Beiträge mehrerer zum Schadensereignis

Ein Schadensereignis beruht häufig nicht nur auf dem Beitrag eines Schädigers; es wirken vielmehr viele Beiträge bei dem Schadensereignis mit. Es kann sich um mehrere Schädiger handeln; es kann aber auch darum gehen, dass der Geschädigte selbst einen Beitrag zu seinem Schaden leistet. Auf die letztere Konstellation haben uns schon die Bemerkungen von Kötz zur "Panik im Schweinestall" aufmerksam gemacht. Den Fragen, welche Rechtsfolgen das Zusammentreffen mehrerer Schädigungsbeiträge in der einen und der anderen Konstellation hat, wollen wir abschließend nachgehen.

Der Eigenbeitrag des Geschädigten

Die Grundnorm für die rechtliche Behandlung eines Eigenbeitrags des Geschädigten zu seinem Schaden ist in § 254 Abs. 1 BGB enthalten. Er befasst sich mit den rechtlichen Folgen gleichzeitiger Fremd- und Eigenschädigung. Sein Grundgedanke ist der, dem Geschädigten den Teil des erlittenen Schadens zu belassen, den dieser selbst zu verantworten hat. So einleuchtend der Grundgedanke ist, so schwierig ist es, ihn in Einzelentscheidungen umzusetzen. In der gerichtlichen Praxis spielt § 254 BGB eine überaus große Rolle, weil in ihn vielfältige Möglichkeiten zur Durchbrechung des Alles-oder-Nichts-Prinzips angelegt sind. Seine praktische Bedeutung steht allerdings im umgekehrt proportionalen Verhältnis zu seiner theoretischen Durchdringung. Zur Orientierung in der kaum mehr überschaubaren Kasuistik lassen sich drei Problembereiche angeben: Der erste betrifft die Frage, unter welchen Voraussetzungen überhaupt dem Geschädigten ein eigener Beitrag anspruchsmindernd in Rechnung gestellt wird; der zweite die Frage nach der Anspruchskürzung durch Schädigungsbeiträge Dritter und der dritte die erst nach der positiven Beantwortung von 1 und/oder 2 auftretende Frage nach den Kriterien für ein konkret durchzuführendes Abwägungsprogramm.

Frage 1 wird vom Gesetz unzureichend beantwortet. Das in § 254 Abs. 1 BGB allein genannte "Verschulden des Beschädigten" hat einerseits zu zahllosen Spekulationen darüber geführt, ob man überhaupt von einem Verschulden gegen sich selbst reden könne. Diese Spekulationen sind praktisch unergiebig geblieben. Denn auch, wenn man meint, nicht von einem Verschulden gegen sich selbst reden zu können, weil eine Selbstschädigung nicht verboten sei, muss man das die Abwägung auslösende Programm an ein "Fehlverhalten" des Geschädigten knüpfen, hinter dem sich regelmäßig Verschuldensgesichtspunkte verbergen. Über eine folgenlose "façon de parler" aber lohnt das Streiten nicht. Andererseits ist man sich heute in Rechtsprechung und Lehre darüber einig, dass nicht nur ein Verschulden (Fehlverhalten) des Geschädigten, sondern auch die Verwirklichung von ihm beherrschter Betriebs- oder Stoffgefahren zu einer Kürzung seines Schadensersatzanspruchs führen kann (BGHZ 52, 106), so dass zum korrekten Verständnis des § 254 Abs. 1 hinter "Verschulden" der Zusatz "oder eine Betriebs- bzw. Stoffgefahr" eingefügt werden muss.

Bei diesem Befund stehen allein zwei dogmatische Konstruktionsprinzipien für die Antwort auf Frage 1 ernsthaft zur Diskussion. Das eine knüpft an die Zurechnung für Fremdschäden an und führt zur Verantwortung für Eigenschäden genau dann, wenn dieser als Fremdschaden ersetzt werden müsste. Dieses Prinzip wird - mehr oder weniger bewusst - von der Rechtsprechung verwendet. Das andere Konstruktionsprinzip befreit sich von der (hypothetischen) Fremdschadensperspektive und entwickelt eigene, auf die Frage des Selbstbehalts zugeschnittene Zurechnungskriterien. Die für den Selbstbehalt dann genannten Zurechnungskriterien (Fehlverhalten, Betriebs- oder Stoffgefahr) sind aber denen der Fremdschadenszurechnung so ähnlich, dass auch hier zunächst der Eindruck einer folgenlosen Scheinkontroverse entsteht.

Dennoch ist der Streit kein - im schlechten Sinne - akademischer. Denn es gibt unterschiedliche Entscheidungen je nach dem, welches der beiden Konstruktionsprinzipien man zugrunde legt. Im Rahmen des ersten, an der Fremdschadensperspektive ausgerichteten Prinzips ist es nur konsequent, wenn die Rechtsprechung die Anrechnung des Fehlverhaltens durch §§ 827, 828 BGB begrenzt (BGHZ 9, 316); die Billigkeitshaftung des § 828 BGB für anrechenbar erklärt (BGHZ 37, 102) und dem Fahrer eines Kraftfahrzeuges einen Selbstbehalt nur unter den Voraussetzungen des § 18 StVG (und nicht schon unter denen des § 7 StVG) ansinnt (BGH VersR 1963, 350).

Das von der Mindermeinung verfochtene zweite Konstruktionsprinzip führt zu Ergebnissen, die eher im Einklang mit dem Grundgedanken der Schadensabnahme stehen. Schäden, die jemand wegen seines eigenen objektiven Fehlverhaltens erleidet, muss er tragen, sei er taubstumm, minderjährig oder gesund und volljährig. Wenn nun das eigene objektive Fehlverhalten nicht alleinige Ursache der Schäden ist, sondern mit haftungsauslösenden Fremdursachen zusammentrifft, ist die Überwälzung der Schäden auf den haftpflichtigen Dritten auch nur in Höhe seines Verantwortungsteils gerechtfertigt, und dem Geschädigten verbleibt der Teil des Schadens, der seinem eigenen Fehlverhalten zuzuschreiben ist, wiederum unabhängig von seiner (allein zur Begrenzung der Fremdverantwortung geschaffenen) Unzurechnungsfähigkeit. Das Konstruktionsprinzip der Rechtsprechung bricht mit diesen Grundgedanken und ist deshalb abzulehnen. Das Konstruktionsprinzip der Mindermeinung führt sodann unter folgenden Gesichtspunkten zum Selbstbehalt:

Objektives Fehlverhalten des Geschädigten: Bei der Festsetzung der Maßstäbe für ein objektives Fehlverhalten hat die Rechtsprechung erhebliche Entscheidungsspielräume. Ihre Entscheidungen grenzen - ähnlich wie die Festlegung von Sorgfaltspflichten bei der Haftungsbegründung - den Bereich ab, in dem man sich unbelastet von potentiellen Haftungs- und Selbstbehaltsrisiken frei bewegen kann. Anhaltspunkte für die Maßstäbe, deren Verletzung ein objektives Fehlverhalten begründet, lassen sich im Fremdhaftungstest gewinnen: Löst die Verletzung des betreffenden Maßstabs eine Haftpflicht für Fremdschäden aus, so rechtfertigt sie auch den anteiligen Selbstbehalt von Eigenschäden. Hier wie dort aber ist darauf zu achten, dass die Freiheit zu schadensgeneigten Gewinntätigkeiten eher eingeschränkt werden sollte als die Freiheit zur Gestaltung der persönlichen Lebensbedürfnisse. Schäden bei Sport und Spiel, die jemand erleidet oder zufügt, ohne dass er die spezifischen Spielregeln verletzt, rechtfertigen weder Haftpflicht noch Selbstbehalt.

Verwirklichung von Betriebs- und Stoffgefahren: Der unter diesem Gesichtspunkt gerechtfertigte Selbstbehalt des Geschädigten geht über das hinaus, was ihm im Haftungsbegründungsbereich an Fremdschadensabnahmen zugemutet wird. Das Grundprinzip lautet: Jeder Nutznießer von Betrieben und Stoffen, die zwar gefährlich, wegen ihres (in der Regel wirtschaftlich/technischen Nutzens) aber nicht verboten sind, muss sich seinen Schadensersatzanspruch kürzen lassen, wenn sich zusätzlich zur Fremdursache auch die spezifische Betriebs- oder Stoffgefahr schädigend ausgewirkt hat. Das gilt nicht nur für den Halter eines Kraftfahrzeugs, sondern auch für dessen Fahrer und Mitfahrer, die einen Nutzen aus dem gefährlichen Betrieb ziehen. Schließlich ist der Selbstbehalt auch bei der Verwirklichung von Gefahren solcher Betriebe und Stoffe geboten, für die ein Gefährdungshaftungstatbestand (noch) nicht geschaffen worden ist (Motorboot, Bagger auf Schienen). Das im Bereich der Haftungsbegründung der Entwicklung eines generellen Gefährdungshaftungstatbestand nur scheinbar im Wege stehende Analogieverbot, kann den Selbstbehalt auf keinen Fall hindern. Dem Geschädigten verbleiben die Schäden, die einem Betrieb oder einem Stoff entspringen, welche der Geschädigte trotz ihrer Gefährlichkeit zu seinem (wirtschaftlichen) Vorteil nutzt.

Lange, Larenz und Esser/Schmidt lehnen die Rechtsprechung aus übereinstimmenden Gründen ab und unterbreiten übereinstimmende Entscheidungsvorschläge. Testfälle sind das Zusammentreffen einer deliktischen Schädigung mit einer Schädigung durch den vom Geschädigten eingesetzten "Bewahrungsgehilfen" einerseits und mit einer Schädigung durch den gesetzlichen Vertreter (mangelnde Aufsicht) andererseits. Der Beitrag des Bewahrungsgehilfen soll angerechnet, der des gesetzlichen Vertreters außer acht gelassen und der deliktische Schädiger damit auf den Regress gegen den gesetzlichen Vertreter des Geschädigten (§ 426 BGB) verwiesen werden. Larenz erreicht das technisch durch die Rechtsfolgenverweisung, von der der gesetzliche Vertreter ausgenommen wird (§ 31 I d; ähnlich Lange, § 10 VI 6 b). Esser/Schmidt möchten die Schaffung des Bewahrungsrisikos als anrechenbaren Umstand i.S. des § 254 Abs. 1 BGB verstanden wissen und benötigen deshalb keine Verweisung mehr (§ 35 III 1). Die Außerachtlassung der deliktischen Mitbeteiligung des gesetzlichen Vertreters legitimieren die Schuldrechtslehrer mit der fehlenden Haftung des Vertretenen für die Schäden, die der Vertreter Dritten zufügt (Larenz, § 31 I d; Esser/Schmidt, § 35 III 2 und 3) und halten damit der Rechtsprechung das ihr eigene Konstruktionsprinzip vor.

Letztlich vermag keines der vorgestellten Lösungsangebote zu überzeugen, weil sie alle die ausdrückliche Auseinandersetzung mit dem alternativen Regelungsmodell vermissen lassen: der Abwicklung des Konflikts nach den Gesamtschuldregeln. Am Konflikt sind ein Geschädigter und mehrere Schädiger beteiligt. Prinzipiell bestehen zwei Abwicklungsmöglichkeiten mit identischer Letztverteilung: erstens die Schädiger von vornherein schon gegenüber dem Geschädigten nur nach Maßgabe ihres Schädigungsbeitrags haften zu lassen (Teilschuldner) oder zweitens die Schädiger als Gesamtschuldner dem Schädiger gegenüber auf das Ganze (§ 421 BGB) zu verpflichten und die Anteile im Regress untereinander bestimmen zu lassen (§ 426 BGB). Die anspruchkürzende Zurechnung des Verschuldens eines Bewahrungsgehilfen führt zu einer (partiellen) Teilschuld. Eine Begründung für die Versagung des Gesamtschuldprivilegs ist damit noch nicht gegeben. Immerhin ordnet § 840 BGB für das Zusammentreffen deliktischer Haftungen die Gesamtschuld ausdrücklich an. Warum dies für das Zusammentreffen von oder mit vertraglichen Schadensersatzansprüchen anders sein sollte, ist nicht ohne weiteres einleuchtend, dienen doch sowohl die verletzten Pflichten als auch die resultierenden Ersatzansprüche alle dem Schutz ein- und desselben Interesses (Schutzzweckgesamtschuld i.S. Ehmanns; vgl. dazu AK-BGB/Rüßmann, § 421 Rz. 5). Eine Versagung des Gesamtschuldprivilegs sollte deshalb nur in besonders begründeten Ausnahmefällen in Betracht kommen. Die arbeitsteilige Vergabe von Pflichten (etwa vom Bauherrn an Architekten, Statiker, Bauunternehmer) reicht allein nicht aus, um dem Bauherrn das Verschulden des einen gegenüber seinem Ersatzanspruch an einen anderen anzurechnen. Angerechnet werden sollte hier nur ein mögliches Auswahl- oder Überwachungsverschulden des Auftraggebers selbst. Darüber hinaus ist eine Anrechnung von Drittverschulden nur dann vertretbar, wenn der Dritte im Rahmen einer vom Geschädigten unterhaltenen Organisation tätig ist und von anderen Leistungen an die Organisationseinheit erbracht werden, die sich u. a. deshalb schädigend auswirken, weil die Organisation nicht die Vorkehrungen zur Schadensverhütung getroffen hat, die dem Geschädigten auch als Einzelperson obgelegen hätten (z. B. Untersuchungs- und Rügepflichten). Die Rechtsprechung zum Bewahrungsgehilfen (BGH 3, 46; BGH 36, 329) sprengt ebenso wie die angeführte Literatur die skizzierten Ausnahmebereiche und ist deshalb abzulehnen. Für die Rechtsprechung oder besser dafür, mit Esser/Schmidt (§ 35 III 1) die Schaffung eines Bewahrungsrisikos als Anrechnungsfaktor anzuerkennen, sprechen indessen Vorschriften aus speziellen Haftpflichtgesetzen (§ 4 HaftpflichtG, § 9 StVG, § 34 LuftVG, § 27 AtomG, § 6 ProdHaftG), nach denen sich der Geschädigte die Schädigungsbeiträge derer anrechnen lassen muss, die die tatsächliche Gewalt über die beschädigte Sache ausüben.

