Schutz der Person
Der deliktsrechtliche Schutz der Person
Beim deliktsrechtlichen Schutz der Person können wir eine ähnliche Entwicklung verfolgen wie beim deliktsrechtlichen Schutz des Vermögens. Die Rechtsprechung ist nicht bei dem Rechtsgüterschutz (§ 823 Abs. 1 BGB), dem Schutz sonstiger Rechte (§ 823 Abs. 1 BGB), dem Schutz der in Schutzgesetzen geschützten Interessen (§ 823 Abs. 2 BGB) und dem Schutz vor vorsätzlicher Schädigung der durch das Sittengesetz geschützten Interessen stehen geblieben, sondern hat mit dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht (APR) ein Rahmenrecht entwickelt, das das im Gesetz vorgegebene System sprengt und in der Rechtsanwendung konkretisiert werden muss. Wir wollen zunächst einen Blick auf den deliktsrechtlichen Schutz der Person im traditionellen System werfen und uns alsdann dem APR zuwenden.
Der Rechtsgüterschutz in § 823 Abs. 1 BGB
Als geschützte Rechtsgüter nennt § 823 Abs. 1 BGB das Leben, den Körper, die Gesundheit und die Freiheit.
Aus dem Schutz des Lebens zieht nicht der ursprüngliche Träger des Rechtsguts Nutzen. Es profitieren andere Personen. Welche das sind, ist in den §§ 844 und 845 BGB geregelt. Es ist einmal derjenige, der für die Beerdigungskosten aufzukommen hat (§ 844 Abs. 1 BGB). Es sind zum anderen diejenigen, denen der Getötete kraft Gesetzes unterhaltspflichtig war oder unterhaltspflichtig werden konnte, wenn sie durch den Tod den Unterhaltsanspruch verloren. Eine weitere Gruppe von Anspruchsträgern wird in § 845 BGB durch diejenigen gebildet, denen der Getötete kraft Gesetzes zu Dienstleistungen verpflichtet war. Diese Vorschrift hat an praktischer Bedeutung erheblich verloren, seitdem der BGH sie auf getötete Ehefrauen nicht mehr anwendet (BGHZ 50, 304). Praktische Bedeutung hat die Vorschrift noch für die sich aus § 1619 BGB ergebende Dienstverpflichtung hausangehöriger Kinder.
Mit Blick auf den Körper ist die körperliche Integrität vor Eingriffen geschützt. Fraglich ist hier insbesondere, inwieweit das auch für ärztliche Heileingriffe gilt. Die in der Literatur vorherrschende Auffassung möchte hier mit Rücksicht auf die Zielsetzung der ärztlichen Behandlung schon tatbestandlich eine Verletzungshandlung ausschließen (vgl. Deutsch, NJW 1976, 2289 ff.; Laufs, NJW 1977, 1081 ff.) Danach würden nur Kunstfehler tatbestandlich zu einer Körperverletzung führen. Die Rechtsprechung sieht das anders. Sie geht von der Tatbestandsmäßigkeit auch des kunstgerechten ärztlichen Eingriffs aus (BGH NJW 1974, 1422; NJW 1976, 363). Die Haftungsfrage entscheidet sich dann auf der Ebene der Rechtswidrigkeit. Die wird nämlich ausgeschlossen, wenn der ärztliche Eingriff durch eine Einwilligung des Patienten gedeckt ist. Zur wirksamen Einwilligung gehört die Aufklärung des Patienten über die mit dem Eingriff verbundenen Risiken.
Ein Eingriff in die Gesundheit liegt vor, wenn der innere Zustand eines Menschen in einer Weise gestört wird, daß eine ärztliche Behandlung erforderlich wird, um den Betreffenden wieder an dem normalen Leben teilhaben zu lassen. Diese Umschreibung ist vage. Sie gibt aber Raum für den Schutz vor Störungen sowohl des physischen wie des psychischen Gleichgewichts. Auch Ausfälle aufgrund von Neurosen können deshalb einen Verletzer schadensersatzpflichtig machen. Eine in dieser Hinsicht für den Kläger und Geschädigten erfolgreiche Entscheidung kommt aus dem Bereich der Schockschadenfälle.
Gericht: BGH 6. Zivilsenat, Datum: 12.11.1985, Az: VI ZR 103/84
Leitsatz
1. Erleidet ein Unfallbeteiligter, der vom Schädiger in diese Rolle gezwungen worden ist, eine Unfallneurose, die auf das Miterleben des Unfalls mit schweren Folgen zurückzuführen ist, so sind darauf beruhende Gesundheitsschäden grundsätzlich dem Unfallgeschehen haftungsrechtlich zuzurechnen.
2. Gesundheitsschäden aus Anlaß einer sogenannten Konversionsneurose sind jedenfalls dann zu ersetzen, wenn der Grund für ihre Entstehung nicht geringfügig ist und deshalb ihre Entstehung nicht als bloße Aktualisierung des allgemeinen Lebensrisikos erscheint.
Fundstelle
RuS 1986, 68-70 (LT1)
NJW 1986, 777-779 (LT1-2)
VersR 1986, 448-449 (LT1-2)
Sachverhalt (vereinfacht):
Der B, Ehemann der Erstbeklagten und Vater der Zweitbeklagten, befuhr mit einem LKW eine Autobahn. Dabei flog aus dem geöffneten Seitenfenster der Fahrerkabine ein Lieferschein auf den mittleren Grünstreifen. B versuchte daraufhin zu Fuß auf den Mittelstreifen zu gelangen, um den Zettel wiederzuholen. Dabei geriet er vor den PKW des Klägers und wurde tödlich verletzt. Der Kläger erlitt leichte Verletzungen, die jedoch vollständig abgeheilt sind.
Der Kläger nimmt die Beklagten als Erben des getöteten B. auf Ersatz materieller und immaterieller Schäden sowie auf Feststellung ihrer Ersatzpflicht für Zukunftsschäden in Anspruch. Der Kläger behauptet, er leide nach wie vor an heftigen und anhaltenden Schmerzen, vom Brustkorb und den Schultern ausstrahlend in den Kopf und in die Arme bis in alle Finger hinein, sowie an Schwindelgefühlen; diese Beschwerden beruhten auf dem Unfallgeschehen vom 10. Juni 1976. In der Folgezeit mußte der Kläger sich immer wieder ärztlich behandeln lassen. Am 1. Juni 1980 wurde er im Alter von 45 Jahren wegen seiner Beschwerden vorzeitig pensioniert.
Die Beklagten haben demgegenüber gemeint, der Kläger, dessen unfallbedingte organische Leiden längst abgeheilt seien, habe sich in die Krankheit geflüchtet und eine sogenannte Rentenneurose entwickelt, für deren Folgen sie nicht einzustehen hätten.
