Die natürliche Person
Die natürliche Person
Vermögenszuständigkeit und Rechtsfähigkeit
Die Vermögenszuständigkeit der natürlichen Person ergibt sich aus ihrer Rechtsfähigkeit. Die Rechtsfähigkeit bedeutet die Fähigkeit, Träger von Rechten und Pflichten zu sein. Sie erwirbt jeder Mensch mit der Vollendung der Geburt (§ 1 BGB).
Die Anbindung des Beginns der Rechtsfähigkeit an die Vollendung der Geburt scheidet das noch im Mutterleib befindliche ungeborene Kind, den sogen. nasciturus, aus dem Kreis der eigenständigen Rechtssubjekte aus. Das ist verständlich, wenn man bedenkt, dass die natürliche Person aus juristischer Perspektive eine Figur darstellt, die bestimmte Funktionen wahrnehmen soll, wozu der lediglich erst Gezeugte nicht imstande ist. Gleichwohl geht auch das Recht an biologischen Phänomenen nicht einfach vorbei. § 1923 Abs. 2 BGB fingiert eine Vorverlegung der Geburt, um dem nasciturus, der als schon Lebender Erbe einer Person geworden wäre, die damit verbundenen Rechte auch für den Fall einzuräumen, dass er den Tod zwar nicht miterlebt, wohl aber hernach lebendig geboren wird. Auch schützt die Rechtsprechung den bereits Gezeugten dann, wenn er aufgrund unerlaubter Körper- oder Gesundheitsverletzung seiner Mutter pränatale Schäden davongetragen hat, mit späteren Ersatzansprüchen gegen den Täter.
Die Rechtsfähigkeit erlischt mit dem Tod. Das versteht sich fast von selbst: Ein Verstorbener kann weder Rechte wahrnehmen noch sinnvoller Adressat von Pflichten sein. Und dennoch kann man sich fragen, ob es nicht Rechte gibt, die über den Tod hinaus wirken. Wer soll eigentlich darüber bestimmen, ob die Organe eines Verstorbenen zu Organspenden zur Verfügung gestellt werden? Und wen trifft es, wenn der Verstorbene verunglimpft wird? Im Hinblick auf die erste Frage bleibt die Zuständigkeit des Verstorbenen erhalten. Für den zweiten Bereich gibt man den Familienangehörigen ein eigenes Recht, sich gegen Verunglimpfungen des Verstorbenen zur Wehr zu setzen.
Selbstvertretung und Geschäftsfähigkeit
Die Möglichkeit, am rechtsgeschäftlichen Verkehr teilzunehmen, steht einer natürlichen Person dank ihrer Geschäftsfähigkeit zu. Das Bürgerliche Gesetzbuch differenziert in seinen Regelungen zur Geschäftsfähigkeit nach der Geschäftsunfähigkeit, der beschränkten Geschäftsfähigkeit und der vollen Geschäftsfähigkeit.
Geschäftsunfähig sind nach § 104 BGB Personen,
- die das siebente Lebensjahr nicht vollendet haben,
- die sich in einem die freie Willensbestimmung ausschließenden Zustande krankhafter Störung der Geistestätigkeit befinden, sofern nicht der Zustand seiner Natur nach ein vorübergehender ist.
Rechtsgeschäftliche Erklärungen Geschäftsunfähiger sind nach § 105 Abs. 1 BGB nichtig. Das bedeutet, dass durch sie keinerlei rechtliche Bindungen oder Berechtigungen begründet werden können. Davon macht neuerdings (seit dem 1.8.2002) § 105a BGB bei Geschäften des täglichen Lebens, die von Volljährigen vorgenommen und durchgeführt werden, eine Ausnahme.
Für die beschränkte Geschäftsfähigkeit gilt eine differenzierte Regelung. Willenserklärungen beschränkt Geschäftsfähiger sind wirksam (§§ 107 und 108 BGB), wenn sie
- dem beschränkt Geschäftsfähigen lediglich rechtliche Vorteile bringen,
- von einer vorherigen Einwilligung des gesetzlichen Vertreters gedeckt sind,
- nachträglich von dem gesetzlichen Vertreter genehmigt werden.
Der Personenkreis der beschränkt Geschäftsfähigen wird nach dem Alter bestimmt. § 106 BGB umschreibt den Kreis mit den Minderjährigen (das sind die, die noch nicht die Volljährigkeit nach § 2 BGB erreicht haben), die das 7. Lebensjahr vollendet haben. Weiterhin steht auch ein Betreuter, für den ein Einwilligungsvorbehalt angeordnet worden ist, einem beschränkt Geschäftsfähigen weitgehend gleich (s. § 1903 Abs. 1 S. 2 und Abs. 3).