Die Zurechnung des Fehlverhaltens Dritter

Die Regeln, nach denen der Geschädigte sich ein Fehlverhalten Dritter anspruchskürzend entgegenhalten lassen muss, sind in Rechtsprechung und Literatur außerordentlich umstritten (Überblick bei Lange, Schadensersatz, Handbuch des Schuldrechts, § 10 XI). Der Streit entzündet sich insb. an der Frage, welche Bedeutung § 254 Abs. 2 Satz 2 mit seiner Verweisung auf § 278 hat. Eindeutig ist allein das Gebot, § 278 im Rahmen des § 254 Abs. 2 anzuwenden. Wird es versäumt, den Schädiger auf die Gefahr eines ungewöhnlich hohen Schadens aufmerksam zu machen, den Schaden abzuwehren oder ihn zu mindern, so führt das zu einer Anspruchskürzung auch dann, wenn das jeweilige Versäumnis nicht dem Geschädigten selbst, sondern seinem gesetzlichen Vertreter oder einer von ihm eingesetzten Hilfsperson zum Vorwurf gereicht. Zweifelhaft ist aber, ob und wenn ja, in welchem Umfang die Verweisung auf § 278 auch für § 254 Abs. 1 gilt.

Nach der Rechtsprechung gilt die Verweisung für Abs. 1 - allerdings nur als Rechtsgrundverweisung. Deshalb kann § 278 im Rahmen des § 254 Abs. 1 nur dann zur Anwendung gelangen, wenn zwischen Schädiger und Geschädigtem ein Schuldverhältnis oder doch wenigstens eine vertragsähnliche Beziehung bestanden hat. Daran fehlte es in der ersten Entscheidung des Bundesgerichtshofs zu diesem Problemkomplex:

Gericht: BGH 3. Zivilsenat, Datum: 08.03.1951, Az: III ZR 65/50

Leitsatz

Die ständige Rechtsprechung des Reichsgerichts, daß dem Geschädigten bei einer Klage aus unerlaubter Handlung hinsichtlich der Entstehung des Schadens mitursächliches Verschulden seines gesetzlichen Vertreters nicht nach BGB § 254 Abs 1 anzurechnen ist, wird aufrechterhalten.

Fundstelle

BGHZ 1, 248-253 (LT1)

Gründe

Zu Unrecht rügt die Revision, daß das Berufungsgericht unter Anwendung der Rechtsprechung des Reichsgerichts das angebliche Verschulden des Vaters des (zur Zeit des Unfalls 8 Jahre alten) Klägers nicht berücksichtigt hat. Sie bittet um Überprüfung der Rechtsprechung des Reichsgerichts zur Frage, ob und wieweit der Geschädigte sich das Verschulden seines gesetzlichen Vertreters gemäß § 254 BGB im Rahmen seiner Ansprüche aus unerlaubter Handlung als Mitverschulden anrechnen lassen muß.

Einigkeit in Rechtsprechung und Schrifttum besteht darüber, daß § 278 BGB, obgleich seine entsprechende Anwendung nur in § 254 Abs 2 BGB ausgesprochen ist, nicht nur in den Fällen des § 254 Abs 2 BGB für die Schadensabwendung und für die Schadensminderung anzuwenden ist, sondern auch auf das Verschulden bei der Entstehung des Schadens. Streitig ist dagegen, was unter "entsprechender Anwendung" des § 278 zu verstehen ist. Das Reichsgericht hat in ständiger, auch nach wiederholten Überprüfungen beibehaltener Rechtsprechung als Voraussetzung einer Berücksichtigung des Verschuldens der gesetzlichen Vertreter und der Erfüllungsgehilfen verlangt, daß die gesetzlichen Vertreter und die Erfüllungsgehilfen in Erfüllung einer schon bestehenden Verbindlichkeit des Geschädigten gehandelt haben: mindestens verlangt es, daß etwas einer Verbindlichkeit Ähnliches vorliegt. Bei unerlaubten Handlungen hat es daher das Verschulden dieser Personengruppen bei Entstehung eines Schadens dem Geschädigten nicht nach § 278 angerechnet. Es hat ein Verschulden dieser Personengruppen nur berücksichtigt, soweit im Einzelfalle der Geschädigte für das Verhalten dieser Personengruppen nach § 831 einzustehen hat. Eine Ausnahme hat es für § 254 Abs 2 bei mangelnder Schadensabwendung oder -minderung angenommen (vgl Zusammenstellung in RGRK 9. Aufl § 254 Anm 3).

Diese Rechtsprechung des Reichsgerichts findet ihre Grundlage darin, daß § 278 BGB die Anrechnung des Verschuldens dritter Personen nur insoweit zuläßt, als der Schuldner sich dieser Personen "zur Erfüllung seiner Verbindlichkeit bedient"; daraus wird gefolgert, daß eine Verbindlichkeit oder etwas einer Verbindlichkeit Ähnliches zwischen Schädiger und Geschädigtem zur Zeit der fraglichen Handlungen bereits bestanden haben müsse. Die Ansicht, ein derartiges Verhältnis liege nicht nur in den Fällen des § 254 Abs 2 BGB vor, vielmehr sei auch § 254 Abs 1 der Ausfluß einer solchen Rechtspflicht ("Verschulden gegen sich selbst"; "jeder sei verpflichtet, sich und seine Güter vor Schaden zu bewahren"; "jedermann habe die dem normalen Menschen obliegende Sorgfaltspflicht auf seine Person und sein Vermögen anzuwenden"), hat das Reichsgericht bereits in RGZ 628 346 (349) überzeugend damit zurückgewiesen, daß diese Verpflichtungen des Geschädigten nur solche gegen sich selbst sind und daß sie nicht, wie in § 278 BGB verlangt wird, gegenüber dem schädigenden Dritten bestehen. Aus § 254 Abs 1 ergibt sich, wie RGZ 140, 1 (7) betont, keine derartige selbständige Verpflichtung für den Geschädigten, dem Schädiger zur Zeit der Entstehung des Schadens zum Nichteintritt der schadenstiftenden Ursache behilflich zu sein (RGZ 119, 152 (155)). Die Vorschrift des § 254 Abs 1 gibt dem Schädiger bloß einen Einwand, der seine Schadensersatzpflicht im Hinblick auf das mitwirkende Verschulden des Geschädigten mindern oder beseitigen kann.

Weitere Angriffe (Staudinger Aufl 9 § 254 Anm 2e, 167) gegen die Ansicht des Reichsgerichts werden daraus hergeleitet, daß der Satz von der "entsprechenden Anwendung des § 278" zweideutig sei; er könne nicht nur - mit dem Reichsgericht - dahin ausgelegt werden, der Geschädigte müsse sich in den Fällen, in denen der Schuldner nach § 278 für das Verschulden von gesetzlichen Vertretern und Erfüllungsgehilfen hafte, das Verschulden dieser Personen im Rahmen des § 254 ebenfalls zurechnen lassen, also in den Fällen der Erfüllung einer bestehenden Verbindlichkeit; er könne auch bedeuten, daß die Rechtslage des nach § 254 für sein eigenes Verschulden haftenden Geschädigten hinsichtlich der Frage einer Haftung für das Verschulden von gesetzlichen Vertretern und Angestellten der Rechtslage desjenigen, der nach § 278 für das Verschulden dieser Personen hafte, vollständig gleichgesetzt werde, das heiße, daß der Geschädigte in allen Fällen das Verschulden seines gesetzlichen Vertreters und der Personen, deren er sich zur Erfüllung der ihm durch § 254 auferlegten "Verpflichtung gegen sich selbst" bediene, wie eigenes Verschulden gegen sich gelten lassen müsse. Richtig ist zwar, daß rein sprachlich eine solche Auslegung möglich wäre. Das Reichsgericht hat in RGZ 75, 257 (258) diese entsprechende Anwendung des § 278 auf den ganzen § 254 in der Art, daß das Tatbestandsmerkmal des § 278 "in Erfüllung einer Verbindlichkeit" beseitigt wird, abgelehnt; es hat dabei bereits auf die aus einer solchen Auslegung sich ergebende Rechtsungleichheit hingewiesen, da alsdann der Geschädigte im Rahmen des § 254 BGB für das Versehen seiner Erfüllungsgehilfen und gesetzlichen Vertreter unbedingt einzutreten hätte, während auf der Seite des Schädigers der Vertretene bzw der Geschäftsherr für unerlaubte Handlungen seiner gesetzlichen Vertreter (Ausnahmen in §§ 31, 89 BGB) gar nicht und für die von Hilfspersonen nur in den Grenzen des § 831 BGB einzutreten habe (vgl auch RGZ 62, 346 (349/50)). Eine so weitgehende Auslegung des § 254, daß § 278 BGB entsprechend anzuwenden sei, würde mit dem das ganze Recht der unerlaubten Handlung beherrschenden Grundsatz in Widerspruch stehen, daß der Ersatzpflichtige dem Verletzten nicht entgegenhalten kann, zum Zustandekommen der Verletzung sei noch das Verhalten eines Dritten mitursächlich gewesen. Natürliche Personen haften - im Gegensatz zu juristischen - für die unerlaubten Handlungen ihrer Vertreter nicht. Dieser Satz gilt schlechthin. Er kann auch in den Fällen keinerlei Einschränkung unterworfen werden, in denen der Verletzte ein Minderjähriger, der Mitverursacher der Aufsichtspflichtige und die Mitursache eben die nicht gehörige Ausübung der Aufsicht ist (RGZ 121, 114 (117); 159, 283 (292)). Die dem Wortlaut nach bestehende Möglichkeit einer weiteren Auslegung des fraglichen Satzes des § 254 BGB über die entsprechende Anwendung des § 278 BGB würde gegen den das deutsche Recht der unerlaubten Handlung gerade im Gegensatz zu anderen Rechten (vgl zB im französischen Recht art 1384cc) beherrschenden Grundsatz verstoßen, daß man für das schädigende Verhalten anderer Personen bei unerlaubten Handlungen grundsätzlich (Ausnahmen: §§ 31, 89 und 831 BGB) nicht haftet, sondern nur für das eigene Verschulden. Diese weitere Auslegung wäre daher rechtlich nur zulässig, wenn eindeutig erkennbar wäre, daß der Gesetzgeber durch die Bezugnahme auf § 278 in § 254 diesen Grundsatz durchbrechen wollte. Das kann aber nicht festgestellt werden.

Auch aus Billigkeitserwägungen (vgl zB Enneccerus-Lehmann Aufl 1950 Schuldrecht § 16 II 2 S 74) kann ein von der Rechtsprechung des Reichsgerichts abweichendes Ergebnis nicht gerechtfertigt werden. Auf die Rechtsungleichheit zwischen dem Umfang der Haftung auf Seiten des Schädigers und des Geschädigten bei einer so weiten Auslegung des § 254 BGB war bereits unter Hinweis auf RGZ 62, 346 (349/50) eingegangen. Wenn demgegenüber Enneccerus-Lehmann (aaO) ausführt, es sei besser, der Geschädigte werde durch die erhöhte Haftung für das Verhalten dritten Personen stärker belastet als der Schädiger, weil der Geschädigte die Möglichkeit habe, auf seine Erfüllungsgehilfen einzuwirken, praktisch würde die Nichtanwendung des § 278 auf das Mitverschulden dieser Personengruppen bei Entstehung des Schadens dazu führen, daß bei unerlaubten Handlungen der Schädiger das Verschulden der Gehilfen des Geschädigten mit zu vertreten hätte, so wird dabei die Ausgleichsmöglichkeit über §§ 840, 426 BGB zwischen dem Schädiger und dem gesetzlichen Vertreter bzw Gehilfen des Geschädigten nicht berücksichtigt, die für den Fall besteht, daß diese Personengruppen den Schaden durch ihr Verhalten mitverschuldet haben (vgl RGZ 62, 346 (350)). Sollte aber Enneccerus-Lehmann nur sagen wollen, praktisch werde der Schädiger den Schaden meist allein tragen müssen, weil bei dem gesetzlichen Vertreter bzw dem Gehilfen des Geschädigten nichts zu holen wäre, so würde gerade diese Erwägung zeigen, wie wichtig es für den persönlich schuldlosen Geschädigten ist, daß er sich die Stelle, wo er sich wegen seines Schadens erholen will, selbst aussuchen und beim Vorhandensein mehrerer Verpflichteter (Schädiger und gesetzlicher Vertreter des Geschädigten) frei wählen kann, wen er in Anspruch nehmen will.

Der vom Reichsgericht entwickelten Rechtsansicht kann auch nicht, wie das Reichsgericht bereits in RGZ 75, 257 (259) ausgeführt hat, entgegengehalten werden, daß die gleichen Ergebnisse gewonnen werden könnten, wenn § 254 Abs 2 Satz 2 BGB nicht vorhanden wäre, und dieser Satz im Gesetz daher überflüssig sei.

Der Senat schließt sich daher der ständigen Rechtsprechung des Reichsgerichts, die auch nicht durch die Entscheidungen RGZ 62, 106 und Warn Rspr 1910 Nr 234 unterbrochen worden ist (vgl dazu RGZ 140, 1 (8)), an. Dem Geschädigten wird bei einer Klage aus unerlaubter Handlung hinsichtlich der Entstehung des Schadens mitursächliches Verhalten seines gesetzlichen Vertreters nicht nach § 254 Abs 1 BGB zugerechnet.

Ein etwaiges Verschulden des Vaters als des gesetzlichen Vertreters des Klägers könnte dem Kläger demnach nur angerechnet werden, wenn der Vater in Erfüllung einer schon bestehenden Verbindlichkeit des geschädigten Klägers gehandelt hätte (Palandt Aufl 7 § 254 Anm 4; RGZ 54, 410). Eine solche Verbindlichkeit hat jedoch nicht vorgelegen (wird ausgeführt).

