Begrenzungen der Ersatzpflicht
Begrenzungen der Ersatzpflicht
Die Überlegungen zum rechtmäßigen Alternativverhalten bewegen sich allein auf der Kausalitätsebene. Nur solche Rechtsgutsverletzungen sollen zu einer Schadensersatzpflicht führen, die verhindert worden wären, wenn sich der verantwortlich Gemachte rechtmäßig verhalten hätte. Hat man den Kausalzusammenhang bejaht, ist eine notwendige Bedingung für die Verpflichtung zum Schadensersatz erfüllt. Es handelt sich aber nicht um eine hinreichende Bedingung. Das bedeutet, dass es Rechtsgutsverletzungen und Schäden gibt, die nicht zum Schadensersatz führen, obwohl die Kausalitätsbedingung erfüllt ist, bei rechtmäßigem Alternativverhalten also die Verletzung ausgeblieben wäre. Fraglich ist allein, nach welchen Kriterien kausal mit einem Fehlverhalten verknüpfte Rechtsgutsverletzungen und Schäden in ersatzfähige und nicht ersatzfähige Schäden eingeteilt werden. Einigkeit herrscht allein darüber, dass es solche Kriterien gibt. Welche es sind, ist dagegen durchaus umstritten.
Adäquate Kausalität
Lange Zeit stand das Kriterium der adäquaten Verursachung im Zentrum der Überlegungen. Mit diesem Kriterium sollten ganz unwahrscheinliche Entwicklungen aus der Ersatzpflicht ausgeschlossen werden. Auch heute noch liest man in vielen Entscheidungen, dass eine Rechtsgutsverletzung oder ein Schaden adäquat kausal verursacht sei, ohne dass man dahinter eine überlegte und bewusst getroffene Entscheidung für ein bestimmtes Kriterium vermuten dürfte. Die Adäquanzlehre ist einfach die überkommene und über viele Juristengenerationen tradierte Lehre. Bei näherer Betrachtung erweist sie sich aber als ungeeignet, überflüssig und falsch. Das lässt sich schon an der Entscheidung zeigen, in der der BGH sich intensiv um die Adäquanzlehre bemüht:
Gericht: BGH 1. Zivilsenat, Datum: 23.10.1951, Az: I ZR 31/51
Leitsatz
1.1 Eine Begebenheit ist adäquate Bedingung eines Erfolges, wenn sie die objektive Möglichkeit eines Erfolges von der Art des eingetretenen generell in nicht unerheblicher Weise erhöht hat. Bei der dahin zielenden Würdigung sind lediglich zu berücksichtigen
a) alle zur Zeit des Eintritts der Begebenheit dem optimalen Beobachter erkennbaren Umstände,
b) die dem Setzer der Bedingung noch darüber hinaus bekannten Umstände.
1.2 Diese Prüfung ist unter Heranziehung des gesamten im Zeitpunkt der Beurteilung zur Verfügung stehenden Erfahrungswissen vorzunehmen.
2. Bei dieser Prüfung auf Adäquanz handelt es sich nicht eigentlich um eine Frage der Kausalität, sondern um die Ermittlung der Grenze, bis zu der dem Setzer einer Bedingung eine Haftung für ihre Folgen billigerweise zugemutet werden kann. Nach dieser Auffassung haftet derjenige, der einen Unfall verursacht, auch für spätere fehlerhafte Eingriffe Dritter als adäquate Unfallfolgen, wenn das Eingreifen dieser Personen durch den Unfall verursacht worden ist. Diese Haftung findet aber ihre Grenze, wenn der Eingriff von hierzu nicht befugten Personen und in völlig unsachgemäßer und ungewöhnlicher Weise vorgenommen wird.
Fundstelle
BGHZ 3, 261-270 (LT1-2)
Tatbestand
Am 27. Juli 1948 fuhren 6 Schiffe auf der Talfahrt in die Schleuse Datteln des Lippe-Seitenkanals ein. Als erstes machte der Schlepper "Dollart" hart am Untertor an der Nordmauer fest. Ihm folgten die von ihm geschleppten leeren Klappschuten "Gesine" und "Heinrich Hirdes 9" (HH 9), die hintereinander an der Südmauer festmachten. Als viertes Schiff folgte das MS "Edelweiß", das sich mit einer Ladung von 360 t Weizen auf der Fahrt von Bremen nach Rüdesheim befand. "Edelweiß" legte sich steuerbord neben "HH 9" und machte an der Nordmauer fest. Es folgten schließlich die Motorschiffe "Weser I" und "Nixe", die hintereinanderliegend an der Nordmauer festmachten. Die Längswände der Schleuse in Datteln sind nach der Kammersohle zu verstärkt, so daß die Schleusenkammern an Stelle eines rechtwinkligen einen konischen Querschnitt aufweisen. Bei Berücksichtigung des damaligen Wasserstandes und einem Niveauunterschied von 7,46 m zwischen Ober- und Unterwasser verringerte sich der lichte Abstand der Kammerwände von 12,77 m (Oberwasser) auf 12,31 m (Unterwasser). Aus diesem Grunde ist das Schleusenpersonal angewiesen, nebeneinanderliegende Schiffe nur bis zur Gesamtbreite von 11,75 m zu schleusen.
Die Schleusung wurde in Abwesenheit des Schleusenmeisters durch den Schleusengehilfen T. durchgeführt. Dieser fragte vor Beginn der Schleusung die Schiffer von "HH 9" und "Edelweiß" nach der Breite ihrer Fahrzeuge. "Edelweiß" gab ihre Breite richtig mit 6,67 m an, während der Schiffer Sch. die Breite der "HH 9" unrichtig mit 5 m angab. Tatsächlich betrug sie 5,87 m. Dieselben Angaben erhielt auf seine Frage der Pumpenmaschinist M. . Der Schleusengehilfe hielt die sich hiernach ergebende Gesamtbreite für ausreichend und veranlaßte nach Schließung des Obertores die Leerung der Schleusenkammer. Während des Wasserablaufs preßten sich die ursprünglich frei schwimmenden Schiffe "Edelweiß" und "HH 9" gegeneinander und hinterließen auch an den beiden Schleusenmauern Reibungsspuren. Dessen ungeachtet wurde die Schleusung bis zur Erreichung des Unterwasserniveaus fortgesetzt. Erst beim Versuch des Schleppers "Dollart", die Schuten "Gesine" und "HH 9" herauszuziehen, wurde bemerkt, daß letztere mit "Edelweiß" verklemmt war und sich nicht bewegen ließ. "Dollart" zog deshalb nur "Gesine" heraus. Nunmehr beschlossen T. und M. in Abwesenheit des Schleusenmeisters, die Klemmlage der Schiffe durch Hebung des Wasserspiegels in der Schleusenkammer zu beseitigen. Das Untertor wurde geschlossen und die Schützen des Obertores um 10 cm gehoben. Der Wasserspiegel stieg mit einer Geschwindigkeit von 25 cm in 1,5 Minuten. Die verklemmten Schiffe schwammen jedoch nicht gleichmäßig auf. Sie hoben sich nur dachförmig längs ihrer gemeinsamen Berührungsfläche, blieben aber mit starker Schlagseite an ihren Berührungsflächen mit der Schleusenmauer hängen. Dabei drohte die mit einem Freibord von nur 15 cm zu Wasser liegende "Edelweiß" überflutet zu werden. Trotz anhaltender Notsignale gelang es dem Schleusenpersonal infolge Stromausfalles nicht, den Wasserzufluß rechtzeitig zu stoppen. "Edelweiß" lief voll Wasser und sank. Nur die Besatzung konnte sich retten.
Die Klägerin hat dem Eigner der "Edelweiß" Versicherungsschutz gewährt und verlangt von der Beklagten als Eigner der "HH 9" Schadensersatz in Höhe von 103.605,50 DM, weil der entstandene Schaden durch die unrichtige Breitenangabe ihres Schiffers Sch. verursacht worden sei. Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt. Sie bestreitet die Ursächlichkeit der falschen Breitenangabe und führt den Schaden allein auf die falschen Maßnahmen des Schleusenpersonals zurück.
Das Schiffahrtsgericht hat die ursprünglich nur in Höhe eines Teilbetrages von 10.000 DM gegen die Beklagte und den Schiffer Sch. erhobene Klage gegen letzteren unbeschränkt, gegen die Beklagte auf Schiff und Ladung oder deren Wert beschränkt dem Grunde nach für gerechtfertigt erklärt. Die Berufung wurde nur von der Klägerin und der Beklagten durchgeführt. Das Berufungsgericht hat die im zweiten Rechtszuge auf die volle Schadenshöhe erweiterte Klage gegen die nunmehr allein Beklagte unbeschränkt dem Grunde nach für gerechtfertigt erklärt und die Berufung der Beklagten zurückgewiesen.
Die Revision führte zur Aufhebung und Zurückverweisung.
Entscheidungsgründe
Das Berufungsgericht hält die falsche Breitenangabe des Schiffers der "HH 9" für die unmittelbare und adäquate Ursache, nicht nur der Einklemmung der Schiffe, sondern auch der weiteren Schäden, die sich bei der Lösung der Schiffe aus der Klemmlage ergeben haben. Es führt dazu aus, daß das Einklemmen beim Abschleusen zwar selten, aber nicht ungewöhnlich sei und daß auch die Dienstanweisung für das Schleusenpersonal mit solchem Vorkommen rechne. Ebenso sei die Behebung des Einklemmens durch Wasserzugabe nicht ungewöhnlich, sondern allein auf diese Weise erreichbar. Gefahren beim Schleusenbetrieb lägen jederzeit innerhalb der Lebenserfahrung. Diese Gefahren vervielfachten sich aber, wenn eine der vorgesehenen Gefährdungen, hier das Einklemmen, eingetreten sei und in üblicher, innerhalb der Lebenserfahrung liegender Weise beseitigt werden müsse. Dabei müsse in erhöhtem Maße mit einem mehrfachen, ja sogar gleichzeitigen menschlichen und technischen Versagen gerechnet werden. Das liege keinesfalls außerhalb jeder Wahrscheinlichkeit und sei auch dem Schutenführer nach allgemein menschlicher Erfahrung erkennbar gewesen. Das Versagen des Schleusenpersonals genüge also nicht zur Unterbrechung des Zusammenhanges zwischen der unrichtigen Breitenangabe und dem Untergange der "Edelweiß".
Der Revision ist zuzugeben, daß die Ausführungen über den ursächlichen Zusammenhang als Voraussetzung einer Haftung der Beklagten nicht frei von Rechtsirrtum sind. Schon die Annahme, daß das Verschulden des Schiffers Sch. unmittelbar kausal für den Schadenseintritt gewesen sei, ist nicht richtig. Sch. hat nichts dafür getan, daß "Edelweiß" sich neben "HH 9" legte und damit die erste Bedingung für die spätere Einklemmung schuf. Die Wahl des Lageplatzes beruht auf dem freien Entschluß des Schiffers von "Edelweiß". Ebenso beruht die Belassung des Schiffes an diesem Platz auf dem Entschluß des Schleusenpersonals, das allein über die Besetzung der Schleusenkammer zu bestimmen hatte und das Nebeneinanderliegen billigte, um auf diese Weise den Schleusenraum besser auszunutzen. Die falsche Breitenangabe des Sch. hat aber diesen Entschluß gefördert und ist auf diese Weise mittelbar für die Einklemmung ursächlich geworden. Es erscheint sicher, daß das Schleusenpersonal das Nebeneinanderliegen der Schiffe nicht geduldet haben würde, wenn es die wahre Breite der "HH 9" gekannt hätte. Die falsche Breitenangabe ist also trotz ihrer nur mittelbaren Funktion eine conditio sine qua non für den weiteren Geschehensablauf.
Mit dieser Feststellung ist indessen für die Annahme einer haftungsbegründenden Verursachung des Schadens durch Sch. noch nichts gewonnen. Es ist seit langem in der Rechtslehre und Rechtsprechung unstreitig, daß der Kreis solcher natürlich logischen Ursachen gemeinhin ein viel zu großer ist, um jede ihrer Folgen dem Verursachenden verantwortlich zur Last legen zu können. Die Rechtslehre hat daher den Begriff der adäquaten Verursachung geschaffen, der nach der Entscheidung des Reichsgerichts vom 18. November 1932 (HRR 1933, 498)
"die Möglichkeit schaffen soll, einzelne Bedingungen, die im naturwissenschaftlichen Sinn Ursachen eines Erfolges waren, ohne deren Vorhandensein der Erfolg also nicht eingetreten wäre, für den Kausalzusammenhang im rechtlichen Sinn auszuschalten, und zwar sollen die logisch von dem Erfolg entferntesten Bedingungen ausgeschaltet werden, weil die Berücksichtigung auch dieser Bedingungen im Rechtsleben zu Ergebnissen führen würde, die der Billigkeit widersprächen ...".
Formuliert wurde die adäquate Ursache vor allem von Kries, Rümelin und Traeger (vgl Gesamtübersicht bei Lindenmaier "Adäquate Ursache und nächste Ursache" in der Festschrift für Wüstendörfer, Zeitschrift für das gesamte Handelsrecht und Konkursrecht Bd 113, Heft 3/4, Stuttgart 1950). Gemeinsam ist diesen Formulierungen die Würdigung einer konkreten conditio sine qua non auf ihre Erfolgsbegünstigung nach generellen Maßstäben. Sie unterscheiden sich nach dem Blickpunkt, von dem aus diese Würdigung vorgenommen wird. Während von Kries, der Schöpfer des Begriffs der adäquaten Ursache, die Würdigung der Erfolgsbegünstigung einer conditio sine qua non auf der Grundlage aller dem Urheber der Bedingung zur Zeit ihres Eintritts (ex ante) individuell bekannten oder erkennbaren Umstände vornehmen will, und zwar unter Heranziehung des ex post vorhandenen generellen Erfahrungswissen, vertritt Rümelin die Theorie der "objektiven nachträglichen Prognose". Er will zur Bildung des Möglichkeitsurteils das gesamte Erfahrungswissens der Menschheit und alle zur Zeit des Eintritts der Bedingung irgendwie vorhandenen Umstände berücksichtigen, mögen sie selbst bei höchster Einsicht erkennbar gewesen sein oder erst durch das auf die untersuchte Bedingung folgende Geschehen ex post erkennbar geworden sein.
Die vorausschauende individuelle Betrachtung von von Kries erwies sich als zu eng für Fälle der objektiven Gefährdungs- und Vertragshaftung im Zivilrecht, die rückschauende objektive Prognose Rümelins als zu weit, um unbillige Ergebnisse der Bedingungstheorie mit Sicherheit ausschalten zu können. Rümelin selbst sah sich deshalb zu einer Einschränkung seiner Lehre genötigt, soweit durch die untersuchte Bedingung der Geschädigte lediglich in zeitliche oder räumliche Beziehung zum schädigenden Ereignis geraten war. Die Mängel beider Formulierungen vermeidet Traeger (Kausalbegriff im Zivil- und Strafrecht 1904 S 159) mit der Formulierung: Eine Begebenheit ist adäquate Bedingung eines Erfolges, wenn sie die objektive Möglichkeit eines Erfolges von der Art des eingetretenen generell in nicht unerheblicher Weise erhöht hat. Bei der dahin zielenden Würdigung sind lediglich zu berücksichtigen
a) alle zur Zeit des Eintritts der Begebenheit dem optimalen Beobachter erkennbaren Umstände,
b) die dem Urheber der Bedingung noch darüber hinaus bekannten Umstände.
Den so festgestellten Sachverhalt will Traeger unter Heranziehung des gesamten zur Zeit der Beurteilung zur Verfügung stehenden menschlichen Erfahrungswissens darauf prüfen, ob er den Eintritt des schädigenden Ereignisses in erheblicher Weise begünstigt hat (vgl Lindenmaier aaO S 223 bis 226).
Der Traeger'schen Formulierung schließt sich im wesentlichen die Rechtsprechung des Reichsgerichts seit der Entscheidung RGZ 133, 126 (127) in neuerer Zeit in der Fassung an, daß ein adäquater Zusammenhang vorliege, "wenn eine Tatsache im allgemeinen und nicht nur unter besonders eigenartigen, ganz unwahrscheinlichen und nach dem regelmäßigen Verlauf der Dinge außer Betracht zu lassenden Umständen zur Herbeiführung eines Erfolges geeignet war".