Beschränkt Geschäftsfähige können für bestimmte Bereiche teilgeschäftsfähig sein. In diesen Bereichen werden sie den voll Geschäftsfähigen gleichgestellt und müssen deshalb auch für rechtlich nachteilige Geschäfte einstehen. Die Teilgeschäftsfähigkeit ergibt sich aus § 110 BGB für Geschäfte, die mit Mitteln abgewickelt worden sind, die dem Minderjährigen zur freien Verfügung standen. § 112 BGB macht einen Minderjährigen für die Geschäfte teilgeschäftsfähig, die ein Geschäftsbetrieb mit sich bringt, zu dem der Minderjährige durch seinen gesetzlichen Vertreter mit Genehmigung des Vormundschaftsgerichts ermächtigt worden ist. § 113 BGB begründet die Teilgeschäftsfähigkeit für diejenigen, die mit Ermächtigung des gesetzlichen Vertreters in ein Dienst- oder Arbeitsverhältnis getreten sind. Die Teilgeschäftsfähigkeit des § 113 BGB betrifft solche Rechtsgeschäfte, welche die Eingehung oder Aufhebung eines Dienst- oder Arbeitsverhältnisses der gestatteten Art oder die Erfüllung der sich aus einem solchen Verhältnis ergebenden Verpflichtungen ausmachen. Dazu gehört nach der Auffassung der Rechtsprechung auch der Beitritt zu einer Gewerkschaft.
Verantwortung für unerlaubtes Handeln (Deliktsfähigkeit)
Die Verantwortung für das eigene unerlaubte Handeln ergibt sich für natürliche Personen aus ihrer Deliktsfähigkeit. Mit der Deliktsfähigkeit des Zivilrechts befassen sich die §§ 827 und 828 BGB. Auch hier gilt, dass Menschen, die das 7. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, für die schädlichen Folgen ihres Handelns nicht einstehen müssen. Denkbar ist allerdings, dass die Aufsichtspflichtigen nach § 832 BGB für den Schaden aufzukommen haben, den eine nicht deliktsfähige Person angerichtet hat.
Die Deliktsfähigkeit des BGB hat nichts mit der Strafmündigkeit zu tun. Ab wann jemand bestraft werden kann, bestimmt allein das Strafrecht. Bei der Deliktsfähigkeit geht es um die zivilrechtliche Verantwortung für Schäden. Bei gegebener Verantwortung ist die Folge nicht Bestrafung, sondern die Verpflichtung zum Ausgleich der angerichteten Schäden.
Haftung für Dritte
Wenn es um die Verantwortung für Schäden geht, ist mit dieser Frage in einer arbeitsteiligen Gesellschaft häufig auch die Frage verbunden, inwieweit jemand für Schäden aufzukommen hat, die ein anderer bei der Verrichtung von Diensten für den Geschäftsherrn verursacht. Das Problem der Geschäftsherrn- oder Gehilfenhaftung findet eine unterschiedliche Lösung, je nachdem, ob der Gehilfe bei der Erfüllung von Vertragsverbindlichkeiten seines Geschäftsherrn den Vertragspartner seines Geschäftsherrn schädigt oder aber einen außen stehenden Dritten, der keinerlei Vertragsbeziehungen zu dem Geschäftsherren hat. Im ersteren Fall ordnet § 278 BGB an, dass der Geschäftsherr (hier Schuldner genannt) ein Verschulden seines gesetzlichen Vertreters und der Personen, derer er sich zur Erfüllung seiner Verbindlichkeit bedient, in gleichem Umfange zu vertreten hat wie eigenes Verschulden. Im letzteren Fall ergibt sich eine Haftung des Geschäftsherrn allein aus § 831 BGB. Dies ist keine Haftung für fremdes Verschulden des Gehilfen, sondern eine Haftung für vermutetes Eigenverschulden des Geschäftsherrn. Die Vermutung kann der Geschäftsherr widerlegen, indem er nachweist, dass er bei der Auswahl der fraglichen Person und, sofern er Vorrichtungen oder Gerätschaften zu beschaffen oder die Ausführung der Verrichtung zu leiten hat, bei der Beschaffung oder der Leitung die im Verkehr erforderliche Sorgfalt beobachtet hat. Der außen stehende Dritte steht damit als Geschädigter wesentlich schlechter als ein Vertragspartner des Geschäftsherrn. Die Möglichkeit, sich an den Gehilfen selbst zu halten, haben beide. Diese rechtliche Möglichkeit ist aber tatsächlich häufig nichts wert, weil dem Gehilfen einfach die Mittel fehlen, den angerichteten Schaden auszugleichen.
Rechtsgeschäftliche Stellvertretung
Mit der Einschaltung von Erfüllungsgehilfen haben wir eine Form der Arbeitsteilung für den Bereich der Ausführung der vertraglichen Verpflichtungen kennen gelernt. Die Möglichkeit der Arbeitsteilung besteht aber auch schon für den Bereich der Begründung rechtsgeschäftlicher Pflichten und Rechte. Hier ist das Recht der Stellvertretung angesprochen. Seine Grundidee ist in § 164 Abs. 1 BGB formuliert: Eine Willenserklärung, die jemand innerhalb der ihm zustehenden Vertretungsmacht im Namen des Vertretenen abgibt, wirkt unmittelbar für und gegen den Vertretenen. Der Vertreter muss also offen im Namen des Vertretenen handeln und schließlich auch Vertretungsmacht haben, wenn aus seinen Erklärungen der Geschäftsherr (der Vertretene) unmittelbar berechtigt und verpflichtet werden soll.
