[vorläufige Fassung; Ankündigungstext wird evtl. noch geändert oder ergänzt]
Der Tractatus logico-philosophicus (1921) von Ludwig Wittgenstein (1889-1951), hauptsächlich während des 1. Weltkriegs verfasst und im Gefangenenlager fertiggestellt, ist zweifelsohne eines der ungewöhnlichsten, faszinierendsten und einflussreichsten Werke der gesamten Philosophie-Geschichte. Direkt in den ersten Sätzen geht es „unbescheiden” damit los, was die Welt insgesamt ist („Die Welt ist alles, was der Fall ist. Die Welt ist die Gesamtheit der Tatsachen, nicht der Dinge”; TLP 1-1.1), und am Ende erklärt Wittgenstein sein eigenes Werk für – immerhin hilfreichen – Unsinn: „Meine Sätze erläutern dadurch, dass sie der, welcher mich versteht, am Ende als unsinnig erkennt, wenn er durch sie – auf ihnen – über sie hinausgestiegen ist. (Er muss sozusagen die Leiter wegwerfen, nachdem er auf ihr hinaufgestiegen ist.)” (TLP 6.54) Dazwischen wird eine Abbildtheorie der Sprache entworfen, eine therapeutische Philosophie-Auffassung artikuliert („Die richtige Methode der Philosophie wäre eigentlich die: Nichts zu sagen, als was sich sagen lässt, also Sätze der Naturwissenschaft - also etwas, was mit Philosophie nichts zu tun hat -, und dann immer, wenn ein anderer etwas Metaphysisches sagen wollte, ihm nachzuweisen, dass er gewissen Zeichen in seinen Sätzen keine Bedeutung gegeben hat”; TLP 6.53), über das Unsagbare geredet („Sie [die Philosophie] wird das Unsagbare bedeuten, indem sie das Sagbare klar darstellt”; TLP 4.115), die Wahrheitstafel-Methode in der Logik entwickelt, und vieles andere mehr.
Im Seminar soll sich dem Tractatus vor allem durch gründliche gemeinsame Lektüre von und Auseinandersetzung mit Wittgensteins Text selbst genähert werden. Es soll diskutiert werden, welche Ideen klar und nachvollziehbar, welche unklar und mysteriös, welche interessant und einflussreich und welche vielleicht auch einfach verfehlt und unausgegoren sind (oder zumindest so scheinen). Um der Klärung und Beantwortung dann noch offenbleibender Fragen näherzukommen, bieten sich gezielte Blicke in die ansonsten unüberschaubare Sekundärliteratur zum Tractatus an. Der Umstand, dass das Seminar von zwei Lehrenden geleitet wird, verspricht durch die unterschiedlichen Perspektiven, aus denen Wittgensteins Text ggf. betrachtet und eingeschätzt wird, eine besondere Dynamik.
Alle interessierten Studierenden, die bereit sind, sich auf ein Denkabenteuer der besonderen Art einzulassen, an dessen Ende immer noch kaum klare und einfache Antworten zu erwarten sein werden (aber vielleicht doch vieles Interessante angesprochen und manches auch klargeworden sein wird), sind herzlich zur Teilnahme am Seminar eingeladen.
Mittwoch
Zeit: 10.00 - 12.00 Uhr
Ort: wird noch bekannt gegeben
- DozentIn: Helge Rückert
- DozentIn: Holger Sturm