Entscheidungsgründe
I. Das Berufungsgericht, das die Schadensersatzansprüche des Klägers für gerechtfertigt hält, stellt dazu, sachverständig beraten, im wesentlichen fest: Die unmittelbar durch den Unfall verursachten organischen Verletzungen des Klägers wie Gehirnerschütterung und Halswirbelsäulen-Trauma seien zwar vollständig abgeheilt. Seine heute bestehenden, der Klage zugrundegelegten weiteren Leiden seien indes ebenfalls durch das Unfallgeschehen ausgelöst worden. Insoweit handele es sich um die Folgen eines neurotischen Fehlverhaltens, eine sogenannte Unfallneurose. Auch für diese Unfallfolgen hätten die Beklagten einzustehen, zumal die Gesundheitsschäden über das übliche - Maß der Beeinträchtigung eines Menschen durch einen "seelischen Schock" hinausgingen. Es sei unerheblich, ob bei der Entstehung des Schadens die Persönlichkeitsstruktur des Klägers wesentlich mitgewirkt habe. Dafür, daß die Neurose auch ohne das Unfallereignis aus anderem Anlaß aufgetreten wäre, hätten die Beklagten nichts substantiiert vorgetragen, geschweige denn dafür Beweis angetreten. Um eine sogenannte Rentenneurose handele es sich beim Kläger nicht. Seine Gesundheitsbeeinträchtigung beruhe auch nicht auf einer unangemessenen Erlebnisverarbeitung.
Der Ersatzanspruch des Klägers sei ferner nicht durch eine Mithaftung eingeschränkt. Ein Mitverschulden an dem Unfall sei ihm nicht anzulasten. Zwar habe er auch nicht den Beweis dafür erbracht, daß der Unfall für ihn ein unabwendbares Ereignis im Sinne des § 7 Abs. 2 StVG gewesen sei. Andererseits trete aber die Betriebsgefahr seines Kraftfahrzeuges hinter dem groben Verschulden des B. zurück.
II. Das angefochtene Urteil hält den Revisionsangriffen stand. Das Berufungsgericht hat aufgrund der von ihm getroffenen Feststellungen zu Recht eine volle Haftung der Beklagten auch für die hier in Frage stehenden Körperschäden des Klägers nach §§ 823 Abs. 1, 847 BGB bejaht.
1. Daß der verstorbene Ehemann und Vater der Beklagten sich grob verkehrswidrig verhalten hat, als er versuchte, zu Fuß die von schnellen Fahrzeugen beidspurig benutzte Fahrbahn der Bundesautobahn zu überqueren, ist außer Streit. Er hat dadurch den Zusammenprall mit dem PKW des Klägers verursacht und verschuldet, wobei der Kläger verletzt worden ist. Auch die Neurose des Klägers, die zu seinen jetzt noch anhaltenden körperlichen Beschwerden geführt hat, ist ein ersatzpflichtiger Körperschaden im Sinne von § 823 Abs. 1 BGB.
a) Dabei kann offen bleiben, ob die Neurose ihrerseits ein Folgeschaden der organischen Verletzung ist, oder ob sie unmittelbar durch das Erleben des Unfallgeschehens ausgelöst worden ist; jedenfalls geht sie auf das verkehrswidrige Verhalten des B. zurück. Auch eine nur psychisch vermittelte Gesundheitsstörung ist eine Verletzung der Gesundheit, die dem verantwortlichen Schädiger grundsätzlich zuzurechnen ist. Das ist in der Rechtsprechung des erkennenden Senats anerkannt (Senatsurteile v. 11. Mai 1971 - VI ZR 78/70 = VersR 1971, 905, 906 m.w.N., insoweit nicht in BGHZ 56, 163 abgedruckt, und v. 5. Februar 1985 - VI ZR 198/85 = BGHZ 93, 351, 355) und wird auch im übrigen nicht ernsthaft bezweifelt, soweit es um die Schädigung des am Unfall selbst Beteiligten geht.
b) Nach den Feststellungen im Berufungsurteil gehen die körperlichen Beeinträchtigungen des Klägers infolge der unfallbedingten Neurose weit über das hinaus, was an Beeinträchtigungen bei Miterleben schrecklicher und seelisch belastender Ereignisse gewöhnlich aufzutreten pflegt und was als zum allgemeinen Lebensrisiko gehörig jedermann ersatzlos zu tragen hat (vgl. dazu das oben genannte Senatsurteil BGHZ 56, 163, dazu ferner Dunz LM § 823 Aa Nr. 27). Jedenfalls in solchen Fällen ist grundsätzlich Schadensersatz zu leisten; eines Eingehens auf die Kritik in der Literatur, die sich nur gegen Einschränkungen des Anspruches richtet, bedarf es im Streitfall nicht.
c) Der Ersatzanspruch entfällt nicht deswegen, weil der Kläger seelisch besonders labil ist und nur deshalb infolge des Unfallereignisses eine Unfallneurose entwickelt hat. Eine solche "schädliche Anlage" beim Geschädigten muß der Schädiger wie auch sonst hinnehmen; sie kann nicht dem Geschädigten anspruchsmindernd entgegengehalten werden. Auch das entspricht gefestigter Rechtsprechung.
2. Mit Recht hat das Berufungsgericht die Neurose des Klägers, selbst wenn sie in der Konfrontation des Klägers mit der Tötung des B. und seiner Rolle darin ihren Ursprung haben sollte, dem sie auslösenden Unfallgeschehen, nämlich dem leichtfertigen Überqueren der befahrenen Autobahn durch B., auch haftungsrechtlich zugerechnet. Das Miterleben eines Unfalles mit schweren Folgen als direkt daran Beteiligter ist nicht nur dann, wenn von außen kommende traumatische Verletzungen zugefügt werden, sondern auch, wenn die durch das Miterleben des Unfalls entstandene psychische Belastung zu schweren Gesundheitsstörungen führt, haftungsrechtlich ein Ereignis, das den für den Unfall Verantwortlichen nach dem Schutzgedanken des § 823 Abs. 1 BGB auch für auf diese Weise zugefügte Gesundheitsschäden ersatzpflichtig macht. Der gegenteiligen Ansicht der Revision vermag der Senat nicht zu folgen.
a) Das Auftreten einer sogenannten Unfallneurose, bedingt durch die Fehlverarbeitung eines den Unfallbeteiligten tief erschütternden Unfallgeschehens, liegt nicht so fern, daß etwa deshalb die dadurch entstandenen körperlichen Beeinträchtigungen haftungsrechtlich dem Unfallgeschehen nicht mehr zugerechnet werden dürften.