Dieser bis zuletzt im wesentlichen unverändert in zahlreichen Entscheidungen beibehaltenen Fassung (RGZ 133, 126; 135, 154; 148, 165; 152, 49; 158, 38; 168, 88; 169, 91) schließt sich auch der Senat unter Beibehaltung der von Traeger festgelegten Beurteilungsgrundlagen an. Es darf dabei freilich worauf Lindenmaier aaO S 239, 241 hinweist - nicht der Ausgangspunkt der Untersuchung aus den Augen verloren werden: nämlich die Suche nach einem Korrektiv, das den Kreis der rein logischen Folgen im Interesse billiger Ergebnisse auf die zurechenbaren Folgen einschränkt. Nur wenn die Rechtsprechung sich dessen bewußt bleibt, daß es sich hier nicht eigentlich um eine Frage der Kausalität, sondern um die Ermittlung der Grenze handelt, bis zu der dem Urheber einer Bedingung eine Haftung für ihre Folgen billigerweise zugemutet werden kann, also im Grunde um eine positive Haftungsvoraussetzung (Larenz, Vertrag und Unrecht 12, 14; Lindenmaier aaO S 239, 241/42), wird die Gefahr einer Schematisierung der Formel vermieden und die Ermittlung richtiger Ergebnisse gewährleistet.
Daß im vorliegenden Falle die Einklemmung der Schiffe eine adäquate Folge der falschen Breitenangabe gewesen ist, hat das Berufungsgericht ohne Rechtsirrtum angenommen. Mit der Einklemmung war aber noch kein beweisbarer Schaden entstanden, da der Geschehensablauf zum Stillstand gekommen war und die Schiffe ruhig auf ebenem Kiel in der Schleusenkammer lagen. Bei der Zurechnung der weiteren erst eigentlich schädigenden Folgen hat aber das Berufungsgericht die möglicherweise notwendige Einschränkung der Haftungsfolgen nicht hinreichend beachtet, wenn es die Berücksichtigung des von ihm selbst erkannten Versagens des Schleusenpersonals ablehnt. Zwar ist in der Rechtsprechung des Reichsgerichts wiederholt anerkannt worden, daß jeder, der einen Unfall verursacht hat, auch für solche Folgen einzustehen habe, die sich erst im Verlaufe einer durch den Unfall unvermeidlich gewordenen Behandlung selbst durch einen dabei unterlaufenden Kunstfehler ergeben, weil nach der Lebenserfahrung damit gerechnet werden müsse, daß nicht jede Behandlung unbedingt sachgemäß ausgeführt und von dem gewünschten Erfolge begleitet werden würde (RGZ 102, 230; 105, 264; 119, 204; RG HRR 28, 831; RG JW 1911, 755). Dieser Grundsatz gilt aber nicht ausnahmelos und kann nicht dazu führen, den für die Einleitung eines Unfallherganges Verantwortlichen unterschiedslos mit allen Folgen zu belasten, die ohne sein Zutun von dritten zu einem Eingriff gar nicht befugten Personen in völlig ungewöhnlicher und unsachgemäßer Weise herbeigeführt werden (vgl die bereits genannten Entscheidungen RGZ 102, 230 und JW 1911, 755).
Die Beklagte hatte darauf hingewiesen, daß ein solches ungewöhnliches und gröblich falsches Eingreifen des Schleusenpersonals vorliege, und das Berufungsgericht hätte deshalb in eine Prüfung dieses Verhaltens im einzelnen eintreten müssen, anstatt sich mit dem Hinweis zu begnügen, daß "die immerhin beachtlichen Anzeichen für ein Versagen des Schleusenpersonals für die Unterbrechung des Kausalzusammenhanges nicht ausreichen, zumal von einer vorsätzlichen Herbeiführung des Unfalles durch das Schleusenpersonal keine Rede sein könne".
Die mit dem Begriff des vorsätzlichen Handelns aufgeworfene Frage des Verschuldens gehört nicht in diesen Zusammenhang, der sich allein mit dem Begriff der Verursachung befaßt. Er erfordert lediglich eine Prüfung, ob ein optimaler Beobachter mit einem Verhalten des Schleusenpersonals, wie es - zum großen Teil unbestritten - vorgetragen wird, im Augenblick des Eintritts der haftungsbegründenden Bedingung - also der falschen Breitenangabe normalerweise hätte rechnen können. Die Unterlassung dieser Prüfung rechtfertigt nicht allein die von der Revision erhobene verfahrensrechtliche Rüge der mangelnden Erschöpfung des Sachverhalts, sondern läßt darüber hinaus erkennen, daß das Berufungsgericht nicht den richtigen Maßstab für die Ausscheidung unzumutbarer und deshalb inadäquater Folgen angewandt hat.
An Umständen, die nach dem vorgetragenen Sachverhalt selbständige Schadensursachen bilden können, waren zu prüfen:
1. die Tatsache, daß der Schleusenmeister entgegen § 2 Ziff 2 seiner Dienstanweisung es unterließ, die Schleusung persönlich zu überwachen, daß er vielmehr die Schleusung einem Schleusengehilfen überließ, der ihm nicht als sein Vertreter beigegeben war und der die Schleusung fortsetzte, obwohl er durch die auftretenden Reibspuren an den Kammerwänden auf den Eintritt der Klemmlage der Schiffe hätte aufmerksam werden müssen;
2. die Tatsache, daß nach Eintritt der Klemmlage der Schleusengehilfe und der Pumpenmaschinist eigenmächtig und gegen das ausdrückliche Verbot der Dienstanweisung die Lösung der Klemmung durch Wasserzugabe versucht haben, ohne den nach der Dienstanweisung allein hierfür berufenen Schleusenmeister zu benachrichtigen und ihm die Beseitigung der Störung zu überlassen, dies alles, obwohl kein Anlaß zu überstürztem Handeln vorlag, der Geschehensablauf vielmehr mit der Erreichung des Unterwasserspiegels zum Stillstand gekommen war;
3. die von der Beklagten behauptete und unter Beweis gestellte Tatsache, daß der Schleusenmeister im Stande gewesen wäre, die Klemmlage ohne Gefährdung der Schiffe, wie bereits in mehreren früher vorgekommen Fällen zu lösen, etwa durch Beseitigung der hindernden Reib- und Berghölzer und ganz vorsichtiges Heben des Wasserspiegels, notfalls durch Bedienung der Schützen von Hand;
4. die Tatsache, daß die Hebung des Wasserspiegels so schnell erfolgte, daß bereits in 1 1/2 Minuten der nur 15 cm betragende Freibord der "Edelweiß" überflutet werden mußte, falls die Verklemmung sich nicht lösen und die Schiffe nicht, wie beabsichtigt, aufschwimmen sollten;
5. die Tatsache des Stromausfalls, die sowohl zeitlich wie hinsichtlich ihrer Entstehungsursache ungeklärt geblieben ist. Dabei kann von Bedeutung sein, daß nach der Bekundung des Maschinisten M. kein Ausfall des Kraftnetzes stattgefunden hat, sondern ein Durchbrennen der Sicherung, die möglicherweise durch eine unsachgemäße Überbeanspruchung des Schützenmotors ausgelöst worden sein kann.
Es mag sein, daß einzelne und selbst auch mehrere dieser Tatsachen in den nach der Lebenserfahrung zu erwartenden Gefahrenkreis fallen, so daß man ihre Zumutbarkeit, jede für sich betrachtet, bejahen könnte. Es mußte aber geprüft werden, ob nicht das Zusammentreffen dieser vielfachen, zT von Unberufenen gesetzten, zT möglichenfalls zufälligen Bedingungen, ungewöhnlich und außerhalb des normalen Gefahrenkreises gelegen hat. Dabei wäre zu beachten gewesen, daß es sich um Bedingungen handelte, die sich gegenseitig verstärkten und erst in diesem Zusammenwirken zu der verhängnisvollen Zuspitzung der Lage führten, die nur noch wenig mit der ursprünglichen Herbeiführung der Klemmlage zu tun hatte.
Die tatsächlichen Feststellungen des Berufungsgerichts reichen nicht aus, um dem Revisionsgericht die abschließende Beurteilung des Kausalzusammenhanges zu ermöglichen. Die Beteiligung des Schleusenpersonals an dem Unfallhergang muß in der angegebenen Richtung, gegebenenfalls unter Zuziehung unabhängiger Sachverständiger, geklärt und dann erneut zu der Verantwortlichkeit der Beklagten Stellung genommen werden.
Nimmt man die Formulierung aus dem Leitsatz 1 ernst, so dürfte es kaum eine Entwicklung geben, die als inadäquat bezeichnet werden könnte. Einem optimalen Beobachter, dem das gesamte Weltwissen zur Verfügung steht, ist halt keine Entwicklung unwahrscheinlich. Der Leitsatz 2 bringt auch deutlich zum Ausdruck, dass es gar nicht um Wahrscheinlichkeitserwägungen geht, sondern um eine Bewertungsfrage. Für diese Bewertungsfrage aber gibt es nach dem Stand der heutigen Zivilrechtsdogmatik einen angemesseneren Standort als die Adäquanzlehre.
Rechtswidrigkeitszusammenhang und Schutzbereichslehre
Die Schutzbereichslehre bietet den besseren dogmatischen Standort. Nach ihr führen nur solche Rechtsgutsverletzungen und Schadensentwicklungen zu einer Schadensersatzpflicht, die im Schutzbereich der verletzten Pflicht liegen. Dazu muss man sich fragen, ob der Pflichtverstoß, den man jemandem vorhält, eine Pflicht betrifft, die gerade zur Vermeidung von Schäden der Art entwickelt worden ist, um deren Ersatz es in einem konkreten Fall geht. Im Gesamtkonzept können durchaus auch Wahrscheinlichkeitsüberlegungen eine Rolle spielen. Sie tun das aber nicht auf der Kausalitätsebene zur Ausscheidung inadäquater Entwicklungen, sondern auf der Ebene der Pflichtenbegründung, wenn es um das Merkmal der Vorhersehbarkeit geht.
Grünstreifen-Fall
Eine der grundlegenden Entscheidungen, in denen die Inadäquanz der Adäquanzlehre deutlich und die Tauglichkeit der Schutzbereichslehre belegt wird, findet sich im Grünstreifen-Fall:
Gericht: BGH 6. Zivilsenat, Datum: 16.02.1972, Az: VI ZR 128/70
Leitsatz
Dem für einen Verkehrsunfall Verantwortlichen sind in der Regel nicht auch die Schäden zuzurechnen, die nachfolgende Kraftfahrer dadurch anrichten, daß sie, um die Unfallstelle umgehen zu können, über den Radweg und Fußweg der unfallbedingt gesperrten Straße fahren.
Fundstelle
BGHZ 58, 162-170 (LT1)
Tatbestand
Am 21. Juni 1968 ereignete sich auf der L.-Straße in B. ein Verkehrsunfall. Ein Lastkraftwagen der niederländischen Streitkräfte war bei dem Versuch, einen parkenden Kraftwagen zu überholen, mit einem ihm entgegenkommenden Personenkraftwagen zusammengestoßen. Die beiden Fahrer ließen ihre Fahrzeuge in der durch den rechts parkenden Wagen gebildeten Engstelle der Straße stehen, um das Eintreffen der Polizei abzuwarten. Infolgedessen war die Straße für die nachfolgenden Kraftfahrer zunächst gesperrt. Daraufhin fuhren mehrere Kraftfahrer, die wegen des vor ihnen stehenden LKW nicht weiterfahren konnten, um die Unfallstelle herum, indem sie über den rechts befindlichen Rad- und Fußweg fuhren. Als die Verkehrspolizei nach etwa 15 Minuten eintraf, waren an dem Rad- und Fußweg erhebliche Schäden entstanden. Für deren Beseitigung mußte die Stadt B., die Klägerin, als Wegeeigentümerin 1.736,58 DM aufwenden.
Die Kraftfahrer, die über den Bürgersteig gefahren waren, sind nicht ermittelt worden.
Die Bundesrepublik hat aufgrund der Bestimmungen des NATO-Truppenstatuts dem Eigentümer des von dem Militär-LKW angefahrenen PKW dessen Schaden ersetzt. Die Klägerin steht auf dem Standpunkt, daß die Bundesrepublik auch für die Schäden einstehen müsse, die jene Kraftfahrer beim Überfahren des Rad- und Gehweges verursacht hatten.
Während das Landgericht die Klage abgewiesen hat, hat ihr das Oberlandesgericht stattgegeben.
Auf die vom Oberlandesgericht zugelassene Revision der Beklagten hat der Bundesgerichtshof das Urteil des Landgerichts wiederhergestellt.
Entscheidungsgründe
Die Bundesrepublik hat, worüber die Parteien einig sind, nach den Bestimmungen des NATO-Truppenstatuts für die von dem LKW der niederländischen Streitkräfte verursachten Schäden in gleicher Weise einzustehen, wie wenn der Schaden von einem LKW der Bundeswehr angerichtet worden wäre. Anspruchsgrundlage ist daher zunächst § 839 BGB iV mit Art 34 GG, so daß eine Haftung aus den §§ 831, 823 BGB i Verb mit den Vorschriften der Straßenverkehrsordnung ausscheidet. Nach Satz 2 des § 839 Abs 1 BGB hätte die Klägerin dartun müssen, daß sie den Ersatz ihrer Schäden nicht anderweit erreichen konnte - vor allem nicht von den Kraftfahrern, die die eigentlichen Schadensurheber gewesen sind und ihr, wären sie ermittelt worden, zweifellos hätten Ersatz leisten müssen. Das Berufungsgericht brauchte nicht zu untersuchen, ob die Klägerin etwa, nachdem die schuldigen Kraftfahrer nicht hatten ermittelt werden können, einen Ersatzanspruch - wenigstens soweit er 1.000 DM übersteigt - gegen den "Entschädigungsfonds" (§ 12 des PflVersG idF vom 5. April 1965 - BGBl I 213) hätte geltend machen können, (vgl aber auch § 152 VVG). Auf diese Frage kam es nicht mehr an, nachdem die Klägerin erklärt hatte, sich lediglich auf die Haftung der Beklagten nach § 7 StVG zu stützen. Daß an sich hier die Voraussetzungen dieser Haftungsnorm erfüllt sind, ist zwischen den Parteien nicht streitig. Da, wie das angefochtene Urteil feststellt, den Fahrer des LKW sogar ein Verschulden trifft, entfällt die Gefährdungshaftung nicht etwa wegen unabwendbaren Ereignisses (§ 7 Abs 2 StVG). Fraglich ist allein, ob auch die Schäden, welche die hinter dem die Straße sperrenden LKW zunächst zum Halten gezwungenen Kraftfahrer beim Überfahren des Rad- und Gehweges angerichtet haben, noch auf ein haftungsbegründendes Verhalten, hier die vom Halter zu vertretende Betriebsgefahr des LKW, zurückgeführt werden können. Das Berufungsgericht hat das bejaht.
I.
Diesem Standpunkt kann nicht gefolgt werden.
1. Dem Berufungsgericht muß zwar zugestimmt werden, wenn es auch im vorliegenden Fall den Ursachenzusammenhang zwischen dem zum Unfall führenden Verhalten des LKW-Fahrers und der Beschädigung von Rad- und Gehweg als adäquat angesehen hat (insofern richtig auch LG Düsseldorf NJW 1955, 1031: "Grünstreifen-Fall"). Erfahrungsgemäß gibt es bei Unfällen der hier geschehenen Art immer wieder Kraftfahrer, die - unzweifelhaft verkehrswidrig und wegen vorsätzlicher Sachbeschädigung strafbar (§ 303 StGB) - nicht so lange warten, bis die Weiterfahrt wieder möglich oder ihnen die Umfahrung durch eine Anordnung der Verkehrspolizei erlaubt worden ist. Angesichts der Erfahrung, daß das Verhalten jener Kraftfahrer immer wieder vorkommt, wird man sogar annehmen können, ein Kraftfahrer müsse voraussehen, daß ein von ihm verursachter Unfall im fließenden Verkehr derartige Reaktionen nachfolgender Fahrer mit den damit angerichteten Schäden an öffentlichen Straßen, privaten Vorgärten, Zäunen usw zur Folge haben kann. Indes kommt es im vorliegenden Fall ohnehin nicht auf Verschulden als Zurechnungsgrund entscheidend an, weil die Klägerin ihren Ersatzanspruch auf § 7 StVG stützen kann.
