Erfüllungssurrogate

Der Begriff "Erfüllungssurrogat" ist der Terminologie des BGB fremd. In der Literatur wird er fast durchgängig verwandt, jedoch ist man sich über seine Bedeutung nicht ganz einig. Die ganz herrschende Meinung versteht unter Erfüllungssurrogaten alle diejenigen Tatbestände, die zum Erlöschen einer Schuld führen und dabei dem Gläubiger anstelle der ihm an sich geschuldeten Leistung einen äquivalenten Ersatz verschaffen (vgl. Gernhuber, Die Erfüllung und ihre Surrogate, § 5 I, 2). Wir sprechen die Hinterlegung, die Aufrechnung und die Leistung an Erfüllungs statt an.

Hinterlegung und Selbsthilfeverkauf

Die Hinterlegung eröffnet dem Schuldner die Möglichkeit, sich von seiner Leistungspflicht auch dann zu befreien, wenn er an der Erfüllung gehindert ist, weil z.B. der Gläubiger die ihm angebotene Leistung nicht annimmt oder der Schuldner aus von ihm nicht zu vertretenden Gründen nicht genau weiß, wer eigentlich sein Gläubiger ist. § 372 Satz 1 räumt dem Schuldner diese Möglichkeit jedoch nur ein, wenn er einen hinterlegungsfähigen Gegenstand schuldet. Hinterlegungsfähig sind Geld, Wertpapiere (z.B. Wechsel), Urkunden (z. B. Sparbuch) und Kostbarkeiten. Dabei versteht man unter Kostbarkeiten bewegliche Sachen, deren Wert im Vergleich zu ihrem Umfang und ihrem Gewicht besonders hoch ist.

Allerdings lässt das Gesetz den Schuldner auch bei nicht hinterlegungsfähigen Sachen nicht im Stich, sondern ermöglicht ihm vielmehr in diesem Fall, die geschuldete Sache versteigern zu lassen und den Erlös der Versteigerung dann zu hinterlegen (§ 383 Abs. 1 Satz 1 BGB). Man spricht dann von einem Selbsthilfeverkauf, der nach § 383 Abs. 3 BGB grundsätzlich im Wege der öffentlichen Versteigerung und nach § 385 BGB nur ausnahmsweise bei Sachen mit einem Börsen- oder Marktpreis im Wege freihändigen Verkaufs durchzuführen ist.

Die Hinterlegung führt aber nicht in jedem Fall zum Erlöschen der Verbindlichkeit des Schuldners, sondern nur dann, wenn der Schuldner bei der Hinterlegung gemäß § 376 Abs. 2 Nr. 1 BGB erklärt, dass er auf sein nach § 376 Abs. 1 BGB bestehendes Rücknahmerecht verzichtet (§ 378 BGB). Nur in diesem Fall ist die Hinterlegung also ein Erfüllungssurrogat. Hat der Schuldner bei der Hinterlegung nicht gemäß § 376 Abs. 2 Nr. 1 BGB auf sein Rücknahmerecht verzichtet, dann besteht der zu tilgende Anspruch des Gläubigers weiter. Allerdings ist auch die widerrufliche Hinterlegung nicht nutzlos. Sie führt zur vorläufigen Schuldbefreiung. Die vorläufige Schuldbefreiung bei widerruflicher Rücknahme lässt sich damit begründen, dass es der Gläubiger selbst in der Hand hat, die Hinterlegung durch Erklärung der Annahme gegenüber der Annahmestelle gemäß § 376 Abs. 2 Nr. 2 BGB unwiderruflich zu machen. Was bedeutet aber nun vorläufige Schuldbefreiung? Hiermit ist in erster Linie gemeint, dass die rechtmäßige Hinterlegung dem Schuldner das Recht gibt, den Gläubiger auf die hinterlegte Sache zu verweisen (§ 379 Abs. 1 BGB). Bei dieser Befugnis handelt es sich um ein vorübergehendes Leistungsverweigerungsrecht (dilatorische Einrede), das der Schuldner einredeweise geltend machen muss. Bereits das Bestehen dieser Einrede hindert, dass der Schuldner in Verzug gerät. Während der Dauer der Hinterlegung kann der Schuldner somit nicht in Verzug geraten. Des Weiteren führt die rechtmäßige widerrufliche Hinterlegung dazu, dass der Gläubiger für die Zeit der Hinterlegung die Gefahr des Untergangs oder der Verschlechterung der Sache trägt. Dies bedeutet, dass der Gläubiger auch dann zur Gegenleistung verpflichtet bleibt, wenn die Sache während der Hinterlegung zerstört oder verschlechtert wird.

