Der Handelskauf

Sind an einem Kaufgeschäft Kaufleute im Sinne der §§ 1 ff. HGB beteiligt, treffen wir auf Besonderheiten, die die Rechtsgeschäftslehre und damit den Allgemeinen Teil des BGB, den gutgläubigen Erwerb und damit das Sachenrecht des BGB und schließlich das kaufrechtliche Mängelhaftungsrecht und damit das Schuldrecht des BGB betreffen:

  • Regeln zum kaufmännischen Bestätigungsschreiben;
  • Regeln zum gutgläubigen Erwerb (§ 366 HGB);
  • Regeln zur Untersuchungs- und Rügeobliegenheit (§ 377 HGB), wenn die gelieferte Sache mangelhaft ist.

Mit diesen Regeln wollen wir uns kurz auseinandersetzen.

Das kaufmännische Bestätigungsschreiben

Die Lehre vom kaufmännischen Bestätigungsschreiben besagt, dass der Empfänger eines kaufmännischen Bestätigungsschreiben dem Schreiben unverzüglich widersprechen muss, wenn er den Inhalt des Schreibens nicht gegen sich gelten lassen will. Widerspricht er nicht, so muss er den bestätigten Vertrag mit dem aus dem Bestätigungsschreiben ersichtlichen Inhalt hinnehmen, es sei denn, er wiese die Unredlichkeit des Absenders nach oder, dass das Schreiben von den vorausgegangenen Abreden soweit abweicht, dass der Absender vernünftigerweise nicht auf die Billigung vertrauen konnte. Dabei ist es unerheblich, ob die vorausgegangenen Verhandlungen bereits zu einem festen Vertragsabschluss geführt haben oder nicht (BGHZ 7, 187 (189 f.); K. Schmidt, Handelsrecht, 5. Auflage, § 19 III 1 a).

Die dogmatischen Grundlagen

a) Die Frage nach dem Geltungsgrund der Grundsätze des kaufmännischen Bestätigungsschreibens ist bis heute nicht abschließend geklärt; nach der früheren herrschenden Meinung galten sie kraft Handelsbrauchs (§ 346 HGB), während inzwischen der Geltungsgrund auch im Gewohnheitsrecht festgemacht wird (Ellenberger in: Palandt, § 147, Rdnr. 8). Zutreffend sein dürfte, dass sich die Lehre vom kaufmännischen Bestätigungsschreiben aus Handelsbräuchen entwickelt hat, sich aber im Laufe der Zeit zu einer gewohnheitsrechtlichen Norm verfestigt hat, die mittlerweile über den Handelsverkehr hinaus Obliegenheiten statuiert. Schon das Reichsoberhandelsgericht hat die Grundsätze dieser Lehre in ständiger Rechtsprechung herausgeschält, die dann von Reichsgericht und Bundesgerichtshof aufgegriffen und weitergeführt wurden. Aus der Lehre vom kaufmännischen Bestätigungsschreiben ist so ein Recht des kaufmännischen Bestätigungsschreibens geworden.

b) Normzweck: Überwiegend wird der Rechtssatz vom kaufmännischen Bestätigungsschreiben als Vertrauensschutznorm eingeordnet. Lässt man nur Rechtsscheinsfälle unter den Vertrauensschutz fallen, so kann in diesem Anknüpfungspunkt angesichts des heutigen Standes der Diskussion keine tragfähige Legitimation mehr gefunden werden. Denn nicht bloß die Bestätigung, sondern auch die einseitige Ergänzung des Vertrages durch kaufmännisches Bestätigungsschreiben ist anerkannt; d.h. das Vertrauen des Absenders auf Billigung wird unter Umständen auch dann geschützt, wenn der Absender nicht annimmt, das Schreiben entspreche einer bereits getroffenen Vereinbarung. Es geht vielmehr um objektiven Verkehrsschutz, der aber nichts mit Rechtsscheinhaftung zu tun hat. Vielmehr geht es um die Schnelligkeit, Leichtigkeit und Sicherheit des Handelsverkehrs (K. Schmidt, Handelsrecht, 5. Auflage, § 19 III 1 c).

c) Die dogmatische Konstruktion: Mannigfaltige Ansätze bietet die rechtsdogmatische Kontroverse um den Vertragsschluss durch Schweigen auf ein Bestätigungsschreiben. Das Meinungsspektrum reicht vom Schweigen als Willenserklärung über die Fiktion einer Willenserklärung, der Obliegenheits- oder Pflichtverletzung bis hin zur Annahme eines Vertrauensschutztatbestandes. Dazu ist zu bemerken:

(1) Die Annahme einer stillschweigenden Willenserklärung hilft nicht weiter, da das Schweigen auch relevant ist, wenn keine Willenserklärung, zB wegen fehlenden Erklärungsbewusstseins, vorliegt. Die Rechtsfolgen werden allein durch die Tatsache des Schweigens auch dann ausgelöst, wenn die Umstände es allein nicht rechtfertigen würden, darin eine Willenserklärung durch schlüssiges Verhalten zu erblicken (BGHZ 11, 1 (5)). Auch mit der Fiktion einer Willenserklärung ist letztlich nicht viel gewonnen. Denn gerade der klassischen Fall des Bestätigungsschreibens als reine Vertragsbestätigung enthält ja gar kein Angebot zur Vertragsänderung, lässt also eine Willenserklärung des Empfängers gar nicht erwarten. Eine einheitliche Erklärung des Rechtsinstituts ist nur dann möglich, wenn man davon absieht, das Schweigen als Willenserklärung oder auch nur als den Schein einer Willenserklärung anzusehen.

(2) Die Rechtsfolgen auf eine Pflicht- oder Obliegenheitsverletzung zurückzuführen, wird regelmäßig deswegen abgelehnt, weil Pflichtverletzungen im allgemeinen nur Schadensersatzansprüche auslösen (Köhler, BGB AT, 34.Aufl.2010, § 8 III 31; allerdings sei auch an die Rechtsfigur der Anscheinsvollmacht erinnert).

Insgesamt erscheint der praktische Nutzen des dogmatischen Diskurses äußerst zweifelhaft. Vielmehr empfiehlt es sich, klar zwischen Tatbestand und Rechtsfolge zu trennen: Das Schweigen ist nicht Willenserklärung sondern Tatbestandsmerkmal. Die Rechtsfolge des Unterlassens – Bestand und Inhalt des Rechtsgeschäfts richten sich nach dem Bestätigungsschreiben – ist dann eine gesetzliche aufgrund Gewohnheitsrechts.