Im Hinblick auf die Vertretungsmacht unterscheiden wir die gesetzlich verliehene Vertretungsmacht, die rechtsgeschäftlich begründete Vertretungsmacht und die durch Rechtsscheintatbestände gestützte Vertretungsmacht. Eine gesetzliche Vertretungsmacht benötigen wir überall dort, wo der Vertretene mangels eigener Geschäftsfähigkeit keine rechtsverbindlichen Erklärungen abgeben kann. Das sind die geschäftsunfähigen und beschränkt geschäftsfähigen natürlichen Personen, aber auch alle über eine Einzelperson hinaus gehenden Personengemeinschaften, für die Rechte und Pflichten begründet werden können (vgl. für die Eltern § 1629 BGB, für den Vormund §§ 1793, 1897 BGB, für die Organe juristischer Personen § 26 Abs. 2 BGB, § 78 Abs. 1 AktG, § 35 Abs. 1 GmbHG).
Grundform der rechtsgeschäftlich erteilten Vertretungsmacht ist die Vollmacht (§ 167 Abs. 1 BGB). Sonderregelungen der Vollmacht kennt das Handelsrecht in der Prokura (§§ 48 bis 53 HGB) und der Handlungsvollmacht (§ 54 HGB).
Als gesetzliche Beispiele für Rechtsscheinsvollmachten können die §§ 170, 171 Abs. 2, 172 Abs. 2 BGB und 56 HGB angeführt werden. Darüber hinaus hat die Rechtsprechung noch die Institute der Duldungs- und Anscheinsvollmacht entwickelt, mit denen über die Grenzen der gesetzlichen Beispiele hinaus der Tatsache Rechnung getragen werden kann, dass man für zurechenbaren Rechtsschein einzustehen hat.
Fehlt es an einer der Voraussetzungen, einen anderen aus Willenserklärungen unmittelbar zu berechtigen und zu verpflichten, so gilt Folgendes:
Tritt der Vertreter schon gar nicht als Vertreter auf, handelt er also nicht im Namen des Vertretenen, so entsteht aus seinen rechtsgeschäftlichen Erklärungen ein Eigengeschäft. Davon kann sich der "Vertreter" auch nicht durch Anfechtung befreien (§ 164 Abs. 2 BGB).
Fehlt dem im Namen eines anderen auftretenden Vertreter dagegen die Vertretungsmacht, greift die in § 179 BGB geregelte Haftung des falsus procurator ein, wenn der Vertretene die Genehmigung des Vertrages verweigert. Diese Haftung bedeutet für den Geschäftspartner ein Wahlrecht gegenüber dem falschen Vertreter. Er kann den falschen Vertreter auf Erfüllung des Vertrages in Anspruch nehmen oder auf Schadensersatz wegen Nichterfüllung. Beide Möglichkeiten setzen voraus, dass der Vertreter den Mangel der Vertretungsmacht gekannt hat. Ist das nicht der Fall, ist der falsche Vertreter nur zum Ersatz desjenigen Schadens verpflichtet, welchen der andere Teil dadurch erleidet, dass er auf die Vertretungsmacht vertraut (§ 179 Abs. 2 BGB). Gar keine Haftung des Vertreters tritt ein, wenn der andere Teil den Mangel der Vertretungsmacht kannte oder kennen musste (§ 179 Abs. 3 BGB).
Haftungszuständigkeit
Die Haftungszuständigkeit berührt die Frage, auf welches Vermögen ein Gläubiger zur Befriedigung seiner Forderung zugreifen darf. Der Grundsatz lautet: auf das Schuldnervermögen. Eine unternehmerisch tätige natürliche Person hat mit dem Privatvermögen und dem Geschäftsvermögen verschiedene Vermögen. Je nachdem, zu welchem Bereich eine Schadensersatzpflichten auslösende unerlaubte Handlung oder ein Erfüllungsansprüche begründender Vertragsschluss gehören, kann man auch unterschiedliche Gläubiger einer natürlichen Person differenzieren: Privatgläubiger auf der einen Seite und Geschäftsgläubiger auf der anderen Seite. Diese Differenzierungsmöglichkeiten sagen indessen nichts über die Haftungszuständigkeit der verschiedenen Vermögensmassen aus. Im Gegenteil: Für Schulden einer natürlichen Person haften grundsätzlich sämtliche Vermögensteile der natürlichen Person. Der Privatgläubiger darf auch auf das Geschäftsvermögen zugreifen, und dem Geschäftsgläubiger steht der Zugriff auch auf das Privatvermögen offen. Erst wenn andere Organisationsformen für die Unternehmensträgerschaft gewählt werden, kann es zu unterschiedlichen Haftungszuständigkeiten kommen.