Nimmt der Schuldner die widerruflich hinterlegte Sache zurück, so gilt die Hinterlegung als nicht erfolgt (§ 379 Abs. 3 BGB). Dabei ist das Rücknahmerecht des § 376 Abs. 1 BGB nach allgemeiner Ansicht ein Gestaltungsrecht, durch dessen Ausübung der Schuldner die Hinterlegung widerrufen kann. Der Widerruf der Hinterlegung wandelt das - wegen der gesetzlichen Ausgestaltung in der Hinterlegungsordnung öffentlichrechtliche - Hinterlegungsverhältnis in ein Abwicklungsverhältnis um und ist gegenüber der Hinterlegungsstelle und nicht etwa gegenüber dem Gläubiger zu erklären. Hat der Schuldner die Hinterlegung wirksam widerrufen, so erwirbt er nach allgemeiner Ansicht einen öffentlichrechtlichen Herausgabeanspruch gegen die Hinterlegungsstelle. Im Verhältnis der Parteien zueinander fallen die Kosten der Hinterlegung dem Gläubiger zur Last, es sei denn, der Schuldner nimmt die hinterlegte Sache zurück (§ 381 BGB).

Die §§ 372 ff. BGB regeln allerdings lediglich die materiellrechtlichen Voraussetzungen und Rechtsfolgen der Hinterlegung. Die verfahrensrechtliche Regelung für das öffentlichrechtliche Hinterlegungsverfahren ist in der Hinterlegungsordnung geregelt (Schönfelder Nr. 121). § 1 Abs. 2 der Hinterlegungsordnung bestimmt, dass die Amtsgerichte die Aufgaben der Hinterlegungsstellen wahrnehmen.

Aufrechnung

§ 387 BGB gibt dem Schuldner das Recht, mit einer eigenen Forderung (Aktivforderung oder Gegenforderung) gegen die Forderung seines Gläubigers (Passivforderung oder Hauptforderung) aufzurechnen, d.h. die Forderung seines Gläubigers zum Erlöschen zu bringen und sich dabei zugleich wegen einer eigenen Forderung zu befriedigen.

Die Aufrechnung hat somit eine doppelte Funktion:

Tilgungsfunktion: Die Aufrechnung führt zur Erfüllung der gegen den Schuldner gerichteten Hauptforderung. Da die Erfüllung dabei nicht durch Bewirken der geschuldeten Leistung, sondern durch Hingabe der Gegenforderung erfolgt, handelt es sich bei der Aufrechnung um ein Erfüllungssurrogat.

Vollstreckungsfunktion: Die Aufrechnung ermöglicht es dem Schuldner, seine eigene Forderung, die Gegenforderung, durch einseitige Erklärung im Wege der Selbsthilfe durchzusetzen. Durch die Aufrechnung bleibt dem Schuldner also zur Durchsetzung eines eigenen Anspruchs die Anrufung der Gerichte und die Inanspruchnahme der Vollstreckungsorgane erspart.

Neben diesen beiden Funktionen wird in der Literatur noch gelegentlich auf eine dritte Funktion aufmerksam gemacht: die Abkürzungsfunktion. Danach soll es eine eigenständige Funktion der Aufrechnung sein, dass sie die Leistungswege bei gegenseitigen Forderungen abkürzt und somit das "umständliche Hin- und - Her der Leistungen" vermeidet (von Münchhausen/Opolny, Schuldrecht Allgemeiner Teil II, S. 25).