Der personelle Anwendungsbereich

Das Gewohnheitsrecht des „kaufmännischen“ Bestätigungsschreibens ist sowohl auf Empfänger- wie Absenderseite nicht auf Kaufleute iSd §§ 1 ff. HGB beschränkt. Es gilt auf beiden Seiten für alle im größeren Umfang am Marktgeschehen als selbständige Unternehmer beteiligten Personen (für Empfänger: BGHZ 11, 1 (3): „Vielmehr genügt es, dass er einen kaufmännischen Betrieb führt oder jedenfalls einen Betrieb, der im größeren Umfange am Verkehrsleben teilnimmt“; für Absender: BGHZ 40, 42 (43 f.) „Eine solche Verpflichtung zum Widerspruch kann für einen Kaufmann nicht nur begründet sein, wenn er das Bestätigungsschreiben eines Kaufmanns erhält, sondern auch dann, wenn der Absender zwar nicht Kaufmann ist, aber ähnlich einem Kaufmann am Geschäftsleben teilnimmt und erwarten kann, dass ihm gegenüber nach kaufmännischer Sitte verfahren wird“). Auch nichtgewerbliche Unternehmer (zB. Freiberufler wie Architekten, Apotheker oder Rechtsanwälte) können dem Rechtssatz vom kaufmännischen Bestätigungsschreiben unterliegen, soweit von ihnen erwartet werden kann, dass sie einem Bestätigungsschreiben widersprechen, wenn sie es nicht gegen sich gelten lassen wollen.

Beispiel (vereinfacht nach OLG Köln, CR 1991, 541): Rechtsanwalt R hat mit einem Computerunternehmen telefonisch über Hard- und Software verhandelt. Man ist sich in Grundzügen einig geworden. Das Unternehmen schickte R ein Bestätigungsschreiben, auf das R geschwiegen hatte. Später verweigert R die Leistung entsprechend dem Inhalt des Bestätigungsschreibens: Das OLG Köln entschied: Auch ein Rechtsanwalt, der wie ein Kaufmann in größerem Umfang selbständig am Rechtsverkehr teilnimmt, muss unverzüglich widersprechen; sonst gilt der Inhalt der Bestätigung.

Fallgruppen

a) Der klassische Fall des kaufmännischen Bestätigungsschreibens liegt vor, wenn das Schreiben einen (angeblich) schon geschlossenen Vertrag nur verbindlich festhalten soll. Das Schreiben nimmt auf Vertragsverhandlungen Bezug, die nach der erkennbaren Auffassung des Absenders bereits zu einem gültigen Abschluss geführt haben. Es kommt aber nicht darauf an, dass der Vertrag wirklich bereits geschlossen war, sondern nur darauf, dass der Absender den Vertrag als geschlossen bestätigt. Denn das Recht vom kaufmännischen Bestätigungsschreiben will nicht nur den Streit über den genauen Inhalt ausschließen, sondern auch darüber, ob der Vertrag überhaupt schon zustande gekommen ist. Der Empfänger kann also nicht, wenn er sich verschwiegen hat, geltend machen, der Vertrag sei wegen Dissens überhaupt nicht zustande gekommen. Er muss sich vielmehr so behandeln lassen, als wäre der Vertrag von vorneherein mit dem Inhalt, den ihm das Bestätigungsschreiben gibt, zustande gekommen. Erfasst und geheilt werden folgende Fallgruppen (nach Canaris, Handelsrecht, 24. Aufl. 2006, § 23 II 2):

  • Fehlen eines Abschlusstatbestandes oder das Vorliegen eines versteckten Dissens
  • Mängel der Vertretungsmacht
  • Inhaltliche Abweichung zwischen Bestätigungsschreiben und vorgehenden vertraglichen Vereinbarungen

Beispiel: V wird bei Verhandlungen zu einem Kaufvertrag mit K von seinem nicht bevollmächtigten Angestellten A vertreten. Im Anschluss an die Verhandlungen erhält V ein Bestätigungsschreiben über den angeblichen Abschluss. Wenn V nicht unverzüglich widerspricht, kann er dem gutgläubigen K gegenüber später nicht mehr geltend machen, A habe keine Vertretungsmacht gehabt. Er muss dann den Vertragsschluss hinnehmen und zwar mit dem Inhalt, den ihm das Bestätigungsschreiben gab. Gerade bei dieser Fallgruppe kann die Lehre vom Bestätigungsschreiben eine Anleihe bei den Vorschriften §§ 75h, 91a, 362 HGB nehmen (Wiedemann/Fleischer, PdW Handelsrecht, 8.Aufl.2004, Nr. 425c).

b) Allerdings ist die Rechtsentwicklung über Fall des klassischen Bestätigungsschreibens hinausgegangen und hat den Gewohnheitsrechtssatz über die Bestätigung eines – jedenfalls vermeintlichen – perfekten Vertrags hinaus ausgedehnt. Gleichgestellt wird der dogmatisch ganz anders gelagerte Fall der Ergänzung des Abgesprochenen durch Bestätigungsschreiben. Das Bestätigungsschreiben schließt offen gelassene Nebenpunkte oder es werden AGB einbezogen, auf die nicht schon bei Vertragsschluss Bezug genommen wurde (vgl. BGHZ 7, 187 (190), K. Schmidt, Handelsrecht, 5. Auflage, § 19 III 3 b auch zur Gegenauffassung).

c) Streng vom Recht des kaufmännischen Bestätigungsschreibens geschieden wird die (modifizierte) Auftragsbestätigung (BGHZ 18, 212 (251 f.); bestätigt BGHZ 61, 282 (285 f.);Wiedemann/Fleischer, PdW Handelsrecht, 8.Aufl.2004, Nr. 457; krit. K. Schmidt, Handelsrecht, 5. Auflage, § 19 III 3 d). Während das kaufmännische Bestätigungsschreiben einen bereits zustande gekommenen - oder doch zumindest nach Ansicht des gutgläubigen Bestätigenden rechtswirksam abgeschlossenen - Vertrag vorwiegend zu Beweiszwecken inhaltlich festlegen und lediglich in regelungsbedürftigen Nebenpunkten ergänzen soll, der Verfasser mithin nach Treu und Glauben und mit Rücksicht auf die Verkehrssitte davon ausgehen kann, dass der bereits vertraglich gebundene, aber mit dem Inhalt nicht einverstandene Empfänger unverzüglich widersprechen wird, liegt die Sach- und Interessenlage bei der sog. modifizierten Auftragsbestätigung grundlegend anders. Hier weiß der bestätigende Vertragsteil, dass ein Vertrag noch nicht zustande gekommen ist, die Auftragsbestätigung vielmehr erst dem Vertragsabschluß dienen soll. Weicht er daher von dem Antrag des Gegners ab, so kann er nicht ohne Weiteres damit rechnen, dass die nicht widersprechende Vertragspartei mit der Änderung einverstanden ist; vielmehr ist es seine Sache, klarstellend dafür Sorge zu tragen, dass die von ihm abändernd vorgeschlagenen Bedingungen Vertragsinhalt werden. Die vom Angebot abweichende Auftragsbestätigung stellt gem. 150 Abs. 2 BGB die Ablehnung des Angebots, verbunden mit einem neuen Antrag dar. Schweigen hierauf hat grundsätzlich die Ablehnung des Antrags zur Folge.

