Vornahme und Wirkung der Anfechtung

Vornahme der Anfechtung

Die Anfechtung erfolgt durch eine Erklärung des Anfechtungsberechtigten gegenüber dem Anfechtungsgegner (§ 143 Abs. 1 BGB). Daher handelt es sich bei der Anfechtungserklärung um eine empfangsbedürftige Willenserklärung, d.h. sie wird unter Abwesenden erst wirksam, wenn sie dem Anfechtungsgegner zugeht (§ 130 Abs. 1 Satz 1 BGB) und unter Anwesenden dann, wenn sie vom Anfechtungsgegner vernommen wurde. Dabei ist wegen der Gestaltungswirkung (§ 142 Abs. 1 BGB) der Anfechtung bei der Auslegung einer Anfechtungserklärung ein hohes Maß an Unzweideutigkeit zu verlangen. Das bedeutet natürlich nicht, dass der Anfechtungsberechtigte unbedingt das Wort "anfechten" verwenden muss (§ 133 BGB), allerdings muss für den Empfänger aus der Erklärung eindeutig zu erkennen sein, dass der Erklärende wegen eines Willensmangels die anfechtbare Willenserklärung nicht mehr gelten lassen will. Darüber hinaus folgt aus der rechtsgestaltenden Wirkung der Anfechtung und der Tatsache, dass der Erklärungsempfänger wissen muss, woran er ist, dass die Anfechtungserklärung nicht unter einer Bedingung (ungewisses zukünftiges Ereignis) erklärt werden darf (Bedingungsfeindlichkeit der Anfechtung). Von der bedingten Anfechtung zu unterscheiden ist die Möglichkeit einer Eventualanfechtung. Davon spricht man, wenn der Erklärende die Anfechtung "vorsorglich" für den Fall erklärt, dass sich ein bestimmter, bereits feststehender Sachverhalt bestätigen sollte. Eine Eventualanfechtung liegt z.B. dann vor, wenn die Parteien um die Rechtslage (z.B. die Auslegung des Vertrages) streiten und der Erklärende unter der "Bedingung" anficht, dass das Gericht eine bestimmte Rechtslage feststellt. Außerordentlich umstritten ist, ob die Anfechtungserklärung auch die Angabe der Anfechtungsgründe voraussetzt. Dabei stehen sich sowohl die Auffassung, dass eine wirksame Anfechtung immer die Angabe der Anfechtungsgründe voraussetzt, als auch diejenige, dass die Angabe der Gründe immer entbehrlich ist, sowie zahlreiche differenzierende Ansichten gegenüber. Gegen die Erforderlichkeit der Angabe der Anfechtungsgründe spricht, dass das Gesetz dieses den Anfechtenden belastende Erfordernis nirgendwo aufstellt, dafür spricht, dass der Erklärungsempfänger ein berechtigtes Interesse daran hat, zu wissen, woran er ist, insbesondere, ob eine den Schadenersatzanspruch nach § 122 Abs. 1 BGB auslösende Irrtumsanfechtung oder eine Anfechtung nach § 123 BGB vorliegt.

Die wohl herrschende Ansicht folgert aus dieser unterschiedlichen Interessenlage und der überwiegenden Schutzbedürftigkeit des Erklärungsempfängers, dass für den Erklärungsempfänger erkennbar sein muss, auf welche tatsächlichen Umstände der Anfechtungsberechtigte die Anfechtung stützen will. Demnach ist die Angabe der Anfechtungsgründe nur dann entbehrlich, wenn die Anfechtungsgründe dem Erklärungsgegner bekannt oder ohne weiteres erkennbar sind.

Die Anfechtungserklärung muss gegenüber dem Anfechtungsgegner erfolgen (§ 143 Abs. 1 BGB). Wer der richtige Anfechtungsgegner ist, ergibt sich aus § 143 Abs. 2 bis 4 BGB. Danach ist grundsätzlich derjenige Anfechtungsgegner, demgegenüber der Anfechtungsberechtigte die anfechtbare Willenserklärung abgegeben hat. Daher ist z.B. bei der Anfechtung einer Kündigung der Kündigungsgegner (§ 143 Abs. 1 Satz 1 BGB), bei einem zweiseitigen Vertrag der Vertragspartner (§ 143 Abs. 2 Fall 2 BGB) Anfechtungsgegner. Da das Gesetz dies ausnahmslos so anordnet, bleibt der Vertragspartner auch dann Anfechtungsgegner, wenn ein Dritter inzwischen durch Abtretung oder Verpfändung Rechte aus dem Vertrag erworben hat. Auch beim echten Vertrag zu Gunsten eines Dritten, dem, ohne dass er selbst Vertragspartner ist, Ansprüche aus dem Vertrag zustehen, ist demnach allein der Vertragspartner (Versprechensempfänger) Anfechtungsgegner. Lediglich im bereits erörterten Fall des § 123 Abs. 2 Satz 2 BGB, also bei Täuschung durch den begünstigten Dritten oder bei dessen Kenntnis von der Täuschung, ist der Dritte selbst Anfechtungsgegner.

