Kommentar
Die Renaissance ist schon seit langer Zeit ein fester Bestandteil europäischer Selbstvergewisserung. Doch ist eine solche eurozentrische Sicht überhaupt noch haltbar? In diesem Seminar werden wir uns zunächst einen kurzen Überblick über die Tradition des Renaissancebegriffs in der Forschung verschaffen, die auf Jacob Burckhardt (1860) zurückgeht. Dann wenden wir uns neueren Forschungsansätzen zu, die versuchen, die Epoche und den Begriff der Renaissance zu hinterfragen und globalgeschichtlich anschlussfähig zu machen.
So lassen sich etwa in der italienischen Renaissance vor 1500 vielfältige Spuren materieller Kultur und stilistischer Einflüsse aus Asien entdecken. Nach 1500 war die europäische Renaissance dann eng mit dem Kolonialismus in Amerika und Asien verflochten: Gewinne aus der Ausbeutung von Ressourcen und Menschen außerhalb Europas wurden (nicht nur) in die Kulturproduktion in Europa investiert, und europäische Höfe schmückten sich mit Beutekunst aus Afrika und den Amerikas. Neuere Forschungen haben außerdem die Beteiligung nicht-europäischer Akteure am Kunstschaffen und humanistischer Gelehrsamkeit herausgearbeitet. Andererseits gab es (vor allem in Deutschland) Humanisten, die sich kritisch zu den ersten Anzeichen einer Globalisierung im 16. Jahrhundert äußerten.
Literatur:
Peter Burke/Luke Clossey/Felipe Fernández-Armesto, The Global Renaissance, in: Journal of World History 28.1 (2017), S. 1–30; Jerry Brotton, The Renaissance: A very short introduction, Oxford 2006.
- DozentIn: Philip Hahn
- DozentIn: Jonas Kalmes
- DozentIn: Laura Seel
Kommentar
Über den Umgang mit dem kolonialen Erbe des deutschen Kaiserreichs wird aktuell intensiv diskutiert, etwa wenn es um die Restitution von geraubten Kulturgütern in ethnologischen Museen oder nach Akteuren deutscher Kolonialherrschaft benannte Straßen geht (z.B. die Lüderitz-Straßen in Saarbrücken und Völklingen). Dass die kurze Episode deutscher Kolonien in Afrika eine lange Vorgeschichte in der Form eines „Kolonialismus ohne Kolonien“ hatte, ist in der Öffentlichkeit hingegen kaum präsent. Das Seminar orientiert sich an den jüngsten Forschungen, die sich für die Sichtbarmachung dieser Geschichte einsetzen.
Denn bereits lange vor 1800 waren deutsche Kaufleute und Seeleute in den transatlantischen Sklavenhandel involviert. Kupfer und Waffen aus deutscher Produktion wurden nach Afrika verkauft, aus Afrika verschleppte Versklavte trugen bei der Plantagenarbeit in den Amerikas Leinenkleidung aus Deutschland. Ende des 17. Jahrhunderts erwarb die Brandenburgisch-Afrikanische Compagnie eine Kolonie im heutigen Ghana. Deutsche Seefahrer berichteten von der westafrikanischen Küste und aus Südafrika, manche brachten auch Gegenstände von dort mit. Menschen afrikanischer Herkunft wurden auch nach Deutschland verschleppt, wo sie als sogenannte „Hofmohren“ an Fürstenhöfen dienten oder als ‚exotische‘ Dienstboten in bürgerlichen Haushalten arbeiteten. Wurden sie getauft, so erregte dies große Aufmerksamkeit und diente der Selbstvergewisserung vermeintlicher europäisch-christlicher Überlegenheit. Als das deutsche Kaiserreich dann ab den 1880er Jahren zur Kolonialmacht aufstieg, wurden die frühneuzeitlichen deutschen Aktivitäten in Afrika wieder interessant und ausdrücklich als Vorläufer interpretiert, gerieten nach dem Ersten Weltkrieg aber bald wieder in Vergessenheit.
Literatur
Rebekka von Mallinckrodt u.a. (Hgg.), Beyond Exceptionalism: Traces of Slavery and the Slave Trade in Early Modern Germany, Berlin/Boston 2021; Craig Koslofsky/ Roberto Zaugg (Hgg.), A German barber-surgeon in the Atlantic slave trade: the seventeenth-century journal of Johann Peter Oettinger, Charlottesville/London 2020; Roberto Zaugg, 1683: Großfriedrichsburg – Brandenburg in Afrika, in: Andreas Fahrmeir (Hg.), Deutschland. Globalgeschichte einer Nation, München 2020, S. 228-231; Adam Jones (Hg.), German sources for West African history: 1599-1669, Wiesbaden 1983.
- DozentIn: Philip Hahn
- DozentIn: Jonas Kalmes
- DozentIn: Laura Seel