Wichtiger ist die Sicherungsfunktion, die der Aufrechnung dann zukommt, wenn eine Insolvenz (Konkurs) im Spiel ist. Fällt jemand in Konkurs, so müssen seine Gläubiger sich mit einer Insolvenzquote begnügen und bekommen statt der geschuldeten 10.000 bei einer Verteilungsquote von 10% gerade einmal 1.000 aus der Insolvenzmasse. Die Schuldner dessen, der in Konkurs fällt, müssen ihre Schulden dagegen ungekürzt zur Konkursmasse begleichen, also 10.000 zahlen, wenn sie 10.000 schulden. Ist jemand gleichzeitig Schuldner und Gläubiger, erlaubt ihm das Gesetz die Aufrechnung auch im Rahmen der Insolvenz (§§ 94 ff. InsO). Damit sichert ihn die Aufrechnungsmöglichkeit vor dem sonst drohenden Verlust.

Die Aufrechnung ist ein einseitiges Rechtsgeschäft. Es handelt sich bei ihr um eine empfangsbedürftige Willenserklärung (§ 388 Satz 1 BGB), die bedingungs- und befristungsfeindlich ist (§ 388 Satz 2 BGB) (vgl. dazu den Fall "Bedingte Aufrechnung").

Die Voraussetzungen der Aufrechnung sind in § 387 BGB geregelt. Schlagwortartig erfordert eine wirksame Aufrechnung neben der Aufrechnungserklärung: Gegenseitigkeit und Gleichartigkeit der Forderungen, Durchsetzbarkeit der Gegenforderung, Erfüllbarkeit der Hauptforderung sowie Nichtvorliegen eines Aufrechnungsverbotes. Die vier Merkmale Gegenseitigkeit, Gleichartigkeit, Durchsetzbarkeit der Gegenforderung und Erfüllbarkeit der Hauptforderung werden auch unter dem Begriff "Aufrechnungslage" zusammengefasst. Benutzt man den Begriff der Aufrechnungslage, so setzt eine wirksame Aufrechnung mithin nur dreierlei voraus, nämlich: Aufrechnungserklärung, Aufrechnungslage und das Nichtvorliegen eines Aufrechnungsverbotes.

Diese Voraussetzungen sollen im Folgenden näher untersucht werden:

Gegenseitigkeit: Hiermit ist gemeint, dass eine wirksame Aufrechnung voraussetzt, dass zwei Personen einander Leistungen schulden, so dass jeder von ihnen zugleich Schuldner und Gläubiger der anderen Person ist. Der Grundsatz der Gegenseitigkeit kann im Einzelfall zu unbilligen Härten für den Schuldner führen. Daher hat der Gesetzgeber dieses Prinzip in bestimmten Fällen durch Spezialvorschriften durchbrochen. Ein wichtiges Beispiel hierfür ist § 406 BGB, der es dem Schuldner einer abgetretenen Forderung erlaubt, mit einer ihm gegen den Altgläubiger zustehenden Forderung auch gegenüber dem neuen Gläubiger aufzurechnen, wenn er beim Erwerb der Gegenforderung von der Abtretung keine Kenntnis hatte und die Gegenforderung auch nicht erst nach Erlangung seiner Kenntnis von der Abtretung und später als die abgetretene Forderung fällig geworden ist. Weitere Beispiele für spezialgesetzliche Durchbrechungen des Prinzips der Gegenseitigkeit sind die §§ 409 Abs. 1, 566d BGB. Gelegentlich wird auch in besonders gelagerten Ausnahmefällen eine Durchbrechung des Erfordernisses der Gegenseitigkeit mit § 242 BGB gerechtfertigt. Dies wird z.B. für den Fall einer Aufrechnung des Vertragspartners eines Strohmanns mit seinen Gegenforderungen gegen den Hintermann angenommen (vgl. dazu mit weiteren Beispielen: Gernhuber, Die Erfüllung und ihre Surrogate, § 13 II, 4 bis 5).