b) Der Zurechnungszusammenhang kann auch nicht mit dem Gedanken der Revision verneint werden, die "Selbsttötung" des Schädigers sei als solche nicht rechtswidrig und deshalb könne der darauf zurückzuführende Schaden des Geschädigten nicht ausgleichspflichtig sein. Nicht der Umstand, daß B. sich selbst gefährdet und geschädigt hat, hat die Körperverletzung des Klägers verursacht; das wäre rechtlich allenfalls von Bedeutung, wenn es um Ansprüche des B. und dabei um die Frage seiner haftungsmindernden Mitbeteiligung ginge. Für den Schadensersatzanspruch des Klägers ist allein erheblich, daß B. ihn durch sein schuldhaftes verkehrswidriges Verhalten in das Unfallgeschehen hineingezogen hat. Dazu hatte er kein "Recht".
c) Die Ersatzpflicht der Beklagten entfällt weiter nicht deswegen, weil es an einer personalen Sonderbeziehung zwischen dem Kläger und B. als Unfallopfer gefehlt hat. Es geht im Streitfalle nicht darum, Auswirkungen eines Unfallgeschehens auf Dritte als "Reflex eines haftungsbegründenden Ereignisses" (vgl. RGRK BGH 12. Aufl. § 823 Rdn. 11) haftungsrechtlich auszugrenzen, um eine uferlose Ausweitung der Schutzrichtung von Gefährdungs- und Verhaltensnormen auf die Umwelt des in erster Linie Geschützten zu vermeiden (näher dazu BGHZ 56, 163 ff mit Anm. Dunz aaO.). Der Kläger ist nicht als unbeteiligter Dritter zufälliger Zeuge eines Verkehrsunfalls geworden. Er war vielmehr selbst unmittelbar dem Unfallgeschehen ausgesetzt und hat daran mitgewirkt. Es kann deshalb offen bleiben, ob und gegebenenfalls unter welchen Umständen erwogen werden könnte, auch völlig Fremden, mit den eigentlichen Unfallbeteiligten und verletzten Personen in keiner näheren in Beziehung stehenden Personen bei besonders schweren Unfällen, die sie selbst miterleben müssen, einen ersatzfähigen "Schockschaden" zuzusprechen (dazu Grunsky in MünchKomm 2. Aufl. vor § 249 Rdn. 54 a m.w.N.). Wer deshalb psychische Schäden erleidet, weil er vom Schädiger in die Rolle eines Unfallbeteiligten gezwungen wird, steht jedenfalls unter dem Schutzbereich der Haftungsvorschrift des § 823 Abs. 1 BGB, weil seine körperliche Integrität in gleicher Weise wie bei einer nur "äußeren" Einwirkung beeinträchtigt wird. Er ist nicht nur mittelbar geschädigter Dritter; vielmehr ist in sein absolutes Recht eingegriffen worden (RGRK aaO., Grunsky aaO. m.w.N.; Stürner JZ 1984, 416).
3. Dem Berufungsgericht ist darin zu folgen, daß nach dem von ihm festgestellten Sachverhalt der Anspruch des Klägers nicht deswegen ausgeschlossen ist, weil seine Neurose sich als eine unangemessene Erlebnisverarbeitung darstellt, die keinen inneren Bezug mehr zu dem Schadensereignis hat.
a) Der erkennende Senat hat wiederholt Ersatzansprüche versagt, wenn der Geschädigte nach dem ihn treffenden Unfallgeschehen eine sogenannte Renten- oder Begehrensneurose entwickelt und diese Fehlverarbeitung bei ihm zu Gesundheitsstörungen geführt hat, sofern jedenfalls das Schadensereignis nur eine seinem Wesen nach auswechselbare Ursache (Kristallisationspunkt) für die Entstehung der Neurose ist (zuletzt Senatsurteil vom 8. Mai 1979 - VI ZR 58/78 - NJW 1979, 1935, 1936 = VersR 1979, 718, 719 m.w.N.). Das Vorliegen einer solchen Begehrensneurose beim Kläger hat das Berufungsgericht indessen aus tatsächlichen Gründen verneint: Der Kläger hat danach das Unfallgeschehen nicht deswegen neurotisch fehlverarbeitet, weil er es unbewußt zum Anlaß genommen hat, sich der Verantwortung für die eigene Lebensführung insofern zu entziehen, als er sich den Belastungen des Erwerbslebens nicht mehr zu stellen brauchte.
b) Die Feststellungen im Berufungsurteil erlauben andererseits aber auch nicht die Annahme, der Kläger sei das Opfer einer unfallbedingten "zweckfreien Aktualneurose" geworden, d.h. daß seine durch die seelische Erschütterung bedingten körperlichen Schäden, seine neurotische Fehlhaltung, primär und unmittelbar durch das Unfallgeschehen selbst zugefügt sind; in solchen Fällen wird ein Haftungszusammenhang ganz überwiegend bejaht (vgl. Senatsurteile vom 21. April 1961 - VI ZR 105/60 - VersR 1961, 597, 598 und vom 4. Januar 1963 VI ZR 76/62 - VersR 1963, 261; BGH, Urteil vom 25. Januar 1968 - III ZR 122/67 - VersR 1968, 396, 397; dazu auch Stoll JZ 1982, 204 f. und Stürner aaO. m.w.N.). Vielmehr hat der Kläger, wie das Berufungsgericht sachverständig beraten angenommen hat, eine sogenannte Konversionsneurose entwickelt. Ähnlich wie bei der sogenannten Renten- oder Begehrensneurose handelt es sich dabei um eine Fehlverarbeitung des Unfallgeschehens, das unbewußt zum Anlaß genommen wird, latente innere Konflikte zu kompensieren, wenn auch in anderer Weise als gerade im Hinblick auf den Wunsch, nicht mehr arbeiten zu müssen. Auch darin könnte, wie die Revision an sich mit Recht meint, eine "unangemessene Fehlverarbeitung" zu sehen sein, jedenfalls wenn der auslösende Anlaß letztlich beliebig und eher geringfügig erscheint. Es könnte dann rechtlich nicht von ausschlaggebender Bedeutung sein, mit welcher unbewußten Zielrichtung der Geschädigte das Unfallgeschehen zum Anlaß nimmt, in körperliche Beschwerden zu flüchten, um damit seine latenten inneren Konflikte zu kompensieren, wenn sich letztlich nicht der Unwert des schädigenden Verhaltens, sondern das allgemeine Lebensrisiko des Verletzten in der Neurose aktualisiert, weil die Auslösung des Versagenszustandes nur zufälliger und auswechselbarer Anlaß war. Dann fällt der Schaden nach dem Haftungszweck des § 823 Abs. 1 BGB nicht mehr in den Verantwortungsbereich des Schädigers und ist ihm nicht mehr zuzurechnen (RGRK aaO., Rdn. 12), wobei im Streitfall offenbleiben kann, ob ein Ersatzanspruch jedenfalls für den gedachten Zeitraum zwischen dem auslösenden Schadensereignis und dem voraussichtlichen anderweitigen, die Neurose auslösenden Lebensereignis zugebilligt werden könnte (Stürner aaO.).