Die weiteren Voraussetzungen

a) Das Bestätigungsschreiben muss in engem zeitlichem Zusammenhang mit den vorausgegangenen Vertragsverhandlungen zugehen. Für den Zugang gelten die allgemeinen Regeln über den Zugang von Willenserklärungen unter Abwesenden (§ 130 Abs. 1 BGB); es kommt also nicht darauf an, dass der Empfänger Kenntnis genommen hat, sondern es reicht, dass er unter normalen Umständen Kenntnis nehmen konnte (Wiedemann/Fleischer, PdW Handelsrecht, Nr. 453b).

b) Das Bestätigungsschreiben muss eindeutig und klar abgefasst sein und den Bestätigungswillen erkennen lassen. Die Bezeichnung als Bestätigungsschreiben ist nicht erforderlich, ebenso wenig wie die Verwendung sonstiger bestimmter Formalien. Es schadet auch nichts, wenn das Schreiben unzutreffend als Auftragsbestätigung bezeichnet wurde (BGHZ 54, 236 (239)). Verweist das Bestätigungsschreiben auf AGB, so müssen diese nicht unbedingt beigefügt werden (BGHZ 7, 187 (190 f.)).

c) Wird unverzüglich – d.h. ohne schuldhaftes Zögern – widersprochen, so hindert dies die Bindung an das kaufmännische Bestätigungsschreiben. Schweigen oder verspäteter Widerspruch binden dagegen. Praktisch bedeutet dies, dass innerhalb der kurz zu bemessenden Frist widersprochen werden muss. Wer erst nach mehr als einer Woche widerspricht, hat regelmäßig zu spät widersprochen. Im Einzelnen kommt es aber auf die Umstände des Einzelfalles an, zB auf die Schwierigkeit der Materie.

Die negativen Voraussetzungen

Die Bindung des Empfängers ist ausgeschlossen, wenn der Absender nach Lage der Dinge nicht darauf vertrauen darf, dass der Empfänger den Inhalt stillschweigend billigt.

a) Ein Einwand gegenüber dem Bestätigungsschreiben ist die Unredlichkeit des Absenders. Wer in Kenntnis von der Unrichtigkeit des Bestätigungsschreiben den angeblichen Inhalt der Verhandlungen bestätigt, handelt unredlich und kann auf den wahren Vertragsinhalt verwiesen werden (K. Schmidt, Handelsrecht, 5. Auflage, 19 III 5 a; siehe auch Canaris, Handelsrecht, § 23 II 6, der in bestimmten Fällen Fahrlässigkeit ausreichen lassen will). Die Kenntnis des Vertreters wird entsprechend § 166 Abs. 1 BGB dem Vertretenen zugerechnet (BGHZ 40, 42 (45 ff.)).

BGHZ 40, 42 (45 ff.) führt hinsichtlich der Frage der Zurechnung aus: „Von einem redlichen Geschäftsgebaren kann aber auch dann nicht gesprochen werden, wenn ein mit der Führung der Verhandlungen beauftragter Vertreter dem Geschäftsherrn über den Ablauf der Verhandlungen eine in der genannten Weise unrichtige Darstellung gegeben hat, der Geschäftsherr diese Darstellung seinem Bestätigungsschreiben zugrundelegt und, nachdem der Empfänger des Schreibens geschwiegen hat, die Rechtswirkungen eines unwidersprochen gebliebenen Bestätigungsschreibens für sich in Anspruch nehmen will, mag er selbst auch bei der Abfassung und Absendung des Bestätigungsschreibens gutgläubig gewesen sein. Die Unredlichkeit des Vertreters liegt im Verhältnis zwischen dem Vertretenen und dem Vertragsgegner im Gefahrenbereich des Vertretenen. Im bürgerlichen Recht gilt der Grundsatz, dass, »wer sich im Rechtsverkehr fremder Hilfe bedient, und die Wirkung fremden Handelns für sich in Anspruch nimmt, auch die Nachteile daraus in Kauf nehmen muss und sich nicht der eigenen sauberen Hände rühmen darf, wenn andere sie sich für ihn schmutzig gemacht haben« (Raiser, JZ 1961, 26, 27). Eine Stütze für diese Auffassung bildet die Vorschrift des § 166 Abs. 1 BGB. Danach kommt, soweit die rechtlichen Folgen einer Willenserklärung durch die Kenntnis oder das Kennenmüssen gewisser Umstände beeinflusst werden, die Person des Vertreters in Betracht. Der Vertretene muss also das Rechtsgeschäft so hinnehmen, als habe er selbst die Kenntnis gehabt. Die Vorschrift bezieht sich unmittelbar zwar nur auf die Kenntnis des Vertreters bei Abgabe seiner Willenserklärung. Die Bestätigung ist dagegen eine Erklärung des Vertretenen und folgt der Willenserklärung des Vertreters nach. Das steht einer sinngemäßen Anwendung der Vorschrift des § 166 Abs. 1 BGB auf Fälle der hier erörterten Art aber nicht entgegen. Das Schweigen auf das Bestätigungsschreiben lässt nicht etwa erst auf Grund einer mit dem Bestätigungsschreiben abgegebenen Erklärung des Vertretenen einen neuen Vertrag entstehen. Es wird vielmehr nur fingiert, dass die von dem Vertreter und dem Gegner abgegebenen Willenserklärungen einen Vertrag des Inhalts begründet haben, wie er im Bestätigungsschreiben niedergelegt worden ist. Mit diesem Inhalt gilt ein Vertrag zwischen dem Vertreter und dem anderen Teil aber dann nicht als geschlossen, wenn die bestätigende Partei weiß, dass das Bestätigte von dem Verhandelten so abweicht, dass sie mit einer Billigung nicht rechnen kann. Das ist fraglos der Fall, wenn der Vertreter selbst mit Vollmacht des Vertretenen die von ihm angeblich geschlossene Vereinbarung bestätigt. Dann kommt es für die Frage, ob die widerspruchslose Entgegennahme den Vertragsgegner bindet, auf sein eigenes Wissen an (BGH Urt. v. 23. Juni 1955 - II ZR 248/54 - WM 1955, 1284). Aber auch für den Fall, dass der Vertreter zwar nicht selbst bestätigt, jedoch durch falsche Unterrichtung des Vertretenen bewirkt, dass der Vertretene einen Vertrag als geschlossen bestätigt, der tatsächlich nicht oder nicht mit diesem Inhalt vereinbart war, liegt eine Gestaltung vor, die dem in § 166 Abs. 1 BGB geregelten Sachverhalt entspricht. Es kann keinen Unterschied machen, ob ein bösgläubiger Vertreter selbst in Vollmacht des eigentlichen Geschäftsherrn die angeblichen Vereinbarungen bestätigt oder ob er auf Grund unrichtiger Mitteilung den gutgläubigen Geschäftsherrn zur Bestätigung eines nicht zustande gekommenen Vertrages veranlasst. Der »gute Glaube« des bestätigenden Vertragsteiles ist eine Voraussetzung dafür, dass der vom Vertreter angeblich geschlossene Vertrag als zustande gekommen gilt. Die rechtlichen Folgen der vom Vertreter abgegebenen Willenserklärung hängen also davon ab, ob der Gegner des Schweigenden gewisse Umstände kennt oder nicht kennt. Nach dem Grundgedanken des § 166 Abs. 1 BGB ist es dabei gerechtfertigt, eine Kenntnis des Vertreters dem Vertretenen zuzurechnen“.