Gleichartigkeit: § 387 BGB verlangt, dass die gegeneinander aufgerechneten Forderungen "ihrem Gegenstand nach gleichartig" sind. Dadurch, dass der Gesetzgeber den Begriff "Gegenstand" verwendet, ist eindeutig geklärt, dass es für das Merkmal der "Gleichartigkeit" nicht darauf ankommt, auf welchem Rechtsgrund die miteinander verrechneten Forderungen beruhen (vgl. dazu den Fall "Bedingte Aufrechnung"). Es ist aus diesem Grunde z.B. unproblematisch, wenn einer der verrechneten Ansprüche aus einem gesetzlichen und der andere aus einem vertraglichen Schuldverhältnis stammt. Maßstab für die Bewertung der "Gleichartigkeit" ist die Verkehrsanschauung. Das bedeutet, dass es für die Gleichartigkeit weniger um die juristisch-dogmatische Einordnung der einzelnen Anspruchsziele, sondern vielmehr um die Anschauungen des täglichen Lebens geht. Daher kann z.B. ein Anspruch auf Zahlung von Geld gegen einen Anspruch auf Herausgabe von Geld aufgerechnet werden, obgleich streng dogmatisch betrachtet im einen Fall die Übereignung und Besitzübertragung von irgendwelchem Geld aus der Gattung der geschuldeten Währung in Höhe des geschuldeten Betrages und in dem anderen Fall lediglich die Besitzübertragung ganz bestimmter Geldmünzen/Banknoten geschuldet wird. Lebenspraktisch betrachtet schulden die Parteien einander nämlich einfach nur "Geld", wobei es beiden Parteien nur auf die geschuldete Summe und nicht etwa auf ganz bestimmte Münzen oder Banknoten oder juristische Details der Rechtsübertragung ankommt (ebenso Gernhuber, Die Erfüllung und ihre Surrogate, § 12 III, 3).

Durchsetzbarkeit der Gegenforderung: Da die Aufrechnung lediglich zu einer Verkürzung der Leistungswege im Wege der "Privatvollstreckung" des Schuldners führen soll, kann der Schuldner auch nur dann erfolgreich mit der Gegenforderung aufrechnen, wenn er sie auch in einem Gerichtsverfahren durchsetzen könnte. Dies setzt in erster Linie selbstverständlich voraus, dass die Gegenforderung (noch) begründet ist. Sie muss aber darüber hinaus auch in jeder Hinsicht rechtlich erzwingbar sein. Unvollkommene Verbindlichkeiten wie z.B. Wett- und Spielschulden (§ 762 Abs. 1 BGB) oder der "Ehemäklerlohn" (§ 656 Abs. 1 BGB), die materiellrechtlich unverbindlich und nicht klagbar sind, sind nicht rechtlich erzwingbar. Mit ihnen kann folglich auch nicht aufgerechnet werden. Des Weiteren muss ein Anspruch, um durchsetzbar zu sein, auch fällig sein. Wenn der Schuldner etwa seine Gegenforderung gestundet hat, kann er nicht mit ihr aufrechnen. Darüber hinaus ordnet § 390 BGB allgemein an, dass einredebehaftete Forderungen nicht aufgerechnet werden können.

Erfüllbarkeit der Hauptforderung: Da die Aufrechnung Erfüllungssurrogat ist, setzt sie voraus, dass die Hauptforderung erfüllbar ist. Dies bedeutet, dass die Hauptforderung anders als die Gegenforderung nicht durchsetzbar sein muss (z.B. durchaus einredebehaftet sein kann), solange sie erfüllbar ist. Dieses Erfordernis wird besonders deutlich, wenn man das Beispiel einer verzinslichen Darlehensforderung bemüht, für die die Parteien einen bestimmten Rückzahlungstermin vereinbart haben. In diesem Fall darf der Schuldner die Darlehensforderung wegen des Interesses des Darlehensgebers an den Zinsen nicht vor dem Rückzahlungstermin tilgen. Die Darlehensforderung ist dann vor dem Rückzahlungstermin nicht erfüllbar. Es kann daher natürlich auch nicht gegen sie vorher aufgerechnet werden. Wegen der bereits vorgestellten Auslegungsregel des § 271 Abs. 2 BGB darf der Schuldner aber regelmäßig bereits vor der Fälligkeit der Hauptforderung aufrechnen.