Zu Unrecht zieht die Revision den Standpunkt des Berufungsgerichts in Zweifel, daß der LKW noch in dem Zeitpunkt "im Betrieb" war, in welchem jene Kraftfahrer den Rad- und Gehweg überfuhren. Der LKW war, als er zum Stehen gekommen war, aber die anderen Fahrzeuge an der Weiterfahrt hinderte, noch nicht aus dem Verkehr gezogen. Im Sinne des § 7 StVG dauert der Betrieb eines Kraftfahrzeugs so lange fort, wie es der Fahrer im Verkehr beläßt und die dadurch geschaffene Gefahrenlage fortbesteht (BGHZ 29, 163, 166). Auch stand das Ausweichen der ungeduldig gewordenen Kraftfahrer noch in dem erforderlichen nahen örtlichen und zeitlichen Zusammenhang mit dem von dem LKW verursachten Zusammenstoß (vgl BGHZ 37, 311, 318). Wäre ein nachfolgendes Kraftfahrzeug, um nicht auf den vor ihm stehenden LKW aufzufahren, beim Bremsen ins Schleudern gekommen und dabei auf den Rad- und Gehweg geraten, so wäre der dabei von ihm angerichtete Schaden gewiß noch der Betriebsgefahr des LKW zuzurechnen. Nichts anderes würde gelten, wenn ein nachfolgender Kraftfahrer, um nicht aufzufahren oder nicht von nachkommenden Verkehrsteilnehmern angefahren zu werden, sein Fahrzeug bewußt auf den Radund Gehweg gelenkt hätte.
2. Lassen sich somit der adäquate Ursachenzusammenhang und der Zusammenhang mit der Betriebsgefahr des die Straße sperrenden LKW nicht verneinen, so hängt die Entscheidung des Rechtsstreits davon ab, ob einem Schädiger auch solche Folgen zugerechnet werden können, die auf einem "freien" Entschluß eines Dritten beruhen (sog "Unterbrechung des Kausalzusammenhangs" oder Regreßverbot"). Diese Frage stellt sich in Fällen der vorliegenden Art ohne Rücksicht darauf, ob der Geschädigte seinen Ersatzanspruch auf § 823 Abs 2 (iV mit den Vorschriften der StVO) oder Abs 1 BGB oder auf § 839 BGB oder, wie hier, weil die Straße durch ein Kraftfahrzeug gesperrt worden war, auf die §§ 7, 18 StVG stützt.
a) Entgegen der Meinung der Revision ist diese Zurechnung nicht schon deshalb zu verneinen, weil jene ungeduldigen Kraftfahrer vorsätzlich und rechtswidrig handelten, als sie über den Rad- und Gehweg fuhren.
Die Zurechnung eines Schadens ist keineswegs schlechthin schon deshalb ausgeschlossen, weil er auf dem Eingreifen eines Dritten beruht (BGHZ 12, 206, 211; 17, 153, 159; 24, 263, 266). Nur dann, wenn die Ursächlichkeit des ersten Umstandes für das zweite Ereignis völlig unerheblich war, kann davon gesprochen werden, daß der Kausalzusammenhang "unterbrochen" ist (BGHZ 3, 261, 268; 12, 211; 17, 159). Das ist hier nicht der Fall. Der Zurechnung steht auch nicht entgegen, daß jene Kraftfahrer den Schaden rechtswidrig angerichtet haben. Ob das Eingreifen des Dritten in den Ablauf des Geschehens rechtmäßig war oder rechtswidrig, ist nicht von entscheidender Bedeutung für die Frage der Zurechnung.
Ebensowenig wird ein Schädiger, dessen Verhalten einen haftungsbegründenden Tatbestand erfüllt hat, von der Haftung für Schäden, die ein Dritter angerichtet hat, schon deshalb freigestellt, weil dieser außerdem vorsätzlich gehandelt hat (vgl Senatsurteil vom 1. Februar 1966 - VI ZR 196/64 - LM BGB § 832 Nr 8a; vgl auch Larenz in NJW 1958, 627 gegen NJW 1955, 1009). Deshalb muß zB der Fahrer und der Halter, dessen Kraftwagen einen Lieferwagen so angefahren hat, daß dessen Ladung auf die Straße gefallen ist, nicht nur die Waren ersetzen, die bei dem Unfall beschädigt worden sind oder nicht mehr geborgen werden konnten, sondern auch die aus der verstreut auf der Straße liegenden Ladung gestohlenen Waren. Hier kann der für den Unfall Haftende den Geschädigten nicht auf seine Ansprüche gegen die Diebe verweisen; der von diesen verursachte Schaden ist auch ihm zuzurechnen, weil er die Gefahr, daß der durch den Unfall Geschädigte bestohlen werden könnte, geschaffen hat. Daß diese Folgen seines haftungsbegründenden Tuns, nämlich das Halten seines schadensträchtigen Kraftfahrzeugs oder der Verkehrsverstoß seines Fahrers, nicht mehr in den Bereich der Gefahren fielen, zu deren Abwehr jene Haftungsnormen (§§ 7, 18 StVG, §§ 823ff BGB iV mit den Vorschriften der StVO usw) erlassen worden sind, kann nicht angenommen werden (vgl BGHZ 27, 137, 140; H. Lange Gutachten zum 43. DJ-Tag 1960 S 50). Ebensowenig kann, wer aufgrund Vertrages dafür einzustehen hat, daß eine Sache behütet bleibt, seinen trotzdem bestohlenen Auftraggeber auf seine Ansprüche gegen den Dieb verweisen. Auch durch Gesetz können derartige "Garantenpflichten" begründet sein. So kann unter Umständen die einem Verkehrsteilnehmer obliegende Sorgfaltspflicht so weit gehen, daß er darauf achtet, nicht durch sein verkehrswidriges Verhalten Dritte zu vorsätzlichen Verkehrsverstößen zu verleiten. Vor allem ist der Halter eines Kraftfahrzeugs für sämtliche Schäden verantwortlich, die mit dem Betrieb seines Fahrzeugs verbunden sind, gleichviel wie im konkreten Fall dessen Gefährlichkeit schadenswirksam geworden ist; er haftet auch für Schäden, die der Schwarzfahrer mittels seines Fahrzeugs bewußt und gewollt anrichtet, sogar bei vorsätzlicher Tötung eines Menschen (BGHZ 37, 311, 316/317).
b) Bei wertender Betrachtung liegt aber der hier zu entscheidende Fall anders. Die Kraftfahrer sind, nachdem sie auf der Straße zum Halten gekommen waren, aus freien Stücken über den Rad- und Gehweg gefahren. Das war nur insofern noch mit dem Unfall, also mit der Fahrweise des LKW und der von ihm ausgehenden Betriebsgefahr verknüpft, als der Unfall mit seiner Sperrung der Straße den Anlaß für das Verhalten jener Kraftfahrer bildete. Dies aber war nicht mehr als ein äußerer Umstand, der lediglich die Motivation für das eigenmächtige, nicht mehr von Rücksichten auf Verkehrssicherheit bestimmte Verhalten der Kraftfahrer abgab. Er kann daher nicht als ausreichend angesehen werden, um einen zurechenbaren Zusammenhang zu begründen (vgl auch BGHZ 25, 86, 90; Senatsurteil vom 12. Februar 1963 - VI ZR 181/62 - LM BGB § 823 (C) Nr 28). Vor allem kann hier nicht gesagt werden, daß das Verhalten des LKW-Fahrers und die Sperrung der Straße das Handeln jener Kraftfahrer "herausgefordert" hätte (so die Formulierung von Larenz, Schuldrecht, Bd I 10. Aufl § 27 III b3 S 323; vgl BGHZ 57, 25, 28 mw Nachw). Eine solche zum Eingreifen Dritter drängende Lage war durch die Sperrung der Straße nicht entstanden. "Herr" des schadenstiftenden Geschehens waren in bezug auf die Beschädigung des Randstreifens allein die ungeduldigen Kraftfahrer und nicht auch der Fahrer des LKW. Der vorliegende Fall gibt daher keinen Anlaß zur Prüfung, ob bei der Frage nach der "Herausforderung" des vorsätzlichen Handelns des Dritten auch dem Grade und der Erheblichkeit der hervorgerufenen Gefahr für die Rechtsgüter anderer Bedeutung zukommt. Die Entscheidung folgt im Streitfall bereits aus dem Grundsatz, daß die Vorgänge, die für die Frage nach der Zurechnung eines Schadens erheblich sind, stets einer wertenden Betrachtung zu unterwerfen sind (BGHZ 18, 286, 288; 30, 154, 157; Senatsurteile vom 8. Januar 1963 - VI ZR 80/62 - und vom 12. Februar 1963 - VI ZR 181/62 - BGH LM BGB § 823 (C) Nr 27 und Nr 28).
Bei wertender Betrachtung besteht ein für die Haftung ausreichender Zusammenhang zwischen dem Verhalten des LKW-Fahrers und der Sachbeschädigung hier auch dann nicht, wenn zugunsten der Klägerin nicht nur auf § 7 StVG abgestellt wird, sondern auf das den LKW-Fahrer treffende Verschulden, das zu dem Zusammenstoß geführt hat. Hier waren nach der Rechts-, vor allem der Verkehrsordnung die Verantwortungsbereiche deutlich getrennt: Der Fahrer und der Halter des LKW waren verantwortlich für den Zusammenstoß und seine Folgen für andere Verkehrsteilnehmer, die etwa in den Unfall verwickelt worden waren, sowie für alle durch den Zusammenstoß in Mitleidenschaft gezogenen Sachen. Für die Beschädigung des Rad- und Gehweges sind aber bei dem hier gegebenen Schadensverlauf allein die Kraftfahrer, die über ihn gefahren waren, verantwortlich. Die für den Fahrer des LKW geltenden Gebote und Verbote schützten nur insoweit auch die Interessen derer, die mit ihrem Eigentum dem Verkehrsraum nahe waren, als der Fahrer nicht mit seinem LKW auf den Bürgersteig geraten und nicht Anlaß dafür geben durfte, daß andere Fahrzeuge, um nicht mit ihm zusammenzustoßen, auf das Gelände neben der Straße ausweichen mußten. In seinen Pflichtenkreis fällt aber nicht mehr das, was sich, nachdem das Unfallgeschehen beendet war, dadurch ereignete, daß die nachfolgenden, schon zum Halten gelangten Kraftfahrer über den Rad- und Gehweg fuhren, um schneller vorwärts zu kommen. Diese daran zu hindern, war der LKW-Fahrer weder tatsächlich in der Lage noch rechtlich verpflichtet. Daß die vom Berufungsgericht bejahte Zurechnung zu weit geht, wird auch dadurch deutlich, daß die Klägerin, wäre ihr Standpunkt zutreffend, auch den Halter des PKW, auf den der LKW aufgefahren war, in Anspruch nehmen könnte, wenn diesem nicht der Entlastungsbeweis aus § 7 Abs 2 StVG gelungen wäre; unter Umständen könnte dann sogar die Mit-Haftung des rechts parkenden Kraftwagens in Betracht kommen. Zu weit ginge es auch, einen Halter, dessen Fahrzeug sich infolge Versagens seiner Einrichtungen (§ 7 Abs 2 StVG) in der Straße quergestellt hat, für die Schäden haften zu lassen, die nachfolgende Kraftfahrer durch überfahren des Bürgersteiges angerichtet haben.
3. Hier war es nach alledem nicht die Betriebsgefahr des LKW oder die Fahrweise des Fahrers, die in zurechenbarer Weise zu den Schäden an dem Bürgersteig geführt hat. Diese mögen allerdings dadurch verursacht worden sein, daß der Fahrer des LKW diesen anschließend so lange stehen ließ, bis die hereingerufene Verkehrspolizei eintraf. Sollte er für die dadurch herbeigeführte Behinderung des Verkehrs (vgl § 1 StVO) keinen vernünftigen Grund (mehr) gehabt haben, so könnte aus diesem Verhalten eine Haftung für die von den ungeduldig gewordenen Kraftfahrern angerichteten Schäden hergeleitet werden (§ 823 Abs 1 und 2, hier § 839 BGB), so daß auch der Halter (nach § 831 BGB, hier die Beklagte nach Art 34 GG) haftbar sein könnte. Eine so begründete Haftung ist aber rechtlich von der Haftung aus dem vorausgegangenen Verhalten für die eigentlichen Unfallfolgen zu trennen. Jene Haftung könnte auch den treffen, der die Straße nicht durch ein Kraftfahrzeug (§ 7 StVG) sperrt oder an dem Unfall schuldlos gewesen war.
Unter welchen Voraussetzungen eine solche Haftung zu bejahen wäre, bedarf hier keiner Prüfung. In dieser Richtung hat die Klägerin gegen den Fahrer des LKW keine Vorwürfe erhoben.
II.
Die Klägerin kann sich somit wegen der Schäden, die ihr jene Kraftfahrer zugefügt haben, lediglich an diese halten. Sie läuft zwar, nachdem diese nicht mehr zu ermitteln sind, Gefahr, den Schaden endgültig tragen zu müssen. Das aber ist ein allgemeines Risiko, das jeden Anlieger einer vom Verkehr benutzten Straße trifft und das sie nicht auf die Beklagte abwälzen kann (vgl H. Lange aaO S 53). Infolgedessen kann das angefochtene Urteil nicht aufrechterhalten bleiben (vgl die Bedenken von von Caemmerer DAR 1970, 290; Jagusch, Straßenverkehrsrecht, 19. Aufl § 7 StVG Anm 2d S 886). Mit Recht ist daher auch das "Grünstreifen-Urteil" des Landgerichts Düsseldorf angegriffen worden (Larenz, NJW 1955, 1009, und von Caemmerer, Das Problem des Kausalzusammenhangs, 1956 = Gesammelte Schriften S 398, 405). Auch im übrigen Schrifttum wird dieses Urteil überwiegend als unrichtig angesehen (H. Lange aaO; Wolf, Der Normzweck im Deliktsrecht, Göttinger Rechtswissenschaftliche Studien Bd 42 S 30; Rother NJW 1965, 180 und in Haftungsbeschränkungen im Schadensrecht 1965 S 26; Deutsch in der Festschrift für Honig 1970 S 33, 51; Esser Schuldrecht, Bd I 4. Aufl § 45 II 2 Fn 9; Erman/Sirp, BGB 4. Aufl § 249 Anm 3h; von Caemmerer DAR 1970, 290).
Somit war das die Klage abweisende Urteil des Landgerichts wiederherzustellen.
Schockschadenfälle
Mit der Schutzbereichslehre hängt auch die Ersatzfähigkeit sog. Schockschäden zusammen. Dabei geht es um Schäden, die jemand erleidet, weil er einem Unfallgeschehen zusehen muss oder eine Nachricht über einen Unfall erhält. Ein erstes Problem liegt hier in der Festlegung dessen, was man eine Gesundheitsverletzung nennen will. Das normale Entsetzen, die übliche Trauer reicht da nicht hin. Es muss schon ein pathologischer Zustand ausgelöst werden. Ist das der Fall, liegen weitere Probleme nicht auf der Ebene der Kausalität. Der Unfallverursacher ist auch kausal für den pathologischen Schockzustand. Hätte er sich pflichtgemäß verhalten, wäre es nicht zu dem Unfall gekommen; wäre es nicht zu dem Unfall gekommen, hätte der Beobachter oder Nachrichtenempfänger auch keinen Schock erlitten. Man spricht hier von psychisch vermittelter Kausalität. Und das ist eine Kausalität wie jede andere. Die Probleme liegen in der Bestimmung des Schutzbereichs der durch den Unfallverursacher verletzten Pflichten. Wird ein verkehrsgerechtes, unfallvermeidendes Verhalten geboten, um (auch) Schockschäden zu vermeiden?
Die Frage wird von der Rechtsprechung nicht verneint. Allerdings wird der geschützte Personenkreis auf solche Personen eingegrenzt, die mit dem Unfallopfer in besonderer Weise verbunden sind.
Die Leitentscheidung zu den Schockschadenfällen ist die folgende:
Gericht: BGH 6. Zivilsenat, Datum: 11.05.1971, Az: VI ZR 78/70
Leitsatz
1. Die seelische Erschütterung ("Schockschaden") durch die Nachricht vom tödlichen Unfall eines Angehörigen begründet einen Schadensersatzanspruch gegen den Verursacher des Unfalls nicht schon dann, wenn sie zwar medizinisch erfaßbare Auswirkungen hat, diese aber nicht über die gesundheitlichen Beeinträchtigungen hinausgehen, denen nahe Angehörige bei Todesnachrichten erfahrungsgemäß ausgesetzt sind. Der Schutzzweck des BGB § 823 Abs 1 deckt nur Gesundheitsbeschädigungen, die nach Art und Schwere diesen Rahmen überschreiten.
Bei einer durch den Unfall eines Angehörigen seelisch vermittelten Gesundheitsschädigung ist, wenn den unmittelbar Verletzten ein Mitverschulden trifft, BGB § 846 auch nicht entsprechend anwendbar (Abweichung von RGZ 157, 11); es kommt aber nach BGB §§ 254, 242 eine Anrechnung des fremden Mitverschuldens in Betracht, weil die psychisch vermittelte Schädigung nur auf einer besonderen persönlichen Bindung an den unmittelbar Verletzten beruht.