Die praktische Bedeutung des Einwands der Unredlichkeit ist gering. Da der Empfänger die Beweislast trägt, nützt ihm dieser Einwand in der Regel reichlich wenig. Bedeutsamer ist daher der Einwand gravierender Abweichung vom Vorbesprochenen. Hinzu kommt, dass dieser Einwand nur auf den klassischen Fall des Bestätigungsschreibens passt. Seitdem auch die nachträgliche Ergänzung des Vorbesprochenen durch Bestätigungsschreiben zugelassen wird, ist die Berechtigung dieses Einwands fragwürdig (K. Schmidt, Handelsrecht, 5. Auflage, § 19 III 5 a).

b) In der Rechtswirklichkeit bedeutsamer ist der Einwand der gravierenden Abweichung vom Vorbesprochenen (BGHZ 7, 187 (190); 11, 1 (4); 40, 42 (44)). Das Bestätigungsschreiben bleibt ohne „konstitutive“ Wirkung, wenn es vom Inhalt der vorausgegangenen Abrede so weit abweicht, dass der Absender vernünftiger Weise nicht mit dem Einverständnis des Empfängers rechnen kann. Das ist eindeutig der Fall

  • bei Aufnahme von Vertragsregelungen in das Bestätigungsschreiben, die die andere Seite bei den Verhandlungen ausdrücklich abgelehnt hat.
  • wenn der Vertrag noch nicht abschlussreif war. In den Worten von Canaris liest sich dass so: „Dann ist die Zusendung eines Bestätigungsschreibens nicht eine sinnvolle Klarstellung, sondern eine Unverschämtheit, auf die eine ausdrückliche Ablehnung durch den Adressaten nicht zu erwarten ist“ (Canaris, Handelsrecht, § 23 II 4 a).
  • evidente inhaltliche Abweichung des Bestätigungsschreibens vom Vorbesprochenen.

c) Lebhaft umstritten ist die Situation bei sich kreuzenden Bestätigungsschreiben. Diese Fälle treten besonders häufig dann auf, wenn sich die Parteien untereinander ihre AGB zusenden. Verkompliziert wird die Lage dann endgültig, wenn die AGB sog. Abwehrklauseln enthalten, die ihnen im Kollisionsfall den Vorrang vor den Geschäftsbedingungen des Vertragspartners sichern sollen. Eine Lösung bietet einmal die Theorie des letzten Wortes an: Die Bedingungen desjenigen sollen gelten, der zuletzt auf seine AGB verwiesen hat. Im Gegensatz dazu lässt die Konsenstheorie soweit sich die AGB widersprechen, überhaupt keine AGB gelten. Doch ist das letztlich gar nicht maßgeblich, wenn man sich den Regelungszweck des Rechts vom kaufmännischen Bestätigungsschreiben vor Augen führt. Das Bestätigungsschreiben kann seine klärende Funktion nicht mehr erfüllen, wenn es zu einem zweiten Bestätigungsschreiben in Konkurrenz tritt. Für jeden der beiden Absender ist erkennbar, dass der andere die Rechtslage anders sieht und mit seinem Schweigen keinesfalls Zustimmung signalisieren will. Die typische Verkehrsschutzsituation, die dem Recht vom Bestätigungsschreiben zugrunde liegt, ist hier nicht gegeben (Canaris, Handelsrecht, § 23 II 4 c; K. Schmidt, Handelsrecht, 5. Auflage, § 19 III 5 c). Die Grundsätze des Bestätigungsschreiben finden also im Allgemeinen keine Anwendung, wenn beide Seiten sich gleichzeitig verschieden bestätigen; eine Ausnahme hiervon macht der BGH aber dann, wenn die Bestätigungsschreiben einander nicht mit unvereinbaren Inhalt gegenüberstehen und eines der beiden lediglich eine zusätzliche Bedingung enthält, deren Aufnahme in das Bestätigungsschreiben den anderen Teil nicht überraschen konnte, mit der er vielmehr rechnen musste (BGH, NJW 1966, 1070).

Die Rechtsfolge

Die Rechtsfolge besteht darin, dass der Inhalt des kaufmännischen Bestätigungsschreiben auch als Inhalt des Vertrages gilt. In BGHZ 40, 42 (46) hört sich das so an: Das Schweigen auf das Bestätigungsschreiben lässt nicht etwa erst auf Grund einer mit dem Bestätigungsschreiben abgegebenen Erklärung einen neuen Vertrag entstehen. Es wird vielmehr nur fingiert, dass die Willenserklärungen einen Vertrag des Inhalts begründet haben, wie er im Bestätigungsschreiben niedergelegt worden ist. Die Rechtsfolge auf das Schweigen ist rein deklaratorisch, wenn der Inhalt des Bestätigungsschreibens mit dem Vorbesprochenen übereinstimmt. Im Falle von Abweichungen wirkt sie dagegen konstitutiv vertragsbegründend und inhaltsändernd (vgl. K. Schmidt, Handelsrecht, 5. Auflage, § 19 III 6). Nicht nur den Inhalt, sondern auch den Bestand des Vertrags schreibt das unwidersprochen gebliebene Schreiben fest. Der Empfänger kann dann nicht mehr geltend machen, dass kein Konsens vorlag oder dass für ihn ein Vertreter ohne Vertretungsmacht gehandelt hat.

Die Behandlung von Willensmängeln

a) Willensmängel beim vorausgegangenen Vertragsschluss werden durch das Schweigen „geheilt“. Sie können nicht mehr geltend gemacht werden, soweit ihre Geltendmachung mit den Rechtswirkungen des Bestätigungsschreibens unvereinbar wäre. Das gilt auch für das Anfechtungsrecht für Irrtümer bei den Vertragsverhandlungen.

b) Eine Anfechtung des Schweigens analog § 119 Abs. 1 BGB – deshalb analog, weil es sich beim Schweigen um keine Willenserklärung handelt – kann nicht darauf gestützt werden, der Empfänger habe die Bedeutung des Schweigens nicht erkannt.