Aufrechnungsverbote: Aufrechnungsverbote können aus Gesetz oder aus Vertrag folgen. Die wichtigsten Aufrechnungsverbote des BGB enthalten die §§ 393, 394. § 393 verbietet die Aufrechnung gegen eine Hauptforderung aus einer vorsätzlichen unerlaubten Handlung. Dieses Aufrechnungsverbot beruht auf sittlichen und sozialen Gründen und soll insbesondere eine (zivilrechtlich) sanktionslose Privatrache verhindern. Gäbe es diese Vorschrift nicht, dann könnte der Gläubiger eines säumigen Schuldners, bei dem ohnehin "nichts mehr zu holen" ist, seinen Schuldner körperlich verletzen oder ihm die Fensterscheiben einwerfen und danach aufrechnen und sich so seiner Schadensersatzverpflichtung entziehen (Deutsch, NJW 1981, 735). Diesem Schutzzweck Rechnung tragend muss man das Aufrechnungsverbot des § 393 BGB auch auf vertragliche Schadensersatzansprüche, die durch die vorsätzliche unerlaubte Handlung ausgelöst wurden und mit den Ansprüchen aus unerlaubter Handlung konkurrieren, ausdehnen. Da die Vorschrift nur dem Schutz des Geschädigten vor einer Aufrechnung durch den Schädiger dient, hindert § 393 BGB natürlich den Geschädigten nicht, seinerseits mit der ihm zustehenden Gegenforderung aus unerlaubter Handlung aufzurechnen. § 394 BGB verbietet die Aufrechnung gegen Hauptforderungen, die nicht pfändbar sind. Damit verweist das BGB auf die Pfändungsschutzvorschriften der §§ 850 ff. ZPO. Hinter § 394 BGB steht der Gedanke, dass Forderungen, die in einem staatlichen Vollstreckungsverfahren aus sozialen Gründen nicht pfändbar wären, vom Gläubiger auch nicht im Wege der Privatvollstreckung zum Erlöschen gebracht werden sollen. Darüber hinaus kann ein Aufrechnungsverbot von den Parteien auch vertraglich vereinbart werden. Das folgt allgemein aus dem Grundsatz der Vertragsfreiheit. Einem Ausschluss der Aufrechtung in Allgemeinen Geschäftsbedingungen setzt allerdings § 309 Nr. 3 BGB Grenzen, der Bestimmungen für unwirksam erklärt, "durch die dem Vertragspartner des Verwenders die Befugnis genommen wird, mit einer unbestrittenen oder rechtskräftig festgestellten Forderung aufzurechnen".

Die Aufrechnung führt als Erfüllungssurrogat nicht einfach nur zum Erlöschen der Hauptforderung. Sie bewirkt gemäß § 389 BGB vielmehr, dass die Forderungen, soweit sie sich decken, als in dem Zeitpunkt erloschen gelten, in welchem sie zur Aufrechnung geeignet einander gegenüber getreten sind, in dem also zum ersten Mal hätte aufgerechnet werden können. Damit wird mittels einer Fiktion die Wirkung der Aufrechnung auf den Zeitpunkt erstmaliger Aufrechnungslage zurückbezogen. Eine praktisch wichtige Auswirkung dieser Rückwirkungsfiktion ist es z.B., dass bereits entstandene Zinsen auf die Hauptforderung vom Eintritt der Aufrechnungslage an erlöschen und nicht mehr geschuldet werden.

Die Aufrechnung ist ein Gestaltungsrecht und wird durch eine Willenserklärung des Schuldners ausgelöst. Dennoch ist es wegen der Vertragsfreiheit nach ganz herrschender Meinung auch möglich, dass die Parteien einen Aufrechnungsvertrag schließen. Der Vorteil dieses Vorgehens für die Parteien liegt darin, dass sie einen Aufrechnungsvertrag auch dann abschließen können, wenn einzelne Voraussetzungen der Aufrechnung nach § 387 BGB (z.B. die Gegenseitigkeit) nicht gegeben sind. Bei dem Aufrechnungsvertrag handelt es sich nicht um einen schuldrechtlichen Vertrag, sondern um ein Verfügungsgeschäft.