Fundstelle
BGHZ 56, 163 (LT1)
Tatbestand
Der Ehemann der Klägerin wurde am 6. März 1965 im Alter von 64 Jahren durch den Personenkraftwagen des Beklagten tödlich verletzt.
Mit der Klage verlangt die damals 50 Jahre alte Klägerin Ersatz für Gesundheitsschäden, die sie selbst gelegentlich des Unfalltodes des Ehemannes erlitten haben will.
Das Landgericht hat der Klage voll, das Oberlandesgericht hat ihr teilweise stattgegeben.
Die zugelassene Revision des Beklagten führte zur Aufhebung und Zurückverweisung an das Berufungsgericht.
Entscheidungsgründe
A. I. II. III. 1 ... 2 (a) ...
b) Das Berufungsurteil ist schon insoweit nicht haltbar, als es überhaupt eine durch die Unfallnachricht ausgelöste echte Gesundheitsstörung (vgl BGH Urteil vom 9. November 1965 - VI ZR 260/63 = VersR 1966, 283, 285ff; OLG Freiburg JZ 1953, 709, 705) bei der Klägerin bejaht.
Das geltende Recht versagt bewußt - von hier nicht einschlägigen Sonderfällen abgesehen - einen Anspruch für Schäden durch zugefügten seelischen Schmerz, sofern dieser nicht wiederum eine Auswirkung der Verletzung des (eigenen) Körpers oder der (eigenen) Gesundheit ist. Mit dieser Entscheidung des Gesetzgebers ist es zwar vereinbar, daß ein selbständiger Schadensersatzanspruch demjenigen zusteht, bei dem eine ungewöhnliche, "traumatische" Auswirkung des Unfallerlebens oder der Unfallnachricht sich in einer echten körperlichen oder geistig/seelischen Gesundheitsschädigung verwirklicht. Auch der Umstand, daß diese ungewöhnliche Erlebnisreaktion im Einzelfall nur auf der Grundlage einer vorgegebenen organischen oder seelischen Labilität möglich gewesen sein mag, dem Unfallerleben also nur eine auslösende Wirkung zukam, steht - unbeschadet der von der Rechtsprechung für die Sonderfälle der Zweckneurosen und der überholenden Ursächlichkeit entwickelten Grundsätze - der Anerkennung eines Schadensersatzanspruchs nicht entgegen. Der entgegengesetzten Anregung von Stoll, Gutachten für den 45. Deutschen Juristentag, 1964, S 20, kann schon deshalb nicht gefolgt werden, weil sich auch eine ungewöhnliche Reaktion aufgrund einer vorhandenen Schadensbereitschaft regelmäßig nicht nur der Einflußnahme des Schädigers, sondern auch derjenigen des Geschädigten entzieht.
Andererseits gilt es zu beachten, daß nach allgemeiner Erkenntnis und Erfahrung ein starkes negatives Erlebnis, das Empfindungen wie Schmerz, Trauer und Schrecken hervorruft, regelmäßig physiologische Abläufe und seelische Funktionen in oft sehr empfindlicher Weise stört. Schon solche Störungen als Gesundheitsbeschädigungen im Sinne der Vorschrift des § 823 Abs 1 BGB anzuerkennen, wäre mit der verbindlichen Entscheidung des Gesetzes nicht vereinbar (Stoll aaO S 19ff). Vielmehr ist jedenfalls bei den Fällen, in denen die psychisch vermittelte gesundheitliche Beeinträchtigung vom Täter nicht gewollt war, unabhängig von der herkömmlichen Adäquanzformel eine Beschränkung auf solche Schäden erforderlich, die nicht nur in medizinischer Sicht, sondern auch nach der allgemeinen Verkehrsauffassung als Verletzung des Körpers oder der Gesundheit betrachtet werden (Stoll aaO S 21; vgl die zahlreichen Hinweise auf die uneinheitliche Praxis der Instanzgerichte bei Bick, Haftung für psychisch verursachte Körperverletzungen, Diss Freiburg 1970 S 7ff). Deshalb müssen unter Umständen auch Beeinträchtigungen ersatzlos bleiben, die zwar medizinisch erfaßbar sind, aber nicht den Charakter eines solchen "schockartigen" Eingriffs in die Gesundheit tragen; so können die oft nicht leichten Nachteile für das gesundheitliche Allgemeinbefinden, die erfahrungsgemäß mit einem tief empfundenen Trauerfall verbunden sind, regelmäßig keine selbständige Grundlage für einen Schadensersatzanspruch bilden.
c) Der Prüfung nach diesen Grundsätzen hält das Berufungsurteil nicht stand. Das Berufungsgericht legt Gewicht auf die Feststellung des Gutachters, es "sei verständlich, daß die Klägerin durch die Nachricht vom Tode ihres Ehemannes zunächst einen schweren seelischen Schock erlitten habe". Die Folgerungen, die es für seine Entscheidung daraus ziehen will, sind jedoch in der bisherigen Form nicht haltbar. Der Gutachter war im Beweisbeschluß befragt worden, ob die Klägerin "einen schweren seelischen Schock mit Wesensänderungen in Form von Depressionen, übermäßiger Erregbarkeit, Schlaflosigkeit, Weinanfällen und Zittern bei geringster Aufregung" erlitten habe. Das Berufungsgericht war bei der Formulierung dieser Beweisfrage offenbar der schriftlichen Äußerung des Hausarztes, Dr C., gefolgt, deren sachlichen Gehalt auch der Gutachter kritisch gegenübersteht. Der Sachverständige hat daraufhin jedoch ledigich in allgemeiner Form den Eintritt eines "schweren seelischen Schocks" bestätigt, wobei seine unmittelbar anschließenden Ausführungen sogar Zweifel erwecken, ob er damit einen medizinischen Befund bestätigen wollte. Von den weiter gefragten Begleiterscheinungen hat er keine bejaht, sie vielmehr im Rahmen seiner eigenen Beobachtungsmöglichkeit verneint. Dem Berufungsgericht kann nicht gefolgt werden, wenn es schon aus dieser Bekundung des Sachverständigen ohne Rückfrage eine anspruchsbegründende Gesundheitsschädigung der Klägerin entnehmen will.
Mit einem "schweren seelischen Schock" bezeichnet die Umgangssprache eine heftige reaktive Gemütsbewegung, die keinen Krankheitscharakter aufzuweisen braucht. Der ärztlichen Terminologie ist der Begriff des Schocks als psychopathologischer Zustand fremd. Der pathologische Begriff des "Schocks" bezeichnet - wenn man vom Sonderfall der "Schocktherapie" absieht - lediglich eine akute Kreislaufstörung (vgl hierzu Pschyrembel: Klinisches Wörterbuch 185. - 250. Aufl 1969 Stichwort "Schock"), die mitunter auch durch ein Unfallerlebnis (weniger durch eine bloße Unfallnachricht) ausgelöst werden kann. Dieser Prozeß ist seiner Natur nach vorübergehend, kann aber zu bleibenden organischen Schäden führen. Daß der Gutachter dergleichen bekunden wollte, ist nicht ersichtlich.
Daneben kann ein Unfallereignis (und weniger häufig wohl auch eine Unfallnachricht) auch zu psycho-pathologischen Auswirkungen führen, die in der Medizin als Neurose (nicht notwendig eine nicht entschädigungspflichtige Zweckneurose) oder in schweren Fällen auch als "Psychose" eingeordnet werden (Bleuler: Lehrbuch der Psychiatrie 11. Aufl 1969 S 513ff; vgl dazu auch Bick aaO S 9f). Daß der Sachverständige ein solches Krankheitsbild feststellen will (insbesondere nicht nur nicht ausschließt, was für den der Klägerin obliegenden Beweis nicht genügen würde), läßt sein Gutachten bisher gleichfalls nicht erkennen.
B.
I. Sollte das Berufungsgericht aufgrund erneuter Prüfung wiederum zur Bejahung eines Anspruchs kommen, dann wird es anders als bisher auch ein Mitverschulden des getöteten Ehemannes nicht außer Betracht lassen dürfen.
1. Dem Berufungsgericht ist zwar beizutreten, soweit es eine entsprechende Anwendung der Vorschrift des § 846 BGB auf Fälle der vorliegenden Art ablehnt. Es setzt sich damit bewußt in Widerspruch zu der Ansicht des Reichsgerichts (RGZ 157, 11; RG DR 1940, 163), der sich ein Teil des Schrifttums angeschlossen hat (Staudinger/Schäfer, BGB 10./11. Aufl, § 846 Rdz 8; BGB-RGRK, 11. Aufl, § 846 Anm 2; Erman/Drees, BGB 4. Aufl, § 846 Anm 2; Palandt/Thomas, BGB 29. Aufl, § 846 Anm 2; Geigel, Haftpflichtprozeß 14. Aufl, S 194 RdZ 69; von Hippel, NJW 1965, 1890, 1893; von Caemmerer, Das Problem des Kausalzusammenhangs im Privatrecht 1956 S 15). Der Auffassung des Reichsgerichts kann jedoch in dieser Form nicht gefolgt werden. Das Reichsgericht geht zwar richtig davon aus, daß der Gesetzgeber grundsätzlich nur dem durch die unerlaubte Handlung unmittelbar Verletzten einen Schadensersatzanspruch gewähren und von dieser Regel lediglich zugunsten der Hinterbliebenen bzw Dienstberechtigten die in §§ 844, 845 BGB angeordneten Ausnahmen machen wollte. Soweit es aber die entsprechende Anwendung des § 846 BGB damit begründet, daß mit der Bejahung eines Anspruchs des Dritten, der eine durch die Verletzung oder Tötung eines anderen herbeigeführte Gesundheitsbeschädigung erlitten habe, die Haftung des unerlaubt Handelnden auf eine andere Art von "mittelbarer Schädigung eines Dritten" ausgedehnt worden sei, kann ihm nicht beigetreten werden. Diese Fälle unterscheiden sich von denen der §§ 844, 845 BGB wesentlich dadurch, daß hier auch der geschädigte Dritte in einem der Rechtsgüter des § 823 Abs 1 BGB betroffen und deshalb unmittelbar Geschädigter mit einem eigenen Anspruch aus § 823 Abs 1 BGB ist. Die Ansprüche der mittelbar Geschädigten aus §§ 844, 845 BGB setzen eine schaden- und haftungsbegründende Einwirkung auf den unmittelbar Verletzten voraus (BGH, Urteil vom 13. Juni 1961 - VI ZR 224/60 - VersR 1961, 846, 847). Deshalb ist in § 846 BGB angeordnet, daß ein Verschulden des Verletzten, das bei der Entstehung des Schadens des Dritten mitgewirkt hat, auf die Ansprüche aus §§ 844, 845 BGB anzurechnen ist. Diese im Rahmen der §§ 844, 845 BGB sinnvolle Regelung paßt aber nicht auf den selbständigen Anspruch des Dritten aus § 823 Abs 1 BGB. Daß der unmittelbare Schaden des Dritten durch die Verletzung einer anderen Person vermittelt worden ist, ist für den Anspruch aus § 823 Abs 1 BGB unerheblich. Der Schadensersatzanspruch des Dritten ist vielmehr im Regelfall unabhängig davon, ob der unmittelbar Verletzte oder Getötete selbst einen Ersatzanspruch hat oder gehabt hätte (OLG München, NJW 1959, 819d; Deubner, NJW 1957, 1269f; Esser, Schuldrecht Bd II 3. Aufl S 451; Wussow, Unfallhaftpflichtrecht 10. Aufl RdZ 95; Weimar, MDR 1964, 987, 988 und MDR 1970, 565, 566; Müller, Straßenverkehrsrecht 22. Aufl, § 10 StVG RdZ 13; Selb, Festschrift zum 50jährigen Bestehen des Instituts für ausl und internat Privat- und Wirtschaftsrecht der Universität Heidelberg 1967, S 259, 267f; Deutsch JuS 1969, 197, 200).
2. Gleichwohl ist wenigstens für Fälle der vorliegenden Art im Ergebnis der Auffassung des Reichsgerichts beizutreten, daß das Mitverschulden des getöteten Ehemannes bei der Bemessung des eigenen Anspruchs der durch mittelbare Verursachung geschädigten Ehefrau nicht außer Betracht bleiben darf. Dies ergibt sich aus einer entsprechenden Anwendung der Vorschrift des § 254 BGB, in der sich der allgemeinere Rechtsgedanke des § 242 BGB ausprägt (BGHZ 34, 355).
a) Hinsichtlich des nach Billigkeit zu bemessenden Schmerzensgeldanspruchs (§ 847 BGB) ist dies nicht zweifelhaft. Es ist in der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (Urt v 16. November 1961 - III ZR 189/60 - VersR 1962, 93) anerkannt, daß beim Schmerzensgeldanspruch - im Gegensatz zu den für den Vermögensschaden geltenden Grundsätzen - die in der besonderen körperlichen und seelischen Verfassung des Verletzten liegende Schadensbereitschaft anspruchsmindernd in Betracht gezogen werden kann. Beim Schmerzensgeld bildet auch das eigene Mitverschulden des Geschädigten, das hier nicht in Frage steht, nur einen Bemessungsfaktor für die nach den Umständen billige Entschädigung (vgl BGHZ 18, 149, 157). Für andere Verursachungsbeiträge, die aus dem dem Geschädigten zugeordneten Bereich, hier aus einem Angehörigenverhältnis zu dem Verletzten oder Getöteten, hervorgehen, kann nichts anderes gelten.
b) Für die hier gegebene Fallgruppe der Gesundheitsschädigung durch sog Fernwirkung ist aber auch hinsichtlich des Vermögensschadens die Meinung des Reichsgerichts im Ergebnis zutreffend, daß sich ein Mitverschulden des unmittelbaren Unfallopfers zu Lasten des durch mittelbare Verursachung an seiner Gesundheit geschädigten Angehörigen auswirken müsse. Denn hier wird die Ursachenverbindung zwischen dem bei der Klägerin (angeblich) eingetretenen Gesundheitsschaden und dem Unfalltod ihres Ehemannes nur dadurch vermittelt, daß sich die Schockgeschädigte infolge ihrer engen persönlichen Bindung zu dem unmittelbaren Unfallopfer das diesem zugestoßene Unglück zu eigen macht. Daß die bloße Nachricht vom Unfalltod einer anderen, der Klägerin nicht nahestehenden Person eine gleiche Wirkung getan haben würde, ist kaum denkbar, wäre jedenfalls so ungewöhnlich, daß man die Voraussehbarkeit einer Gesundheitsbeschädigung verneinen müßte und überdies dem Beklagten diese Schadensfolge billigerweise nicht mehr zurechnen könnte.
Wenn aber die enge persönliche Beziehung so der ausschlaggebende Grund für den Eintritt des Gesundheitsschadens der Klägerin war, dann kann ihr Schadensersatzanspruch von einem eigenen Verschulden des Ehemannes an dem ihm zugestoßenen Unfall im Verhältnis zum Beklagten billigerweise nicht unberührt bleiben. Der Grundgedanke des § 254 BGB, der es verbietet, Schadensersatz auch insoweit zu fordern, als eine zusätzliche, für den Erfolgseintritt wesentliche Schadensursache aus dem eigenen Verantwortungsbereich hervorgegangen ist, muß vielmehr entsprechende Anwendung finden.
In diesem Zusammenhang ist ferner in Betracht zu ziehen, daß die Klägerin einen durch den Tod ihres Ehemannes vermittelten eigenen Gesundheitsschaden im Zweifel dann ersatzlos hätte hinnehmen müssen, wenn der Tod allein auf dessen mangelnder Sorgfalt gegenüber seinem eigenen Wohl beruht hätte. Es kann nämlich - abgesehen von besonders gelagerten Fällen, wie etwa dem einer bewußt schockierend gestalteten Selbsttötung - zwar eine sittliche, nicht aber eine Rechtspflicht anerkannt werden, das eigene Leben und die eigene Gesundheit deshalb zu schonen, weil sonst eine seelische Fehlverarbeitung des Todes oder Unfalls durch Angehörige gewärtigt werden muß; durch die Anerkennung einer solchen Rechtspflicht würde die persönliche Selbstbestimmung in einer der Rechtsordnung fremden Weise eingeschränkt.
Daraus ergibt sich zugleich, daß die vom Berufungsgericht und von einem Teil des Schrifttums vertretene Auffassung, das Mitverschulden des Erstgeschädigten sei nicht zu berücksichtigen, in den Fällen des durch Fernwirkung eingetretenen Schockschadens zu unhaltbaren Ergebnissen führt. Denn nach dem Ausgeführten ist die vom Reichsgericht (RGZ 157, 11, 14) und im Schrifttum geäußerte Meinung, der Schädiger könne gegen die Erben des Erstgeschädigten einen Ausgleichsanspruch nach §§ 840, 426, 254 BGB erheben, nicht richtig, da der Erstgeschädigte dem Schockgeschädigten nicht als Gesamtschuldner ersatzpflichtig geworden ist. Infolgedessen müßte vom Standpunkt der hier abgelehnten Auffassung aus der Schädiger vollen Ersatz des Erwerbsschadens der schockgeschädigten Ehefrau des Unfallopfers auch dann leisten, wenn dieses den eigenen Tod so weitgehend selbst verschuldet hat, daß in seinem Verhältnis zum Schädiger dieser nach § 254 BGB ganz freigestellt sein würde. Ein solches Ergebnis ist nicht annehmbar.
