Rechtsobjekte

Wenn die Menschen die natürlichen Rechtssubjekte sind, so kann man die Sachen als die natürlichen Rechtsobjekte betrachten. Rechtsobjekte sind nicht selber Träger von Rechten und Pflichten. An ihnen bestehen Rechte.

Sachen sind nach der Legaldefinition (gesetzliche Begriffsbestimmung) des § 90 BGB "körperliche Gegenstände". Der Oberbegriff Gegenstand muss danach auch unkörperliche Gegenstände umfassen. Das sind die Rechte, Dinge, die man nicht anfassen kann, gedankliche Konstrukte, doch für das bürgerliche Vermögensrecht außerordentlich bedeutsam.

1. Sachen

Für Sachen enthält das BGB nicht nur ein eigenes Buch, das Sachenrecht, in dem der Besitz, das Eigentum und die vom Eigentum abgespaltenen beschränkten dinglichen Rechte geregelt sind, sondern auch schon im Allgemeinen Teil einige ganz allgemeine Bestimmungen, die erst im Zusammenwirken mit anderen Teilen des BGB ihre volle Wirkung entfalten. Wir finden Bestimmungen und Definitionen für vertretbare Sachen (§ 91 BGB), verbrauchbare Sachen (§ 92 BGB), Zubehör (§ 97 BGB), Früchte (§ 99 BGB) und Nutzungen (§ 100 BGB). Von besonderer Bedeutung ist das Bestandteilsrecht (§§ 93 bis 96 BGB). Es dient unter anderem dem Zweck, wirtschaftliche Werte zu erhalten, indem man besondere Rechte an wesentlichen Bestandteilen einer Sache nicht erlaubt (§ 93 BGB). Zu den wesentlichen Bestandteilen eines Grundstücks gehören z.B. die auf dem Grundstück errichteten und mit ihm fest verbundenen Gebäude (§ 94 BGB). Rechtlich kann man gar nicht Eigentümer eines Gebäudes sein. Man ist Eigentümer des Grundstücks, und über §§ 94 und 93 BGB erstreckt sich dieses Eigentum automatisch auf das auf dem Grundstück stehende Gebäude. Nach dem BGB ist damit Wohnungseigentum gar nicht möglich. Möglich wird Wohnungseigentum erst durch ein spezielles Gesetz, das Wohnungseigentumsgesetz.

Man unterteilt die Sachen weiterhin in bewegliche Sachen (Mobilien) und unbewegliche Sachen (Immobilien). Diese Unterteilung ist einer Differenzierung geschuldet, die das Sachenrecht etwa mit Blick auf den Eigentumserwerb macht (§§ 929 ff. BGB für die beweglichen Sachen; §§ 925 bis 928 BGB für die Grundstücke).

2. Rechte

Die Rechte an den Sachen (zu unterscheiden von den Rechten auf eine Sache), die dinglichen Rechte, sind das Eigentum als umfassendes Herrschaftsrecht an der Sache und vom Eigentumsrecht abgespaltene Rechtspositionen, die man als beschränkte dingliche Rechte bezeichnet. Dabei geht es um Verwertungsrechte (Pfandrechte, Hypotheken, Grundschulden) und um Nutzungsrechte (Nießbrauch, Dienstbarkeiten). Die beschränkten dinglichen Rechte teilen mit dem Eigentumsrecht den absoluten, gegen jeden gerichteten, Charakter.

Rechte lediglich relativen Charakters treffen wir vor allem im Schuldrecht an. Das Schuldverhältnis bindet und berechtigt nur die Personen, die an ihm beteiligt sind, Gläubiger und Schuldner (§ 241 BGB). Dabei kann es durchaus auch um Rechte auf eine Sache gehen - etwa um das Recht des Käufers auf Eigentumsverschaffung oder des Mieters auf Nutzungsgewährung.

Den nur relativen Charakter der schuldrechtlichen Beziehungen kann man sich am Beispiel des Doppelverkaufs verdeutlichen. Der Verkäufer A verpflichtet sich dem B gegenüber, ihm ein bestimmtes Gemälde zu Eigentum zu übertragen. Bald darauf geht er dieselbe Verpflichtung gegenüber dem C ein, der mehr Geld für das Gemälde bietet. Beide Verträge sind rechtswirksam, auch wenn A nur einen der Verträge erfüllen kann. Obwohl B seinen Eigentumsverschaffungsanspruch "verliert", wenn A das Bild an C übereignet, kann er C nicht daran hindern, das Eigentum von A zu erwerben. B hat nur Rechte gegen A (relative Rechte), nicht aber gegen C. Gegen C hätte er erst dann Rechte, wenn er, der B, schon Eigentümer wäre. Das aber ist er nicht. Dem B bleibt allein ein Schadensersatzanspruch aus (nach neuem Recht) § 280 Abs. 1 BGB gegen A.