Leistung an Erfüllungs statt

Will der Schuldner anstatt der geschuldeten Leistung eine andere Leistung erbringen, dann kann diese Leistung nicht zur Erfüllung gemäß § 362 Abs. 1 BGB führen. Allerdings kann der Schuldner die Leistung als Leistung an Erfüllungs statt anbieten. Nimmt der Gläubiger dieses Angebot an, so erlischt das Schuldverhältnis im engeren Sinne gemäß § 364 Abs. 1 BGB ebenso wie bei der Erfüllung. Dennoch ist streitig, ob es sich bei der Leistung an Erfüllungs statt um ein Erfüllungssurrogat handelt (vgl. dazu insbesondere Gernhuber, Die Erfüllung und ihre Surrogate, § 5 I, 2 a). Dies erklärt sich daraus, dass ein Teil der Literatur die Vereinbarung einer Leistung an Erfüllungs statt als Schuldänderungsvertrag (§ 311 Abs. 1 BGB) begreift, der sofort erfüllt wird (so etwa Gernhuber, Die Erfüllung und ihre Surrogate, § 10, 3; Schmidt/Brüggemeier, Zivilrechtlicher Grundkurs, 7. Auflage 2006, Rdnr. 358). Wieder andere qualifizieren die Vereinbarung einer Leistung an Erfüllungs statt als entgeltlichen Austauschvertrag, bei dem der Gläubiger sich in kaufähnlicher Weise (vgl. § 365 BGB) zum Erlass seiner bisherigen Forderung gegen Begründung einer neuen Forderung durch den Schuldner verpflichtet (so etwa BGHZ 46, 338, 342). Die herrschende Meinung wertet die Vereinbarung einer Leistung an Erfüllungs statt als reinen Erfüllungsvertrag, der nicht darauf gerichtet ist, ein neues Schuldverhältnis zu begründen, sondern die bestehende Forderung zum Erlöschen zu bringen (MüKo/Wenzel, § 364 Rdnr. 1). Allerdings handelt es sich auch nach dieser Meinung jedenfalls dann um einen Schuldänderungsvertrag, wenn die Parteien bereits vor der Erfüllung vereinbaren, dass die Schuld durch eine andere als die zunächst versprochene Leistung erfüllt werden soll (MüKo/Wenzel, § 364 Rdnr. 2).

Von der "typischen" Leistung an Erfüllungs statt ist die Ersetzungsbefugnis (facultas alternativa) zu unterscheiden. Von einer Ersetzungsbefugnis des Schuldners spricht man, wenn dieser zwar von Anfang an nur eine bestimmte Leistung schuldet, jedoch berechtigt ist, sich von dieser Schuld auch durch eine andere als die geschuldete Leistung zu befreien. Nach h.M. handelt es sich somit bei der Ersetzungsbefugnis um eine vorweggenommene (antizipierte) Vereinbarung einer Leistung an Erfüllungs statt, die unter der Bedingung steht, dass der Schuldner sein Ersetzungsrecht ausübt. Leistet der Schuldner aufgrund einer Ersetzungsbefugnis, so erlischt nach dieser Meinung konsequenterweise das Schuldverhältnis nicht gemäß § 362 Abs. 1 BGB durch Erfüllung, sondern gemäß § 364 Abs. 1 BGB durch eine Leistung an Erfüllungsstatt (BGHZ 46, 338, 342).

Besonders wichtig ist die Abgrenzung zwischen der Leistung an Erfüllungsstatt und der Leistung erfüllungshalber. Während die Leistung an Erfüllungs statt als Erfüllungssurrogat das Schuldverhältnis im engeren Sinne zum Erlöschen bringt, lässt die Leistung erfüllungshalber das Schuldverhältnis zunächst bestehen und führt erst dann zum Erlöschen des Schuldverhältnisses, wenn sich der Gläubiger aus dem erfüllungshalber Geleisteten befriedigt hat, indem er z.B. eine erfüllungshalber geleistete Sache veräußert hat.