In BGHZ 11, 1 (4 f.) heißt es dazu: Die Unterlassung eines Widerspruches kann nicht nach § 119 BGB wegen Irrtums über die Bedeutung ihres Schweigens angefochten werden. Voraussetzung einer Anfechtung ist, dass eine Willenserklärung vorliegt, mag der Wille nun ausdrücklich erklärt oder nur stillschweigend aus den Umständen zu entnehmen sein. Folgt aber aus einer Handlung oder einer Unterlassung eine Rechtswirkung ohne Rücksicht darauf, ob ein Wille seitens der betroffenen Partei überhaupt geäußert wird, so kann jedenfalls grundsätzlich für eine Anfechtung kein Raum sein. Der Empfänger eines Bestätigungsschreibens, der sich auf das Schreiben nicht erklärt, ist deswegen gebunden, weil Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Anschauungen des Verkehrs eine Antwort von ihm erfordert hätten. Die Rechtswirkungen seines Verhaltens werden mithin durch die Tatsache des Schweigens auch dann ausgelöst, wenn die Umstände allein es nicht rechtfertigen würden, in ihnen ohne weiteres einen schlüssigen Ausdruck der Zustimmung zu erblicken. Ist somit die Willensäußerung des Empfängers eines Bestätigungsschreibens bedeutungslos und beinhaltet das Schweigen in Wahrheit keine Willenserklärung, so kann der Beklagten nicht das Recht zugebilligt werden, sich auf einen Irrtum über die Bedeutung des Schweigens zu berufen. Denn ein solcher Einwand, der nur besagt, dass der Beklagte seine kaufmännische Erklärungspflicht nicht gekannt habe, würde der auf der Verkehrssitte beruhenden rechtlichen Fiktion zuwiderlaufen.

c) Dagegen wird ihm ein Anfechtungsrecht entsprechend § 119 BGB zuzubilligen sein, wenn der Empfänger in Kenntnis der Bedeutung des Schweigens bewusst schwieg, aber den Inhalt des Schreibens falsch verstanden hat, da insoweit ein Inhaltsirrtum vorliegt (offen gelassen in: BGHZ 11, 1 (5 f.)). Allerdings wird in der Lehre gefordert, dem Empfänger die Anfechtung zu versagen, wenn das Missverständnis auf einer Verletzung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt beruht (K. Schmidt, Handelsrecht, 5. Auflage, § 19 III 6 b; aA wohl Larenz/Wolf, BGB AT, 9.Aufl.2004, § 30, Rdnr. 41).

d) Dagegen ist dem Empfänger die Anfechtung wieder zu versagen, wenn er infolge eines Erinnerungsfehlers der irrigen Meinung war, das von ihm richtig verstandene Bestätigungsschreiben stimme inhaltlich mit dem Ergebnis der mündlichen Vereinbarung überein. Denn hier wollte der durch das Schweigen genau das zum Ausdruck bringen, was es besagt, nämlich dass er dessen Inhalt als vereinbart anerkennt. Ein Erklärungs- oder Inhaltsirrtum liegt damit gerade nicht vor. Die irrige Annahme, der Inhalt des Schreibens stimme mit den mündlichen Vereinbarungen überein, ist ein Irrtum auf der Stufe der Willensbildung, also ein grundsätzlich unbeachtlicher Motivirrtum. Bei arglistiger Täuschung durch den Absender wird der Empfänger freilich entsprechend § 123 BGB anfechten können (Larenz/Wolf, BGB AT, § 30, Rdnr. 41).

Die Besonderheiten des § 366 HGB

Da Einzelheiten zum gutgläubigen Eigentumserwerb und zum Handelsrecht den Inhalt späterer Vorlesungen bilden, kann hier nur in der gebotenen Kürze auf die Besonderheiten des § 366 HGB eingegangen werden. Dabei beziehen sich die Äußerungen im Folgenden nur auf den Grundtatbestand des § 929 S. 1 (in Verbindung mit § 932 BGB), die Tatbestände der §§ 929 S. 2 ff. bleiben außer Betracht.

Guter Glaube an das Eigentum

Ist der Veräußerer Eigentümer der Sache, erlangt der Erwerber gemäß § 929 S. 1 BGB Eigentum an der Sache durch Einigung und Übergabe. Ist nicht der Veräußerer Eigentümer, sondern ein Dritter, so kann der Erwerber immer noch derivativ erwerben, wenn der Veräußerer die Verfügungsbefugnis hat oder später erwirbt (§ 185 BGB). Ist der Veräußerer weder Eigentümer noch zur Verfügung über das Eigentum des Dritten befugt, so bleibt für den Erwerber immer noch die (originäre) Erwerbsmöglichkeit kraft guten Glaubens (§§ 929 S. 1, 932 Abs. 1 S. 1 BGB). Diese Erwerbsmöglichkeit setzt voraus:

Wichtig ist Folgendes: § 932 BGB schützt nur den guten Glauben an das Eigentum des Veräußerers, nicht den guten Glauben an die Geschäftsfähigkeit und die Verfügungsbefugnis (Baur/Stürner, 18. Auflage,§ 52, Rdnr. 29).

Guter Glaube an die Verfügungsbefugnis

Zum letztgenannten Punkt macht § 366 HGB eine Ausnahme, wenn ein Kaufmann im Betrieb seines Handelsgewerbes eine ihm nicht gehörende Sache veräußert. Nach dieser Vorschrift genügt für den gutgläubigen Erwerb, dass der gute Glaube des Erwerbers die Befugnis des Veräußerers betrifft, über die Sache des Eigentümers zu verfügen. § 366 HGB schützt also den guten Glauben an die Verfügungsbefugnis des Veräußerers.

Der Tatbestand des § 366 Abs. 1 HGB setzt voraus:

  • Der Veräußerer muss Kaufmann sein, §§ 1 ff. HGB.
  • Die Veräußerung muss im Betrieb des Handelsgewerbes erfolgen. Der gute Glaube daran, es handele sich um ein Handelsgeschäft des Veräußerers reicht nicht aus, es muss vielmehr tatsächlich ein Handelsgeschäft vorliegen.
  • Guter Glaube an die Verfügungsbefugnis des Veräußerers.

Im übrigen müssen alle Voraussetzungen der §§ 929 S. 1, 932 Abs. 1 BGB vorliegen. Insbesondere darf die Sache nicht gemäß § 935 BGB abhanden gekommen sein.

