Beweislastverteilung im kaufvertraglichen Mängelgewährleistungsrecht
Beweislastverteilung im Mängelrecht
Grundsätzlich hat im Prozess eine Partei die Voraussetzungen der Rechtsnormen zu beweisen, die sie angewendet wissen möchte.
Hinsichtlich der Beweislast bezüglich der Mangelhaftigkeit bzw. Mangelfreiheit der Kaufsache bei Gewährleistungsansprüchen ist zunächst einmal an § 476 BGB zu denken, der für den Verbrauchsgüterkauf eine außerordentlich praxisrelevante Sonderregelung darstellt. Der Sinn dieser Vorschrift erschließt sich daraus, dass alle gewährleistungsrechtlichen Rechtsbehelfe voraussetzen, dass der Kaufgegenstand bereits im Zeitpunkt des Gefahrüberganges, also regelmäßig im Zeitpunkt der Übergabe (§ 446 BGB), mangelbehaftet war. Für das Vorliegen dieses dem Käufer günstigen Merkmales trifft ihn die Beweislast, was insbesondere dann misslich ist, wenn der Mangel erst einige Zeit nach der Übergabe und der Ingebrauchnahme durch den Käufer entdeckt wird. Um dem Käufer aus der damit verbundenen Beweisnot herauszuhelfen, wird beim Verbrauchsgüterkauf gemäß § 476 BGB die Mangelhaftigkeit des Kaufgegenstandes im Zeitpunkt des Gefahrüberganges vermutet, wenn sich innerhalb von sechs Monaten seit Gefahrübergang ein Sachmangel zeigt, es sei denn, diese Vermutung ist mit der Art der Sache oder des Mangels unvereinbar. Damit wird für den Regelfall beim Auftreten eines Sachmangels innerhalb von 6 Monaten seit Gefahrübergang dem Verkäufer die Beweislast für seine Behauptung auferlegt, der Sachmangel sei erst nach Gefahrübergang, etwa infolge unsachgemäßer Benutzung durch den Käufer, aufgetreten.
Außerhalb des Anwendungsbereiches des § 476 BGB muss danach differenziert werden, ob die Annahme des Kaufgegenstandes durch den Käufer bereits stattgefunden hat oder nicht. Die Annahme führt nämlich - soweit § 476 BGB nicht eingreift - eine Beweislastumkehr herbei: Nach der Annahme der Kaufsache hat der Käufer entgegen den allgemeinen Grundsätzen, nach denen der Verkäufer die Beweislast für die Erfüllung trägt, nämlich gemäß § 363 BGB im Falle der Geltendmachung eines gewährleistungsrechtlichen Rechtsbehelfs im Prozess die Mangelhaftigkeit der Kaufsache zu beweisen, wobei es irrelevant ist, ob es sich um einen Stück- oder einen Gattungskauf handelt (vgl. H. P. Westermann, NJW 2002,241, 250; ebenso: Saenger, in: Handkommentar zum BGB, § 363 Rdnr. 3, der zu Recht unter Hinweis auf die Entstehungsgeschichte des Schuldrechtsmodernisierungsgesetzes darauf hinweist, dass § 363 BGB trotz seines engen Wortlauts ("...eine andere als die geschuldete Leistung oder weil sie unvollständig ist") auch für die Mangelhaftigkeit des Kaufgegenstandes gilt; vgl. auch BT-Drucks. 14/6040, S. 217). Hat dagegen der Käufer die Entgegennahme der Kaufsache abgelehnt oder die Sache nur unter Vorbehalt angenommen, so trifft im Rechtsstreit um die Pflicht zur Bezahlung und Abnahme die Beweislast für die behauptete Mangelfreiheit der Kaufsache den Verkäufer, soweit zwischen den Parteien nicht auch der Inhalt der Beschaffenheitsvereinbarung streitig ist. Denn für den - streitigen - Inhalt der Beschaffenheitsvereinbarung, aus dem der Käufer einen Sachmangel herleiten will, trägt der Käufer vor wie nach der Annahme des Kaufgegenstandes immer die Darlegungs- und Beweislast.
Für die übrigen anspruchsbegründenden Voraussetzungen der gewährleistungsrechtlichen Rechtsbehelfe - wie etwa den Schaden beim Schadensersatzanspruch gemäß §§ 437 Nr. 3, 280 Abs. 1 und 3, 281 BGB - trägt der Käufer nach allgemeinen Grundsätzen ebenfalls die Darlegungs- und Beweislast. Eine Ausnahme stellt insoweit - wie im allgemeinen Leistungsstörungsrecht auch - das Vertretenmüssen bei den Schadensersatzansprüchen dar (die übrigen Rechtsbehelfe sind verschuldensunabhängig ausgestaltet). Hier geht nämlich aus §§ 437 Nr. 3, 280 Abs. 1 S. 2 BGB hervor, dass nicht der Käufer das Vertretenmüssen darlegen und ggf. beweisen muss, sondern dass umgekehrt der Verkäufer zur Abwendung des Schadensersatzanspruches sein Nichtvertretenmüssen darlegen und ggf. beweisen muss.