In der folgenden Entscheidung bejaht der Bundesgerichtshof die vertragliche Sonderbeziehung zwischen dem Geschädigten und dem Schädiger und rechnet dem Geschädigten das Verschulden der zur Wahrung seiner Interessen als Erfüllungsgehilfin eingeschalteten Ehefrau an:

Gericht: BGH 1. Zivilsenat, Datum: 03.07.1951, Az: I ZR 44/50

Leitsatz

1. Ein Schadenausgleich gemäß BGB § 254 ist auch dann vorzunehmen, wenn das schuldhafte Verhalten des Geschädigten oder seiner Hilfspersonen auf die zeitlich nachfolgende Handlungsweise des Schädigers, die unmittelbar das schädigende Ereignis herbeigeführt hat, adäquat von Einfluß gewesen ist.

2. Bei einem Vertragsverhältnis muß sich der Geschädigte die schuldhafte Mitverursachung des Schadens durch eine Hilfsperson gemäß BGB § 254 auch dann anrechnen lassen, wenn er sich dieser Hilfsperson nicht zur Erfüllung einer vertraglichen Leistungspflicht, sondern zur Wahrung seiner eigenen Belange in Ansehung des Vertragsgegenstandes bedient hat und das schädigende Verhalten der Hilfsperson in unmittelbarem Zusammenhang mit dem ihr im Rahmen des Vertrages anvertrauten Pflichtenkreis steht.

Fundstelle

BGHZ 3, 46-52 (LT1-2)

Tatbestand

Im Herbst 1945 beauftragte die Ehefrau des Klägers in seinem Namen das beklagte Transportunternehmen, Hausrat mit einem Lastkraftwagen von L. nach D. zu schaffen. Die Ehefrau des Klägers und Z., der dem Kläger bei der Durchführung des Transports behilflich sein wollte, begleiteten den Transport. Kurz vor S. fingen einige Möbelstücke im vorderen Drittel des Wagens an zu brennen. Es gelang, das Feuer zu löschen. Der Inhaber der Beklagten lehnte zunächst eine Fortsetzung der Fahrt wegen der damit verbundenen Brandgefahr ab. Die Ehefrau des Klägers weigerte sich jedoch, an Ort und Stelle zu übernachten - es war inzwischen die Dämmerung hereingebrochen - und bestand auf der Weiterfahrt. Der Inhaber der Beklagten gab schließlich dem Drängen der Ehefrau des Klägers nach. Bereits wenige Minuten nachdem das Fahrzeug erneut in Betrieb gesetzt worden war, entwickelte sich an der gleichen Stelle wie vordem rasch ein großes Feuer. Der größte Teil des Hausrats verbrannte.

Die Schadensersatzklage ist von den Vorinstanzen dem Grunde nach für gerechtfertigt erklärt worden. Die Revision der Beklagten führte zur Abweisung der Klage in Höhe von einem Drittel.

Entscheidungsgründe

Es ist dem Berufungsgericht beizupflichten, daß der für den Transport verantwortliche Inhaber der Beklagten dem Verlangen der Ehefrau des Klägers, trotz der Brandgefahr die Fahrt fortzusetzen, keinesfalls hätte nachgeben dürfen. Dies ändert aber nichts an dem Umstand, der sich aus den tatsächlichen Feststellungen des Berufungsgerichts ergibt, daß der Inhaber der Beklagten, der sich bereits zu einer Unterbrechung der Fahrt entschlossen hatte, durch das Verhalten der Ehefrau des Klägers, die energisch ablehnte, an Ort und Stelle zu übernachten, zu einer Änderung seines Entschlusses und damit zu der Weiterfahrt bestimmt worden ist. Das eigene schuldhafte Verhalten des Inhabers der Beklagten schließt nicht aus, daß das Verhalten der Ehefrau des Klägers mitursächlich für den Schaden gewesen ist. Auch ein Verhalten, das der schuldhaft schädigenden Handlung des anderen Teils vorausgegangen ist, rechtfertigt einen Schadensausgleich gemäß § 254 BGB, wenn es schuldhaft die spätere schädigende Handlungsweise des anderen veranlaßt hat. Es wäre nicht einzusehen, warum nicht auch die Fälle dem Rechtsgedanken des § 254 BGB unterstellt werden sollten, in denen auf das die Haftungsvoraussetzung bildende Verhalten des Schädigers ein zeitlich vorangehendes schuldhaftes Verhalten des Beschädigten oder seiner Hilfspersonen adäquat von Einfluß gewesen ist.

Die Ehefrau des Klägers hat aber schuldhaft gehandelt, als sie den Inhaber des Beklagten gegen seine eigene bessere Einsicht zur Fortsetzung der Fahrt bestimmte (wird ausgeführt).

Unerheblich ist in diesem Zusammenhang, ob die Ehefrau des Klägers nach dem Gesetz berechtigt war, dem Inhaber der Beklagten irgendwelche Weisungen über die Fortsetzung der Fahrt zu geben und ob sie dies mit Zustimmung des Klägers tat. Der Schadensausgleich nach § 254 BGB setzt nicht eine vertraglich übernommene Mithaftung, sondern eine schuldhafte Mitverursachung voraus. Auch wenn die Beklagte an die Weisungen der Ehefrau des Klägers nicht gebunden war, räumt dies die vom Berufungsgericht festgestellte und für den Kausalzusammenhang allein maßgebende Tatsache nicht aus, daß der Inhaber der Beklagten nur durch das Verhalten der Ehefrau des Klägers entgegen seinem ursprünglichen Entschluß zur Weiterfahrt bewogen wurde.

Dieses mitwirkende Verschulden seiner Ehefrau muß sich der Kläger entgegenhalten lassen. Zwar ist, soweit die Vertrags-, nicht die Deliktshaftung der Beklagten in Frage steht, der Kläger, in dessen Namen der Frachtvertrag geschlossen wurde, als Absender des Gutes allein berechtigt, die Schadensersatzansprüche aus eigenem Recht geltend zu machen und ist insoweit der Geschädigte im Sinne des § 254 BGB (RGZ 54, 407). Die in § 254 Abs 2 Satz 2 vorgesehene entsprechende Anwendung des § 278 BGB gilt aber für den ganzen Umfang des § 254, also auch bei der schuldhaften Mitwirkung bei der Entstehung des Schadens (so das Reichsgericht in ständiger Rechtsprechung RGZ 140, 7; 156, 205; 159, 292).

Entgegen der im Schrifttum weitgehend verbreiteten Rechtsmeinung (vgl insbesondere Enneccerus-Lehmann Aufl 1950 Schuldrecht § 16 II 2; Staudinger Aufl 9 § 254 BGB, Anm 2e; Fuchs in JW 1929 S 554) hält der Senat an der vom Reichsgericht in ständiger Rechtsprechung vertretenen Ansicht fest, daß sich der Geschädigte die schuldhafte Mitverursachung des Schadens durch seine Hilfspersonen nach § 278 BGB nur im Rahmen eines bestehenden Schuldverhältnisses anrechnen lassen muß (RGZ 75, 257; 79, 312; 140, 7; 156, 205; 159, 292; BGHZ 1, 248). Während § 254 Abs 2 eine besondere Verpflichtung des Geschädigten begründet, nach Entstehung des Schadens den Schuldner auf die Gefahr eines ungewöhnlich hohen Schadens aufmerksam zu machen oder den Schaden abzuwenden oder zu mindern, kann aus § 254 Abs 1 keine selbständige schuldrechtliche Verpflichtung des Geschädigten dem Schädiger gegenüber entnommen werden, ihm zum Nichteintritt der schädigenden Ursache behilflich zu sein (RGZ 119, 152; 140, 8). § 278 aber, der im schuldrechtlichen Teil des BGB aufgenommen worden ist, bezieht sich nach seinem Wortlaut wie seiner Einordnung im Gesetz nur auf die Haftung des Schuldners für fremdes Verschulden, setzt also ein bestehendes Schuldverhältnis voraus.

Bei der entsprechenden Anwendung des § 278 ist jedoch zu beachten, daß es sich bei dem Verschulden des Geschädigten im Sinne von § 254 nicht um die Verletzung einer ihm gegenüber einem anderen obliegenden Leistungspflicht, sondern um ein Verschulden in eigener Angelegenheit handelt. Der Rechtsgedanke des § 254 ist, daß derjenige, der die Sorgfalt außer acht läßt, die nach Lage der Sache erforderlich erscheint, um sich selbst vor Schaden zu bewahren, den Verlust oder die Verkürzung seines eigenen Schadensersatzanspruches in Kauf nehmen muß (RGZ 100, 44; 112, 287; 149, 7; 156, 207). Daraus, daß Verschulden nach § 254 nicht Verschulden gegen einen anderen, sondern Verstoß gegen das Gebot des eigenen Interesses ist, folgt, daß bei bestehenden Vertragsverhältnissen dem Geschädigten die schuldhafte Mitverursachung des Schadens durch Personen, die er mit der Wahrnehmung eines Pflichtenkreises beauftragt hat, der mit dem Vertragsverhältnis in unmittelbarem Zusammenhang steht, auch dann zum Schadensausgleich nach § 254 entgegengehalten werden kann, wenn er sich ihrer nicht zur Erfüllung einer vertraglichen Leistungspflicht, sondern der ihn aus § 254 im eigenen Interesse treffenden Obliegenheiten bedient hat. Die entsprechende Anwendung des § 278 kann hiernach zwar nicht dazu führen, das Verschulden von Hilfspersonen dem eigenen Verschulden des Geschädigten auch außerhalb eines Schuldverhältnisses gleichzustellen. Aus dem Rechtsgedanken des § 254, der einen Schadensausgleich auch dann vorsieht, wenn der Geschädigte nicht eine Leistungspflicht, sondern die ihm im eigenen Interesse obliegende Sorgfaltspflicht verletzt hat, kann nur gefolgert werden, daß ein "sich bedienen" im Sinne von § 278 nicht nur vorliegt, wenn der Dritte mit der Erfüllung einer dem Vertragspartner gegenüber obliegenden Leistungspflicht betraut war, sondern daß es im Rahmen des § 254 zur entsprechenden Anwendung des § 278 ausreicht, wenn die mit dem einschlägigen Pflichtenkreis betraute Hilfsperson bei einer für den entstehenden Schaden kausal gewordenen Handlung oder Unterlassung diejenige Sorgfalt außer acht gelassen hat, die nach der Sachlage im eigenen Interesse des Geschädigten geboten war (ähnlich schon RGZ 62, 106). Während § 278 BGB unmittelbar nur anzuwenden ist, wenn der Schuldner bei eigenem Handeln gleicher Art wegen Verletzung einer Vertragspflicht auf Schadensersatz haften würde (RGZ 63, 341; 160, 315), genügt es für die entsprechende Anwendung des § 278 bei der Schadensverteilung gemäß § 254, daß ein Dritter gegen das dem Geschädigten im eigenen Interesse obliegende Sorgfaltsverhalten verstoßen hat, wenn sich der Geschädigte der Hilfe dieses Dritten innerhalb eines Schuldverhältnisses zur Wahrung seiner eigenen Belange bedient hat.

Die Obliegenheit, sich selbst vor Schaden zu bewahren, deren Verletzung zwar keine Schadensersatzpflicht nach § 276 BGB, wohl aber die Schmälerung des eigenen Anspruchs gemäß § 254 BGB zur Folge hat, trifft den Geschädigten zwar nicht nur im Verhältnis zu seinem Vertragspartner, sondern auch gegenüber dem außervertraglichen Schädiger. Der Rechtsgedanke des § 278, der das Verschulden Dritter dem eigenen Verschulden des Schuldners gleichstellt, ohne ihm einen Entlastungsbeweis zu eröffnen, wie ihn § 831 BGB für den Verrichtungsgehilfen vorsieht, gilt jedoch nur innerhalb bestehender Schuldverhältnisse. Er findet seine Rechtfertigung in der aus der vertraglichen Bindung folgenden besonderen Treuepflicht. Dieser gesetzgeberische Grund für die über die Haftung für Verrichtungsgehilfen hinausgehende Haftung für die Erfüllungsgehilfen rechtfertigt aber zugleich - entgegen der von der Rechtslehre vertretenen Meinung - die unterschiedliche Behandlung von Hilfspersonen beim Schadensausgleich gemäß § 254, je nachdem, ob sie die Obliegenheit des Geschädigten, sich selbst vor Schaden zu bewahren, im Rahmen eines Vertragsverhältnisses oder außerhalb eines Vertragsverhältnisses schuldhaft verletzt haben; denn nur bei einer schuldrechtlichen Bindung der Beteiligten stellt das gesamte, dem Schuldner in Ansehung der Erfüllung obliegende Sorgfaltsverhalten, auch soweit es ein Gebot des eigenen Interesses ist, eine Erfüllungshandlung dar.