Guter Glaube an die Vertretungsmacht

§ 366 HGB geht von der fehlenden Verfügungsbefugnis aus und ersetzt sie durch den guten Glauben des Erwerbers an die Verfügungsbefugnis. Der Wortlaut der Vorschrift erfasst also nicht den Fall, dass jemand im fremden Namen handelt, ohne Vertretungsmacht zu haben, der Erwerber ihn aber gutgläubig zur Vertretung befugt hält. Die herrschende Meinung wendet dennoch § 366 HGB analog auf den Fall des guten Glaubens an die Vertretungsmacht an. Der Grund: § 366 HGB will im Interesse der Sicherheit des Handelsverkehrs einen verstärkten Schutz des gutgläubigen Erwerbers gewährleisten. Für den Erwerber ist es aber häufig schwer festzustellen, ob sein Vertragspartner im eigenen oder fremden Namen handelt und ob Verfügungs- oder Vertretungsbefugnis vorliegt. Handelt der Vertreter ohne Vertretungsmacht, ist allerdings das zugrunde liegende Verpflichtungsgeschäft gemäß § 177 BGB (schwebend) unwirksam. Der bisherige Eigentümer hat daher gegen den Erwerber einen Anspruch auf Rückübereignung oder Wertersatz. Dabei ist § 818 Abs. 3 BGB zu beachten.

Die Mängelhaftung beim Handelskauf

Für den Handelskauf enthalten die §§ 373 ff. HGB Sonderregelungen, die den besonderen Bedürfnissen des Handelsverkehrs gerecht werden sollen. Diese Spezialregeln treten ergänzend neben das Kaufrecht der §§ 433 ff. BGB, vgl. Art. 2 Abs. 1 EGHGB. Von praktischem Interesse ist hauptsächlich als Zentralnorm des Handelskaufs, § 377 HGB.

Allgemeines

Im Grundsatz gelten für die Gewährleistung bei Kauf und Werklieferungsvertrag die §§ 434 ff. BGB. Das HGB weicht hiervon nicht ab, aber es legt in § 377 HGB dem Käufer Rügelasten auf, die für die Erhaltung der Gewährleistungsrechte bedeutsam sind. Ist der Kauf für beide Parteien ein Handelsgeschäft, so hat der Käufer die Ware unverzüglich nach Ablieferung zu untersuchen und, wenn sich ein Mangel zeigt, dem Verkäufer unverzüglich Anzeige zu machen (§ 377 Abs. 1 HGB). Zeigt sich ein Mangel erst später, so muss die Anzeige unverzüglich nach Entdeckung gemacht werden (§ 377 Abs. 3 HGB). Unterlässt der Käufer die Anzeige, so gilt die Ware als genehmigt (§ 377 Abs. 2, Abs. 3 HS 2 HGB), es sei denn, der Verkäufer hat den Fehler arglistig verschwiegen (§ 377 Abs. 5 HGB).

Die Vorschrift des § 377 HGB dient dem Bedürfnis des Handelsverkehrs nach Klarheit und Schnelligkeit der Vertragsabwicklung. Im bürgerlichen Recht verliert der Käufer seine Gewährleistungsrechte nur, wenn er den Mangel bei Vertragsschluss kennt oder wenn ihm zu diesem Zeitpunkt der vom Verkäufer nicht arglistig verschwiegene Mangel infolge grober Fahrlässigkeit unbekannt geblieben ist (§ 442 BGB). Da § 442 BGB alleine auf den Vertragsschluss abstellt, verliert der Käufer beim BGB - Kauf seine Rechte wegen eines Mangels dagegen grundsätzlich nicht, wenn er den Kaufgegenstand in Kenntnis des Mangel rügelos annimmt (im Gegensatz zu § 464 BGB a.F., der für diesen Fall den Verlust der Gewährleistungsrechte vorsah: vgl. Saenger, in: Handkommentar zum BGB, 6.Aufl.2009, § 442 Rdnr. 4). Ansonsten lebt der Verkäufer für die Dauer der gesetzlichen Verjährungsfrist (§ 438 BGB) im Ungewissen darüber, ob der Käufer Gewährleistungsrechte geltend macht. Selbst nach Verjährung der Gewährleistungsansprüche kann darüber gestritten werden, ob Ansprüche aus allgemeinem Leistungsstörungsrecht (§ 280 Abs. 1 BGB) erhoben werden können (Stichwort: Mangelfolgeschaden, der allerdings nach richtiger Ansicht ebenfalls unter die Verjährung nach § 438 BGB fällt). Alles das läuft den Interessen des Handelsverkehrs zuwider. Dementsprechend beschreibt die Rechtsprechung den Zweck des § 377 HGB:

BGHZ 101, 49 (53): Die den Käufer treffende Obliegenheit zur unverzüglichen Mängelrüge dient nach der ständigen Rechtsprechung nicht nur dem allgemeinen Interesse des Handelsverkehrs an einer raschen und endgültigen Abwicklung von Rechtsgeschäften, sondern in erster Linie den Belangen des Verkäufers, der in die Lage versetzt werden soll, entsprechende Feststellungen und notwendige Dispositionen - vor allem zur Schadensabwendung - zu treffen, und davor bewahrt werden soll, sich noch längere Zeit nach der Ablieferung Ansprüchen wegen etwaiger, mit zunehmendem Zeitablauf nur unsicher feststellbarer Mängel ausgesetzt zu sehen.

Von der Rechtsnatur her handelt es sich bei der Rügelast um eine Obliegenheit, nicht um eine Pflicht (hM, z.B. Wiedemann/Fleischer, PdW Handelsrecht, 8.Aufl.2004, Nr. 495).

Die Voraussetzungen der Rügelast

Handelskauf

Das Geschäft muss den Regel des Handelskaufes unterliegen. Es muss entweder ein Kaufvertrag, ein Tausch (§ 480 BGB), ein Werklieferungsvertrag (§§ 651 BGB, 381 Abs. 2 HGB) vorliegen, der Waren oder Wertpapiere zum Gegenstand hat (§ 381 Abs. 1 HGB). Die Einbringung von Sachen als Einlage in eine Gesellschaft fällt also mangels Umsatzgeschäfts nicht unter den Handelskauf (K. Schmidt, Handelsrecht, 5. Auflage, 1999, § 29 I 1 c).

Beiderseitiges Handelsgeschäft

Gemäß § 377 Abs. 1 HGB muss es sch um ein beiderseitiges Handelsgeschäft handeln, § 377 HGB findet also nach hM nur dann Anwendung, wenn beide Teile Kaufleute sind (§ 1 ff. HGB) und das Geschäft zum Betrieb des jeweiligen Handelsgewerbes gehört (§ 343 Abs. 1 HGB), wofür die Vermutung des § 344 HGB streitet (aA. K. Schmidt, Handelsrecht, 5. Auflage, 1999, § 29 III 2 b, der die Vorschrift auf alle Unternehmensträger ausdehnen will, also auch auf Ärzte und Rechtsanwälte, die mangels Gewerbebetriebs keine Kaufleute sein können, vgl. § 1 Abs. 1 HGB).

Ablieferung der Ware

Die Ware muss abgeliefert sein. Dies ist grundsätzlich dann der Fall, wenn die Ware derart in den Machtbereich des Käufers verbracht wird, dass dieser sie untersuchen kann (BGH, ZIP 2000, 456 (457)).

