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Seit dem Erscheinen von "Making It Explicit" im Jahre 1994 gehört Robert Brandom zu den meist diskutierten Philosophen der Gegenwart. Besonders in Deutschland hat sein Werk außerordentliche Beachtung gefunden. So feiert Jürgen Habermas in einem ausführlichen Rezensionsartikel "Making It Explicit" als Meilenstein der Philosophie und weist diesem Buch eine Wichtigkeit innerhalb der Theoretischen Philosophie zu, die der von John Rawlsʼ"Theorie der Gerechtigkeit" für die Praktische Philosophie entsprechen soll. Ein wichtiger Grund für diesen Enthusiasmus kann darin gesehen werden, dass Brandom nicht nur eine systematische Theorie der Sprache und des Denkens vorgelegt hat, die zentrale Elemente der gegenwärtigen Philosophie und linguistischen Semantik in einem Gesamtentwurf vereinigt, sondern darüber hinaus diese Theorie in einem historischen Kontext verortet, der einerseits durch wichtige Klassiker der Analytischen Tradition – wie Frege, Wittgenstein und Sellars – bestimmt wird, andererseits jedoch auch auf große Denker der Vergangenheit – wie Leibniz, Kant und Hegel – bezogen ist.

Das zentrale Anliegen von Brandom besteht darin, eine Theorie der begrifflichen Gehalte zu entwickeln. Den Ausgangspunkt bildet die Frage danach, wann ein Wesen über Begriffe verfügt, wann wir also berechtigt sind, bestimmten Zuständen dieses Wesens oder bestimmten Performanzen, die dieses Wesen vollzieht, begrifflichen Gehalt bzw. Bedeutung zuzuweisen. Brandoms sprachphilosophische Antwort auf diese Frage lautet: Ein solches Wesen verfügt über begriffliche Gehalte, wenn sich bestimmte Dinge, die es tut, als sprachliche Handlungen verstehen lassen, denen der Status von Behauptungen zukommt. Damit jedoch etwas eine Behauptung sein kann, muss es Bestandteil einer bestimmten Art sozialer Praxis sein, die durch eine spezielle normative Struktur charakterisiert ist. Um also nach Brandoms Meinung verstehen zu können, was es heißt, über Begriffe zu verfügen, muss man verstehen, wie eine solche normative soziale Praxis gestaltet ist.

Die zweite Frage, die es nach Brandom zu beantworten gilt, betrifft den Inhalt oder die Bedeutung der in einer Behauptung geäußerten Sätze. Im Unterschied zu vielen gegenwärtigen Autoren gibt Brandom auf diese Frage keine wahrheitstheoretische Antwort. Er identifiziert die Bedeutung eines Aussagesatzes nicht mit dessen Wahrheitsbedingungen, sondern mit dessen inferenzieller Rolle. Um zu bestimmen, was ein Aussagesatz bedeutet, muss man bestimmen, welche anderen Sätze aus ihm folgen und aus welchen Sätzen er selbst wiederum folgt. Nach Brandom lässt sich diese inferenzielle Rolle eines Aussagesatzes aus der Struktur der normativen sozialen Praxis herleiten.

Das Seminar soll dazu dienen, Brandoms Theorie kennenzulernen und ihre zentralen Annahmen und Argumente kritisch zu diskutieren. Da Brandoms Hauptwerk "Making It Explicit" den Rahmen eines zweistündigen Seminars sprengen würde, verwenden wir als primäre Textgrundlage das wesentlich kürzere und genießbarere "Articulating Reasons" von 2000, wobei wir an einigen Stellen auch auf das Mammutwerk zurückgreifen bzw. spätere Artikel einbeziehen werden.

Zeit: Dienstag 18-20 Uhr
Ort: Gebäude B3 1 - Seminarraum 2.30
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