Deduktives Hauptschema
Das deduktive Hauptschema
Mit den Mitteln der modernen Logik lassen sich die Aufgaben des Juristen messerscharf herausarbeiten.
Zu begründen ist eine Einzelfallentscheidung. Das Ergebnis der Einzelfallentscheidung kann in einem singulären Satz mit einem deontischen Operator formuliert werden. Der deontische Operator bringt das Sollen (im Unterschied zum Sein) zum Ausdruck. Als prädikatenlogischen Ausdruck notieren wir für die Einzelfallentscheidung:
Im konkreten Fall (a) ist die Rechtsfolge (R) geboten (O).
Es muss eine deduktiv gültige Argumentation zu der Entscheidung führen. Das bedeutet: Entweder ruht die Einzelfallentscheidung in sich selbst oder aber in den Gründen (Prämissen), die zu ihrer Begründung angeführt werden. Darin muss sich ein Satz mit einem deontischen Operator finden. Sonst könnte kein singulärer Satz mit einem deontischen Operator abgeleitet und das Postulat der deduktiv gültigen Argumentation nicht erfüllt werden.
Wenn wir davon ausgehen, dass juristische Einzelfallentscheidungen nicht in sich selbst ruhen, müssen Gründe angeführt werden, warum die Entscheidung so und nicht anders ausgefallen ist. Wir beginnen mit der Einführung des Sachverhalts. Das ist die Beschreibung eines singulären Geschehens, für die wir als prädikatenlogischen Ausdruck notieren:
2. Sa
Im konkreten Fall (a) haben wir es mit einem Sachverhalt mit den Merkmalen (S) zu tun.
Auch das logisch ungeübte Auge sieht sogleich, dass es von (2) zu (1) keinen deduktiven Übergang gibt. Dazu benötigen wir mindestens noch eine weitere Prämisse. Versuchen wir es zunächst einmal mit der Einführung der Minimalbedingung zur Erfüllung des Deduktivitätspostulats! Das ist ein bedingter singulärer Normsatz, für den wir als prädikatenlogischen Ausdruck notieren:
Wenn der konkrete Fall (a) die Sachverhaltsmerkmale (S) aufweist, dann soll die Rechtsfolge (R) eingreifen.
Mit einem solchen bedingten Normsatz ist das Deduktivitätspostulat erfüllt, weil nun aus (3) und (2) die Einzelfallentscheidung (1) logisch folgt. Logische Bedenken könnten wir gegen eine solche Begründung nicht erheben, wohl aber rechtliche. Das Gleichbehandlungsgebot verlangt die Heranziehung genereller und allgemeiner Normen. Kadijustiz ist nicht erlaubt.
Wir müssen deshalb eine universelle bedingte Norm einführen, für die wir als prädikatenlogischen Ausdruck notieren:
In allen und nur den Fällen (x), in denen die Tatbestandsvoraussetzungen (T) erfüllt sind, soll die Rechtsfolge (R) ausgesprochen werden.
Mit dieser Formulierung treffen wir ganz gut die dem Juristen bekannte Redeweise von der Aufspaltung der Normen in einen Tatbestand (= Voraussetzungsteil) und eine Rechtsfolge. Wir kommen aber in Schwierigkeiten mit der Erfüllung des Deduktivitätspostulats. Es gibt keinen deduktiv gültigen Übergang von (4) und (2) zu (1). Den gäbe es nur, wenn wir beim Sachverhalt Ta statt Sa notiert hätten. Mit Sa aber müssen wir eine logische Kluft zwischen der Sachverhaltsprämisse und der Normprämisse feststellen. Diese kann nur durch die Aufnahme weiterer Prämissen überbrückt werden, welche die Sachverhaltsbeschreibung und den Voraussetzungsteil des Normsatzes miteinander verbinden. Hier handelt es sich regelmäßig um semantische Interpretationen (Auslegungshypothesen) der im Voraussetzungsteil des Normsatzes verwendeten Begriffe mit Richtung auf die zur Beschreibung des individuellen Sachverhalts verwendeten Begriffe. Wegen des Gleichbehandlungsgebots müssen auch diese semantischen Interpretationen allgemein sein. Als Beispiel können wir folgenden prädikatenlogischen Ausdruck für eine semantische Interpretation wählen:
Fälle (x) mit den Merkmalen (S) gehören zu (T).
(5), (4) und (2) erlauben die Folgerung auf (1). Auch (3) ist in (5) und (4) enthalten.
Die deduktive Korrektheit ist lediglich eine (notwendige) Voraussetzung für eine korrekte Entscheidungsbegründung. Wenn die Entscheidung insgesamt richtig sein soll, muss zur deduktiven Korrektheit die Richtigkeit aller in der Ableitung verwendeten Prämissen hinzutreten: Die herangezogene Norm muss gültig, der Sachverhalt zutreffend und die Auslegung richtig sein. Das beurteilt sich nach ganz unterschiedlichen Kriterien. Ein Teil dieser Kriterien (für Auslegung und Rechtsfortbildung) wird in der juristischen Methodenlehre behandelt.