Lebhaft umstritten war bisher der Zeitpunkt der Ablieferung von Standard-Software. Der BGH hat die Frage nunmehr geklärt und entschieden: Auch beim Kauf von Standard-Software ist die Kaufsache mangels anderweiter Vereinbarung dann "abgeliefert", wenn sie vom Verkäufer in Erfüllungsabsicht derart in den Machtbereich des Käufers gebracht wird, dass dieser sie auf das Vorhandensein von Mängeln untersuchen kann (BGH, ZIP 2000, 456). Zur Begründung führte er aus:

BGH, VII ZR 299/98, ZIP 2000, 456 (458 f.): Nach einer verbreiteten Ansicht in der instanzgerichtlichen Rechtsprechung und der juristischen Literatur soll allerdings die - allein oder zusammen mit entsprechender Hardware - verkaufte Software nicht bereits mit deren Verbringung in den Machtbereich des Käufers, regelmäßig also mit ihrer Übergabe, sondern erst zu einem späteren Zeitpunkt "abgeliefert" (§ 377 Abs. 1 HGB, § 477 Abs. 1 BGB a.F.) sein. Teilweise wird befürwortet, die Ablieferung erst nach Durchführung eines im wesentlichen ungestörten Probelaufs anzusetzen. Andere vertreten eine weitergehende Auffassung, wonach die "Ablieferung" im Sinne von § 377 Abs. 1 HGB und § 477 Abs. 1 BGB a.F. voraussetze, dass die Software im Betrieb des Käufers in einer ausführlichen Erprobungsphase letztlich fehlerfrei gelaufen sei..

Zur Begründung verweisen beide Meinungen darauf, dass die Feststellung von Mängeln insbesondere bei komplizierter Software schwierig und zeitaufwendig sei. Der BGH vermag indessen keiner dieser Ansichten zu folgen. Auch beim Kauf von Software bleibt es grundsätzlich dabei, dass die Kaufsache abgeliefert ist, wenn sie in einer ihre Untersuchung ermöglichenden Weise in den Machtbereich des Käufers gelangt ist. Für eine Sonderregelung hinsichtlich der Ablieferung beim Kauf von Software fehlt es an einer rechtlichen Grundlage. Beide vorgenannten Ansichten führen zu einer Verwischung der Unterschiede zwischen der werkvertraglichen Abnahme im Sinne von § 640 BGB und der kaufrechtlichen Ablieferung im Sinne von § 377 Abs. 1 HGB und § 477 Abs. 1 BGB a.F.. Dem Kaufrecht liegt das Bestreben nach Klarheit und möglichst schneller Regulierung von Mängeln der Kaufsache zugrunde; dies gilt verstärkt unter Kaufleuten. Diesem gesetzlichen Anliegen würde das Hinausschieben des Zeitpunktes der Ablieferung auf einen letztlich unbestimmten Zeitpunkt widersprechen.

Für eine Sonderregelung der Abwicklung beim Kauf von Software ist schließlich auch kein hinreichendes Bedürfnis anzuerkennen. Die zweifellos vorhandenen Schwierigkeiten bei der Entdeckung von Mängeln insbesondere bei umfangreicher und differenzierter Software und entsprechenden EDV-Anlagen bestehen in ähnlicher Weise auch beim Kauf anderer komplizierter technischer Anlagen. Ihnen kann anstatt durch Hinausschieben des Zeitpunktes der Ablieferung in einer die Interessen des Käufers wahrenden Weise auch durch hinreichend großzügige Bemessung der Untersuchungsfrist des § 377 Abs. 1 HGB Rechnung getragen werden. Auch der dem Käufer zur rechtzeitigen Unterbrechung der sechsmonatigen Verjährungsfrist seit Ablieferung der Software (§ 477 Abs. 1 BGB a.F.) zur Verfügung stehende Zeitraum ist ausreichend für die Feststellung von Mängeln. Hierbei ist zu berücksichtigen, dass beim ersten Auftreten von Mängeln der gelieferten Software üblicherweise der Verkäufer im Einvernehmen mit dem Käufer die Fehler zu beseitigen versucht, was nach ständiger Rechtsprechung eine Hemmung des Laufes der Verjährungsfrist entsprechend § 639 Abs. 2 BGB a.F., unter Umständen sogar ihre Unterbrechung aufgrund eines Anerkenntnisses zur Folge hat. Haben die Kaufvertragsparteien indessen zusätzlich die Installation der gekauften Software auf der EDV-Anlage des Käufers oder die Einweisung des Personals des Käufers durch den Verkäufer vereinbart, so ist die Ablieferung allerdings erst mit Erbringung dieser Zusatzleistungen erfolgt.

Mangelhaftigkeit der Lieferung

Die mangelhafte Lieferung begründet die Rügelast. Auch bei Nachlieferung, bei beanstandeter früherer Lieferung oder nach Abschluss von Nachbesserungsarbeiten ist der Käufer zwecks Erhalts seiner Gewährleistungsansprüche gemäß § 377 Abs. 1 HGB gehalten, die Sache unverzüglich erneut zu untersuchen und etwa verbliebene oder auch neue Mängel ebenfalls unverzüglich zu rügen (BGH, ZIP 2000, 456 (459)). Vor der Schuldrechtsreform wurde mit Blick auf den engen Sachmangelbegriff des BGB, der etwa die Aliud - Lieferung nicht mitumfasste, gelehrt, der Mangelbegriff des § 377 Abs. 1 HGB beschränke sich nicht auf den Sachmangelbegriff des BGB. Zwar bestehe nach § 377 Abs. 1 HGB die Rügepflicht, wenn ein Mangel im Sinne des Gewährleistungsrechts vorliege, jedoch seien auch darüber hinaus die Rügepflicht begründende Mängel denkbar. Mit der Ausdehnung des Sachmangelbegriffs im Zuge der Schuldrechtsreform, der nunmehr unter anderem auch auf Montage- und Montageanleitungsmängel sowie Aliud- und Mankolieferungen erstreckt wird (vgl. § 434 Abs. 2, 3 BGB), ist dies jedoch erledigt. Der Mangelbegriff des § 434 BGB wird den hinter § 377 HGB stehenden Bedürfnissen des Handelsverkehrs gerecht und deckt sich daher nunmehr mit dem Mangelbegriff des § 377 HGB.

Inhalt und Erfüllung der Rügelast

Der Wortlaut des § 377 HGB spricht von einer doppelten Obliegenheit: Der Käufer muss die Ware untersuchen und hat einen Mangel durch Anzeige zu rügen. Für das Verhältnis zum Verkäufer ist indes bloß die Rügelast von Bedeutung. Der Rechtsverlust beim Käufer tritt nicht ein, weil er die Ware nicht untersucht hat, sondern stets nur, weil er die Rüge versäumt hat. Das bedeutet nicht, dass die Untersuchungslast bedeutungslos wäre, aber der Rechtsverlust des Käufers kann unmittelbar hierauf nie gestützt werden. Nur für die Rechtzeitigkeit der Rüge kann es von Bedeutung sein, ob ein Mangel bei rechtzeitiger Untersuchung erkennbar gewesen wäre (K. Schmidt, Handelsrecht, 5. Auflage, 1999, § 29 III 3).