Als Eigentümer dagegen hat man:

  • das Abwehrrecht gegen alle (§ 903 BGB);
  • den Herausgabeanspruch gegen jeden (unberechtigten) Besitzer (§ 985 BGB);
  • den Beseitigungsanspruch und Unterlassungsanspruch gegen jeden Störer (§ 1004 BGB);
  • den Schadensersatzanspruch aus § 823 Abs. 1 BGB gegen jeden Verletzer.

Das ist wahrhaft absolut und umfassend.

Absolute Rechte jenseits des Sachenrechts bieten das Urheberrecht oder das Patentrecht. Damit sichert die Rechtsordnung dem Denker, Künstler und Erfinder die Früchte seiner denkerischen und künstlerischen Tätigkeit. Man spricht hier auch vom Schutz "geistigen Eigentums". Der Schutz ist in besonderen Gesetzen geregelt.

3. Besitz

Nur mit Blick auf Sachen kennt das Recht ein weiteres Phänomen: den Besitz. Mit ihm beginnt das Sachenrecht des BGB. Der Besitz ist streng vom Eigentum zu unterscheiden. Mit dem Besitz bezeichnet man kein Recht, sondern die tatsächliche Gewalt über eine Sache. Wer diese tatsächliche Gewalt unmittelbar ausübt, ist der unmittelbare Besitzer. Er kann die Sache als eigene besitzen (§ 872 BGB) oder das höhere Recht eines anderen anerkennen. Im letzteren Fall ist er Fremdbesitzer. Eigenbesitz und Fremdbesitz hängen allein vom Besitzwillen des unmittelbaren Besitzers ab. Hat der unmittelbare Besitzer Fremdbesitzerwillen, dann ist derjenige, dessen Stellung auf diese Weise anerkannt wird, mittelbarer Besitzer (§ 868 BGB).

Diese einfache Zweiteilung wird ergänzt durch die Besitzdienerschaft (§ 855 BGB), in der der, der nach natürlicher Betrachtung der Besitzer ist, vom Gesetz doch nicht als Besitzer behandelt wird. Den eigentlichen Grund für diese Regelung findet man nicht im Besitzrecht, sondern im Recht des Eigentumserwerbs. Wenn der Besitzdiener nicht Besitzer ist, dann sind Sachen, die er dem Besitzer (der Herrschaft) entzieht, dem Eigentümer abhanden gekommen. Und an abhanden gekommenen Sachen ist nach § 935 Abs. 1 BGB kein gutgläubiger Eigentumserwerb möglich.

4. Verpflichtung und Verfügung

Werfen wir abschließend noch einen kurzen Blick auf die Rechtsobjekte als Gegenstand des Geschäftsverkehrs. Hier interessiert uns vor allem die Übertragung eines Rechts von einer Person auf eine andere. Dabei stoßen wir zunächst auf das Trennungs- und Abstraktionsprinzip. Danach unterscheiden wir die (schuldrechtliche) Verpflichtung zur Übertragung eines Rechts von der Übertragung selbst, die wir eine Verfügung nennen. Beide gehorchen je getrennten Regeln.

Man kann nicht nur Sachen verkaufen, sondern auch Rechte. Es gibt den Sachkauf und den Rechts- oder Forderungskauf. Das Verpflichtungsgeschäft, der eigentliche Kauf, ist jeweils im Schuldrecht der §§ 433 ff. BGB geregelt. Das Verfügungsgeschäft folgt eigenen Regeln (Trennungsprinzip). Das mag dazu führen, dass das Verfügungsgeschäft wirksam ist, obwohl es an einem wirksamen Verpflichtungsgrund fehlt (Abstraktionsgrundsatz). Das Verfügungsgeschäft bei Forderungen ist die Abtretung der §§ 398 ff. BGB. Das Verfügungsgeschäft bei Sachen ist die Eigentumsübertragung, die für bewegliche Sachen in §§ 929 ff. BGB und für Grundstücke in §§ 925 ff. BGB geregelt ist und jeweils aus einer Einigung (sachenrechtlicher Vertrag) und einem weiteren Element besteht (Übergabe, Eintragung).