c) Der Haftungszusammenhang kann aber jedenfalls dann nicht verneint werden, wenn sich nicht feststellen läßt, daß sich, ausgelöst durch das eigentliche Unfallgeschehen, letztlich nur das eigentliche Lebensrisiko des Geschädigten verwirklicht hat, der sich in die Neurose flüchtet, was die Beklagten zu beweisen hätten. Im Streitfall führt das Berufungsgericht dazu aus, die Beklagten hätten nichts dazu substantiiert vorgetragen, geschweige denn Beweis dafür angetreten, daß die Neurose auch ohne das Unfallereignis aus einem anderen Anlaß aufgetreten wäre. Diese Feststellung widerspricht nicht den Ausführungen im Gutachten des medizinischen Sachverständigen. Dieser hat, soweit er sich im Rahmen der ihm obliegenden naturwissenschaftlich-medizinischen Beurteilung gehalten hat, darauf hingewiesen, im Einzelfall wirkten - wie auch beim Kläger - konstitutionelle Vorgegebenheiten wie Anlage, Persönlichkeit, individuelle Lebensgeschichte, personale Konflikte und sozio-kulturelle Faktoren in unterschiedlicher Gewichtung bei der Entstehung einer Neurose zusammen; der psychisch-traumatischen Situation komme nur die sekundäre Bedeutung des Anstoßes zu. Zutreffend wertet das Berufungsgericht das rechtlich dahin, daß der Unfall beim Kläger eben auf eine vorhandene psychische Schadensanlage getroffen ist; das schließt, wie ausgeführt, den Schadensersatzanspruch nicht aus. Darüber hinaus fehlt in der Tat ein Anhaltspunkt dafür, daß der Kläger auch ohne das Erlebnis des schweren Unfalls, bei dem er sehenden Auges einen Menschen zu Tode gefahren hat, in ähnlicher Weise alsbald oder aus beliebig anderer Ursache seine vorhandene Schadensanlage aktualisiert hätte. Wahrscheinlich und vom Berufungsgericht für seine Beurteilung rechtsfehlerfrei zugrundegelegt ist vielmehr, daß gerade die Konfrontation mit der besonderen Unfallsituation, hier dem Umstand, daß er einen Menschen getötet hat, den Kläger aus der Bahn geworfen hat, während er sonst mit seiner vorhandenen Persönlichkeitsstruktur im Erwerbsleben weiter hätte bestehen können. Es gehört gerade nicht zum ersatzunwürdigen "allgemeinen Lebensrisiko", das außerhalb des Schutzzweckes des § 823 BGB steht, wenn eine seelische Schädigung durch das Hineinziehen in einen Verkehrsunfall mit schwersten Personenschäden entsteht.
4. Rechtsfehlerfrei hat das Berufungsgericht auch eine schadensmindernde Unfallbeteiligung des Klägers verneint.
a) Das Berufungsgericht hat ein Mitverschulden des Klägers am Zustandekommen des Unfalls nicht feststellen können. Das begegnet aufgrund des feststehenden Sachverhalts auch keinen rechtlichen Bedenken; die Revision hat insoweit ebenfalls nichts zu erinnern. Andererseits hat der Kläger nach Ansicht des Berufungsgerichts nicht den ihm obliegenden Beweis dafür erbringen können, daß der Unfall für ihn ein unabwendbares Ereignis im Sinne von § 7 Abs. 2 StVG gewesen ist. Dennoch hat das Berufungsgericht eine etwa im Rahmen des § 254 BGB zu berücksichtigende Betriebsgefahr, die von dem PKW des Klägers ausgegangen ist - immerhin durfte der Kläger darauf vertrauen, daß kein Fußgänger die Autobahn überqueren werde -, bei der Abwägung der gegenseitigen Verursachungsbeiträge gegenüber dem groben Verschulden des getöteten B. ganz zurücktreten lassen. Das läßt keinen Rechtsfehler erkennen. Eine solche Wertung ist rechtlich möglich; sie obliegt tatrichterlichem Ermessen. Insbesondere kann dem von der Revision hervorgerufenen Umstand, daß der Kläger eine Fahrgeschwindigkeit von 120 km/h eingehalten hat, keine entscheidende Bedeutung zu seinen Lasten zukommen. Auf einer freien Überholspur der Autobahn ist es - jedenfalls bei normalen Sichtverhältnissen - ganz unbedenklich, so schnell zu fahren; mit der Überquerung der Fahrbahn der Autobahn durch einen Fußgänger braucht, wie gesagt, niemand zu rechnen. Daß das Berufungsgericht bei seiner Abwägung die Fahrweise des Klägers und dessen mögliche Unaufmerksamkeit übersehen haben könnte, ist im übrigen nicht ersichtlich.
b) Für eine Verletzung der Schadensminderungspflicht nach § 254 Abs. 2 BGB durch den Kläger fehlt es an jedem tatsächlichen Anhaltspunkt. Für seine psychische Schadensanlage ist er nicht verantwortlich. Sie kann ihm auch nicht schadensmindernd über § 254 BGB entgegengehalten werden. Es ist das Risiko des Schädigers, daß er jemanden verletzt, der konstitutionell besonders anfällig ist. Ebensowenig haben die Beklagten ausreichenden tatsächlichen Vortrag in der Richtung gebracht, daß der Kläger wegen seiner Neurose schuldhaft eine ärztliche (in Betracht käme wohl eine psychiatrische) Behandlung nicht in Anspruch genommen hat, die zu einer Heilung hätte führen können.
5. Unbegründet sind endlich die Angriffe der Revision gegen die Höhe des dem Kläger zugebilligten Schmerzensgeldes. Die wenn auch knappe Begründung des Berufungsgerichts läßt erkennen, daß es die für die Zubilligung der angemessenen Entschädigung nach § 847 BGB wesentlichen tatsächlichen Umstände in seine Wertung einbezogen hat. Zu Unrecht meint die Revision, dem Kläger sei "unter dem Gesichtspunkt der Ausgleichsfunktion des Schmerzensgeldes" kaum damit gedient, ein höheres Schmerzensgeld zu erhalten, weil es ihn eher daran hindere, das Unfallereignis angemessen zu verarbeiten. Dem steht schon entgegen, daß der Kläger gerade nicht eine Begehrensneurose entwickelt hat. Ebensowenig ist zu erkennen, daß die sogenannte Genugtuungsfunktion des Schmerzensgeldes im Streitfall keine Rolle spielen könne. Auch die Gesamthöhe des ausgeworfenen Schmerzensgeldbetrages ist angesichts des, wenn auch im wesentlichen nur "psychisch vermittelten", Beschwerdebildes und des Lebensschicksals des Klägers keineswegs unangemessen.