In dem zur Entscheidung stehenden Fall hatte der Kläger seine Ehefrau nicht nur mit dem Abschluß des Frachtvertrages, sondern auch mit der Begleitung des Transportes betraut. Es ist hierbei zu berücksichtigen, daß bei Durchführung des Transportes im Oktober 1945 in Deutschland noch keine normalen Transportverhältnisse herrschten. Infolge der Nachkriegswirren barg fast jeder Transport ungewöhnliche Risiken in sich. Während es im allgemeinen bei Abschluß eines Frachtvertrages über totes Inventar nicht üblich sein mag, daß der Absender eine eigene Hilfsperson den Transport zwecks Überwachung und Pflege des Transportgutes begleiten läßt, war dies in der damaligen Zeit bei umfangreicherem, wertvollen Transportgut weitgehend Brauch. So hatte sich nicht nur die Ehefrau des Klägers, sondern auch der Zeuge Z., ein früherer Mitarbeiter des Klägers, als Begleiter für den Transport zur Verfügung gestellt, um bei seiner Durchführung behilflich zu sein. Es muß bei dieser Sachlage unter Berücksichtigung der außergewöhnlichen Verhältnisse dieser Nachkriegszeit davon ausgegangen werden, daß die Ehefrau des Klägers sich nicht nur als zufälliger Fahrgast während des Transportes auf dem Fahrzeug befand, sondern um die ordnungsgemäße Durchführung und Abwicklung des Transportes zu überwachen. Wenn sie im Rahmen dieses ihr vom Kläger anvertrauten Pflichtenkreises, der im unmittelbaren Zusammenhang mit dem Transport stand, den Inhaber der Beklagten zur Weiterfahrt veranlaßte, obwohl auch ihr die damit verbundene Gefährdung des Transportgutes erkennbar sein mußte, so muß der Kläger seinem Ersatzanspruch aus dem Vertragsverhältnis dieses mitwirkende Verschulden seiner Ehefrau entgegenhalten lassen.

Das angefochtene Urteil verletzt § 254 BGB, indem es, obwohl es ein Verschulden der Ehefrau des Klägers bejaht, den Grad ihrer Mitverursachung des Schadens ungeprüft läßt. Nur die vom Berufungsgericht tatsächlich festgestellte Sachlage, nicht aber die Beurteilung, ob und in welchem Umfange der Schaden auf Grund dieses Sachverhalts gemäß § 254 BGB zu verteilen ist, ist der Nachprüfung des Revisionsgerichts entzogen. Da der Tatbestand ausreichend geklärt ist, bedarf es keiner Zurückverweisung. Das Revisionsgericht ist vielmehr selbst in der Lage, die Verteilung des Schadens vorzunehmen (RG in JW 06, 544; RGZ 134, 66; 141, 353; 154, 369). Unter Abwägung des Grades der Verursachung und der Größe des Verschuldens erscheint es gerechtfertigt, daß der Kläger sich die Mitverursachung des Schadens durch seine Ehefrau zu einem Drittel des Gesamtschadens anrechnen lassen muß.

Bisweilen wirkt sich die als Wohltat für schutzbefohlene Familienangehörige gedachte Entwicklung des Vertrages mit Schutzwirkung zugunsten Dritter auch nachteilig für die Schutzbefohlenen aus, wenn die Schutzwirkungen zur Begründung der Sonderbeziehung zwischen dem Geschädigten und dem Schädiger herangezogen werden, innerhalb derer das Fehlverhalten des gesetzlichen Vertreters anspruchskürzend in Rechnung gestellt wird:

Gericht: BGH 6. Zivilsenat, Datum: 29.04.1953, Az: VI ZR 63/52

Leitsatz

Besteht zwischen dem Schädiger und Geschädigten ein schuldrechtliches Verhältnis und ist im Rahmen dieser Beziehung ein vom Schädiger zu vertretender Schaden verursacht worden, so muß sich der Geschädigte ein für die Entstehung des Schadens mitursächliches Verschulden seines gesetzlichen Vertreters auch dann nach den BGB § 254, BGB § 278 anrechnen lassen, wenn der Schadenersatzanspruch ausschließlich auf RHaftPflG § 1 gestützt wird.

Fundstelle

BGHZ 9, 316-320 (LT1)

Tatbestand

Eine Mutter fuhr mit ihrem 4 1/2jährigen Kind in einem Personenzug der Bundesbahn. Das Kind spielte am Türschloß, die Tür öffnete sich, und das Kind fiel aus dem fahrenden Zug. Es erlitt schwere Verletzungen und fordert von der Bundesbahn auf Grund des Reichshaftpflichtgesetzes Schadensersatz.

Das Landgericht hat mit Rücksicht auf ein Verschulden der Mutter bei der Überwachung des Kindes die Klage abgewiesen. Das Oberlandesgericht hat nach dem Klageantrag erkannt. Die Revision der beklagten Bundesbahn führte zur Zurückverweisung.

Entscheidungsgründe

Der Kläger hat seinen Schadensersatzanspruch nur noch auf das Reichshaftpflichtgesetz gestützt. Zutreffend hat das Berufungsgericht ausgeführt, daß es sich um einen Betriebsunfall im Sinne des § 1 HaftpflG handele und dieser nicht durch höhere Gewalt verursacht sei. Insoweit werden auch von der Revision keine Bedenken geltend gemacht. Ebenso ist mit Recht davon ausgegangen, daß die Mitverursachung des Klägers selbst mit Rücksicht auf dessen fehlende Zurechnungsfähigkeit (§ 828 Abs 1 BGB) im Rahmen des § 254 BGB nicht berücksichtigt werden könne.

Die Entscheidung ist lediglich davon abhängig, ob sich der Kläger ein Verschulden seiner Mutter, das diese bei Außerachtlassung ihrer Aufsichtspflicht treffen würde, anrechnen lassen muß. Das Berufungsgericht verneint diese Frage, die Revision will sie in Übereinstimmung mit dem Landgericht bejahen. Das Berufungsgericht geht von der ständigen Rechtsprechung des Reichsgerichts aus, wonach dem Geschädigten ein Verschulden seines gesetzlichen Vertreters oder einer Hilfsperson, das für die Entstehung des Schadens ursächlich war, nur dann anzurechnen ist, wenn es im Rahmen eines bestehenden Schuldverhältnisses erfolgte oder wenn wenigstens etwas einer Verbindlichkeit Ähnliches vorlag (Nachweise im BGB RGRK 10. Aufl Anm 3 zu § 254). Der III. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat diese, von einem großen Teil des Schrifttums bekämpfte Rechtsprechung des Reichsgerichts bestätigt (BGHZ 1, 248). Auch der I. Zivilsenat geht von ihr aus (BGHZ 3, 46). Es braucht hier jedoch nicht näher auf diese Frage eingegangen zu werden; denn mit Recht weist die Revision darauf hin, daß zwischen den Parteien (Kind und Bahn) schuldrechtliche Beziehungen bestanden. Es mag dahingestellt bleiben, ob die Mutter des Klägers durch Lösung der Kinderfahrkarte für den Kläger einen eigenen Beförderungsvertrag abgeschlossen hat. Nimmt man das an, wurde zwischen den Parteien ein Vertragsverhältnis mit gegenseitigen Rechten und Pflichten begründet. Nimmt man aber an, daß nur die Mutter Vertragspartnerin der Beklagten wurde und als solche das Recht erwarb, den Kläger mitzunehmen, so hatte das Kind aus diesem Vertrage ein Recht auf wohlbehaltene Beförderung mit der Folge, daß die Beklagte bei Verletzung ihrer Obhutspflichten dem Kinde aus Vertrag schadensersatzpflichtig wurde. Der Beförderungsvertrag zwischen der Mutter und der Bahn würde dann zugleich ein Vertrag zugunsten eines Dritten, nämlich des Klägers sein (RG Recht 1924 Nr 161). Beim Vertrage zugunsten eines Dritten im Sinne des § 328 BGB ergibt sich aber aus der Berechtigung des Dritten für diesen die jeden Gläubiger treffende Sorgfaltspflicht bei Ausübung seiner Rechte (Erman-Westermann, Komm zum BGB Vorbem 3c vor 328; vgl auch RG JW 1913, 426). Insoweit ist das Verhältnis zwischen dem Versprechenden und dem Dritten als vertragsähnliches Verhältnis anzusehen (BGB RGRK 10. Aufl Anm 2 zu § 328; Palandt BGB 10. Aufl Vorbem 2c vor § 328). In ähnlicher Weise ist auch bei einem Mietvertrag, aus dem ein Kind gemäß § 328 BGB Vertragsrechte erwirbt, zwischen Vermieter und Kind ein schuldrechtliches Verhältnis mit der Folge angenommen worden, daß bei einem Schadensersatzanspruch des Kindes gegen den Vermieter das Verschulden des gesetzlichen Vertreters dem Kinde gemäß den §§ 254, 278 BGB angerechnet worden ist (Urteil des III. Zivilsenats vom 28. April 1952 - III ZR 118/51 - NJW 1952, 1050 (1053)). So ist auch hier für die entsprechende Anwendung des § 278 BGB im Rahmen des § 254 BGB Raum, selbst wenn nur ein Vertrag zugunsten des Kindes auf Beförderung anzunehmen sein sollte.

Im Sinne des § 254 BGB besteht das Verschulden des Geschädigten darin, daß dieser diejenige Sorgfaltspflicht außer acht läßt, die ein ordentlicher und verständiger Mensch zur Vermeidung eigenen Schadens anzuwenden pflegt (RGZ 112, 284 (287); RGZ 149, 6 (7); RG DJ 1939, 1439). Das Gesetz sieht es - das ist der Rechtsgedanke dieser Bestimmung - als billig an, daß derjenige, der gegen das Gebot des eigenen Interesses handelt und hierdurch den Schaden mitverursacht, den Verlust oder die Kürzung seines Schadensersatzanspruches in Kauf nehmen muß (BGHZ 3, 46 (49)). Der 4 1/2jährige Kläger war nun selbst nicht in der Lage, die in seinem Interesse bestehenden Obliegenheiten während der Beförderung wahrzunehmen. Diese Aufgaben nahm ihm seine Mutter in Erfüllung ihrer gesetzlichen Fürsorge- und Aufsichtspflicht (§ 1634 BGB) ab. Wenn sie die Aufsichtspflicht während der Beförderung schuldhaft verletzte, so ist, wie das Reichsgericht (RGZ 149, 4) in einem ähnlich liegenden Fall überzeugend ausgeführt hat, ihr Verschulden dem Verschulden des Vaters als des gesetzlichen Vertreters gleichzustellen. Die Anwendung des § 278 BGB kann auch nicht deshalb entfallen, weil der Kläger seinen Schadensersatzanspruch nur auf die Bestimmungen des Reichshaftpflichtgesetzes stützt. Entscheidend kann nicht sein, welche Klagegrundlage der Kläger zur Begründung seines Schadensersatzanspruches wählt, sondern allein, daß der Schaden im Rahmen des begründeten vertraglichen oder vertragsähnlichen Verhältnisses entstanden ist und daß die Mutter die Obliegenheiten des Klägers in diesem Verhältnis verletzt hat. Wenn vom Reichsgericht und vom Bundesgerichtshof ausgesprochen worden ist, dem Geschädigten könne bei einer Klage aus unerlaubter Handlung ein für die Entstehung des Schadens mitursächliches Verschulden seines gesetzlichen Vertreters nicht nach § 254 Abs 1 BGB entgegengehalten werden, so handelte es sich immer um Fälle, in denen, wie es gewöhnlich zutrifft, schuldrechtliche Beziehungen zwischen Schädiger und Geschädigtem vor dem haftungsbegründenden Ereignis nicht bestanden (RGZ 75, 257; RGZ 159, 283 (292); BGHZ 1, 248). Auch in RGZ 62, 346, in der das Reichsgericht der Bahn gegen ein unentgeltlich befördertes und durch den Bahnbetrieb verletztes dreijähriges Kind die Berufung auf das Verschulden der Mutter versagt hat, ist davon ausgegangen, daß schuldrechtliche Beziehungen zwischen Kind und Bahn vor dem Schadensereignis nicht vorlagen. Ob dem zu folgen ist, mag dahingestellt bleiben, jedenfalls trifft diese Annahme in dem hier zu entscheidenden Fall nicht zu. Daß es nach Eintritt des schadenstiftenden Ereignisses dem Geschädigten anzurechnen ist, wenn der gesetzliche Vertreter schuldhaft den Schaden nicht abwendet oder mindert, ist allgemein anerkannt (RGZ 141, 353 (355); RGZ 156, 193 (205)). Der Grund, hier den § 278 BGB im Rahmen des § 254 Abs 2 BGB entsprechend anzuwenden, ist darin gesehen, daß durch die unerlaubte Handlung Rechtsbeziehungen zwischen Schädiger und Geschädigtem entstanden waren. Bestanden aber vertragliche oder vertragsähnliche Beziehungen zwischen ihnen schon vor dem schadenstiftenden Ereignis, so muß das gleiche geltenden. Die rechtliche Folge des Schadenseintritts kann also nicht losgelöst von den vertraglichen Beziehungen gewürdigt werden, innerhalb derer der Schaden entstanden ist. Demgemäß muß hier Berücksichtigung finden, daß der Kläger den Schaden nicht als irgendein vom Betrieb der Bahn Betroffener erlitten hat, sondern gerade während der vertraglich vereinbarten Beförderung (im Ergebnis ebenso Friese: Reichshaftpflichtgesetz 1950 C II 2a zu § 1).

In allen Fällen ohne Sonderbeziehung zwischen dem Geschädigten und dem Schädiger kommt eine Anspruchskürzung für Drittbeiträge nach der Rechtsprechung nur unter den Voraussetzungen der §§ 31, 831 BGB in Betracht. Diese Rechtsprechung liegt auf der Linie des allgemein für § 254 Abs. 1 BGB verfolgten dogmatischen Konstruktionsprinzips: der Selbstbehalt des Geschädigten tritt genau dann ein, wenn im Verhältnis zum Dritten eine Haftung begründet wäre. Wo eine Anspruchskürzung wegen des Drittbeitrags nicht in Betracht kommt, stehen der Dritte und der Schädiger zum Geschädigten regelmäßig in einem Gesamtschuldverhältnis:

Gericht: BGH 6. Zivilsenat, Datum: 16.01.1979, Az: VI ZR 243/76

Leitsatz

Ist für die Verletzung eines Kleinkindes sowohl das Verschulden eines Dritten ursächlich geworden als auch der Umstand, daß ein Elternteil diejenige Beaufsichtigung versäumt hat, die ihm gerade in seiner elterlichen Eigenschaft oblag, dann haften Dritter und schuldiger Elternteil als Gesamtschuldner gem BGB § 823, BGB § 840, BGB § 426 (anders RG 1921-02-28 VI 509/20 = Gruchot Beitr 65, 477).