5. Trennungsprinzip und Abstraktionsgrundsatz

Wir unterscheiden die schuldrechtliche Verpflichtung, etwas zu tun, von den Handlungen, die erforderlich sind, um das geschuldete Tun zu realisieren, die Verpflichtung zu erfüllen. Bei der Verpflichtung zu Rechtsübertragungen sind das die Verfügungsgeschäfte. Das Trennungsprinzip bedeutet, dass die jeweiligen Geschäfte nach ihren eigenen Gültigkeitsregeln zu beurteilen sind, das Abstraktionsprinzip, dass ein Verfügungsgeschäft auch dann gültig sein kann, wenn das Verpflichtungsgeschäft ungültig ist. Wenn uns das Trennungsprinzip und der Abstraktionsgrundsatz lehren, dass wir das schuldrechtliche Verpflichtungsgeschäft und das sachenrechtliche Verfügungsgeschäft unterscheiden, dann gibt es mit Blick auf die Rechtswirksamkeit der Geschäfte vier Kombinationsmöglichkeiten.

Kombination 1

Bei der ersten geht alles glatt. Das Verpflichtungsgeschäft und das Verfügungsgeschäft sind wirksam. Hier liegt in der Verfügung die Erfüllung der Verpflichtung, die nach § 362 Abs. 1 BGB zum Erlöschen des Schuldverhältnisses führt.

Kombination 2

Bei der zweiten geht alles schief. Das Verpflichtungsgeschäft und das Verfügungsgeschäft sind wegen der Beteiligung eines unerkannt Geisteskranken unwirksam (§§ 104, 105 BGB). Das ergibt folgende Rechtsfolgen.

  1. Beim Rechtskauf passiert gar nichts, weil der Kaufvertrag und die Abtretung keine Rechtswirkungen entfalten. Es hat sich nichts verändert, so dass auch kein Bedarf für eine Rückgängigmachung besteht.
  2. Beim Sachkauf einer beweglichen Sache hat der Käufer den Besitz erlangt. Das Eigentum ist beim Verkäufer geblieben. In dieser Situation greift der Eigentumsherausgabeanspruch des § 985 BGB.
  3. Beim Grundstückskauf ist der Käufer in das Grundbuch eingetragen worden. Das Eigentum an dem Grundstück hat er aber nicht erlangt, da die Einigung unwirksam war. Das Grundbuch ist falsch. In dieser Situation greift der Grundbuchberichtigungsanspruch des § 894 BGB. Sollte der Käufer das Grundstück auch in Besitz genommen haben, kommt weiters ein Herausgabeanspruch nach § 985 BGB zum Zuge.

Kombination 3

Bei der dritten Kombination ist das Verpflichtungsgeschäft rechtswirksam und das Verfügungsgeschäft unwirksam. Hier ist der Käufer noch nicht Inhaber des ihm versprochenen Rechts geworden. Er hat aber immer noch den Erfüllungsanspruch aus dem wirksamen Kaufvertrag. Wenn der Verkäufer die für die Erfüllung erforderlichen rechtsgeschäftlichen Erklärungen nicht (mehr) abgeben kann, so ist sein gesetzlicher Vertreter (Betreuer) gefordert, dies für ihn zu tun.

Kombination 4

Bei der vierten Kombination schließlich ist das Verpflichtungsgeschäft unwirksam und das Verfügungsgeschäft wirksam. Dass die Kombination überhaupt möglich ist, verdanken wir dem Abstraktionsgrundsatz, wonach das Verfügungsgeschäft in seiner Wirksamkeit nicht von der Wirksamkeit des Verpflichtungsgeschäfts abhängt, vom Verpflichtungsgeschäft abstrakt ist. Hier kann es weder den Eigentumsherausgabeanspruch noch den Grundbuchberichtigungsanspruch geben. Denn der Käufer ist Eigentümer geworden und das Grundbuch ist richtig. Was fehlt, ist der Rechtsgrund für die vom Käufer erworbenen Rechte. Was man ohne Rechtsgrund erworben hat, muss man nach den Grundsätzen der ungerechtfertigten Bereicherung (§ 812 BGB) herausgeben. Dabei geht der Anspruch nicht nur auf Herausgabe (bei Sachen), sondern auf Rückübertragung der erworbenen Rechte.

Modifié le: lundi 1 septembre 2008, 16:20