Allerdings führt nicht jede Art von Neurose dazu, dass der Urheber zum Schadensersatz herangezogen werden könnte. Entwickelt der Geschädigte eine Rentenneurose, die auf einer Begehrensvorstellung nach einer Lebenssicherung beruht, so wird die Rente versagt, wenn anzunehmen ist, dass ohne die Rente der Geschädigte von sich aus zu einem normalen Arbeitsleben finden würde.
Gericht: BGH 6. Zivilsenat, Datum: 29.02.1956, Az: VI ZR 352/54
Leitsatz
Der Schädiger hat grundsätzlich auch Beeinträchtigungen zu ersetzen, die auf einer durch die Körperverletzung ausgelösten seelischen Störung des Betroffenen beruhen.
Die Haftung findet jedoch ihre Grenze, wenn die seelische Störung erst durch die - wenn auch unbewußte - Begehrensvorstellung nach einer Lebenssicherung oder die Ausnutzung einer vermeintlichen Rechtsposition ihr Gepräge erhält und der Unfall zum Anlaß genommen wird, den Schwierigkeiten des Arbeitslebens auszuweichen.
Fundstelle
BGHZ 20, 137-144 (LT1)
NJW 1956, 1108-1109 (LT1)
Tatbestand
Der am 2. Juni 1911 geborene Kläger hatte bereits im Alter von 12 Jahren dadurch einen Schädelbruch erlitten, daß ihm mit einer Kanne auf den Kopf geschlagen wurde. Am 2. April 1940 fuhr er mit einem Kraftrad in der Dunkelheit auf die Zechenbahn der Beklagten auf, wobei er eine Kopfverletzung an der rechten Stirnseite und eine Gehirnerschütterung davontrug. Durch rechtskräftiges Urteil ist festgestellt worden, daß die Beklagte dem Kläger drei Viertel seines Schadens zu ersetzen hat. Bis zum 31. Dezember 1949 hat die Beklagte dem Kläger Rentenzahlungen geleistet.
Der Kläger erstrebt mit der Behauptung, er sei durch den Unfall auf die Dauer erwerbsunfähig geworden, die Verurteilung der Beklagten zur Zahlung einer Geldrente von monatlich 300 DM ab 1. Januar 1950 bis zur Vollendung seines 65. Lebensjahres.
Die Beklagte hat behauptet, die Unfallfolgen seien längst abgeklungen, insbesondere sei der Kläger in seiner Erwerbsfähigkeit nicht mehr beschränkt.
Die Klage blieb in allen Instanzen erfolglos.
Entscheidungsgründe
1. Das Berufungsgericht hat sich dem eingehend begründeten Gutachten des Obermedizinalrates Prof Dr K. angeschlossen, das auf Grund einer längeren stationären Untersuchung des Klägers erstattet worden ist. Nach dem Inhalt dieses Gutachtens liegt bei dem Kläger ein organisch-neurologischer Befund nicht vor. Es sei, so führt der Gutachter weiter aus, auch keine Antriebsschwäche oder eine verlangsamte seelische Reaktionsweise festzustellen. Fühle der Kläger sich unbeobachtet, so sei sein Verhalten geordnet. Wenn es dagegen um die Verfolgung der geltend gemachten Ansprüche gehe, insbesondere aber bei der ärztlichen Begutachtung, sperre sich der Kläger nicht nur gegen jede bessere Einsicht, sondern auch gegen eine objektive medizinische Befundaufnahme. Der Kläger mache alsdann den Eindruck einer Verblödung, wobei sein pseudomentes Verhalten an Simulation angrenze. Sein Zustand sei durch eine psychische Fixierung der durch den Unfall ausgelösten und überbewerteten Begehrensvorstellungen und die zu psychogener Reaktionsweise neigende labile Veranlagung zu erklären. Das Vorliegen eines auf der Hirnverletzung beruhenden Verblödungsprozesses sei mit Sicherheit auszuschließen, dagegen lägen Merkmale des sogenannten Ganserschen Syndroms vor. Nur dadurch, daß dem Kläger bedeutet werde, daß seinen Ansprüchen eine Grenze gesetzt sei, könne es ihm möglich gemacht werden, sich selbst wieder zu finden und eine geordnete Arbeit aufzunehmen.
2. Die Revision bemängelt zu Unrecht, das Berufungsgericht habe die Beweismöglichkeiten nicht erschöpft und die Beweisaufnahme unzureichend gewürdigt (wird ausgeführt).
3. Ist also gegen die verfahrensmäßige Behandlung der Sache nichts zu erinnern, so fragt es sich, ob das Berufungsgericht mit Recht auf Grund seiner Feststellungen und der von ihm zugrunde gelegten Ausführungen des Sachverständigen Prof Dr K. die Schadensersatzansprüche des Klägers abgewiesen hat. Die Revision verneint das, indem sie auf die bekannte Rechtsprechung des Reichsgerichts zur sogenannten Unfallneurose verweist. Sie meint, der ursächliche Zusammenhang mit dem Unfall vom 2. April 1940 und dem zwar rentenneurotischen, aber doch die Arbeits- und Widerstandskraft des Klägers lähmenden Zustand habe nach dieser Rechtsprechung nicht verneint werden dürfen.
Der Revision ist zuzugeben, daß das Reichsgericht im Gegensatz zum früheren Reichsversicherungsamt (Entscheidung vom 24. September 1926, Entsch und Mitt des RVA 1927, 99) grundsätzlich auch dann einen ursächlichen Zusammenhang angenommen hat, wenn der Unfall eine Person betraf, die auf Grund einer neurotisch-labilen Veranlagung den sich ihr aufdrängenden Zweck- und Begehrensvorstellungen nicht den erforderlichen Widerstand entgegenzubringen vermochte und die hierdurch in ihrer Arbeitsfähigkeit beeinträchtigt war. Insbesondere hat das Reichsgericht immer wieder betont, es gehe nicht an, die Schadensersatzpflicht auf körperlich feststellbare Schäden zu beschränken und durch den Unfall ausgelöste Störungen nervöser oder seelischer Art deshalb von der Schadensersatzpflicht auszunehmen, weil sie auf einer besonderen Veranlagung des Geschädigten beruhten. Wer einen gesundheitlich schon geschwächten Menschen verletzt habe, könne nicht verlangen, so gestellt zu werden, als wenn der Betroffene gesund gewesen wäre. Ob eine bereits gegebene gesundheitliche Beeinträchtigung auf einem körperlichen Mangel oder auf einer in der Persönlichkeitsstruktur liegenden seelischen Anfälligkeit beruhe, mache rechtlich keinen Unterschied (RGZ 151, 279; 155, 37; 159, 257; 169, 117; JW 1936, 1356; JW 1938, 105; SeuffArch 95, 23).