Fundstelle

BGHZ 73, 190-196 (LT1)

Tatbestand

Die Klägerin, eine allgemeine Ortskrankenkasse, begehrt von der Beklagten als Kraftfahrzeughaftpflichtversicherer gemäß § 1542 RVO Ersatz für Heilbehandlungskosten, die ihr aus Anlaß der Verletzung des bei ihr familienversicherten Kindes W. G. entstanden sind.

Das zur Unfallzeit 2 3/4 Jahre alte Kind hatte sich mit seiner Mutter in einem Ladenlokal einer kleinen Ortschaft aufgehalten, war jedoch dort der Mutter ausgerissen und hüpfte auf der Gehwegfläche vor dem Laden umher. Die Mutter bemerkte dies bei einem Blick durch die Schaufensterscheibe, holte das Kind aber nicht in den Laden zurück. Beim Umherhüpfen geriet das Kind auf die Fahrbahn. Hier wurde es durch den vorüberfahrenden Pkw eines Versicherungsnehmers (VN) der Beklagten erfaßt und verletzt.

Die Beklagte hält dem Ersatzanspruch der Klägerin ua entgegen, das Kind müsse sich ein Mitverschulden seiner Mutter anrechnen lassen, weil die Mutter ihrer Aufsichtspflicht nicht genügt und dadurch zum Schadenseintritt beigetragen habe.

Das Landgericht hat die Beklagte antragsgemäß verurteilt. Auf deren Berufung hat das Oberlandesgericht den von der Beklagten zu zahlenden Betrag um den auf 1/3 bemessenen Haftungsanteil der Mutter gekürzt. Mit ihrer insoweit zugelassenen Revision tritt die Klägerin dieser Auffassung des Berufungsgerichts entgegen.

Entscheidungsgründe

I. Das Berufungsgericht (das Urteil ist VersR 1977, 729 abgedruckt) geht aufgrund seiner tatsächlichen Feststellungen von einer Haftung des Kraftfahrers und damit der Beklagten (§ 3 PflVG) sowohl nach § 7 StVG als auch nach § 823 BGB aus. Dies bedarf auch in rechtlicher Sicht nicht der Prüfung des Revisionsgerichts, weil nur darüber zu entscheiden ist, ob sich mit Rücksicht auf das geltend gemachte Verschulden der Mutter des Kindes die Haftung der Beklagten mindert, und weil insoweit das angefochtene Urteil, wie noch auszuführen, jedenfalls von seiner weiteren Begründung getragen wird.

Soweit das Berufungsgericht nach tatrichterlichem Ermessen die Verursachungsbeiträge gemäß §§ 426, 254 BGB dahin abgewogen hat, daß der Mutter des Kindes 1/3 zur Last fällt, ist jedenfalls nicht ersichtlich, daß dieser Anteil rechtsfehlerhaft zu hoch angesetzt wäre. Von ihm ist also mit dem Berufungsgericht auszugehen.

II.1. Das Berufungsgericht beschränkt den Rückgriffsanspruch der Klägerin in entsprechender Anwendung des § 67 Abs 2 VVG auf die Haftungsquote, die nach Abwägung der beiderseitigen Verursachungsbeiträge zwischen der Mutter des Kindes und dem Versicherungsnehmer der Beklagten letzterer zu tragen habe. Hierfür stützt es sich auf die Rechtsprechung des Senats zum gestörten Innenausgleich zwischen Gesamtschuldnern. Es meint weiter, im Rahmen dieses Ausgleichs könne die Haftungserleichterung der §§ 1664 Abs 1, 277 BGB der Beklagten nicht entgegengehalten werden, weil sie nur im Innenverhältnis zwischen Mutter und Kind wirkt. Davon abgesehen habe die Mutter auch unter Zugrundelegung dieses milderen Haftungsmaßstabes schuldhaft gehandelt.

a) Zutreffend geht das Berufungsgericht davon aus, daß sich das verletzte Kind das Verschulden seiner Mutter außerhalb einer rechtlichen - insbesondere vertraglichen - Sonderverbindung nicht unmittelbar anrechnen lassen muß (§ 254 Abs 1 BGB). Dies entspricht der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGHZ 1, 148, 251; zuletzt Senatsurteil vom 29. Oktober 1974 - VI ZR 159/73 - VersR 1975, 133, 134f mwN). Die Revision greift dies als ihr günstig nicht an.

b) Das Berufungsgericht lehnt auch mit Recht eine Anwendung der Billigkeitsvorschrift des § 829 BGB ab. Für sie ist in aller Regel kein Anlaß, wo der unbedachten Selbstgefährdung eines noch sehr kleinen Kindes die Gefährdungshaftung des § 7 StVG gegenübersteht, in deren Höchstgrenzen sich hier der Klageanspruch hält, und die im Regelfall immer von der Pflichtversicherung gedeckt wird. Dies entspricht auch der, soweit ersichtlich, ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (vgl etwa Senatsurteil vom 26. Juni 1973 - VI ZR 47/72 - VersR 1973, 925 mN).

2. Gleichwohl ist dem Berufungsgericht beizutreten, soweit es eine Beschränkung des mit der Klage verfolgten Anspruchs für richtig hält.

a) Das Berufungsgericht, das deshalb die Revision zugelassen hat, folgt mit Recht nicht einer Rechtsprechung des Reichsgerichts, wonach zwischen einer Haftung dem Kinde gegenüber aus Verletzung der familienrechtlich begründeten Fürsorgepflicht und derjenigen aus Schädigung des Kindes durch die unerlaubte Handlung eines Dritten schlechthin kein Gesamtschuldverhältnis begründet werden könne. Diese Auffassung ist jedenfalls in der Form, wie sie schließlich in dem Urteil Gruchot Beitr 65, 477 vom 28. Februar 1921 Ausdruck gefunden hat, mit dem System des Deliktsrechts nicht vereinbar, mögen auch (dort in Bezug genommene) frühere Reichsgerichtsentscheidungen (vor allem RGZ 75, 251) einer wohlwollenderen Deutung zugänglich, also möglicherweise nur mißverständlich sein.

In der Entscheidung vom 28. Februar 1921 unterstellt das Reichsgericht, der Vater des Kindes habe durch ungenügende Beaufsichtigung ermöglicht, daß dieses durch die Eisenbahn verletzt worden ist. Gleichwohl hält es einen Ausgleichungsanspruch der Eisenbahn gegen ihn von vorneherein für ausgeschlossen, weil dem Vater nicht eine allgemeine Rechtspflicht zur Behütung des Kindes obgelegen habe. Diese verfehlte Betrachtungsweise hat auch in neuerer Zeit noch Billigung gefunden (Dölle, Familienrecht Bd II S 165 bei § 92 I 5 aE; bedenklich auch Böhmer MDR 1966, 648, 649; zumindest mißverständlich Wussow Unfallhaftpflicht 12. Aufl Rz 564; ders W I 1968, 51 und 1976, 148; richtig dagegen etwa Erman BGB § 1664 Rdn 6 aam). Das genannte Urteil des Reichsgerichts übersieht offensichtlich, daß sich die Verletzung eines deliktsrechtlich geschützten Rechtsgutes (hier der Gesundheit) auch durch die Unterlassung einer aus einer Sonderverbindung entspringenden Pflicht verwirklichen kann, wie hier der elterlichen Fürsorgepflicht oder auch einer Aufsichtspflicht, die durch Vertrag übernommen ist und deshalb gerade nicht jedem Dritten in gleicher Weise obläge.

Der Ausgangspunkt der genannten Rechtsprechung ist insofern richtig, als zwischen der Schadensersatzpflicht des Schädigers und der davon unabhängigen Pflicht der Eltern, aus §§ 1601ff BGB, für die unfallbedingt erhöhten Bedürfnisse des Kindes aufzukommen, ein zur Ausgleichung führendes (echtes) Gesamtschuldverhältnis nicht bestehen kann. Richtig ist ferner, daß bei einer Fallkonstellation wie der jetzt zur Entscheidung stehenden für eine Anwendung der Vorschrift des § 832 BGB kein Raum ist (so zutreffend OLG Oldenburg NdsRPfl 1974, 135). Denn der dort unter Beweislastumkehr statuierte Haftungstatbestand betrifft keine Haftung dem Beaufsichtigten (hier dem Kind) gegenüber; nur eine solche aber könnte zu einer Ausgleichungspflicht führen.

Jedenfalls in der oben genannten Entscheidung Gruchot Beitr 65, 477 hat das Reichsgericht aber offensichtlich übersehen, daß eine Körperverletzung im Sinne des § 823 Abs 1 sowie Abs 2 BGB, letzterenfalls in Verbindung mit § 230 StGB (vgl OLG Nürnberg VersR 1973, 720), auch durch die Verletzung einer irgendwie gearteten Obhutspflicht gegenüber dem Verletzten begangen werden kann (vgl etwa Deutsch, Haftungsrecht, Allgemeiner Teil § 10 III 4 = S 128f). Daß insoweit eine familienrechtlich begründete Obhutspflicht eine Ausnahme begründen soll, ist nicht einzusehen.

Damit kommt es für den zur Entscheidung stehenden Fall nicht mehr darauf an, daß hier die Mutter schon dadurch, daß sie das Kleinkind zum Einkauf mitgenommen hatte, wohl auch eine jedem Dritten damit in gleicher Weise anfallende allgemeine Rechtspflicht zu dessen Beaufsichtigung übernommen und verletzt hat, ohne daß es dabei auf ihre Elterneigenschaft ankäme, und daß deshalb hier wohl auch das Reichsgericht eine zur Ausgleichung verpflichtende Haftung bejaht haben würde (vgl RG GruchB 56, 586 = JW 1912, 190).

b) Daß eine Haftung der Mutter dem Kind gegenüber ungeachtet der Vorschrift des § 1664 BGB gegeben ist, stellt das Berufungsgericht ohne Rechtsfehler fest. Denn es schließt aus der Bekundung der Mutter, ihr sei das Kind "ausgekommen" (dh entlaufen), und sie habe sich gleichwohl davon abhalten lassen, es alsbald zurückzuholen, daß sie hier eine Vorsichtsmaßnahme vernachlässigt hat, die sie selbst als geboten ansieht. Diese tatrichterliche Würdigung ist aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden. Infolgedessen kann hier von einer Anwendung der sog diligentia quam in suis keine Rede sein, so daß es auch auf die Frage, ob diese Haftungserleichterung etwa nur gegenüber Ansprüchen aus der Verletzung bloß familienrechtlich begründeter Sorgfaltspflichten gilt, nicht ankommt.

Daher begrenzt das Berufungsgericht zutreffend den Umfang der auf die Klägerin gemäß § 1542 RVO übergegangenen Ersatzansprüche des verletzten Kindes in entsprechender Anwendung des § 67 Abs 2 VVG (BGHZ 41, 79) auf den Haftungsanteil, den der Zweitschädiger (der Versicherungsnehmer der Beklagten) im Innenverhältnis zum Erstschädiger (der Mutter des verletzten Kindes) zu tragen haben würde. Dies entspricht der Rechtsprechung des Senats und beruht auf der Erwägung, daß der dem § 67 Abs 2 VVG zugrundeliegende Zweck - Mutter und Kind leben in häuslicher Gemeinschaft - angesichts des sozialen Schutzzwecks öffentlicher Versicherungsleistungen erst recht dann durchschlägt, wenn es sich um den Forderungsübergang auf einen Sozialversicherungsträger nach § 1542 RVO handelt (vgl Senatsurteil vom 14. Juli 1970 - VI ZR 179/68 = BGHZ 54, 256).

c) Demgegenüber meint die Revision, die Ausführungen des Berufungsgerichts darüber, daß sich die Mutter nicht im Rahmen ihrer sonst geübten Sorgfalt gehalten habe, seien keine tatrichterliche Feststellung, sondern nur eine "beiläufige Bemerkung". Darin kann ihr nicht gefolgt werden.

Der Senat braucht daher nicht zu entscheiden, wie die Rechtslage wäre, wenn die Mutter das Haftungsprivileg des § 1664 Abs 1 iVm § 277 BGB doch zugute käme. Dann könnte sich fragen, ob die Freistellung der Mutter ebensowenig zu Lasten eines dritten Schädigers gehen würde, wie dies in dem Senatsurteil BGHZ 35, 317 hinsichtlich der Schädigung einer Ehefrau durch den Ehemann (BGB § 1359) entschieden worden ist, oder ob gemäß der weiteren Rechtsprechung des Senats zum Bereich des "gestörten Innenausgleichs" (vgl BGHZ 61, 51) der weitere Klaganspruch schon deshalb scheitert, weil insoweit ein übergangsfähiger Anspruch des Kindes gar nicht bestanden hat.

Anders als bei der Anrechnung von Eigenbeiträgen folgt die Literatur dem von der Rechtsprechung für richtig gehaltenen Prinzip für die Anrechnung von Drittbeiträgen überwiegend nicht. Die einen wollen die Anrechnung vom Erfordernis des Schuldverhältnisses befreien (Lange, § 10 XI 6; Larenz, SchuldR AT, § 31 I d). Sie behandeln somit § 254 Abs. 2 Satz 2 BGB als für § 254 Abs. 1 BGB geltende Rechtsfolgenverweisung. Die anderen lassen § 278 BGB ausschließlich im Erfüllungsbereich zur Anwendung kommen (Esser/Schmidt, § 35 III 1.2.). Die verbale Differenz steht hier indessen nicht für unterschiedliche Entscheidungsvorschläge.