Wenn die Parteien eine Leistung erfüllungshalber vereinbart haben, dann folgt aus ihrer Vereinbarung, dass der Gläubiger sich verpflichtet, aus dem erfüllungshalber geleisteten Gegenstand schnellst- und bestmöglich mit verkehrsüblicher Sorgfalt Befriedigung zu suchen. Verletzt er diese Verpflichtung, so steht dem Schuldner gegen den Gläubiger ein Schadensersatzanspruch aus positiver Forderungsverletzung (§§ 280 Abs. 1, 241 Abs. 2 BGB) zu. Eine weitere Rechtsfolge der Vereinbarung einer Leistung erfüllungshalber besteht darin, dass die Parteien eine Stundung der ursprünglichen Forderung vereinbaren. Das hat zur Folge, dass der Schuldner die Erfüllung der ursprünglichen Forderung solange verweigern darf, bis der Gläubiger sich aus dem erfüllungshalber hingegebenen Gegenstand erfolgreich befriedigt hat oder ein Versuch der Befriedigung fehlgeschlagen ist.

Ob die Parteien eine Leistung an Erfüllungs statt oder eine Leistung erfüllungshalber gewollt haben, ist bei fehlender ausdrücklicher Parteivereinbarung durch Auslegung zu ermitteln. Für diese Auslegung stellt das BGB in § 364 Abs. 2 eine Auslegungsregel für den Fall zur Verfügung, dass die Leistung des Schuldners darin besteht, dass er dem Gläubiger gegenüber eine neue Verbindlichkeit (z.B. durch Hingabe eines Schecks oder eines Wechsels) eingeht. Das Gesetz geht in diesem Fall im Zweifel davon aus, dass die Leistung erfüllungshalber erfolgt. In allen anderen Fällen "alternativer Leistungsangebote" hilft das Gesetz nicht weiter. Hier muss die Auslegung dann mithilfe der §§ 133, 157 BGB den normativen Willen der Parteien ermitteln. Dabei ist allerdings in erster Linie die Interessenlage des Gläubigers zu beachten, der entsprechend der Wertung des § 364 Abs. 2 BGB regelmäßig nicht bereit sein wird, seine "alte Forderung" gegen eine ungewisse Realisierungschance einzutauschen. So wird man z.B. bei der Abtretung einer Forderung des Schuldners gegen einen Dritten an den Gläubiger regelmäßig eine Leistung erfüllungshalber annehmen müssen, da der Gläubiger in den seltensten Fällen bereit sein dürfte das Bonitätsrisiko des Dritten zu tragen. Auch der Gesetzgeber neigt dieser Auffassung zu, wie die Vorschrift des § 788 BGB aus dem Recht der Anweisung zeigt.

Bei der Leistung von Sachen an Stelle der geschuldeten Leistung wird der Parteiwille grundsätzlich dann auf eine Leistung an Erfüllungs statt gerichtet sein, wenn der Gläubiger die Sache behalten soll und sie dem mehr oder minder dem Wert der "alten" Forderung entspricht; soll der Gläubiger die Sache dagegen verwerten ("versilbern") wird der Parteiwille dagegen regelmäßig auf eine Leistung erfüllungshalber gerichtet sein.

Welche Rechte der Gläubiger hat, wenn der an Erfüllungs statt geleistete Gegenstand mangelhaft ist, regelt § 365 BGB. Diese Vorschrift verweist für den Fall des Sach- oder Rechtsmangels auf die Vorschriften des Kaufrechts (§§ 434 ff. BGB). Dies bedeutet, dass der Gläubiger die Rechte aus § 437 BGB hat. Meist wird sich der Gläubiger dann für den Rücktritt entscheiden. Wählt er den Rücktritt, so führt dies nicht automatisch zum Wiederaufleben der gemäß § 364 Abs. 1 BGB erloschenen Forderung. Vielmehr erhält der Gläubiger dann einen Anspruch auf Wiederbegründung der erloschenen Forderung. Dies würde genau betrachtet bedeuten, dass der Gläubiger, wenn der Schuldner nicht zur Gewährleistung bereit ist, den Schuldner zunächst auf Wiederbegründung der erloschenen Forderung und nach Wiederbegründung dieser Forderung in einer zweiten Klage auf Erfüllung der wieder begründeten Forderung verklagen müsste. Um dieses unsinnige Ergebnis zu vermeiden, lässt der BGH es zu, dass der Gläubiger in einem solchen Fall unmittelbar auf Erfüllung des wiederbegründeten Anspruchs klagt (BGHZ 46, 338, 342 f.).

Modifié le: mardi 5 mai 2009, 14:06