Von medizinischer Seite wurde dieser Standpunkt durchweg bekämpft, wobei die Auseinandersetzung dadurch wesentlich erschwert war, daß der Betrachtungsweise ein verschiedener Ursachenbegriff zugrunde gelegt wurde. Das Reichsgericht hielt gegenüber diesen Angriffen und der geänderten Rechtsprechung im Gebiet des Sozialversicherungsrechts an seiner Auffassung fest und wies insbesondere darauf hin, daß der Richter über das Bestehen eines ursächlichen Zusammenhangs nach rechtlichen Gesichtspunkten entscheiden müsse. Immerhin hat auch das Reichsgericht in besonderen Fällen eine Verneinung der Entschädigungspflicht gebilligt (RGZ 103, 144; 108, 225) und in seiner Entscheidung DR 1942, 799 eine deutliche Tendenz zu einer Haftungseinschränkung unter dem Gesichtspunkt des "bloß äußeren Zusammenhangs" zwischen Unfall und neurotischem Zustand erkennen lassen. Ferner ist vom Reichsgericht unter dem Gesichtspunkt des § 254 BGB versucht worden, einer allzu weit gespannten Haftung entgegenzutreten. Der erkennende Senat hat in seinem Urteil vom 8. Juli 1953 (VI ZR 137/52, Lind Möhr Nr 2 zu § 249 (Bb) BGB) der reichsgerichtlichen Rechtsprechung grundsätzlich zugestimmt und die Möglichkeit bejaht, daß zwischen einem Unfall und einer durch ihn ausgelösten "Psychoreaktion" ein adäquater ursächlicher Zusammenhang bestehen könne.
Einer erneuten Stellungnahme zu dem Problem bedürfte es nicht, wenn bei dem Kläger eindeutig eine bewußte Vortäuschung nicht bestehender Beschwerden festzustellen wäre. Einige Sätze des Berufungsurteils könnten in diesem Sinne zu verstehen sein. Jedoch lassen die Ausführungen des Berufungsurteils im Zusammenhang mit dem Gutachten wohl nur den Schluß zu, daß das Verhalten des Klägers zwar an Simulation und bewußter Aggravation angrenze, aber entscheidend doch dadurch charakterisiert sei, daß der seelisch labile Kläger unter dem Einfluß von Wunsch- und Zweckvorstellungen das Bestehen eines Unfallschadens psychisch fixiert habe und in dieser Fixierung befangen sei. Für das von dem Gutachter angenommene Gansersche Syndrom ist nach Bumke (Lehrbuch der Geisteskrankheiten, 1948 S 172) der fließende Übergang von willkürlichen und zwangsmäßigen Leistungen gerade kennzeichnend. Aus der Übersteigerung eines Affektes entsteht schließlich ein der Pseudodemenz verwandter kindisch-psychotischer Zustand, in dem der Patient zuletzt verhaftet bleibt. Es läßt sich daher auch nicht ohne weiteres mit Hilfe des § 254 BGB ein Schadensersatzanspruch ablehnen; denn die Bejahung eines Mitverschuldens wäre nur bei der Feststellung möglich, daß der Neurotiker in der Lage wäre, seinen Willen gemäß den Anforderungen seiner Situation zu steuern und seinen Begehrensvorstellungen wirksam Widerstand entgegenzusetzen. Gerade daran fehlt es in einer den seelischen Zustand kennzeichnenden Weise bei denjenigen, die sich in einer neurotisch-verkrampften Haltung in die Vorstellung flüchten, sie seien krank und hätten daher einen Anspruch auf Sicherstellung ihrer Existenz gegen die Gemeinschaft oder einen Schuldigen (vgl hierzu die kritischen Bemerkungen von Wussow, Unfallhaftpflichtrecht 1954 S 51).
Der Senat hält daran fest, daß der Schädiger grundsätzlich auch die aus seelischer Reaktion des Betroffenen herrührenden Beeinträchtigungen zu entschädigen hat, wenn diese in adäquater Weise durch den Unfall verursacht sind. Damit allein, daß eine bestimmte Verhaltensweise als psychogene Reaktion gedeutet wird, kann der ursächliche Zusammenhang zwischen schadenstiftendem Ereignis und einem die Arbeits- und Widerstandskraft hemmenden Zustand noch nicht verneint werden. So sehr sich auch die Rechtsprechung mit den gewandelten Auffassungen der medizinischen und psychologischen Wissenschaft über das Wesen und die Entstehung neurotischer Verhaltensweisen vertraut machen muß, darf doch nicht übersehen werden, daß die Frage des Ursachenzusammenhangs als Rechtsfrage entschieden werden muß und daß der rechtlichen Betrachtungsweise eine Auffassung fremd ist, die den Ursachenzusammenhang auf körperlich-organische Geschehnisse beschränkt. Wenn versucht worden ist, die Haftung für Neuroseschäden unter dem Gesichtspunkt des "bloß äußeren Zusammenhangs" einzuengen, so vermag dieser Begriff einer sachgemäßen Abgrenzung kaum zu dienen. Soll damit gesagt sein, die vorliegenden Beschwerden und Hemmungen würden mit einer sehr hohen Wahrscheinlichkeit in gleicher Weise auch ohne den Unfall eingetreten sein, so kann der Richter bei der ihm durch § 287 ZPO verliehenen besonders freien Stellung in der Würdigung seiner Erkenntnismittel, insbesondere der Ergebnisse ärztlicher Begutachtung, den Ursachenzusammenhang überhaupt verneinen. Muß aber zugunsten des Klägers davon ausgegangen werden, daß ohne das Unfallgeschehen eben der seelische Zustand nicht vorliegen würde, der die Wiedereinführung des Klägers in das Arbeitsleben erschwert, so kann der ursächliche Zusammenhang auch dann nicht verneint werden, wenn eine wesentliche Mitursache dieses Zustandes in der seelisch anfälligen Persönlichkeit des Klägers liegt.