Umfang der Anrechnung

Liegt ein zur Anspruchskürzung geeigneter Schädigungsbeitrag des Geschädigten oder eines Dritten vor, dann richtet sich der Umfang des Anspruchs nach "den Umständen", insbesondere danach, "inwieweit der Schaden vorwiegend von dem einen oder dem anderen Teile verursacht worden ist". Mit diesen Formulierungen hat der Gesetzgeber das Abwägungsprogramm vollständig der Rechtsprechung überantwortet. Denn weder lassen die unendlich vielen Umstände Relevanzregeln erkennen, noch ist es möglich, Schädigungsbeiträge nach dem Grade ihrer Ursächlichkeit für den konkreten Schaden zu gewichten. Die Ursächlichkeit der verschiedenen Beiträge ist notwendige Bedingung, um überhaupt zu einer Abwägung zu kommen; für die Durchführung der Abwägung gibt sie nichts her. Man kann allenfalls daran denken, die unabhängig vom konkreten Fall zu bestimmende generelle Geeignetheit eines Beitrags für die Schadensentwicklung als Gewichtungsmaß zugrunde zu legen. In vielen Bereichen aber fehlt das dazu erforderliche empirische Wissen. An dessen Stelle muss dann in der praktischen Entscheidungssituation das überwiegend alltagstheoretisch geprägte Judiz treten.

Dem theoretischen Befund entspricht die überaus reichhaltige, mit vielen variierenden Anhaltspunkten arbeitende Kasuistik. Auf deren Nachweis muss hier verzichtet werden. Vollständigkeit ist schon aus Raumgründen nicht zu erreichen. Die Aufzählung vieler unterschiedlicher Einzelentscheidungen ist darüber hinaus nicht sinnvoll, da sie keine Entscheidungsrichtlinien vermitteln kann. Auffallend häufig tritt man auf die Verschuldensschwere als Abwägungsgesichtspunkt. Sie versagt selbstverständlich dort, wo unterschiedliche Betriebsgefahren aufeinandertreffen. Dann können etwa Gewicht, Beweglichkeit, Größe und Geschwindigkeit eines Fahrzeugs eine Rolle spielen. Aber auch sonst sollte man der Verschuldensschwere nicht so viel Gewicht beimessen. Solange nicht ein Zusammenhang zwischen ihr und der Schadensneigung dargetan ist, begünstigt dieser Gesichtspunkt ein dem Schadensrecht fremdes Pönalisierungs- und Moralisierungselement.

Das Ergebnis der Abwägung kann jeden Wert zwischen 0 (kein Anspruch) und 1 (ungekürzter Anspruch) annehmen. Es wird nicht in bezifferten Beträgen, sondern in Quoten zum Ausdruck gebracht, über die gemäß § 304 ZPO vorab im Grundurteil entschieden werden kann.

Beiträge des Geschädigten und von Nebentätern

Ein besonderes Problem ergibt sich dann, wenn ein eigener Schädigungsbeitrag des Geschädigten mit den Beiträgen verschiedener Nebentäter zusammentrifft. Hier kann die vom Bundesgerichtshof geforderte Einzelabwägung gegen den Beitrag des Geschädigten für jeden Schädiger ein anderes Ergebnis bringen. Alle Schädiger zusammen sollen aber nicht mehr leisten müssen, als sich bei einer Gesamtschau ihrer Beteiligung im Vergleich zu der des Geschädigten ergibt:

Gericht: BGH 6. Zivilsenat, Datum: 16.06.1959, Az: VI ZR 95/58

Leitsatz

Mehrere Kraftfahrer, die durch verschiedene selbständige Verkehrsverstöße einen Unfall herbeigeführt haben, sind nicht Mittäter iS von BGB § 830 Abs 1 S 1. Nimmt der Geschädigte mehrere Nebentäter in Anspruch, so ist seine Mitverantwortung gegenüber jedem der Schädiger gesondert nach BGB § 254 (StVG § 17) abzuwägen (Einzelabwägung). Zusammen haben die Schädiger jedoch nicht mehr als den Betrag aufzubringen, der bei einer Gesamtschau des Unfallgeschehens dem Anteil der Verantwortung entspricht, die sie im Verhältnis zur Mitverantwortung des Geschädigten insgesamt tragen (Gesamtabwägung).

Fundstelle

BGHZ 30, 203 (LT1)

Tatbestand

Der Kläger fuhr am 5. September 1952 gegen 21 Uhr mit seinem Leichtmotorrad (DKW) auf der V. Straße in K. stadtauswärts. Als er sich zwischen der Kreuzung V. Straße/I. Straße und der rechtsgelegenen Tankstelle E. befand, bog der Beklagte E. mit einem Personenkraftwagen (Opel-Olympia Baujahr 1937) aus der Tankstelle nach rechts in die V. Straße ein. Der Kläger überholte den Wagen des E., wobei er zwischen den in der Mitte der Straße liegenden Straßenbahnschienen fuhr. Er stieß 22 m vor der Kreuzung V. Straße/E. Straße mit dem ihm entgegenkommenden Personenkraftwagen (Mercedes 170 S) des Beklagten B. zusammen, als er den Wagen des E. eben überholt hatte und noch nicht wieder nach rechts eingebogen war. Der Kläger stürzte mit seinem Motorrad und verletzte sich so schwer, daß sein linkes Bein amputiert werden mußte.

Er hat behauptet: Als E. mit seinem Wagen aus der Tankstelle herausgefahren sei, sei er, der Kläger, schon in unmittelbarer Nähe gewesen. Er sei durch E. behindert und zum Überholen gezwungen worden. Da E. wegen der rechts parkenden Fahrzeuge auf dem stadtauswärts führenden Gleis der Straßenbahn gefahren sei, habe er selbst zwischen den beiden Gleisen fahren müssen. Während er den Wagen des E. überholt habe, habe dieser seine Fahrt beschleunigt und dadurch das Überholen verzögert. Daher habe er nicht rechtzeitig wieder nach rechts hinüberlenken können. Der Beklagte B. habe zum Überholen eines vor ihm fahrenden Wagens angesetzt und sei dabei ebenfalls zwischen den Schienen gefahren. Er habe ihn, den Kläger, bei gehöriger Aufmerksamkeit sehen müssen.

Der Kläger hat von den Beklagten die Hälfte seines Schadens ersetzt verlangt. Die Beklagten sind der Ansicht, der Unfall sei auf das alleinige Verschulden des Klägers zurückzuführen.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen, soweit sie gegen E. gerichtet ist, und hat den Klageanspruch gegen B. zu 1/5 des Gesamtschadens dem Grunde nach für gerechtfertigt erklärt.

Auf die Berufungen des Klägers und des Beklagten B. hat das Oberlandesgericht den Klageanspruch, soweit er sich auf das Straßenverkehrsgesetz gründet, gegen beide Beklagte als Gesamtschuldner zu 2/5 des Gesamtschadens dem Grunde nach für gerechtfertigt erklärt. Gegen den Beklagten E. hat das Oberlandesgericht den bezifferten Klageanspruch auch nach bürgerlichem Recht zu 2/5 dem Grunde nach bejaht.

Die Revision der Beklagten hatte teilweise Erfolg. Der Bundesgerichtshof hat die Ansprüche gegen jeden der beiden Beklagten zu einem Fünftel des Gesamtschadens dem Grunde nach für gerechtfertigt erklärt, jedoch zum Ausdruck gebracht, daß die beiden Beklagten zusammen für nicht mehr als insgesamt ein Drittel des Gesamtschadens aufzukommen brauchen.

Entscheidungsgründe

Die Revision des Beklagten E. kann keinen Erfolg haben, soweit er sich mit ihr dagegen wendet, daß das Berufungsgericht seine Ersatzpflicht zu 1/5 des Gesamtschadens des Klägers bejaht hat.

Der Beklagte B. kann mit seiner Revision ebenfalls nicht mit Erfolg geltend machen, daß er für den Schaden des Klägers überhaupt nicht einzustehen habe.

Beide Beklagte wenden sich aber mit Recht dagegen, daß das Berufungsgericht ihre Haftungsquoten von je 1/5 addiert und sie daher für 2/5 des Gesamtschadens und für 4/5 der mit der Leistungsklage geltend gemachten Schadenshälfte als Gesamtschuldner behandelt hat.

1. Zuzustimmen ist dem Ausgangspunkt des Berufungsgerichts, daß die Mitverantwortung des Klägers gegenüber jedem Beklagten getrennt abzuwägen ist. Es hat daher mit Recht den § 254 BGB zunächst auf das Verhältnis des Klägers zum Beklagten E. angewandt und anschließend geprüft, wie der Schaden nach § 254 BGB im Verhältnis des Klägers zu dem Beklagten B. zu verteilen ist. Diese gesonderte Abwägung ist erforderlich, weil dem Kläger gegen jeden Beklagten ein selbständiger Schadenersatzanspruch zusteht. Jeder von ihnen hat eine von ihm zu verantwortende adäquate Ursache für die Entstehung des Schadens gesetzt und einen gesetzlichen Haftungstatbestand verwirklicht (§§ 823 BGB, 7, 18 StVG). Hätte der Kläger die Schadenersatzklage nur gegen einen der beiden Beklagten erhoben, so könnte er von ihm 1/5 seines Gesamtschadens (= 2/5 der eingeklagten Schadenshälfte) ersetzt verlangen. Daß er die Beklagten gleichzeitig zur Verantwortung zieht, ist kein Grund, bei der Abwägung nach § 254 BGB seiner Verantwortungssphäre eine gemeinsame Verantwortungssphäre der beiden Beklagten gegenüberzustellen.

Eine solche Kumulierung der Verantwortungssphären mehrerer Schädiger mit der Folge, daß jeder im Verhältnis zum Geschädigten für den Unfallbeitrag des anderen mitverantwortlich wäre, ließe sich nur rechtfertigen, wenn die Voraussetzungen des § 830 Abs 1 Satz 1 BGB vorlägen, die mehreren Schädiger also den Schaden durch eine gemeinschaftlich begangene unerlaubte Handlung verursacht hätten. Davon kann aber hier keine Rede sein. Es mag offenbleiben, ob die Anwendung dieser Bestimmung nicht schon daran scheitern muß, daß nur dem Beklagten E. eine unerlaubte Handlung im Sinne des § 823 BGB zur Last zu legen ist, während B. lediglich aus dem Gesichtspunkt der Gefährdungshaftung (§§ 7, 18 StVG) zur Verantwortung gezogen werden kann. Jedenfalls fehlt es hier an einem gemeinschaftlichen Handeln der Beklagten. Allerdings haben beide zusammen den schädlichen Erfolg herbeigeführt. Das ist aber nicht durch ein gemeinschaftliches Handeln, sondern durch mehrere selbständige Einzelhandlungen geschehen. Auf einen solchen Fall der sogenannten fahrlässigen Nebentäterschaft ist § 830 Abs 1 Satz 1 BGB nicht anzuwenden. (Im Ergebnis ebenso Esser, Lehrbuch des Schuldrechts, 1949 § 317 S 434 und Erman/Drees, BGB Komm 2. Aufl § 830 Anm 4). Soweit das Reichsgericht in RGZ 58, 357 die Anwendung dieser Vorschrift an andere Voraussetzungen geknüpft hat, kann der Senat dem nicht zustimmen. Daß der Schaden durch das Zusammenwirken der mehreren Einzelhandlungen entstanden ist, kann auch dann, wenn zwischen diesen Einzelhandlungen ein naher örtlicher und zeitlicher Zusammenhang besteht, nicht ausreichen, um bei der Abwägung jeden Täter mit den Unfallbeiträgen der anderen zu belasten. Auch das Reichsgericht hat in Fällen, in denen mehrere Kraftfahrer durch verschiedene selbständige Verkehrsverstöße einen Unfall herbeigeführt haben, nicht angenommen, daß die am Unfall beteiligten Fahrer Mittäter im Sinne des § 830 Abs 1 Satz 1 BGB sind.

2. Das Berufungsgericht glaubt, die Addierung der die Beklagten treffenden Schadensquoten von je 1/5 aus § 840 BGB herleiten zu können. Dabei übersieht es, daß die Beklagten nach dieser Bestimmung nur hinsichtlich 1/5 des Schadens Gesamtschuldner des Klägers sein können, denn nach § 840 Abs 1 BGB kann ein Gesamtschuldverhältnis nur insoweit entstehen, als die Verpflichtungen der Beklagten sich decken. Hier fehlt anders als in § 830 Abs 1 BGB eine Rechtsgrundlage dafür, bei der Abwägung einen einheitlichen, von beiden Beklagten gemeinsam zu vertretenden Verantwortungsbeitrag anzunehmen und ihn der Verantwortungssphäre des Klägers gegenüberzustellen. Eine solche Lösung setzte sich mit den anerkannten Grundsätzen in Widerspruch, die zu der Abwägung des § 254 BGB über die auf beiden Seiten zu berücksichtigenden Faktoren entwickelt worden sind. Sie überschritte überdies die Grenzen, die das Haftungsrecht bei der Anrechnung fremden Verschuldens zieht. Die Unbilligkeit einer derartigen Lösung liegt darin, daß sie bei mehreren Tatbeteiligten jeden Beklagten das Ausgleichs-(Insolvent-)risiko für die übrigen Nebentäter tragen läßt, dagegen den in gleicher Weise oder gar überwiegend schuldigen Kläger von diesem Risiko völlig freistellt.

3. Führen die Einzelabwägungen zu gleichen Quoten (hier beide Beklagte je 1/5), so haften die Nebentäter nach der Rechtsprechung des Reichsgerichts und der bisherigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (vgl BGHZ 12, 213, 220 und Urt v 18. Januar 1957 - VI ZR 303/55 - VRS 12, 163 Nr 75 = VersR 1957, 167; RG DR 1940, 453) als Gesamtschuldner nach § 840 BGB für diese Quote, während der Kläger den Rest des Schadens selbst zu tragen hat. Diese Lösung kann nicht befriedigen, weil sie dem Geschädigten weniger gewährt, als ihm bei einer Gesamtschau des Unfallgeschehens zukommen müßte. Das wird in besonderem Maße an dem Beispiel deutlich, daß Dunz in JZ 1955, 727 anführt. Haben zehn Personen durch gleichwertiges Verschulden einer elften Schaden zugefügt, so kann diese von jedem den vollen Schaden ersetzt verlangen. Ist nun einer von zehn gleichermaßen Verantwortlichen der Geschädigte, so führen die Einzelabwägungen dazu, daß im Verhältnis des Geschädigten zu jedem einzelnen Schädiger jeder von ihnen dem Geschädigten gegenüber für die Hälfte des Schadens verantwortlich ist. Wendet man die Regeln der Gesamtschuld in der Art der bisher herrschenden Praxis an, so könnte der Geschädigte insgesamt nur die Hälfte seines Schadens ersetzt verlangen, während ihm doch - die Zahlungsfähigkeit des Schädigers vorausgesetzt - die Befriedigung von neun Zehnteln des Schadens möglich gemacht werden müßte. Andererseits könnten die Schädiger im Wege des Ausgleichs erreichen, daß jeder von ihnen im Ergebnis nur ein Neuntel der Hälfte, also 1/18 aufzubringen hätte.

