Die Privatautonomie

Im BGB herrscht der Grundsatz der Privatautonomie, d.h. dem Einzelnen wird ermöglicht, seine Rechtsverhältnisse selbständig und nach seinem Willen durch Rechtsgeschäft zu gestalten. Letztlich ist dies ein Ausdruck der in Art. 1 Abs. 1, 2 Abs. 1 GG verfassungsrechtlich verbürgten Selbstbestimmung und Handlungsfreiheit.

Ein Aspekt der Privatautonomie ist die Vertragsfreiheit (Vertragsautonomie): Jeder hat das Recht, frei darüber zu entscheiden, ob und auch mit wem er Verträge abschließen will (Abschlussfreiheit), sowie die Freiheit, den Inhalt der von ihm abgeschlossenen Verträge (im Einverständnis mit seinem Vertragspartner) zu bestimmen (Gestaltungsfreiheit).

Die Vertragsfreiheit muss allerdings dann ihre Schranken finden, wenn überragende Interessen der Allgemeinheit oder grundlegende Wertentscheidungen der Rechtsordnung gefährdet sind, bzw. wenn die Intention der Vertragsfreiheit, die Selbstbestimmung des Einzelnen zu ermöglichen, grundlegend bedroht ist.

Beschränkungen der Abschlussfreiheit sind in zwei Richtungen denkbar: als Abschlusszwang oder als Abschlussverbot. Ein Abschluss- bzw. Kontrahierungszwang kommt in denjenigen Fällen in Betracht, in denen ein einzelner allein Leistungen anzubieten vermag, die zur Erfüllung lebensnotwendiger Bedürfnisse erforderlich sind. Teilweise finden sich aus diesem Grund gesetzlich normierte Abschlusszwänge (Bsp.: § 22 PersonenbeförderungsG, § 2 EnWG). Das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG), das Deutschland in Umsetzung von Richtlinien der EU geschaffen hat, will "Benachteiligungen aus Gründen der Rasse oder wegen der ethnischen Herkunft, des Geschlechts, der Religion oder Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Identität" verhindern und beseitigen und kann so mit der Abschlussfreiheit in Konflikt geraten. Umstritten ist, ob und inwieweit Abschlusszwänge auch über die gesetzlich normierten Beispiele hinaus bejaht werden können. Abschlussverbote finden sich beispielsweise zum Schutz von Jugendlichen in den §§ 22 ff. Jugendarbeitsschutzgesetz. Verträge, in denen Jugendliche zu bestimmten gefährlichen oder gesundheitsschädlichen Arbeiten verpflichtet werden, sind danach verboten und gemäß § 134 BGB nichtig.

Auch die Gestaltungsfreiheit hat ihre Grenzen, wenn ein Vertrag seinem Inhalt nach die genannten höherrangigen Interessen verletzt. Beispiel sind die Gültigkeitsschranken der §§ 134, 138 BGB).

Ein weiterer wichtiger Aspekt der Privatautonomie ist die sog. Testierfreiheit, also die Freiheit des Einzelnen durch Verfügung von Todes wegen über sein Vermögen für den Todesfall zu bestimmen. Sie wird durch das Pflichtteilsrecht der §§ 2303 ff. BGB eingeschränkt.

Rechtsgeschäfte

Rechtsgeschäfte kennzeichnen den Bereich rechtlich relevanter Handlungen, in dem Rechtsfolgen deshalb eintreten, weil sie so von dem oder den Handelnden gewollt sind. Es ist der genuine Bereich der Privatautonomie. Hier gilt der Grundsatz der Selbstbestimmung und nicht der Grundsatz der Fremdbestimmung.

Primärschuldverhältnisse und Sekundärschuldverhältnisse

Die gewollten Rechtsfolgen beschränken sich in der Regel auf die primären Leistungspflichten und sparen die sekundären Pflichten aus. Auf die Sekundärebene wird man immer gestoßen, wenn auf der Primärebene etwas schief geht. Damit ist nicht die Situation gemeint, dass der Verpflichtete seiner Verpflichtung nicht nachkommen will, obwohl er das könnte. Dieser Situation hilft man mit einer Erfüllungsklage ab, die in ein Urteil mündet, das alsdann die Grundlage für die Zwangsvollstreckung gegen den Schuldner bilden kann. Zur Sekundärebene dringt man vor, wenn die Erfüllung gar nicht mehr möglich (Unmöglichkeit) oder nur noch verspätet möglich (Verzug) ist oder aber nicht ganz so erfolgt, wie man das nach dem Pflichtenprogramm erwarten durfte (Schlechtleistung). An diese Situationen denkt man in der Regel nicht, wenn man Leistungsversprechen gibt oder empfängt. Für sie stellt deshalb der Gesetzgeber eine Ersatzordnung bereit (Fremdbestimmung).

Die Arten der Rechtsgeschäfte

Die Rechtsgeschäfte lassen sich einmal danach differenzieren, ob eine oder mehrere Personen an ihnen beteiligt sind, und zum anderen danach, in welchem Bereich des Rechts sie vorkommen.

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Einseitige Rechtsgeschäfte sind das Testament, mit dem der Erblasser die Rechtsverhältnisse nach seinem Tode regelt, die Auslobung (§ 657 BGB), die Kündigung eines Dauerschuldverhältnisses oder die Anfechtung einer Willenserklärung (§ 142 BGB). Einseitig ist auch eine Mahnung, die nach § 286 Abs. 1 BGB den Verzug des Schuldners herbeiführt. Sie ist aber kein Rechtsgeschäft, weil die Verzugsfolgen unabhängig davon eingreifen, ob der Mahnende sie gewollt hat. Man zählt die Mahnung zu den geschäftsähnlichen Handlungen.

Bei den mehrseitigen Rechtsgeschäften kommen Beschlüsse und Verträge in das Blickfeld. Verträge kennt das Erbrecht (Erbverträge und Erbverzichtsverträge), das Familienrecht (Verlöbnis, Ehe, Güterrechtsverträge), das Sachenrecht (Einigung zur Eigentumsübertragung) und natürlich das Schuldrecht (§ 311 BGB).

Im Schuldrecht unterscheiden wir die Verträge danach, ob sie Pflichten nur für eine Seite begründen (Schenkung, Bürgschaft und unentgeltliche Verwahrung) oder aber für beide Seiten. Wenn die beiderseitigen Verpflichtungen im Gegenseitigkeitsverhältnis zueinander stehen (Begründung der einen Verpflichtung wegen der anderen: do ut des), sprechen wir von einem Synallagma oder auch von synallagmatischen Verpflichtungen. Diese bestehen z.B. bei der Pflicht des Käufers zu zahlen und der Pflicht des Verkäufers, die Kaufsache zu übereignen, der Pflicht des Vermieters, die Mietsache zu überlassen, und der Pflicht des Mieters, die Miete zu zahlen, nicht aber zwischen der Pflicht des Verleihers, die Leihsache zu überlassen, und der Pflicht des Entleihers, die geliehene Sache nach Ablauf der Leihzeit wieder zurückzugeben.

Die Unterscheidung zwischen den gegenseitigen Pflichten und den nicht im synallagmatischen Verhältnis stehenden Pflichten ist dem Umstand geschuldet, dass die Rechtsfolgen danach differenziert werden, ob es sich um gegenseitige Pflichten handelt oder nicht. Die §§ 320 bis 326 BGB stellen Sonderregelungen für die gegenseitigen Verträge auf.

Last modified: Thursday, 18 November 2010, 12:10 PM