Erweist sich somit der Versuch als untauglich, unter ursächlicher Betrachtung zu einer Einschränkung der Haftung für Neuroseschäden zu gelangen, so ist doch unter einem anderen Gesichtspunkt eine Haftungseinschränkung erforderlich. Wenn die Rechtsordnung dem durch eine Körperverletzung Betroffenen einen Anspruch auf Schadensausgleich gibt, so will sie diesem helfen und seine baldige Genesung tunlichst erleichtern. Diesem Sinn des Schadensersatzanspruches widerspräche es, wenn gerade durch die Tatsache, daß ein anderer Schadensersatz zu leisten hat, die Wiedereinführung in den sozialen Lebens- und Pflichtenkreis erschwert oder gar unmöglich gemacht würde. Eben aus diesem Grunde wird durchweg von ärztlicher Seite darauf hingewiesen, die Schadensersatzregelung der Rechtsordnung dürfe nicht dazu führen, der Flucht des Rentenneurotikers in die Krankheit Vorschub zu leisten und seine "infantile Regression" zu unterstützen, wodurch ihm vom Standpunkt der menschlichen Würde und vom Standpunkt ärztlicher Therapie der schlechteste Dienst geleistet werde (Bumke, aaO S 232; Brun, Allgemeine Neurosenlehre, 3. Aufl. 1954, S 426; Hirschmann, Die Begutachtung der Neurosen in Sozialversicherung, 1953, 128; von Weizsäcker, Soziale Krankheit und soziale Gesundung, 1955, 44). Führt die Begutachtung zu dem Ergebnis, daß das psychische Zustandsbild des Klägers, insbesondere dessen Untätigkeit, im wesentlichen durch das - wenn auch unbewußte - Streben nach einer ihm vorteilhaft erscheinenden Lebenssicherung oder die Anklammerung an eine vorgestellte Rechtsposition zu erklären ist - wobei der Unfall als Anlaß genommen wird, den Schwierigkeiten des Lebenskampfes auszuweichen -, so läßt sich billigerweise eine solche Folge nicht mehr dem Schädiger rechtlich zurechnen. Denn diesem kann nicht zugemutet werden, zu der Verfestigung eines Zustandes beizutragen, der letztlich der körperlichen und seelischen Gesundung des Klägers abträglich ist. Aus diesem Grunde muß Ansprüchen von Rechts- und Rentenneurotikern eine Grenze gesetzt werden, die sich zwar nicht aus dem Fehlen eines ursächlichen Zusammenhangs, wohl aber aus dem Sinn des Schadensausgleichs und dem Gedanken der Billigkeit ableiten läßt. Ähnliche Erwägungen waren es auch, worauf der I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs zutreffend hingewiesen hat (BGHZ 3, 261 (263)), die Rechtslehre und Rechtsprechung veranlaßt haben, die Schadensersatzhaftung auf adäquate Folgen des schädigenden Ereignisses einzuschränken, obwohl das Gesetz eine solche Einschränkung nicht ausspricht. Soll eine Übersteigerung des Haftungsgrundsatzes vermieden werden, zu dem eine Würdigung unter bloß ursächlicher Betrachtungsweise führen würde, muß auch hier eine dem Sinn angemessener Schadenszurechnung entsprechende Einschränkung der Haftung erfolgen, wodurch zugleich einem berechtigten Anliegen der Sozialmedizin Rechnung getragen wird.
Naturgemäß wird es nur bei einer besonders eingehenden und sorgfältigen Würdigung der Persönlichkeit des Klägers möglich sein, Art und Entstehung seiner neurotischen Verhaltensweise richtig zu beurteilen. Dabei wird es insbesondere darauf ankommen, jene durch die Schwere des Unfalls, den erlittenen Schrecken oder die Eingriffe der ärztlichen Behandlung ausgelösten seelischen Störungen von denen abzugrenzen, die erst durch die sich an den Unfall und die dadurch erlangte Rechtsposition anknüpfenden Begehrensvorstellungen ihr Gepräge erhalten (vgl Brun, aaO S 425; Zweng in Sozialversicherung 1954, 36). Bei dieser Persönlichkeitserforschung kann der Nutzbarmachung der neueren situations- und psychotherapeutischen Behandlungsmethoden besondere Bedeutung zukommen (vgl Schultz, Arzt und Neurose 1953; von Weizsäcker, Soziale Krankheit und soziale Gesundung 1955).
4. Wenn auch das Berufungsgericht die entscheidenden Rechtsprobleme nicht in allem zutreffend erkannt hat, so reichen doch die getroffenen Feststellungen aus, um das Bestehen eines Anspruchs auf Ersatz eines Erwerbsschadens verneinen zu können. Der Kläger ist besonders eingehend unter Beobachtung bei stationärem Krankenhausaufenthalt untersucht worden. Sein Verhalten ist nicht etwa durch psychogene Überlagerung eines organischen Krankheitsgeschehens zu erklären, sondern dadurch gekennzeichnet, daß psychopathische Züge erst auftreten, wenn es sich um die Beschäftigung mit dem "Fall" und die Erreichung der vorgestellten Wünsche handelt. Nach der Auffassung des Gutachters kann der Zustand wirksam nur behoben werden, wenn sich der Kläger der Wirklichkeit des Lebens wieder stellen muß. Im einzelnen sind alle Merkmale einer Tendenz- und Rechtsneurose festgestellt worden, die nach den vorher dargelegten Grundsätzen nicht durch Anerkennung eines Rechts der Untätigkeit gefördert werden darf. Angesichts der eindeutigen Feststellungen war kein Raum für die Anwendung des § 287 ZPO, dessen Nichtberücksichtigung die Revision insoweit zu Unrecht rügt. Das Berufungsgericht hat daher im Ergebnis zu Recht die Ansprüche des Klägers auf Ausgleich des geltend gemachten Erwerbsschadens verneint.
Die Freiheit ist nur in ihrer Form als körperliche Bewegungsfreiheit geschützt. Einflüsse auf die Entscheidungsbildung ohne Beeinträchtigung der körperlichen Bewegungsfreiheit meint § 823 Abs. 1 BGB nicht.