Nun trifft zwar grundsätzlich den in Anspruch genommenen Schädiger das Risiko, ob andere mithaften und gegebenenfalls mit Erfolg auf Ausgleich in Anspruch genommen werden können. Dies gilt aber nicht ausnahmslos. So hat die Rechtsprechung einen Schutz des Zweitschädigers für geboten erachtet, wo der Geschädigte einem Erstschädiger aufgrund persönlicher Beziehung eine Haftung von vornherein erlassen hatte (BGHZ 12, 213). Im vorliegenden Fall ist allerdings nicht durch willkürliches Verhalten des Gläubigers die Mithaftung eines Dritten von vornherein ausgeschlossen oder durch Erlaß beseitigt worden. Vielmehr war die unfreiwillige Einwirkung des Unfallopfers auf die Gesundheit der Schockgeschädigten schon an sich derart, daß sie die Entstehung eines Ersatzanspruchs im Verhältnis dieser Personen zueinander ausschloß. Diese besonders geartete Schadenswirkung war aber wiederum nur durch die besonders enge persönliche Bindung zwischen der Klägerin und dem Unfallopfer vermittelt worden, vermöge deren die Klägerin das fremde Unglück auch als eigenes, die Tötung des Mannes als schweren eigenen Verlust empfand. Bei dieser Gestaltung geht es zwar nicht an, das Unfallopfer bzw seine Erben im Rahmen des Ausgleichs mit einer Haftung zu belasten. Wohl aber erfordert es die Billigkeit, daß der Verursachungsbeitrag des vom Unfall unmittelbar Betroffenen nicht dem fremdem Schädiger, sondern dem Angehörigen zugerechnet wird, dessen gesundheitliche Reaktion entscheidend auf einer durch persönliche Beziehung hergestellten Teilnahme am Schicksal des Unfallopfers beruht. Ähnliche Billigkeitserwägungen haben den Gesetzgeber zu der Regelung des § 846 BGB geführt, wenn diese auch, wie bereits dargelegt, einen anderen Fall betrifft. Die Protokolle (II 2 S 638ff) führen hierzu aus, die Anschauung, daß der Ersatzanspruch eines Dritten gegen den Verletzenden ein vollkommen selbständiger sei, beruhe auf theoretischen Erwägungen und enthalte eine Übertreibung der logischen Konsequenzen; ihre strenge Anwendung führe zu Ergebnissen, die der Gerechtigkeit und Billigkeit zuwiderlaufen; der Anspruch der Hinterbliebenen eines Getöteten habe seinen Grund in der Tötung; es liege in der Natur der Sache, daß die Hinterbliebenen mit Rücksicht auf ihre Beziehungen zu dem Verletzten auch die Folgen aus dessen fahrlässigem Verhalten, insofern dieses den tödlichen Ausgang herbeigeführt oder beschleunigt habe, auf sich nehmen müßten.
Nach alledem ist das, was gegen das Ergebnis der Rechtsprechung des Reichsgerichts zu dieser Frage vorgebracht wird, nicht überzeugend genug, um den durch die Rechtsprechung entwickelten Anspruch auf Ersatz der schon nach ihrem Zustandekommen besonders gearteten Schockschäden in der vom Berufungsgericht angestrebten Richtung zu erweitern. Es bleibt noch zu bemerken, daß - entgegen einer im Schrifttum weit verbreiteten Auffassung das Reichsgericht sich vollkommen klar darüber war und blieb (vgl RGZ 162, 321), daß es sich bei dem Schockschaden um die unmittelbare Verletzung eines durch § 823 Abs 1 BGB geschützten Rechtsguts und nicht - wie in den Fällen der §§ 844, 845 BGB - um den Ersatz nur mittelbaren Schadens handelt.
c) Der vorliegende Fall gibt keinen Anlaß zu der Prüfung, wie zu entscheiden wäre, wenn und soweit die persönliche Bindung als Ursache der psychisch vermittelten Schädigung hinweggedacht werden kann, und inwieweit gegebenenfalls überhaupt auch Fehlreaktionen dritter, mit dem Unfallopfer nicht verwandtschaftlich oder sonst eng verbundener Personen im Verhältnis zum Schädiger als zurechenbare Schadenswirkung anerkannt werden könnten.
Auf eine mehrfach psychisch vermittelte Kausalität treffen wir in der folgenden Entscheidung:
Gericht: BGH 6. Zivilsenat, Datum: 05.02.1985, Az: VI ZR 198/83
Leitsatz
1. Der Schädiger haftet grundsätzlich auch dann dem später mit einem Gesundheitsschaden zur Welt gekommenen Kind aus unerlaubter Handlung auf Schadensersatz, wenn die Verletzung der Leibesfrucht durch einen Angriff auf die Psyche der Schwangeren vermittelt wird (Weiterentwicklung BGH, 1972-01-11, VI ZR 46/71, BGHZ 58, 48).
2. Ein Haftungszusammenhang zwischen einem Verkehrsunfall mit tödlichen oder lebensbedrohenden Verletzungen des Unfallopfers, dem Schock der Schwangeren bei der Nachricht hiervon und der durch ihre psychische Beeinträchtigung vermittelten Schädigung der Leibesfrucht besteht jedenfalls dann, wenn das Unfallopfer ein naher Angehöriger und wenn die Schädigung der Leibesfrucht schwer und nachhaltig ist.
Fundstelle
BGHZ 93, 351-358 (LT1-2)
NJW 1985, 1390-1392 (LT1-2)
JZ 1985, 538-540 (LT1-2)
Nicht immer gibt es Schmerzensgeld für den erlittenen Schock:
Gericht: BGH 6. Zivilsenat, Datum: 13.01.1976, Az: VI ZR 58/74
Leitsatz
Voraussetzungen für die Zubilligung eines Schmerzensgeldes wegen eines erlittenen "Schockschadens".
Fundstelle
NJW 1976, 673-674 (ST1-2)
Tatbestand
Die damals 28 Jahre alte Ehefrau des Erstklägers und Mutter der Kläger zu 2-4 verstarb am 29. Mai 1970 an den Folgen eines vom Erstbeklagten verschuldeten Verkehrsunfalles. Die Verunglückte befand sich auf der Rückfahrt aus der Gastwirtschaft J. in S., deren Inhaberin die Ehefrau des Erstbeklagten war. Sie half dort - meist zum Wochenende und an Feiertagen, so auch am 28. Mai 1970, dem Fronleichnamstag - als Bedienung aus. In der Regel brachte der Erstkläger seine Frau zur etwa 40 km entfernt liegenden Gaststätte und holte sie dort auch wieder ab. Gelegentlich fuhr sie auch der Erstbeklagte heim. Die Ehefrau des Erstbeklagten war Halterin des verunglückten Fahrzeugs, das bei der Zweitbeklagten haftpflichtversichert war.
Der Erstbeklagte, der im Zeitpunkt der Unglücksfahrt keine Fahrerlaubnis besaß, wurde dieserhalb und wegen fahrlässiger Tötung zu einer Gefängnisstrafe verurteilt.
Entscheidungsgründe
1. Das Berufungsgericht ist der Meinung, der Erstkläger könne ein Schmerzensgeld (§ 847 BGB) verlangen, weil er einen Schockschaden mit körperlichen Folgen erlitten habe. Er sei kurz nach dem Unfall an die Unfallstelle gekommen und habe dort von den schweren Verletzungen seiner Frau erfahren. Schon der Anblick der nächtlichen Unfallstelle möge für ihn eine besondere Wirkung gehabt haben. Zu Hause "müsse ihm dann beim Anblick seiner damals 1, 2 und 5 Jahre alten Kinder das ganze Ausmaß der über die Familie hereingebrochenen Katastrophe klargeworden" sein. Nach seinen Aussagen und seinem persönlichen Eindruck (der während der Vernehmung einen Weinkrampf erlitten hatte) sehe der Senat es als erwiesen an, daß der Kläger "in glücklicher Ehe gelebt" habe; darum müsse sich der Verlust seiner Frau auch physisch-psychisch ausgewirkt haben. Er sei nach der von ihm vorgelegten ärztlichen Bescheinigung eine Woche arbeitsunfähig krank gewesen und habe wenigstens einen Monat lang bei Benutzung eines Kraftfahrzeuges Übelkeitsanfälle gehabt; noch heute leide er unter Weinkrämpfen. Zwar gehe der Senat davon aus, daß sich diese Art der Erkrankung mit dem zeitlichen Abstand gebessert habe und weiter bessern werde. Indessen habe der Kläger einen Gesundheitsschaden davongetragen, der sich auch bei Ausübung seines Berufes als Kraftfahrer bemerkbar gemacht habe. Unter Abwägung aller Umstände sei darum ein Schmerzensgeld von 2.000 DM angemessen.
2. Auch hiergegen richtet sich die Revision mit Erfolg.
Zwar kann auch ein seelischer Schmerz, bei dem eine ungewöhnliche, traumatische Auswirkung der Nachricht vom tödlichen Unfall eines Angehörigen, sich in einer echten körperlichen oder geistig/seelischen Gesundheitsbeschädigung verwirklicht, einen selbständigen Schadensersatzanspruch begründen. Dies kann jedoch dann nicht angenommen werden, wenn die seelische Erschütterung, oft, aber selten richtig, "Schockschaden" genannt, zwar medizinisch erfaßbare Auswirkungen hat, diese aber nicht über die gesundheitlichen Beeinträchtigungen hinausgehen, denen nahe Angehörige bei Todesnachrichten erfahrungsgemäß ausgesetzt sind. Der Schutzzweck des § 823 Abs 1 BGB deckt nur Gesundheitsbeschädigungen, die nach Art und Schwere diesen Rahmen überschreiten (BGHZ 56, 163).
Das Berufungsurteil ist nicht haltbar, wenn es seine Feststellungen dahin würdigt, daß hier schon eine derartige durch die Unfallnachricht ausgelöste echte Gesundheitsstörung bei dem Erstkläger vorgelegen habe. Eine 8-tägige Arbeitsunfähigkeit und Weinkrämpfe bei Erörterung der mit dem Unfall zusammenhängenden Fragen, die ganz allgemein geeignet sind, die Erinnerung an das seelisch erschütternde Ereignis wieder zu wecken, sind die natürliche Folge des Todes eines nahen Angehörigen. Wie der Senat bereits in dem angeführten Urteil ausgeführt hat, stört nach allgemeiner Erkenntnis und Erfahrung ein starkes negatives Erlebnis, das Empfindungen wie Schmerz, Trauer und Schrecken hervorruft, regelmäßig seelische Funktionen und auch physiologische Abläufe in oft sehr empfindlicher Weise. Darin liegt jedoch noch kein Gesundheitsschaden in dem angegebenen Sinne. Nur soweit dieser einen "schockartigen" Eingriff in medizinischem Sinne darstellt - was hier von keinem ärztlichen Sachverständigen festgestellt ist - kann er die Grundlage für einen Schadensersatzanspruch bilden. Beeinträchtigungen im seelischen Wohlbefinden sind dagegen nicht ersatzfähig, selbst wenn der Betroffene diese zum Anlaß nimmt, sie mit Medikamenten zu mildern und auszugleichen.
3. Damit kann das angefochtene Urteil auch keinen Bestand haben, soweit es dem Kläger ein Schmerzensgeld zubilligt. Die Sache bedurfte insoweit keiner Zurückverweisung. Vielmehr war der Senat in der Lage, selbst zu entscheiden. Das Berufungsgericht hat nicht dargetan, inwiefern der Kläger hier einen Gesundheitsschaden in diesem streng zu nehmenden Sinne erlitten hat. Selbst wenn man seine Vernehmung vor dem Berufungsgericht zugrundelegt: "Er sei damals wochenlang nervlich fertig gewesen; ihm sei beim Autofahren schlecht geworden und er habe noch wochenlang Angst gehabt, ein Auto zu steuern; nachts habe er Weinkrämpfe gehabt; er habe seine Arbeitsstelle unmittelbar nach dem Unfall gekündigt und erst fast 4 Monate später wieder Arbeit als Reisender aufgenommen, wobei er wieder Auto fahren mußte, aber dann sei es nicht mehr so schlimm gewesen"; so reicht dies nicht aus, die Voraussetzungen eines Schockschadens im dargelegten Sinne zu bejahen, zumal der Kläger unstreitig keinen weiteren Arzt aufgesucht hat.
Ein Kuriosum enthält die in der juris-Datenbank nur mit Orientierungsssatz wiedergegebene Entscheidung des AG Recklinghausen:
Gericht: AG Recklinghausen
Datum: 1989-02-28
Az: 15 C 754/88
Orientierungssatz
Dem Hundehalter, der miterleben muß, wie sein eigener angeleinter Hund von einem anderen frei laufenden Hund gebissen und schwer verletzt wird, steht kein Schmerzensgeldanspruch aus dem Gesichtspunkt eines sogenannten Schockschadens zu, da es sich bei dem Hund um eine Sache handelt, deren Beschädigung grundsätzlich nicht zu einem Schmerzensgeldanspruch des Eigentümers führen kann.
Fundstelle
ZfSch 1989, 191 (ST)
In dieser Form verfehlt die Entscheidung den maßgeblichen Gesichtspunkt. Der liegt nicht darin, ob nicht die Verletzung eines Tieres in gleicher Weise Schockschäden auszulösen vermag wie die Verletzung eines Menschen, und auch nicht darin, dass es für die Verletzung von Sachen kein Schmerzensgeld geben könne. Haben wir es mit einem Schock von pathologischem Charakter zu tun, ist nicht eine Sachbeschädigung, sondern eine Gesundheitsbeeinträchtigung zu beklagen. Und die kann sehr wohl zu einem Schmerzensgeldanspruch führen (§ 847 BGB). Fraglich ist allein, ob ein über die Verletzung eines Tieres ausgelöster Schock im Schutzbereich der Pflichten liegt, die der Verletzer hätte einhalten sollen.
Verfolgerverletzungen
Im Hinblick auf die Schutzbereichsproblematik von einiger Delikatesse sind die sog. Verfolgerverletzungen, die jemand erleidet, weil er in Ausübung seiner beruflichen Pflichten einen Schwarzfahrer oder einen Dieb verfolgt und dabei ohne Einwirkung des Flüchtenden zu Schaden kommt. Die Rechtsprechung arbeitet auch hier mit der psychisch vermittelten Kausalität, will die Verfolgerschäden aber nur dann auf den Flüchtenden abwälzen, wenn der Verfolger sich zur Verfolgung herausgefordert fühlen durfte und der Einsatz des Verfolgers nicht außer Verhältnis zum angestrebten Verfolgungserfolg steht.
Gericht: BGH 6. Zivilsenat, Datum: 13.07.1971, Az: VI ZR 125/70
Leitsatz
Wer sich als Benutzer der Bahn ohne Fahrtausweis der berechtigten Feststellung seiner Personalien durch Flucht zu entziehen sucht, hat bei erkannter Verfolgung grundsätzlich für die Körperschäden des Verfolgenden einzustehen, soweit sie sich als Verwirklichung eines gesteigerten Verfolgungsrisikos darstellen.
Fundstelle
BGHZ 57, 25-33 (LT1)
NJW 1971, 1980 (LT1)
Tatbestand
Am 24. Juni 1967 traf der Kläger, der als Betriebsoberaufseher der Deutschen Bundesbahn in H. auf der Strecke Hauptbahnhof-A. Fahrkartenkontrollen durchführte, den damals 23jährigen Beklagten auf dem Bahnhof S. ohne Fahrtausweis an. Er versuchte, den Beklagten zur Zahlung des erhöhten Fahrgeldes von 20,-- DM oder zur Vorlage seines Ausweises zu veranlassen, um die Personalien festzustellen. Der Beklagte erfriff jedoch schließlich die Flucht und lief an der Sperre vorbei die Treppe zum Bahnhofsausgang hinunter. Der Kläger verfolgte ihn und suchte ihn noch auf der Treppe zu ergreifen. Am Fuß der Treppe stürzte der Kläger. Er erlitt einen komplizierten Schenkelhalsbruch am linken Bein.
Der Kläger verlangt vom Beklagten Ersatz des ihm entstandenen Schadens, soweit er nicht von dritter Seite getragen wird.