1. Nach § 377 HGB soll der Käufer die Ware unverzüglich nach der Ablieferung untersuchen, soweit dies nach dem ordentlichen Geschäftsgang tunlich ist. Unverzüglich bedeutet nach der hM dasselbe wie bei § 121 BGB, nämlich ohne schuldhaftes Zögern. Die Verletzung der Untersuchungsobliegenheit ist für sich alleine folgenlos. Wer eingegangene Ware nicht untersucht, spielt mit seinem Glück. Ist die Ware mangelfrei oder war der Mangel auch bei rechtzeitiger Untersuchung nicht erkennbar, so verliert der nachlässige Käufer keine Rechte. Ist die Ware mangelbelastet, treffen den Käufer die Folgen des § 377 HGB, aber nicht wegen der unterbliebenen Untersuchung, sondern weil er die Rüge versäumt hat.

2. Hinsichtlich der Rügelast unterscheidet das Gesetz zwischen Mängeln, die bei einer ordnungsgemäßen Untersuchung erkennbar sind (§ 377 Abs. 1 HGB) und solchen, die auch nicht bei ordnungsgemäßer Untersuchung erkannt werden können (§ 377 Abs. 3 HGB). Im ersten Fall muss unverzüglich nach der Ablieferung die Ware untersucht und ggf. gerügt werden, im zweiten Fall unverzüglich, nachdem sich der Mangel gezeigt hat. Unverzüglich bedeutet nach hM wieder dasselbe wie bei § 121 BGB. Mit Abs. 3 kann nicht jeder Mangel gerügt werden, der sich erst später zeigt, vielmehr gilt Abs. 3 nur für diejenigen Mängel, die nicht schon nach Abs. 1 gerügt werden mussten. Eine Rüge nach Entdeckung des Mangels nach Abs. 3 ist nicht mehr ausreichend, wenn der Mangel bei ordnungsgemäßer Untersuchung hätte erkannt werden müssen (Abs. 1 ), da dann die Ware bereist nach Abs. 2 genehmigt ist. Abs. 3 erfasst demnach die sog. versteckten Mängel.

3. Die Frist für die Rüge wird außerordentlich kurz bemessen. Eine Form ist nicht vorgeschrieben. Welche Anforderungen an die Bestimmtheit einer Mängelrüge zu stellen sind, kann letztlich nur unter Berücksichtigung der Umstände des jeweiligen Einzelfalles entschieden werden. Die Rechtsprechung hält daran fest, dass der Käufer, der seine Gewährleistungsansprüche wahren möchte, nicht eine in alle Einzelheiten gehende, genaue und fachlich richtige Bezeichnungen verwendende Rüge formulieren muss. Es genügt vielmehr, wenn ihr der Verkäufer aus seiner Sicht, ohne dass es auf die Verständnismöglichkeit eines außenstehenden Dritten ankäme, entnehmen kann, in welchem Punkt der Käufer mit der gelieferten Ware - als nicht vertragsgemäß - nicht einverstanden ist. Maßgebende Richtschnur ist dabei der Sinn der dem Käufer vom Gesetzgeber auferlegten Obliegenheit zur Mängelrüge. Der Verkäufer soll angesichts der Beweisnot, in die er mit zunehmendem Zeitablauf zu geraten droht, in die Lage versetzt werden, möglichst bald den Beanstandungen durch den Käufer nachzugehen, gegebenenfalls Beweise sicherzustellen und zudem zu prüfen, ob er den als sicher oder möglicherweise berechtigt erkannten Beanstandungen nachkommen und damit einen etwaigen Rechtsstreit vermeiden will. Gleichzeitig soll er gegen ein Nachschieben anderer Beanstandungen durch den Käufer geschützt werden. Es bedarf danach nicht so sehr der Aufdeckung der Ursachen des Fehlers als vielmehr seiner Beschreibung (BGH, NJW 1986, 3136 (3137)).

4. Die Rüge ist empfangsbedürftig. Die rechzeitige Absendung genügt gem. § 377 Abs. 4 HGB zur Fristwahrung.

Die Rechtsfolgen des Rügeversäumnisses

1. Nach § 377 Abs. 2, Abs. 3 HS 2 HGB gilt die Ware als genehmigt, d.h. sie gilt als vertragsgemäß. Rechtstechnisch kann man diese Vorschrift als Fiktion einordnen (K. Schmidt, Handelsrecht, 5. Auflage, 1999, § 29 III 5 a). Der Mangel ist vorhanden, aber die Ware gilt als mangelfrei. Ein Mangel kann nicht mehr geltend gemacht werden. Die Verletzung der Rügeobliegenheit nimmt den Käufer aber nicht nur die Rechte aus §§ 434 ff. BGB. Der Käufer kann aus dem Mangel keinerlei Rechte mehr herleiten, weder aus § 119 Abs. 2 BGB, Unmöglichkeit, Leistungsverzögerung etc. Der Verlust von Rechten durch das Rügeversäumnis erfasst aber nur diejenigen Rechte, die sich aus der Mangelhaftigkeit herleiten. Vor allem bei Mangelfolgeschäden kann dies zu schwierigen Abgrenzungsproblemen führen. Die Verletzung der Rügeobliegenheit gemäß § 377 Abs. 1 HGB hat nicht den Verlust deliktischer Ansprüche wegen einer durch die Schlechtlieferung verursachten Verletzung eines der in § 823 Abs. 1 BGB genannten Rechtsgüter des Käufers zur Folge (BGHZ 101, 337).

2. Die Rechte des Verkäufers bleiben durch die Nichtrüge unberührt. Er kann grundsätzlich den vollen Kaufpreis verlangen. Vertiefende Ausführungen müssen späteren Veranstaltungen vorbehalten bleiben.

3. Kein Rechtsverlust für den Käufer tritt ein, wenn der Verkäufer den Mangel arglistig verschwiegen hat. Dafür genügt es nicht, dass der Verkäufer den Mangel kannte, sondern es muss hinzukommen, dass er wusste oder damit rechnete, der Käufer werde die Ware bei Kenntnis des Mangels nicht als Erfüllung annehmen.

Die Rechtsfolgen rechtzeitiger Rüge

Die rechtzeitige Rüge verschafft keine neuen Rechte, aber sie erhält dem Käufer die Rechte wegen mangelhafter Lieferung. Welche Rechte das im einzelnen sind, ist ein Problem des bürgerlichen Rechts und wurde im Rahmen der Vorlesung bei der Vorstellung der Rechtsbehelfe des Gewährleistungsrechts bereits ausführlich besprochen.

Zuletzt geändert: Freitag, 3. Juni 2011, 16:02