bei dessen Berechnung sind der Wert der Leistung und der Wert der Gegenleistung als Rechnungsposten zu berücksichtigen. Das entspricht der Schadensberechnung nach der Differenztheorie.

Fallbeispiel für das Zusammenspiel von Unmöglichkeit, Gläubigerverzug und Schuldnerverzug

In der Vorlesung haben wir als Fallbeispiel den "Garagenbrand" diskutiert. Die Lösung werde ich hier nicht noch einmal präsentieren, weil es einen Parallelfall gibt mit - wie Sie leicht erkennen werden - identischer Problemstellung, Lösungshinweisen und Musterlösung, die keine Wünsche offen lassen. ;-)

Der Fall trägt den schönen Namen "In vino veritas" und findet sich im nachfolgenden Gliederungspunkt.

Zuletzt geändert: Dienstag, 19. Mai 2015, 11:20