Landgericht und Oberlandesgericht haben der Klage zu zwei Dritteln stattgegeben. Die zugelassene Revision des Beklagten ist ohne Erfolg geblieben.
Entscheidungsgründe
Das Berufungsgericht bejaht in Übereinstimmung mit dem Landgericht nach § 823 Abs 1 BGB die Verpflichtung des Beklagten, dem Kläger zwei Drittel des Schadens zu ersetzen, den er infolge des Sturzes auf der Treppe des Bahnhofs erlitten hat. Die hiergegen gerichteten Angriffe der Revision haben im Ergebnis keinen Erfolg.
1. Zu dem im einzelnen streitigen Unfallhergang hält das Berufungsgericht zwar einen auf den Sturz des Klägers gerichteten Zugriff seitens der Beklagten nicht für erwiesen. Das gilt insbesondere von dem Vorbringen des Klägers, der Beklagte habe ihn mittels eines Polizeigriffs gepackt, über sich hinweg auf die Treppenstufen oder die Fliesen am Fuß der Treppe geworfen und dort durch Schüttelbewegungen gegen die Stufen geschleudert. Das Berufungsgericht stellt aber jedenfalls fest, daß der Beklagte infolge seiner nicht mehr beherrschten Geschwindigkeit auf der Treppe gefallen und der Kläger sodann über ihn hinweggestürzt ist, wobei er sich den Schenkelhalsbruch zugezogen hat.
2. Damit hat der Beklagte die Körperverletzung des Klägers im Sinne des Bedingungszusammenhangs verursacht.
Das Berufungsgericht führt weiterhin aus, dieser Ursachenzusammenhang zwischen dem Verhalten des Beklagten und der Körperverletzung des Klägers sei auch adäquat.
Es mag dahinstehen, ob der Adäquanz nur im Bereich der haftungsausfüllenden Ursächlichkeit ein Platz zukommt, wie man zunehmend unter Hinweis auf die haftungsbeschränkende Funktion dieses Zurechnungsgrundes meint, die bei der Haftungsbegründung bereits durch das Erfordernis schuldhaften Verhaltens erfüllt werde (Esser, SchR I 4. Aufl § 44 II 1 S 300; Lorenz, JZ 1964, 179, 180; Deutsch, JZ 1967, 641; vgl Huber, JZ 1969, 677, 680 und Stoll, Kausalzusammenhang und Normzweck im Deliktsrecht, 1968 S 20; unterscheidend: Weitnauer, Festgabe für Karl Oftinger, 1969 S 321, 325/326), oder ob sie auch im Bereich der hier in Frage stehenden haftungsbegründenden Ursächlichkeit rechtliche Bedeutung gewinnt, wovon das Berufungsgericht ausgeht (E.-Lehmann, SchR 15. Aufl § 15 I S 63/64; Esser, SchR 2. Aufl § 59, 10 S 229; Medicus, Bürgerliches Recht 3. Aufl § 25 I 1a, b, 2; Brox, Besonderes Schuldrecht S 249 Nr 1b, Rn 438; Palandt/Thomas, 28. Aufl § 823, 5; vgl auch BGHZ 41, 123, 125; Adäquanz im Bereich der Haftungsbegründung; vgl ebenfalls BGH Urt v 24. März 1964 - VI ZR 33/63 = LM BGB § 823 (C) Nr 32 = NJW 1964, 1363; Urt v 3. Februar 1967 - VI ZR 115/65 = LM BGB § 823 (C) Nr 36 = VersR 1967, 580 = JZ 1967, 639 m Anm Deutsch). Denn wenn man die Adäquanz auch in diesem Bereich für erforderlich hält, bestehen - vorbehaltlich der Erwägungen zu 3 - gegen ihre Bejahung hier aus den insoweit zutreffenden Gründen des Berufungsgerichts keine ernsthaften Bedenken. Auch die Revision räumt einen adäquaten Zusammenhang zwischen der Flucht des Beklagten und seinem Sturz ein. Entgegen ihrer Meinung ist aber auch der fernere Verlauf, nämlich der Sturz des Klägers über den Beklagten und die hierbei erlittene Körperverletzung, nicht besonders eigenartig, unwahrscheinlich und nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge außer Betracht zu lassen. Im Gegenteil lag ein solcher Sturz des Verfolgenden durchaus nahe.
3. Der durch das Verhalten des Beklagten verursachte Verletzungserfolg (Körperverletzung) ist auch im übrigen, ohne daß es auf die Erwägungen zu 2 ankommt, dem Beklagten im Rechtssinne objektiv zuzurechnen.
a) Hierfür ist entscheidend, daß der Beklagte, für ihn erkennbar, durch sein Weglaufen ohne Notwendigkeit in zurechenbarer Weise eine Lage erhöhter Verletzungsgefahr für den Kläger geschaffen hat, indem er die mit dem Gesetz in Einklang stehende Verfolgung durch den Kläger herausforderte, obgleich er die nicht unerhebliche Gefährdung voraussehen und vermeiden konnte (vgl von Caemmerer, DAR 1970, 283, 291 unter Hinweis auf Nökel, Rechtsstellung des Nothelfers, Anglo-Amerikanisches im Vergleich zum Deutschen Recht, Diss Freiburg 1968 S 96ff, 102ff; von Caemmerer, Festschrift DJT II 1960, 49, 74; Huber aaO S 679; vgl auch Stoll, Kausalzusammenhang aaO S 32). Der Kläger war zur Verfolgung des Beklagten jedenfalls berechtigt. Ihm stand nicht nur das Recht aus § 127 StPO zu, sondern auch die Ausübung des Selbsthilferechts (§ 229 BGB), das der Bahn zur Sicherung ihres Anspruchs gegen den Beklagten zukam. Demgegenüber standen dem Beklagten für seine Flucht keine schutzwürdigen Belange zur Seite. Durch sein Weglaufen suchte er sich nach einer strafbaren Handlung (§ 265a StGB) der Feststellung seiner Personalien zu entziehen, obgleich er zu deren Offenlegung und damit auch zum Verbleiben zu ihrer Feststellung bürgerlich-rechtlich schon auf Grund der zwischen ihm und der Bahn bestehenden schuldrechtlichen Sonderverbindung sogar verpflichtet war.
Daß der eigentliche Zurechnungsgrund die Schaffung des gekennzeichneten gesteigerten Gefahrenzustandes ist, auf Grund dessen der Verfolgende eine Verletzung der in der Rechtsordnung deliktisch geschützten Rechtsgüter oder Rechte erleidet, klingt bereits in den Ausführungen des Urteils des erkennenden Senats vom 24. März 1964 (VI ZR 33/63 = aaO) zur Begründung der objektiven Zurechnung an. In derartigen Gefahrenlagen, so ist dort ausgeführt, wird das Eingreifen (dort) opferbereiter Dritter nahezu zwangsläufig herausgefordert (vgl auch BGHZ 43, 178, 181). So ist diese Entscheidung auch verstanden worden (von Caemmerer, DAR aaO S 291 unter Hinweis auf Nökel aaO; vgl auch Stoll aaO).
b) Daß der Kläger durch sein Dazutreten, nämlich durch seinen Entschluß zur Verfolgung und dessen Ausführung, eine neue Gefahr gesetzt hat und damit ein Schadensrisiko eingegangen ist, schließt die Zurechnung der verursachten Rechtsgutverletzung nicht ohne weiteres aus.
Allerdings gibt es, wie allgemein anerkannt ist, Fälle, in denen der Ausschluß der Zurechnung geboten ist, obgleich an sich ein Ursachenzusammenhang besteht und auch der Schutzzweck der die Haftung begründenden Norm keinen Anhalt für eine Begrenzung hergibt (vgl Larenz, SchR I 10. Aufl § 27 III 3 S 322; ders Festschrift f Honig, 1970, S 79, 83o). In diesem Zusammenhang werden ua eben die Fälle erörtert, in denen die Schadensfolge auf einem selbständigen oder "freien" Entschluß des Verletzten selbst (oder eines Dritten) beruht. Diese Gestaltung wird meist unter dem Gesichtspunkt und der Bezeichnung "Unterbrechung" oder Abbruch des (adäquaten) Ursachenzusammenhangs behandelt (vgl dazu: Larenz, SchR I aaO; Weitnauer, aaO S 345; Esser, SchR I 4. Aufl § 44 III 2c S 305; Deutsch aaO; vgl auch Oftinger, Schweiz Haftungsrecht Bd I 2. Aufl S 91ff). Ohne Rücksicht darauf, ob man diesem Gesichtspunkt dem Bereich der Adäquität des Ursachenzusammenhang oder einem daneben stehenden Zurechnungsbereich zuordnet (vgl Larenz, SchR I 10. Aufl § 27 III 3; Festschrift f Honig S 322; Esser aaO), ändert sich nichts an seiner Erheblichkeit. So ist anerkannt, daß sich diese Frage der Zurechnung, wenn sie auch meist nur im haftungsausfüllenden Bereich von Belang wird, auch im Rahmen der haftungsbegründenden Zurechnung stellen kann (Larenz, SchR I 10. Aufl § 27 III 3 N 1 S 324 unter Hinweis auf BGH Urt v 3. Februar 1967 - VI ZR 115/65 = aaO; vgl auch BGH Urt v 24. März 1964 - VI ZR 33/63 = aaO; Urt v 1. Februar 1966 - VI ZR 196/64 = VersR 1966, 368).
Auch im Streitfall liegt es so. Die Verfolgung und damit die Körperverletzung des Klägers beruht (auch) auf seinem eigenen selbständigen freien Willensentschluß. Bei solcher Lage erscheint eine Zurechnung der Schadensfolge allerdings dann nicht gerechtfertigt, wenn der Entschluß des Verletzten (Dritten), der eine neue Gefahr schafft, durch den haftungsbegründenden Vorgang nicht herausgefordert ist (vgl BGH Urt v 24. März 1964 - VI ZR 33/63 = aaO), wenn das Verhalten des die erste Ursache Setzenden lediglich den äußeren Anlaß und nur die Gelegenheit für den Verletzten (Dritten) darstellt, sich zusätzlich einem unfallfremden Risiko auszusetzen (vgl BGH Urt v 12. Februar 1963 - VI ZR 181/62 = LM BGB § 823 (C) Nr 28 = NJW 1963, 1671). Wird aber der selbständige Entschluß des Verletzten (Dritten) durch den haftungsbegründenden Vorgang herausgefordert, so ist in der Regel die Verantwortlichkeit nicht schon wegen des Dazutretens des Verletzten (Dritten) ausgeschlossen (Larenz, SchR I aaO; Festschrift f Honig S 79, 87). Dabei kommt es nicht darauf an, ob der Verfolgende sich des Risikos eigener Verletzung bewußt war oder nicht. So liegt der Fall hier.
c) Diese im Grundsatz anerkannte Unterscheidung und Einschränkung bezweckt haftungsrechtlich, im Bereich psychisch vermittelter Kausalität bei Dazutreten eines selbständigen Entschlusses des Verletzten oder eines Dritten nicht ohne weiteres für sämtliche im Sinne des Bedingungszusammenhangs ursächliche Verletzungsfolgen - vorbehaltlich des Verschuldens - schlechthin einstehen zu lassen. Bei dieser Fallgruppe ist die objektive Zurechnung der verursachten Verletzung somit nicht selbstverständlich. Vielmehr ist eine genauere Bestimmung der Voraussetzungen für die wertende Einschränkung geboten. Das kommt bereits darin zum Ausdruck, daß ein herausgefordertes Dazutreten (Eingreifen) zur Bejahung der Zurechnung vorausgesetzt wird. Diesem Erfordernis ist nicht bereits genügt, wenn sich der Verletzte (Dritte) tatsächlich zum Eingreifen hat bewegen lassen. Außer dieser psychischen Verursachung ist notwendig, daß sich der Eingreifende zum Handeln herausgefordert fühlen durfte, und zwar überhaupt und gegebenenfalls in der gewählten Art und Weise. Wann ein Eingreifen in diesem Sinne als herausgefordert zu werten ist, hängt von den Umständen ab. So hat der erkennende Senat im Urteil vom 24. März 1964 (VI ZR 33/63 = aaO) - dort bei Erörterung der Adäquanz - ausgeführt, daß bei Gefahr für Leib und Leben das Eingreifen opferbereiter Dritter, und zwar nicht nur in den Fällen rechtlicher und sittlicher Pflicht zur Rettung, nahezu zwangsläufig herausgefordert werde. Für den Fall der Verfolgung eines nach Verkehrsunfall Flüchtigen hat er dort weiter ausgeführt, es hänge von dem Verhältnis des von dem Flüchtenden angerichteten und noch drohenden Schadens zu den Wagnissen der Verfolgung ab, ob gesagt werden könne, jener habe mit dem Unfall und der Flucht objektiv auch das Risiko weiterer Unfälle bei seiner Verfolgung gesetzt.
Das hat der erkennende Senat dort bejaht; es lag ebenso bei der im Urteil vom 3. Februar 1967 (VI ZR 115/65 = aaO) beurteilten Sachlage vor (hierzu zustimmend: von Caemmerer, DAR 1970, 283, 291 unter Hinweis auf Nökel aaO S 99).
Auch bei dieser Sicht ist im übrigen nicht ausgeschlossen, daß der Ersatzanspruch des Eingreifenden durch ein mitwirkendes Verschulden auf seiner Seite gemindert wird, was das Berufungsgericht hier auch bejaht hat (vgl dazu Deutsch aaO S 643 aE).
Der Senat brauchte nicht darüber zu befinden, ob die damit geforderte Verhältnismäßigkeit zwischen Zweck und erkennbarem Risiko des Eingreifens für die verschiedenen Fallgruppen - etwa für die Fälle der Rettung und die der Verfolgung - einheitlich zu beurteilen ist oder nicht (vgl dazu Deutsch aaO S 643).
Bereits im Urteil vom 24. März 1964 (VI ZR 33/63 = aaO) klingt an, daß ein Eingreifen Dritter bei einer Gefahr für Leib und Leben als "nahezu zwangsläufig herausgefordert" anzusehen ist und damit Schäden des Retters weithin ohne Einschränkung zu ersetzen sind, während die Antwort bei weniger bedrohlichen Situationen von der Wertung der besonderen Umstände abhängt (vgl zu dieser Fallgruppe auch: Larenz, SchR I 10. Aufl § 27 III 3 S 323). Denn diese Verhältnismäßigkeit unterliegt hier nach der zutreffenden Wertung des Berufungsgerichts keinen durchgreifenden Bedenken. Das allerdings hier gesteigerte Risiko der Verfolgung zu Fuß über die, wie der Beklagte vorgetragen hat, steile und langgezogene Treppe stand nicht außer Verhältnis zu dem Anliegen des Klägers, für die Bahn zur Sicherstellung ihres bürgerlich-rechtlichen Anspruchs die Personalien des Beklagten festzustellen. Außerdem diente es einer wirksamen Durchführung der Fahrkartenkontrolle und damit zugleich der Abschreckung vor Schwarzfahrten (vgl zur Prävention: Deutsch, JZ 1971, 244). Welche schließliche Auswirkung das Risiko hat, ist nicht entscheidend, denn es kommt auf die bei Übernahme des Risikos erkennbare Gefahrenlage an.
d) Soweit eine Haftung des Verfolgten für die Verletzungs- und Schadensfolgen hiernach gerechtfertigt ist, beschränkt sie sich auf die gesteigerten Risiken der Verfolgung. Dagegen hat er, wie schon das Erfordernis des inneren Zusammenhangs mit dem Grund der Haftung naheliegt, das normale Risiko des Eingreifenden jedenfalls bei der Gruppe der Verfolgungsfälle nicht zu tragen (Deutsch aaO S 642; vgl auch Lüer, Die Begrenzung der Haftung bei fahrlässig begangenen unerlaubten Handlungen, 1969, S 150 u). Legt man die Feststellungen des Tatrichters zugrunde, so hat sich ein durch die Verfolgung deutlich erhöhtes Risiko verwirklicht. Der Kläger mußte zur Verfolgung die steile und langgezogene Treppe mit einer hohen Geschwindigkeit hinablaufen, um den Beklagten einholen und seiner habhaft werden zu können.
4. Das Berufungsgericht hat schließlich im einzelnen zutreffend ausgeführt, daß der Beklagte die Körperverletzung des Klägers fahrlässig verursacht hat.