Wirkung der Anfechtung

Das Anfechtungsrecht ist ein Gestaltungsrecht, denn durch die erfolgreiche Anfechtung wird das anfechtbare Rechtsgeschäft vernichtet und zwar rückwirkend, d.h. mit Wirkung ex tunc (§ 142 Abs. 1 BGB). Damit unterscheidet sich ein Rechtsgeschäft, das unter Willensmängeln leidet, die zur Anfechtung berechtigen, grundlegend von einem Rechtsgeschäft, das unter anderen Gültigkeitsmängeln leidet: Solange es nicht zur Anfechtung gekommen ist, ist das anfechtbare Rechtsgeschäft voll wirksam. Wird dem Anfechtungsberechtigten der Anfechtungsgrund bekannt, dann steht es in seinem Belieben, ob er von seinem Gestaltungsrecht Gebrauch machen und damit das anfechtbare Rechtsgeschäft beseitigen oder gelten lassen will.

Die Anfechtung führt also zum Schutze der Privatautonomie zur Beseitigung von Willenserklärungen, die unter Willensmängeln leiden. Die Anfechtung kann daher den Willensmangel nicht korrigieren, sondern lediglich die mangelhafte Erklärung aus der Welt schaffen. Man sagt daher, dass die Anfechtung nicht reformiert, sondern nur kassiert.

Die radikale Lösung, die der Gesetzgeber mit der Anfechtungswirkung ex tunc gewählt hat, wird nicht in allen Fällen für angemessen gehalten. Dabei ist inzwischen durch Rechtsprechung und Lehre anerkannt, dass bei Dauerrechtsverhältnissen mit personenrechtlichem Einschlag das Gesetz korrigiert werden muss, da die Rückabwicklung dieser Verträge nach ihrem Vollzug mit den Mitteln des Bereicherungsrechts häufig zu ungerechten Ergebnissen führt und auch mit der Eigenart dieser Schuldverhältnisse grundsätzlich unvereinbar ist. Sowohl bei in Vollzug gesetzten Arbeitsverhältnissen als auch bei ebensolchen Gesellschaftsverträgen führt die Anfechtung daher nach allgemeiner Ansicht nur zu einer Beendigung des Vertragsverhältnisses für die Zukunft (Wirkung ex nunc).

Hinsichtlich der Wirkung der Anfechtung stellt sich häufig die Frage, ob durch die Anfechtung lediglich das Verpflichtungsgeschäft oder auch das Erfüllungsgeschäft erfasst wird. Ist ein Vertrag bereits erfüllt und kann lediglich das schuldrechtliche Verpflichtungsgeschäft angefochten werden, dann bleibt von dieser Anfechtung das vom Verpflichtungsgeschäft zu abstrahierende dingliche Erfüllungsgeschäft unberührt (Abstraktionsprinzip). Infolge des Abstraktionsprinzips hat der Anfechtende dann lediglich einen schuldrechtlichen Anspruch aus Bereicherungsrecht auf Rückübertragung des Geleisteten. Umgekehrt ist es aber auch denkbar, dass alleine das dingliche Geschäft anfechtbar ist (z.B. der Verkäufer vergreift sich und übereignet daher die "falsche" Sache). Jedoch kann es auch einmal vorkommen - und das beantwortet die eingangs aufgeworfene Frage - dass sowohl das Verpflichtungs- als auch das Erfüllungsgeschäft auf dem gleichen Willensmangel beruhen (so genannte Fehleridentität), dass also der Willensmangel, an dem das Verpflichtungsgeschäft leidet, auf das Erfüllungsgeschäft "durchschlägt". Dies kommt insbesondere dann in Betracht, wenn die Willenserklärungen durch Täuschung oder widerrechtliche Drohung zu Stande gekommen sind. In diesem Fall hat der Erklärende auch den dinglichen Herausgabeanspruch aus § 985 BGB.

Zuletzt geändert: Dienstag, 9. September 2008, 14:27