Dieses unbefriedigende Ergebnis der bisher herrschenden Rechtsauffassung beruht in erster Linie darauf, daß die Regeln der Gesamtschuld in diesen Fällen voreilig und schematisch angewandt worden sind. Gewiß ist auch bei Nebentätern § 840 Abs 1 BGB anzuwenden (vgl BGHZ 17, 214). Das bereitet keine Schwierigkeiten, wenn die mehreren Nebentäter für den vollen Schaden haften. Dann ist die für die Gesamtschuld charakteristische Situation gegeben, daß durch die Leistung eines Schuldners das volle Gläubigerinteresse befriedigt wird. Diese Identität des Leistungsinhalts fehlt aber mindestens teilweise, wenn den Geschädigten ein Mitverschulden trifft und die Abwägung nach § 254 BGB dazu führt, daß die Ersatzansprüche, die dem Verletzten gegen mehrere Nebentäter zustehen, zu mindern sind. Sie fehlt auch in dem jetzt zur Entscheidung stehenden Falle, denn die Schadensquote von 1/5, die E. auf Grund der Einzelabwägung zu leisten hat, ist mit der im Verhältnis des Klägers zu B. ermittelten Schadensquote von 1/5 weder wirtschaftlich noch auch rechtlich identisch. Durch die Erfüllung einer dieser beiden Schadensquoten erhält der Kläger noch nicht das, was ihm aus dem Schadensfall von B. und E. insgesamt gebührt. Damit ist die zweite Ursache dafür berührt, daß das Ergebnis der bisherigen Rechtspraxis nicht befriedigen kann: Die Einzelabwägung zwischen dem Unfallbeitrag des Geschädigten und dem des jeweiligen Schädigers läßt so, wie sie bisher gehandhabt wurde, einen Blick auf das gesamte Unfallgeschehen vermissen und führt daher zu einer Schadensverteilung, die bei einer Gesamtschau nicht befriedigen kann.

4. Bei dem Versuche, für diese Fälle eine angemessene Lösung zu finden, könnte man an einer Gesamtbereinigung des Unfalls in dem Sinne denken, daß der Schaden im Verhältnis der Unfallbeiträge der an der Schadensentstehung beteiligten Personen aufgeteilt und jeder nur mit der ihn treffenden Schadensquote belastet wird. Für eine Generalsabrechnung auf dieser Grundlage ließe sich der Gedanke anführen, daß alle an dem Unfall Beteiligten, auch der mitverantwortliche Verletzte (§§ 254 BGB, 17, 7, 18 StVG), in einem Gemeinschaftsverhältnis stehen, zu dessen Lösung sie in der Art verpflichtet sein könnten, daß keiner von dem entstandenen Schaden mehr zu tragen hat, als es dem § 17 StVG oder dem § 254 BGB entspricht. Dieser Weg, bei dem der Schadensausgleich zwischen den mehreren Schädigern (Innenausgleich) bereits in den Rechtsstreit des Verletzten gegen den oder die Schädiger (Außenhaftung) hereingenommen würde, ist jedoch aus mehreren Gründen nicht gangbar.

Mit einer solchen Lösung würde ein Verteilungsverfahren geschaffen, für das eine gesetzliche Grundlage fehlt. Allerdings kennt das Seerecht in § 736 HGB eine ähnliche Regelung. Ist der Zusammenstoß mehrerer Schiffe durch gemeinsames Verschulden der Besatzung der beteiligten Schiffe herbeigeführt worden, so sind die Reeder dieser Schiffe für den Schaden, der den Schiffen oder den an Bord befindlichen Sachen zugefügt worden ist, - anders als bei Personenschaden - nur nach Verhältnis der Schwere des auf jeder Seite obwaltenden Verschuldens zum Ersatze verpflichtet. Hier ist an Stelle der Gesamthaft die Quotenhaftung eingeführt und damit die Trennung zwischen Außenhaftung und Innenausgleich beseitigt, die die Rechtspraxis sonst aus guten Gründen stets aufrechterhalten hat. Die Regelung des § 736 Abs 1 HGB gilt aber nur für dieses bestimmte Teilgebiet des Seerechts. Sie läßt sich auch auf das Recht des Kraftfahrzeugverkehrs und auch auf das allgemeine Haftpflichtrecht nicht übertragen. Vor allem ist dem § 17 StVG nichts dafür zu entnehmen, daß die Trennung zwischen Außenhaftung und Innenausgleich bei einem Zusammenstoß von Kraftfahrzeugen keine Geltung beanspruchen solle und daß die an dem Unfall beteiligten Fahrer und Halter dem Geschädigten gegenüber nur quotenmäßig haften sollen (vgl auch BGHZ 15, 133, 135).

Eine Quotenhaftung, wie § 736 Abs 1 HGB sie als Ausnahmeregelung vorsieht, würde den Geschädigten aber auch in vielen Fällen benachteiligen, denn sie würde ihm die Sicherung und die Vorteile nehmen, die die Gesamtschuld und die Trennung zwischen Außenhaftung und Innenausgleich ihm bieten. Bei quotenmäßiger Haftung könnte der Geschädigte in dem von Dunz angeführten Beispiel von jedem Schädiger nur 1/10 seines Schadens ersetzt verlangen, obwohl jeder der Schädiger eine adäquate Ursache zu dem Schaden gesetzt hat und den Geschädigten im Verhältnis zu dem einzelnen Schädiger ein gleichwertiges Verschulden trifft, so daß es gerechtfertigt ist, ihm gegen den einzelnen Schädiger einen Anspruch auf Ersatz der Hälfte des Schadens zu gewähren.

Schließlich würde eine solche Quotenhaftung die Abwicklung zahlreicher Haftpflichtfälle in starkem Maße erschweren. Sehr häufig sieht der Geschädigte davon ab, alle Schadensschuldner aus einem Unfall in Anspruch zu nehmen. Er zieht es schon aus Gründen der Risikobeschränkung oft vor, den Anspruch gegen den Täter einzuklagen, hinsichtlich dessen die Voraussetzungen am leichtesten zu beweisen sind. Nach dem Prinzip der Quotenhaftung könnte in diesen Fällen die Schadensquote des Beklagten erst festgesetzt werden, nachdem der Ursachen- und Schuldbeitrag aller für den Unfall verantwortlichen Personen geklärt worden ist. In jedem Schadensersatzprozeß aus dem Gebiete des Straßenverkehrs müßte daher erörtert und geprüft werden, ob und welche andere an dem Rechtsstreit nicht beteiligte Personen für den Schaden haftbar sein könnten, ohne daß diese Prüfung Rechtskraftwirkung gegenüber den Haftpflichtigen hätte, die nicht an dem Rechtsstreit beteiligt sind. Damit würden oft umfangreiche Ermittlungen notwendig, bevor ein an sich einfacher Haftpflichtprozeß entschieden werden könnte. Diese Erschwernis wäre ebenfalls nicht mit den Vorteilen zu vereinbaren, die das Gesetz, besonders § 421 BGB, dem Geschädigten - auch wenn er mit verantwortlich ist - einräumen will. Es liegt in seinem Interesse, daß der Prozeßstoff beschränkt und damit eine baldige Entscheidung ermöglicht wird.

Aus all diesen Gründen kann das aufgezeigte Problem mit Hilfe einer Quotenhaftung nicht befriedigend gelöst werden.

5. Auch die Anregung, die Dunz (JZ 1955, 727 und 1957, 371) und Engelhard (JZ 1957, 369) gegeben haben, führen zu keiner klaren Lösung, wie Dunz in seiner zweiten Abhandlung selbst einräumt.

6. Ein befriedigendes Ergebnis ist nur zu erzielen, wenn man das Prinzip der Gesamtschuld mit dem Abwägungsprinzip des § 254 BGB (§ 17 StVG) in Einklang bringt und die Einzelabwägung mit einer aus der Gesamtschau gewonnenen Solidarabwägung (Gesamtabwägung) verknüpft. Das sei an einem Beispiel verdeutlicht. A hat durch eigene Unvorsichtigkeit und durch die schuldhafte Fahrweise der Kraftfahrer B und C einen Unfallschaden erlitten. Ist der Unfallbeitrag der drei Beteiligten gleich hoch und beträgt der Schaden des A 3.000 DM, so führt die Einzelabwägung dazu, daß der Unfallbeitrag des A im Verhältnis zu dem des B gleich hoch ist (1:1). Daher hat A von B 1.500 DM zu beanspruchen. Das gleiche gilt für das Verhältnis des A zu C. Verlangt nun A von B und C Schadensersatz, so ist nach dieser Einzelabwägung weiter zu prüfen, welcher Anteil der drei Beteiligten sich bei einer Gesamtschau ihrer Verantwortung für den Unfall ergibt. Da aus dieser Sicht A, B und C je 1/3 der Verantwortung trifft, hat A nur 1/3 seines Schadens (1.000 DM) selbst zu tragen, während er von B und C insgesamt 2/3 (2.000 DM) ersetzt verlangen kann. Die Verbindung dieser Abwägungsergebnisse (Einzel- und Gesamtabwägung) führt zu folgender Lösung: "B und C haben an A insgesamt 2.000 DM zu zahlen, jedoch kann jeder von ihnen nur auf Zahlung von höchstens 1.500 DM in Anspruch genommen werden". Oder anders ausgedrückt: "A kann von B 1.500 DM, von C ebenfalls 1.500 DM, von beiden zusammen aber nicht mehr als 2.000 DM ersetzt verlangen". Der Ausgleich zwischen B und C bleibt auch hier dem Innenverhältnis überlassen. Hat B die von ihm geschuldeten 1.500 DM an A gezahlt, so schuldet C ihm 500 DM als Schadensausgleich nach § 17 StVG. A kann, da er in Höhe von 1.500 DM befriedigt ist, von C nur noch 500 DM beanspruchen.

Diese Lösung paßt das in solchen Fällen entstehende Gesamtschuldverhältnis unter Wahrung seiner rechtlichen Grundstruktur den Besonderheiten des Haftpflichtrechts an, wie sie durch das Abwägungsprinzip des § 254 BGB und verwandter Vorschriften gegeben sind, und führt zu dem gerechten Ergebnis, daß die an einem Unfall Beteiligten den Schaden entsprechend dem Grade ihrer Verantwortung zu tragen haben. Indem sie das Ergebnis der Einzelabwägung mit dem der Gesamtabwägung verknüpft, vermeidet sie die Nachteile, die der Geschädigte bisher hatte, wenn er mehrere Schädiger in Anspruch nahm. (A erhielt bisher 1.500 DM von B und C als Gesamtschuldnern und mußte die Hälfte seines Schadens selbst tragen). Andererseits ist durch die Festlegung des Betrages, der sich als Ergebnis der Einzelabwägung ergibt, sichergestellt, daß kein Schädiger dem Geschädigten mehr als die ihrem Verhältnis zueinander angemessene Schadensquote zu zahlen hat (B 1.500 DM und C 1.500 DM). Soweit die Schuldbeträge sich decken, kommen dem Geschädigten die Sicherung und die Vorteile zugute, die sich für ihn aus dem Wesen der Gesamtschuld ergeben (§§ 840, 421 BGB).

Die aus der Gesamtschau zu gewinnende Schadensquote ist selbstverständlich nur zu ermitteln, wenn der Geschädigte gegen mehrere Schädiger gleichzeitig vorgeht oder wenn sich nach der Inanspruchnahme eines Schädigers die Frage stellt, was die übrigen Schädiger noch aufzubringen haben.

7. Bei der Anwendung dieser Grundsätze auf den Streitfall der Parteien ist von den rechtsirrtumsfreien Einzelabwägungen des Berufungsgerichts auszugehen. Hiernach ergibt sich bei Zugrundelegung des Gesamtschadens für das Verhältnis des Klägers zu E. eine Schadensverteilung von 4/5 zu 1/5 und für das Verhältnis des Klägers zu B. die gleiche Schadensverteilung von 4/5 zu 1/5 im Rahmen des Straßenverkehrsgesetzes. Bei der Gesamtschau, die sich hieran anschließen muß, ist der Schaden unter den drei Beteiligten so zu verteilen, daß einerseits die Schadenquoten der beiden Beklagten gleich bleiben, andererseits sowohl im Verhältnis des Klägers zu E. als auch im Verhältnis des Klägers zu B. die Proportion 4:1 erhalten bleibt. Daher ergibt sich bei der Gesamtabwägung das Verhältnis 4:1:1. Das bedeutet, daß der Kläger zu 4/6 (2/3) und die beiden Beklagten zu je 1/6 verantwortlich sind, so daß der Kläger im Endergebnis 2/3 des Gesamtschadens selbst zu tragen hat und von den Beklagten 1/3 des Gesamtschadens ersetzt erhält, wobei er jeden Beklagten nur bis zu 1/5 dieses Schadens und B. nur nach dem Straßenverkehrsgesetz in Anspruch nehmen kann. Da der Kläger mit dem bezifferten Klageantrag und mit dem Feststellungsantrag nur die Hälfte des Schadens geltend gemacht hat, ergibt sich, daß dieser Anspruch auf Ersatz der Schadenshälfte gegen E. zu 2/5, gegen B. zu 2/5 nach dem Straßenverkehrsgesetz dem Grunde nach gerechtfertigt ist, daß der Kläger von beiden zusammen aber nicht mehr als 2/3 dieser Schadenshälfte beanspruchen kann.