Zunächst mußte der Beklagte bei Beachtung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt damit rechnen, daß der Kläger ihn weiterhin verfolgen werde. Es mußte für ihn naheliegen, daß ein Kontrollbeamter entsprechend dem Sinn und Zweck der Überwachung und seiner Aufgabe eine Person, die Fahrgeld hinterzogen und hierdurch eine strafbare Handlung nach § 265a StGB begangen hat, verfolgt. Der Tatrichter stellt sogar fest, daß der Beklagte die Aufnahme und Fortsetzung der Verfolgung durch den Kläger erkannt hat. Der Kläger hatte den Beklagten bereits an der Sperre vor der Treppe erreicht, wo dieser sich dem Zugriff entziehen konnte. Der Beklagte wußte den Kläger aber auch auf der Treppe unmittelbar hinter sich mit dem Vorhaben, ihn zu ergreifen. Unter diesen Umständen unterliegt auch die weitere Annahme des Berufungsgerichts keinen rechtlichen Bedenken, der Beklagte habe ebenfalls voraussehen können, daß der Kläger bei der schnellen Verfolgung über die Treppe körperliche Schäden davontragen könne. Die Verfolgung führte zu einer erhöhten für den Beklagten erkennbaren Gefahr für den Kläger, als der Beklagte in Kenntnis der Verfolgung die Flucht fortsetzte und die Treppe hinabstürmte, um sich der Festnahme zu entziehen.
Auf den Einwand der Revision, der Beklagte habe vernünftigerweise nicht damit zu rechnen brauchen, daß er selbst stürzen und der Kläger dann über ihn fallen und in solchem Hergang verletzt werde, kommt es nicht an. Die Vorhersehbarkeit braucht sich nur darauf zu erstrecken, daß der Kläger bei dem Hergang irgendwie körperlich zu Schaden kommen könne, aber nicht darauf, daß er gerade in dem schließlich verwirklichten Ablauf verletzt werde (von Caemmerer, Festschrift DJT 1960 II S 75 Nr 114 mwN; Stoll, AcP 162, 203, 234).
Im nächsten Fall ist das Opfer ein Polizist:
Auf einer den Verfolgerfällen vergleichbaren Linie liegen die Nothelfer- und Rettungsfälle, die dadurch gekennzeichnet sind, dass jemand Gefahren abzuwenden versucht, die ein anderer pflichtwidrig ausgelöst hat und dabei selbst zu Schaden kommt (Einfangen eines herrenlosen Ski, Einsatz zur Verhinderung eines Bankraubs).Gericht: BGH 6. Zivilsenat, Datum: 29.10.1974, Az: VI ZR 168/73
Fundstelle
BGHZ 63, 189-196 (LT1)
NJW 1975, 168-169 (LT1)
JZ 1975, 374-377 (LT1)
Tatbestand
Am 16. September 1971 wollte der im Dienst des klagenden Landes stehende, damals 55jährige Polizeiobermeister T. seinen Auftrag, den damals 17jährigen Beklagten festzunehmen, durchführen. Dieser sollte einen Jugendarrest verbüßen, weil er ohne Fahrerlaubnis mit einem Moped gefahren war. T. erschien zwischen 6.00 Uhr und 7.00 Uhr morgens in der im Erdgeschoß gelegenen Wohnung der Eltern des Beklagten. Nachdem dieser sich fertiggemacht hatte, suchte er mit Erlaubnis des Beamten die Toilette auf. Dort schob er eine Waschmaschine vor die Türe und sprang aus dem Fenster in den Hof. Hierbei mußte er eine 2 m tiefe und 1,50 m breite Ausschachtung überwinden, die sich unterhalb des Fensters befand und zum Hofraum hin mit einem Zaun gesichert war. Als der Polizeibeamte, der die Örtlichkeit nicht kannte, bemerkte, daß der Beklagte entweichen wollte, drückte er die Toilettentüre auf und sprang dem Beklagten nach. Dabei zog er sich einen Fersenbeinbruch zu. Der Beklagte, der sich im Hof hinter Sträuchern versteckt hatte, wurde wenig später von dem zweiten Beamten, der im Fahrzeug geblieben war, und der Besatzung eines Streifenwagens festgenommen.
Polizeiobermeister T. war bis zum 31. Januar 1972 dienstunfähig. Das klagende Land wandte für ihn Arzt- und Behandlungskosten auf.
Mit der Klage fordert das klagende Land kraft Rechtsübergangs Ersatz in Höhe dieser Aufwendungen und Erstattung der dem Beamten während seiner Dienstunfähigkeit gezahlten Bezüge.
Landgericht und Oberlandesgericht haben die Klage abgewiesen. Die zugelassene Revision des klagenden Landes führte zur Aufhebung und Zurückverweisung.
Entscheidungsgründe
Nach Auffassung des Berufungsgerichts steht dem klagenden Land ein nach § 99 BG NRW übergegangener Schadensersatzanspruch des Polizeiobermeisters T. gegen den Beklagten aus unerlaubter Handlung (§ 823 BGB) nicht zu. Zwischen dessen Flucht und dem Fersenbeinbruch des Beamten besteht nach Meinung des Berufungsgerichts kein die Haftung begründender Ursachenzusammenhang, weil der Entschluß des T., den Beklagten zu verfolgen, zum Abbruch des Kausalverlaufs geführt habe (das Berufungsurteil ist in NJW 1973, 1929 veröffentlicht).
I. Dem vermag der Senat nicht zu folgen.
1. Daß der Beklagte die Körperverletzung des T. im Sinne des Bedingungszusammenhanges verursacht hat, zieht auch das Berufungsgericht nicht in Zweifel. Seine Bedenken gegenüber der Adäquanz - die es dahinstehen läßt, weil es dem Beklagten aus anderen Gründen die Verletzung des T. nicht zurechnet - greifen nicht durch. Sofern man ihr im Bereich der haftungsbegründenden Ursächlichkeit einen Platz zuweist (vgl Nachweise in BGHZ 57, 25, 27; vgl aber auch BGHZ 58, 162, 163), bestehen keine durchgreifenden Bedenken gegen ihre Bejahung. Die Flucht des Beklagten und der dadurch ausgelöste Entschluß des T., ihn wie geschehen zu verfolgen, sowie der weitere Ablauf, nämlich der Sturz des T. und die hierbei erlittene Verletzung, sind nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge nicht so besonders eigenartig und unwahrscheinlich, daß sie nach dem bisherigen und üblichen Verständnis der Adäquanz als einer besonderen Form des Ursachenzusammenhangs schon deshalb außer Betracht zu lassen wären.
2. Darüber hinaus prüft das Berufungsgericht zutreffend in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des erkennenden Senats (vgl insbesondere BGHZ 57, 25 und Urteil vom 13. Juli 1971 - VI ZR 165/69 = LM BGB § 823 (C) Nr 39 = NJW 1971, 1982), ob der durch das Verhalten des Beklagten verursachte Verletzungserfolg (Körperverletzung) auch im übrigen - also auch bei Bejahung der Ursächlichkeit - dem Beklagten objektiv zuzurechnen ist. Diese Frage ist auf Grund einer wertenden Betrachtung zu beantworten.
Entscheidend ist, wie der erkennende Senat in den erwähnten beiden früheren Urteilen ausgeführt hat, daß der Beklagte, für ihn zumindest erkennbar, wenn hier nicht sogar erkannt, durch sein Weglaufen ohne Notwendigkeit in zurechenbarer Weise eine Lage erhöhter Verletzungsgefahr für T. geschaffen hat, indem er dessen mit dem Gesetz in Einklang stehende Verfolgung herausforderte, obgleich er dessen Gefährdung voraussehen und vermeiden konnte (vgl von Caemmerer DAR 1970, 283, 291).
Daß T. durch seinen Entschluß zur Verfolgung und dessen Ausführung selbst ein Schadensrisiko eingegangen ist, steht einer Zurechnung der verursachten Rechtsgutverletzung nicht ohne weiteres entgegen, wie der Senat ebenfalls bereits früher ausgeführt hat (vgl insbesondere BGHZ 57, 25, 29 mw Nachw). Allerdings sind bei solcher Gestaltung Fälle anerkannt, in denen trotz bestehenden Ursachenzusammenhangs der Ausschluß der Zurechnung geboten ist (vgl Larenz, Schuldrecht I, 10. Aufl § 27 III 3; ders Festschrift für Honig 1970 S 70, 83o). Insbesondere ist sie dann nicht gerechtfertigt, wenn der Entschluß des Verletzten nicht "herausgefordert" ist (vgl BGH Urteil vom 24. März 1964 - VI ZR 33/63 - = NJW 1964, 1363 = LM BGB § 823 Nr 32), wenn vielmehr das Verhalten des die erste Ursache Setzenden lediglich den äußeren Anlaß und nur die Gelegenheit für den Verletzten darstellt, sich zusätzlich einem unfallfremden Risiko auszusetzen (vgl BGH Urteil vom 12. Februar 1963 VI ZR 181/62 = LM BGB § 823 (C) Nr 28 = NJW 1963, 1671; BGHZ 58, 162). Wird aber der Entschluß des Verletzten wie hier durch das Verhalten herausgefordert, so ist in der Regel die Verantwortlichkeit nicht schon wegen des Dazutretens des Verletzten ausgeschlossen (vgl Larenz, Schuldrecht I aaO; ders Festschrift für Honig S 79, 87).
Der Senat hat es damit bei dieser Fallgruppe für geboten erachtet, den Verfolgten nicht ohne weiteres für sämtliche verursachten Rechts- und Rechtsgutverletzungen - vorbehaltlich des Verschuldens - schlechthin einstehen zu lassen (vgl dazu unter dem Gesichtspunkt der psychisch vermittelten Ursächlichkeit auch Deutsch JZ 1972, 551).
Die so gebotene wertende Einschränkung kommt, wie das Berufungsgericht nicht verkennt, bereits und insbesondere darin zum Ausdruck, daß ein herausgefordertes Dazwischentreten (Eingreifen) für die Zurechnung vorausgesetzt wird. Das hat der Senat in BGHZ 57, 25 dahin erläutert, daß dem nicht schon genügt ist, wenn sich der Verletzte "tatsächlich" zum Eingreifen hat bewegen lassen, wenn sein Verhalten also bloß veranlaßt (psychisch verursacht) worden ist, sondern nur wenn er sich zum Eingreifen herausgefordert fühlen "durfte". Unter diesem Gesichtspunkt ist auch von Belang, ob ein angemessenes Verhältnis zwischen dem Zweck der Verfolgung und deren erkennbarem Risiko gewahrt ist. Damit findet eine wertende Betrachtung zu einer im Einzelfall gebotenen Einschränkung Eingang in die rechtliche Beurteilung.
3. Diese Grundsätze legt auch das Berufungsgericht seiner Beurteilung zugrunde. Es meint aber, ihre Anwendung führe hier bereits im Grunde zur Verneinung einer Haftung des Beklagten, weil es an der Verhältnismäßigkeit zwischen Zweck und erkennbarem Risiko der Verfolgung fehle.
Dem vermag der Senat nicht zu folgen.
a) Allerdings ist, wie bereits erwähnt, in BGHZ 57, 25 ausgesprochen, worauf das Berufungsurteil zutreffend hinweist, zu dem vorausgesetzten herausgeforderten Dazutreten (Eingreifen) genüge nicht bereits, daß sich der Verletzte tatsächlich zum Eingreifen hat bewegen lassen. Vielmehr ist außer dieser psychischen Verursachung notwendig, daß sich der Eingreifende zum Handeln herausgefordert fühlen durfte und zwar überhaupt und gegebenenfalls in der von ihm gewählten Art und Weise. Damit sollten - insoweit ist dem Berufungsgericht zu folgen - auch Fälle angesprochen werden, die bereits wegen des zu hohen, übersteigerten Risikos die Zurechnung des Handelns des Verfolgenden im Hinblick auf die zivilrechtliche Verteilung des Schadensrisikos zwischen ihm und dem Verfolgten als nicht mehr tragbar erscheinen läßt. Das besagt aber nicht, daß jedes nicht ungefährliche Verhalten schon wegen seiner Gefahren eine Zurechnung bereits im Grunde ausschließt. Sinn dieser Einschränkung, die zu einer Verneinung der Haftung bereits im Grundsatz führt, ohne daß Raum für eine Abwägung nach § 254 BGB verbleibt, ist, das mit einer Flucht verknüpfte Haftungsrisiko nicht ins Unermeßliche wachsen zu lassen. Nur dann, wenn eine Verfolgung überhaupt und deren konkrete Durchführung derart ist, daß der Verfolgte mit ihr nicht rechnet und nicht zu rechnen braucht, scheidet eine Haftung bereits im Grundsatz aus. Daß nicht schon jede gefährliche Verfolgung eine Haftung des Verfolgten ausscheiden läßt, zeigen auch deutlich die Beurteilungen der früheren Sachverhalte (Urteil vom 24. März 1964 - VI ZR 33/63 = aaO und vom 3. Februar 1967 - VI ZR 115/65 = LM BGB § 823 (C) Nr 36 = JZ 1967, 639). So hat der Senat denn auch in BGHZ 57, 25, 31 ausdrücklich darauf hingewiesen, daß der dort im Grundsatz bejahte Ersatzanspruch des Verfolgenden durch ein mitwirkendes Verschulden auf seiner Seite gemindert sein kann, was im übrigen damals vom Berufungsgericht auch angenommen worden war.
Eine so verstandene Grenzziehung ist auch, abgesehen von anderen Erwägungen, aus folgenden Gründen geboten. Eine Sicht, die in solchen Fällen nur die Möglichkeiten kennt, den Ersatzanspruch entweder zu verneinen oder zu bejahen, würde weithin ohne Notwendigkeit eine differenzierende Abwägung erschweren oder gar verhindern und stünde damit einer gerechten Beurteilung im einzelnen Fall im Wege. Eine dem Einzelfall gerecht werdende Wertung ist aber bereits in der Bestimmung des § 254 BGB vorgesehen mit ihrer Reichweite von voller Haftung bis zu ihrer Verneinung. Eine Sicht, die in zu weit gehender und nicht gebotener Weise die Haftung bereits im Grundsatz ausschließt, begibt sich dieser Möglichkeit. Es entspricht auch sonst der Rechtsentwicklung, das sog "Alles-oder-nichts" Prinzip zurückzudrängen.
b) Würdigt man unter diesen Gesichtspunkten den zu beurteilenden Sachverhalt, dann rechtfertigen die festgestellten Tatumstände es nicht, bereits die objektive Zurechnung und damit schon im Grundsatz eine Haftung zu verneinen. Allerdings mag es sein, worauf der Tatrichter hinweist, daß die Personalien des Beklagten, der bei seinen Eltern wohnte, bekannt waren, und daß bei geglückter Flucht die Strafvollstreckung wahrscheinlich nicht vereitelt, sondern nur hinausgeschoben worden wäre. Auch war die Verfehlung des Beklagten, die zur Verhängung des Jugendarrestes führte, verhältnismäßig gering. Immerhin kann das (öffentliche) Interesse an dem Eingreifen des T. nicht außer Betracht bleiben (vgl rechtsvergleichend Lüer, Die Begrenzung der Haftung bei fahrlässig begangenen unerlaubten Handlungen, 1969 S 148/149), womit die in anderen Verfolgungsfällen erheblichen Abwägungsgesichtspunkte zumindest in ihrem Gewicht beeinflußt werden. T. war zur Verfolgung des Beklagten jedenfalls berechtigt, dienstrechtlich sogar trotz der damit verbundenen Selbstgefährdung verpflichtet. Es handelt sich um den Ersatz von Schäden, die der Beamte durch seinen vom verfolgten Beklagten unmittelbar herausgeforderten Einsatz erlitten hat (vgl dazu auch Martens NJW 1972, 740, 746 Fn 37 und Hübner JuS 1974, 496, 499). Schutzwürdige Interessen des Beklagten an seiner Flucht, die demgegenüber in Frage kommen, fehlen. Durch sein Weglaufen suchte er sich der Überführung in die Jugendarrestanstalt und damit dem Vollzug der gegen ihn ausgesprochenen Strafe zu entziehen. Darin allein liegt in diesem Zusammenhang kein Umstand, der besonderer Berücksichtigung zugängig ist (vgl BGHZ 57, 25, 28; Urteil vom 13. Juli 1971 VI ZR 165/69 = aaO zu 2a).
Unter diesen Umständen steht das Risiko der Verfolgung durch T. an sich nicht außer Verhältnis zu seinem Zweck. T. versuchte dem Beklagten durch das Fenster der im Erdgeschoß liegenden Toilette ins Freie zu folgen, nachdem der Beklagte diesen Weg mit Erfolg genommen hatte. Diesem hier gesteigerten Risiko der Verfolgung durch einen Sprung aus dem ebenerdigen Fenster fehlt nicht die Verhältnismäßigkeit zu dem Anliegen des T. . Bei diesen Gegebenheiten mußte der Beklagte damit rechnen, daß ihm T. durch das Fenster folgen würde, weil dieser sich herausgefordert fühlen durfte.
II. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts ist daher eine Haftung des Beklagten nicht schon im Grundsatz ausgeschlossen. Sonach konnte das Berufungsurteil aus den ihm gegebenen Gründen keinen Bestand haben.
1. Dem erkennenden Senat ist verwehrt, selbst zu entscheiden. Daher war die Sache an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.
2. Das Berufungsgericht führt zum Schluß der Entscheidungsgründe aus, da die Körperverletzung des T. dem Beklagten schon wegen der fehlenden Verhältnismäßigkeit zwischen Zweck und erkennbarem Risiko der Verfolgung nicht zuzurechnen sei, bedürfe es keiner Entscheidung, ob hier ein gesteigertes Verfolgungsrisiko vorgelegen habe. Damit wird offenbar das angesprochen, was in BGHZ 57, 25, 32 (und im Urteil vom 13. Juli 1971 - VI ZR 165/69 = aaO zu 2d am Ende) ausgeführt ist.
Dort ist dargelegt, daß, sofern nach der gebotenen Abwägung im Einzelfall für die beim Verfolgenden eingetretenen Verletzungen grundsätzlich eine Haftung zu bejahen ist, diese nur die besonderen (gesteigerten) Risiken der Verfolgung und nicht das normale Risiko des Eingreifenden umfaßt, wie das schon das Erfordernis des inneren Zusammenhangs mit dem Grund der Haftung (der geschaffenen erhöhten Gefahrenlage) nahelege. So greift auch bei an sich bejahter Zurechnung die Haftung des Verfolgten nicht ein, wenn beispielsweise ein geschütztes Rechtsgut durch das Platzen eines Reifens des Streifenwagens verletzt wird, ohne daß dieses Ereignis auf eine für die Reifen gefährliche Verfolgung (Geschwindigkeit oder Fahrweise) zurückzuführen ist (vgl dazu Fallgestaltungen bei Deutsch JZ 1967, 642 zu 2d; vgl auch Lüer aaO S 150u).
Legt man die bisherigen tatrichterlichen Feststellungen zugrunde, so spricht Überwiegendes für die Annahme, daß sich hier ein durch die Verfolgung deutlich erhöhtes Risiko verwirklicht hat und es sich nicht um ein mit der zugerechneten Gefahrerhöhung ohne inneren Zusammenhang stehendes Ereignis handelt.
Hypothetische Kausalität
Grundlage der folgenden Ausführungen ist die sog. Differenzhypothese des § 249 BGB. Nach ihr bestimmt sich die Höhe des Schadens durch einen Gütervergleich zwischen der tatsächlich vorliegenden Güterlage des Geschädigten und der hypothetischen Güterlage, die ohne das Schadensereignis bestehen würde. § 249 BGB stellt also gewissermaßen die Nahtstelle zwischen Haftungsbegründungsrecht (vertragliche oder außervertragliche Haftungstatbestände) und dem Schadens(ausfüllungs)recht der §§ 249 ff. dar.
Nach der allgemeinen Fassung der Differenzhypothese in § 249 BGB sind hypothetische Kausalverläufe sämtlich zu berücksichtigen. Es wird ja das wirkliche Vermögen (nach dem Schadensereignis) mit dem hypothetischen Vermögen des Geschädigten, das ohne das Schadensereignis bestehen würde, verglichen. Bei der Bildung dieser Hypothese aber sind eben alle Umstände zu berücksichtigen, die das Vermögen des Geschädigten beeinflusst hätten.
Dass hypothetische Kausalverläufe in die Schadenszurechnung einfließen, bezweifelt niemand, und es ergibt sich auch bereits aus dem Gesetzeswortlaut (§ 249 Satz 1, 252 Satz 2). Strittig ist jedoch, in welchen Fällen Reserveursachen unbeachtlich sind und die Zurechnung damit erweitert wird.
Das Gesetz gibt unterschiedliche Antworten, die jeweils nicht verallgemeinerungsfähig sind. §§ 287 Satz 2, 2. Halbs., 848 BGB sowie einige seerechtliche Vorschriften erklären Reserveursachen für beachtlich, während sie in § 844 HGB unbeachtlich bleiben.
Betrachten wir, bevor wir uns den hier zu vertretenden Meinungen zuwenden, zur Veranschaulichung einige Beispiele:
Beispiel 1:
A's Wagen wird durch Unachtsamkeit des B leicht beschädigt (Schaden etwa DM 500). Kurz darauf erleidet A ohne Beteiligung Dritter mit seinem Wagen einen Totalschaden. Kann A von B Zahlung von DM 500 verlangen?
Beispiel 2: (RGZ 68, 352)
Durch einen von S verschuldeten Unfall wird G verletzt und arbeitsunfähig. Nachdem S zwei Jahre lang Rente an G gezahlt hat (§ 843 Abs. 1), erkrankt dieser an multipler Sklerose, wodurch er an den Rollstuhl gefesselt bleibt. Muss S die Rente weiterhin zahlen? (weiteres Beispiel: AG München, VersR 1978, 1078).
Beispiel 3: (nach RG LZ 1917, 861)
P verletzt M schuldhaft am rechten Auge, so dass M auf diesem Auge erblindet. Die Blindheit wäre jedoch auf Grund einer Erbkrankheit in absehbarer Zeit ebenfalls eingetreten.
Beispiel 4: (BGHZ 10, 6)
Auf Grund einer politischen Denunziation des Z verlor X 1944 seine Stellung. Der nach dem Krieg aus § 826 und § 252 BGB auf Ersatz der ausgefallenen Gehaltszahlungen in Anspruch genommene Z wendet ein, X hätte als NSDAP-Mitglied im Zuge der Entnazifizierungsbestimmungen seine Stellung sowieso spätestens 1945 verloren.
Beispiel 5:
a) Das Haus des E wird durch Verschulden des F bei einer Gasexplosion zerstört. F wendet ein, das Haus hätte wegen Einsturzgefahr ohnehin abgerissen werden müssen.
b) Wie, wenn bei einem Bombenangriff zwei Tage nach der Explosion das gesamte Stadtviertel, in dem das Haus stand, dem Erdboden gleich gemacht wird? (BGHZ 29, 207, 215).
In allen Beispielen stellt sich die Frage, ob die Reserveursache, die später den real erwirkten Schaden herbeigeführt hätte, beachtlich ist.
Dabei ist zweierlei noch vorauszuschicken: Angesichts der Vergänglichkeit alles Irdischen, muss es irgendwann einen Zeitpunkt geben, in dem der Schadensersatzanspruch definitiv feststeht. Sonst würde der Geschädigte nie Gewissheit über die Höhe seines Anspruchs erhalten. Maßgeblicher Zeitpunkt hierfür ist in der Regel die Erfüllung, ein Vergleich oder ein rechtskräftiges Urteil. Danach auftretende Reserveursachen können nicht mehr geltend gemacht werden.
Hat im Beispiel 2 S dem G nach § 843 Abs. 3 eine einmalige Abfindung gezahlt, so ist eine Rückforderung ausgeschlossen, weil mit ihrer Zahlung endgültige Klarheit über den Schadensersatzanspruch geschaffen werden soll (es scheint also günstiger, eine Rentenzahlung zu wählen und auf den Eintritt einer Reserveursache zu hoffen).
Das Zweite ist, dass die Beweislast für die Geltendmachung von Reserveursachen stets den Schädiger trifft. Nur wenn sicher ist, dass die Reserveursache den Schaden herbeigeführt hätte, kann über ihre Beachtlichkeit verhandelt werden. Ist sie dagegen nur möglich oder ungewiss, so ist sie stets unbeachtlich.
Die h.M. in der Literatur (Auswahl: Staudinger/Medicus, § 249 Randnr. 105; Larenz, Schuldrecht I, § 30 I, Soergel/Mertens, vor § 249 Randnr. 154; weitere Nachweise bei Lange, Schadensersatz, § 4 VII S. 183.) sowie die Rechtsprechung (BGHZ 29, 207, 315) differenziert zwischen dem sog. unmittelbaren Objektschaden und Vermögensfolgeschäden. Bei ersteren sollen hypothetische Ereignisse unbeachtlich, bei Letzteren beachtlich sein.
Begründet wird diese Differenzierung mit folgenden Argumenten:
- Bei einem unmittelbaren Sachschaden entstehe sogleich ein Schadensersatzanspruch. Dieser trete sozusagen an die Stelle des untergegangenen Eigentumsrechts in das Vermögen des Geschädigten. Das Gesetz sehe ein Erlöschen dieses Anspruchs durch nachträgliche hypothetische Ereignisse nicht vor (Rechtsfortsetzungsgedanke).
- Würde man nachträgliche hypothetische Ereignisse für beachtlich erklären, so trüge der Geschädigte das (hypothetische) Sachrisiko und das Forderungsrisiko (Risiko der Insolvenz des Schädigers) - Niederländer, AcP 153, 41, 54.
- Bei Vermögensfolgeschäden, insbesondere Ansprüche aus entgangenem Gewinn (§ 252) und dauernder Erwerbsminderung (§ 843) hingegen entwickelten sich die Ansprüche erst im Laufe der Zeit, entstünden also nicht im Augenblick des Schadenseintritts. Deshalb sei für sie beim jeweiligen Entstehen das Vorhandensein von Reserveursachen beachtlich, zumal das Gesetz dies ausdrücklich vorschreibe (§§ 249, 252, 844).
Aus dem letztgenannten Argument folgt die (einhellig vertretene) Beachtlichkeit von Reserveursachen für die sog. Rentenfälle (Beispiel 2). Hierzu führte BGHZ 10. 6, 11 zutreffend aus:
"Würde das Schadensersatzrecht die Beachtung dieser Tatsache verwehren, so hätte der Schadensersatzgläubiger nur deshalb eine krisenfeste Position erlangt, weil ihm einmal Unrecht geschehen ist. Gegenüber anderen Personen in ähnlicher Lage wäre er damit ohne Grund bevorzugt, während der Schädiger für einen Schaden aufkommen müsste, der unter Außerachtlassung der tatsächlichen Gegebenheiten der allgemeinen Entwicklung ermittelt wäre. Das kann nicht rechtens sein."
Die Rente ist also nur bis zu dem Zeitpunkt zu zahlen, in dem das hypothetische Ereignis die Erwerbsunfähigkeit ebenso herbeigeführt hätte.
Nach dieser Ansicht sind also in den Beispielen 1 und 5 b) die Reserveursachen unbeachtlich, mithin die Schädiger zur Zahlung verpflichtet. Während in den Beispielen 2 und 4 die Rente nur bis zur Erkrankung des G bzw. das entgangene Gehalt des X nur bis 1945 zu ersetzen sind.
Zu dieser Differenzierung wird jedoch noch eine Ausnahme gemacht bei den sog. Anlagefällen, in denen die Reserveursache im Zeitpunkt des schädigenden Ereignisses gleichsam als Anlage bereits vorhanden war. Dabei ist es gleichgültig, ob die Anlage intern im Schadensobjekt (Beispiele 3 und 5 a) oder extern (der beschädigte Öltank hätte auf Grund zuvor in Kraft getretener Sicherheitsbestimmungen ohnehin ausgewechselt werden müssen) bedingt ist. Auch in diesen Fällen ist nur der sog. "Verfrühungsschaden" zu ersetzen, d.h. der Schaden, der dadurch entstanden ist, dass der ohnehin angelegte Schaden durch das Schadensereignis schon früher eingetreten ist. Als Begründung wird - wenigstens für Sachen - angegeben, dass der Wert durch die Schadensanlage zum Zeitpunkt des schädigenden Ereignisses bereits vermindert bzw. Null war.
Fassen wir die h.M. zusammen, so ergibt sich:
War die Reserveursache bereits vor dem Schadenseintritt gesetzt, so ist sie beachtlich (Anlagefälle). Tritt sie erst nach dem Schadensereignis auf, so ist sie bei unmittelbaren Objektschäden unbeachtlich, bei mittelbaren Vermögensfolgeschäden (Renten, entgangener Gewinn) beachtlich.
Ähnlich stellt sich dies in der Leitentscheidung des BGH zur hypothetischen Kausalität in BGHZ 29, 207, 215 (Beispiel 5 b) dar.
"Die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs hat die Berücksichtigung solcher Umstände, die nach dem Eintritt eines Schadens denselben Erfolg herbeigeführt hätten, nur bei der Schadensberechnung und auch dort nur in beschränktem Umfang zugelassen. Bei Ersatzansprüchen für die Zerstörung einer Sache sind derartige Umstände regelmäßig unerheblich, weil mit dem Eingriff sogleich der Anspruch auf Schadensersatz entstanden war und das Gesetz den späteren Ereignissen keine schuldtilgende Kraft beigelegt hat. Bei der Ermittlung des durch Zerstörung einer Sache eingetretenen Schadens sind allerdings Umstände von Bedeutung, die bereits bei dem Eingriff vorlagen und notwendig binnen kurzem denselben Schaden verursacht hätten, weil derartige Umstände den Wert der Sache bereits im Augenblick des Eingriffs gemindert haben. Davon abgesehen sind spätere Ereignisse und ihre hypothetische Einwirkung auf den Ablauf der Dinge nur bei der Berechnung entgangenen Gewinns, bei der Ermittlung des Schadens aus fortwirkenden Erwerbsminderungen oder aus dem Ausfall ähnlicher langdauernder Vorteile von Bedeutung; insoweit schreibt teilweise das Gesetz ausdrücklich die Berücksichtigung der mutmaßlichen späteren Entwicklung vor (vgl. §§ 249, 252, 844 BGB). Gerade deshalb gewährt § 287 ZPO dem Richter für die Ermittlung eines Schadens einen Ermessensspielraum. Der Senat sieht keinen Anlass, von dieser Rechtsprechung abzugehen (vgl. BGHZ 8, 288; 10, 6; 20, 275). Entsprechend dieser Rechtsprechung hat das Berufungsgericht hier die späteren Kriegsereignisse bei der Entschädigung für den Sachverlust außer Betracht gelassen, weil im Zeitpunkt des Abbruches keine den Wert der Gebäude beeinflussenden Umstände vorlagen, die eine alsbaldige Vernichtung als sicher erscheinen ließen."
Neben verschiedenen weiteren Einzelmeinungen (vgl. insbesondere Esser, Schuldrecht I, 4. Aufl. § 46 III, der bei Reserveursachen bei Restitutionsansprüchen (§ 249) für Unbeachtlichkeit der Reserveursachen plädiert, während sei bei Kompensationsansprüchen (§ 251, 252) beachtlich sein sollen. Dagegen mit Recht Lange, Schadensersatz, § 4 VI S. 182. Zu weiteren Einzelmeinungen vgl. Lange, a.a.O.) hält die Mindermeinung (Lange, § 4 VII S. 184, AK-BGB-Rüßmann vor § 249-253 Randnr. 70; MünchKomm-Grunsky vor § 249 Randnr. 81, Lemhöfer JuS 1966, 337, 340; weitere Nachweise bei Lange, a.a.O.), der auch die hier vertretene Linie folgt, die Reserveursache auch bei den unmittelbaren Objektschäden für beachtlich.
Zur Begründung werden folgende Argumente aufgeführt:
- Die Differenzierung der h.M. sei dem BGB fremd. Nach der Differenzhypothese des § 249 seien Reserveursachen stets beachtlich
- Es sei nicht entscheidend, dass die Voraussetzungen für einen Schadensersatzanspruch einmal erfüllt seien, sondern, dass sie zum Zeitpunkt der Schadensbestimmung noch bestünden
- Funktion des Schadensrechtes sei der Ausgleich gegebener Differenzen, nicht die Bestrafung pflichtwidrigen Verhaltens.
Nach dieser Ansicht sind F und B in den Beispielen 2 und 5a) nicht zum Ersatz verpflichtet.
Einig ist man sich auch, dass eine Reserveursache, die einen Dritten zum Schadensersatz verpflichtet hätte, unbeachtlich bleibt.
Beispiel: A zerstört eine Sache des B, die bei einem tags darauf von C verschuldeten Brand verbrannt wäre.
C kann für die zerstörte Sache mangels realer Kausalität nicht haftbar gemacht werden. Könnte sich A auf die Reserveursache berufen, so bliebe B im Ergebnis ohne Ersatz.
Für die Mindermeinung stellt sich dies freilich so dar, dass die Reserveursache beachtlich ist, der Schaden des B allerdings darin liegt, dass er von C keinen Schadensersatz verlangen kann. Dies hat Auswirkungen, wenn der Ersatzanspruch gegen den hypothetischen Zweitschädiger beschränkt ist (z.B. § 254 oder Höchstbeträge bei Gefährdungshaftung, vgl. § 12 StVG, §§ 9, 10 HaftpflG, § 10 ProdukthaftG).