Akzeptiert man die Grundentscheidung des BGH (dazu Lange, § 10 XIII 3; Koch, NJW 1967, 181; Keuck, AcP 167, 175; Selb, JZ 1975, 193), so begegnet man Berechnungsfragen, die mit Hilfe folgender Formeln allgemein gelöst werden können (Eigner, JZ 1978, 50). Die von jedem einzelnen Schädiger geschuldete Einzelquote (ai) beträgt

Formel

wobei g und si die Beteiligungsbeiträge des Geschädigten G und des jeweiligenTäters Si zum Gesamtschaden sind. Die Summe aller Beiträge (einschließlich des Geschädigtenbeitrages) beträgt notwendig 1. Jeder Einzelbeitrag hat einen Wert zwischen 0 und 1. Die Schädigergesamtquote, über die das Ersatzbegehren nicht hinausgehen darf, ist die Summe der Beteiligungsbeiträge (nicht der geschuldeten Einzelquoten!)

Form2 .

Die von Eigner angegebene Formel

Form3

ist redundant, da der Nenner sämtliche Beiträge erfasst und damit notwendig 1 beträgt. Sollten die Beteiligungsbeiträge nicht bekannt, die geschuldeten Einzelquoten dagegen bekannt sein, so errechnet sich die Schädigergesamtquote aus

Form4.

Die Problemlage wird noch komplexer, wenn die Zurechnungsfaktoren für einzelne Nebentäter identisch sind und diese Nebentäter zu einer Haftungs- bzw. Zurechnungseinheit zusammengefasst werden. Derartige Zurechnungseinheiten nimmt die Rechtsprechung z.B. zwischen Fahrer und Halter eines Kfz oder zwischen Geschäftsherrn und Gehilfen aber auch dann an, wenn bloß faktisch die Tatbeiträge mehrerer vor der Verletzung des Geschädigten zu einem schadensverursachenden Faktor verschmolzen sind (vgl. Lange, § 10 XIII 4; E. Lorenz, Die Lehre von den Haftungs- und Zurechnungseinheiten und die Stellung des Geschädigten in Nebentäterfällen, 1979, S. 20 ff.). Die von der Zurechnungseinheit zu leistende Quote errechnet sich, wenn neben der Zurechnungseinheit noch weitere Nebentäter verantwortlich sind, nach der angeführten Formel. Dabei nimmt die Zurechnungseinheit die Si-Stelle ein. Jedes Mitglied der Zurechnungseinheit haftet dem Geschädigten gegenüber auf die so errechnete Quote. Insgesamt aber haftet die Zurechnungseinheit nur einmal auf diese Quote. Die Mitglieder können untereinander Ausgleich suchen.

Insgesamt ist es unbefriedigend, wie die Rechtsprechung das Aufeinandertreffen eines eigenen Schädigungsbeitrags des Geschädigten mit den Schädigungsbeiträgen mehrerer Nebentäter behandelt. Die geforderte Einzelabwägung führt zu überaus komplizierten Rechenoperationen und steht im unerklärten Wertungswiderspruch zur Gesamtschuldhaftung der Nebentäter für den Fall, dass ein Eigenbeitrag des Geschädigten nicht anzurechnen ist. Dieser Wertungswiderspruch lässt sich nur dahin auflösen, dass auch bei einem Schädigungsbeitrag des Geschädigten der Schadensfall nach Gesamtschuldregeln abgewickelt wird. Das bedeutet zunächst, dass die Nebentäter jedenfalls auf den Teil des Schadens, der nach Abzug des den Geschädigten treffenden Selbstbehalts bleibt, gesamtschuldnerisch haften. Zugleich kann man aber auch den Geschädigten wegen seines Beitrages sich selbst gegenüber als Quasischuldner ansehen und in den Gesamtschuldnerverband einstellen (vgl. dazu E. Lorenz, S. 34 ff.). Das hat für das Außenverhältnis gegenüber den Nebentätern keine Konsequenzen; denn die haften schon wegen § 254 BGB immer nur auf den um den Eigenbeitrag des Geschädigten gekürzten Schaden. Für das Innenverhältnis aber ergibt sich über eine entsprechende Anwendung des § 426 Abs. 1 Satz 2 BGB die wünschenswerte Beteiligung des Geschädigten am Ausfallrisiko eines für den Schaden mitverantwortlichen Schuldners (E. Lorenz, S. 49 f.). Hinsichtlich der Behandlung von Haftungs- und Zurechnungseinheiten ist zu differenzieren. Im Außenverhältnis führt eine derartige Einheit nur dann zu einer Haftungsänderung, wenn der Beitrag eines Dritten dem Geschädigten zugerechnet werden kann. Die Zurechnungsmöglichkeiten richten sich nach den allgemeinen Kriterien und sollten darüber hinaus nicht durch Haftungs- und Zurechnungseinheiten erweitert werden. Für das Ausgleichsverhältnis ist zu fragen, welches die tragenden Gesichtspunkte für die Annahme einer Haftungs- und Zurechnungseinheit sind. Kommt die Einheit dadurch zustande, dass aufgrund von Sondervorschriften des Haftpflichtrechts (§§ 278, 831, 832 BGB oder § 7 StVG) jemand für den von einem anderen herbeigeführten Schaden einzustehen hat, dann haftet die Einheit gesamtschuldnerisch auf die Quote, die nach dem Beitrag des Handelnden bemessen wird. Ohne Sondervorschriften der genannten Art, wenn also lediglich faktisch die Tatbeiträge mehrerer vor der Verletzung des Geschädigten zu einem Verletzungsfaktor verschmolzen sind, ist für jedes Mitglied der Einheit eine besondere Quote festzusetzen, deren Summierung selbstverständlich nicht über den Beitrag der Einheit zum Gesamtschaden hinausgehen darf (E. Lorenz, S. 42 ff.).

Mehrere Schadensbeiträge ohne Mitwirkung des Geschädigten

Für das Zusammentreffen mehrerer Schädigungsbeiträge ohne einen Beitrag des Geschädigten hält das Gesetz in § 840 BGB eine einfache Lösung bereit. Die mehreren Schädiger haften als Gesamtschuldner, wenn sie auch einzeln für den Schaden verantwortlich sind. Ob sie auch einzeln für den Schaden verantwortlich sind, richtet sich danach, ob sie einen Haftungstatbestand verwirklicht haben. Das kann in der Form der Nebentäterschaft, in der Form der Mittäterschaft oder in der Form der Anstiftung oder der Beihilfe zur Tatverwirklichung durch einen anderen der Fall sein. Für die Nebentäterschaft finden wir keine ausdrückliche Anordnung im Gesetz. Bei ihr versteht es sich aber von selbst, dass alle Nebentäter je für sich auf den gesamten Schaden und damit als Gesamtschuldner haften, weil Nebentäter völlig unabhängig voneinander das Haftungs- und Schadensereignis in einer haftbar machenden Weise verwirklicht haben. Einer spezifischen Anordnung bedurfte es dagegen für Mittäter, Anstifter und Gehilfen. Sie brauchen ja nicht alle mit Hand angelegt zu haben. Ihre Haftung ist in § 830 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 BGB angeordnet. § 830 Abs. 1 Satz 2 enthält darüber hinaus noch eine Anordnung für den Fall, dass sich nicht ermitteln lässt, wer von mehreren Beteiligten den Schaden durch seine Handlung verursacht hat.

Gerade die letzte Möglichkeit könnte die Teilnahme an Demonstrationen, die mit Gewalt gegen Personen oder Sachen enden, außerordentlich gefährlich machen. Dem hat der BGH allerdings in der Grohnde-Entscheidung einen Riegel vorgeschoben:

Gericht: BGH 6. Zivilsenat, Datum: 24.01.1984, Az: VI ZR 37/82

Leitsatz

1. ...

2. Zur Frage, unter welchen Umständen eine Teilnahme an Tätlichkeiten während einer teilweise unfriedlich verlaufenden Großdemonstration angenommen werden kann.

3. BGB § 830 Abs 1 S 2 ist nicht zur Überwindung von Zweifeln hinsichtlich der Teilnahme an einer unerlaubten Handlung entsprechend anwendbar.

Orientierungssatz

1. ...

2. Die Mittäterschaft des Teilnehmers an einer Großdemonstration in subjektiver Hinsicht aktualisiert sich, solange er nicht bei der konkreten Planung mitwirkt oder diese in leitender Funktion zur Durchführung bringt, mithin gezielt gewalttätige Aktionen lenkt, im allgemeinen erst durch die Solidarisierung mit anderen gewalttätigen Demonstranten oder Teilgruppen an Ort und Stelle.

3. Eine Ausdehnung der zivilrechtlichen Haftung für die bei einer Großdemonstration angerichteten Schäden auf "passiv" bleibende Demonstranten (Sympathisanten) ist verfassungswidrig, weil sie die Ausübung des Demonstrationsrechts mit einem unkalkulierbaren und untragbaren Risiko verbindet und so das Recht auf öffentliche Kundgebung der Meinung unzulässig beschränkt.

4. Einer pauschalen Haftung des Demonstrationsteilnehmers, der sich aktiv an einzelnen Gewalttaten beteiligt, für alle anläßlich der Großdemonstration entstandenen Schäden steht entgegen, daß sie den Mittätern oder Gehilfen unterschiedslos auch das zurechnet, was von ihrem Willen nicht mehr gedeckt ist.

5. StGB § 125 ist kein Schutzgesetz iSv BGB § 823 Abs 2 zugunsten der bei einer Demonstration eingesetzten Ordnungskräfte oder des mitgeführten Materials.

6. Wer auf einer Großdemonstration vor Polizeibeamten, die die Demonstration auflösen und die Demonstranten zurückdrängen wollen, nicht gleich zurückweicht, bekundet damit allein noch keinen Willen zur Gewaltanwendung oder zur Förderung von Gewalttaten der Mitdemonstranten.

Fundstelle

BGHZ 89, 383-400 (LT1-3)

Klar ist, dass § 830 Abs. 1 Satz 2 BGB auch nicht herangezogen werden kann, wenn feststeht, dass einer der Beteiligten etwa wegen Deliktsunfähigkeit gar nicht haften müsste. Da er es gewesen sein könnte, dessen Handlung zu dem Schaden geführt hat, entfällt die Haftung für alle. Dem entspricht es, wenn der BGH den folgenden Grundsatz zur Anrechnung von Mitverschulden aufstellt:

Gericht: BGH 6. Zivilsenat, Datum: 15.06.1982, Az: VI ZR 309/80

Leitsatz

Trifft den Geschädigten gegenüber einem von zwei nach § 830 Abs. 1 S. 2 BGB aus alternativer Verursachung haftenden Beteiligten ein Mitverschulden, so kann auch der andere Beteiligte, wenn sein Verursachungsbeitrag nicht positiv festgestellt ist, nur zu der geringsten (hypothetischen) Haftungsquote verurteilt werden.

Fundstelle

VersR 1982, 878-879 (LT1)

NJW 1982, 2307-2307 (LT1)

Im Umweltrecht bietet häufig das Problem der additiven Kausalität Schwierigkeiten. Es ist dadurch gekennzeichnet, dass mehrere Immissionen nur im Zusammenwirken zu dem Schadensereignis geführt haben können. Der BGH behandelt dann die verschiedenen Immittenten als Gesamtschuldner:

Gericht: BGH 3. Zivilsenat, Datum: 22.11.1971, Az: III ZR 112/69

Leitsatz

Gelangen in ein Gewässer aus mehreren Anlagen im Sinn des WHG § 22 Abs 2 schädliche Stoffe, von denen jeder geeignet ist, zumindest im Zusammenwirken mit den übrigen Schadensstoffen einen bestimmten Schaden herbeizuführen, so haftet grundsätzlich jeder Inhaber einer einzelnen Anlage für den vollen Schaden als Gesamtschuldner, ohne daß der Geschädigte die Kausalität des Schadensbeitrages aus der einzelnen Anlage für den eingetretenen Schaden nachweisen müßte.

Fundstelle

NJW 1972, 205-205

BGHZ 57, 257-264 (LT1)

Gericht: BGH 5. Zivilsenat, Datum: 13.02.1976, Az: V ZR 55/74

Orientierungssatz

Zum Zwecke der Abwehr ortsüblicher Beeinträchtigungen können selbst aufwendige Maßnahmen zuzumuten sein, jedoch nicht in dem Ausmaß, daß schon jede mögliche schädigende Einwirkung verhütet wird.

Sonstiger Orientierungssatz

1. Einem Ausgleichsanspruch nach BGB § 906 Abs 2 S 2 steht nicht entgegen, daß die die unzumutbare Beeinträchtigung (hier: Risse an Häusern infolge von Sprengungen in Steinbrüchen) verursachende, nach dem Gesamtbild ortsübliche Benutzung des störenden Grundstücks in Einzelfällen die Grenzen des Ortsüblichen möglicherweise überschreitet.

2. Beeinträchtigen gleichartige, je für sich wesentliche Einwirkungen zweier Immittenten zusammen die ortsübliche Benutzung des benachbarten Grundstücks über das zumutbare Maß hinaus, so hat jeder Immittent nach Maßgabe der von ihm verursachten Beeinträchtigung angemessenen Ausgleich zu leisten.

3. Der für sich oder der in Verbindung mit dem anderen wirksame Ursachenbeitrag eines jeden Immittenten ist gegebenenfalls nach ZPO § 287 zu schätzen.

4. Für den nur durch das Zusammenwirken beider Immittenten verursachten Schadenteil ("progressive Schadenssteigerung") haften beide als Gesamtschuldner.

Fundstelle

BGHZ 66, 70

Modifié le: mercredi 3 septembre 2008, 16:52