Der Schutz sonstiger Rechte in § 823 Abs. 1 BGB
Als in § 823 Abs. 1 BGB geschützte sonstige Personenrechte sind anerkannt das Namensrecht (§ 12 BGB), das Urheberrecht, das Recht am eigenen Bild. Für das Recht am eigenen Bild finden wir eine gesetzliche Ausgestaltung in §§ 22, 23 KunstUrhG. Die Vorschriften lauten im Wortlaut:
§ 22 (Recht am eigenen Bilde)
Bildnisse dürfen nur mit Einwilligung des Abgebildeten verbreitet oder öffentlich zur Schau gestellt werden. Die Einwilligung gilt im Zweifel als erteilt, wenn der Abgebildete dafür, daß er sich abbilden ließ, eine Entlohnung erhielt. Nach dem Tode des Abgebildeten bedarf es bis zum Ablaufe von 10 Jahren der Einwilligung der Angehörigen des Abgebildeten. Angehörige im Sinne dieses Gesetzes sind der überlebende Ehegatte und die Kinder des Abgebildeten, und wenn weder ein Ehegatte noch Kinder vorhanden sind, die Eltern des Abgebildeten.
§ 23 (Ausnahmen zu § 22)
(1) Ohne die nach § 22 erforderliche Einwilligung dürfen verbreitet und zur Schau gestellt werden:
1. Bildnisse aus dem Bereiche der Zeitgeschichte;
2. Bilder, auf denen die Personen nur als Beiwerk neben einer Landschaft oder sonstigen Örtlichkeiten erscheinen;
3. Bilder von Versammlungen, Aufzügen und ähnlichen Vorgängen, an denen die dargestellten Personen teilgenommen haben;
4. Bildnisse, die nicht auf Bestellung angefertigt sind, sofern die Verbreitung oder Schaustellung einem höheren Interesse der Kunst dient.
(2) Die Befugnis erstreckt sich jedoch nicht auf eine Verbreitung und Schaustellung, durch die ein berechtigtes Interesse des Abgebildeten oder, falls dieser verstorben ist, seiner Angehörigen verletzt wird.
Umstritten ist in Rechtsprechung und Literatur, ob und inwieweit auch die Ehe als ein sonstiges Recht im Rahmen des § 823 Abs. 1 geschützt ist. Die Rechtsprechung sieht nur den räumlich gegenständlichen Bereich der Ehe als geschützt an (Möglichkeit, den Ehebrecher aus der ehelichen Wohnung zu weisen); die Literatur will dagegen den Schutz weiter ausdehnen und auf Vermögensnachteile beziehen, die sich als Folge des eheverletzenden Verhaltens ergeben.
Die den Anspruch gegen den Ehepartner verneinende Leitentscheidung lautet wie folgt:
Gericht: BGH 4. Zivilsenat, Datum: 30. 01.1957, Az: IV ZR 279/56
Leitsatz
Dem Ehemann steht gegen seine Ehefrau ein Anspruch auf Ersatz der Kosten nicht zu, die ihm durch die Anfechtung der Ehelichkeit eines von seiner Ehefrau im Ehebruch erzeugten Kindes entstanden sind.
Fundstelle
BGHZ 23, 215-222 (LT1)
Tatbestand
Die Parteien haben im Jahre 1941 die Ehe miteinander geschlossen. Am 24. März 1949 hat die Beklagte eine Tochter geboren. Der Kläger erhob daraufhin Klage auf Scheidung seiner Ehe. Nachdem die Beklagte Widerklage erhoben hatte, wurde die Ehe durch Urteil des Landgerichts vom 3. März 1950 geschieden. Beide Ehegatten wurden für schuldig erklärt, die Beklagte, weil sie ehewidrige Beziehungen zu einem Bäckergesellen im Betrieb des Klägers unterhalten hat. Nach der Scheidung seiner Ehe focht der Kläger die Ehelichkeit des Kindes der Beklagten an. Durch rechtskräftiges Urteil des Landgerichts ist festgestellt, daß das Kind kein eheliches Kind des Klägers ist.
Der Kläger behauptet, durch den Anfechtungsprozeß gegen das Kind seien ihm Kosten in Höhe von 1.130,05 DM entstanden. Zur Erstattung dieser Kosten sei zwar das Kind verpflichtet, dieses sei aber mittellos. Für den dadurch ihm entstandenen Schaden nimmt er die Beklagte in Anspruch.
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Die Berufung wie die Revision des Klägers blieben ohne Erfolg.
Entscheidungsgründe
Das Landgericht wie das Oberlandesgericht haben dem Kläger einen Ersatz der ihm durch den Anfechtungsprozeß entstandenen Kosten versagt, weil das bürgerliche Recht einen Schadensersatzanspruch wegen dieser Kosten gegen den Ehegatten, der sich der Verletzung der Treuepflicht schuldig gemacht habe, nicht gewähre.
I. Die Frage, ob dem schuldlos geschiedenen Ehegatten ein Anspruch auf Entschädigung für die Nachteile eingeräumt werden soll, die ihm dadurch entstehen, daß der andere Ehegatte gegen die durch die Eingehung der Ehe begründeten Pflichten verstößt, ist bereits bei Schaffung des bürgerlichen Gesetzbuchs Gegenstand von Erörterungen gewesen. Wie die Motive zum BGB (Band 4 S 615) ergeben, ist diese Frage damals verneint worden, hauptsächlich weil man solche Ansprüche nicht mit dem Wesen der Ehe vereinbar hielt und der Auffassung war, daß ihre Zubilligung einer Scheidungsstrafe gleichkäme, die in bewußter Abweichung von früheren Rechten nicht in das Bürgerliche Gesetzbuch aufgenommen worden sei. Das Reichsgericht hat sich in seiner Entscheidung RGZ 72, 128ff dieser Auffassung angeschlossen und Rechtslehre und Rechtsprechung sind dem weitgehend gefolgt (vgl insbes Martin Wolff in Enneccerus FamR 6. Aufl § 31 Fußn 9, Enneccerus-Lehmann, Schuldrecht 14. Aufl § 234; Planck 4. Aufl § 1565 Anm 28; RGRK BGB 7. Aufl § 1565 Anm 1; Staudinger 9. Aufl § 1353 Anm 9a und § 1565 Anm 1f; Palandt 15. Aufl Einf zu § 1353 Anm 1; Erman § 1353 Anm 5).
Nach dem Zusammenbruch im Jahre 1945 ist eine gegenteilige Auffassung aufgekommen (vgl insbes Beitzke ZblJugR 1952, 211, Neumann-Duesberg DRZ 1950, 511; Schwab NJW 1956, 1149 und vor allem Boehmer, Grundlagen der bürgerlichen Rechtsordnung I S 90, ArchZivPrax 155, 182f und Ehe und Familie 1956, 182, sowie die Entscheidung der Oberlandesgerichte Hamm JZ 1953, 757 und Oldenburg MDR 1953, 170).
II. Der erkennende Senat hat bereits in seiner Entscheidung vom 21. März 1956 - abgedruckt ua in LM Nr 3 zu § 823 (Af) BGB sowie NJW 1956, 1149 - zu der Frage Stellung genommen, ob neben den Ansprüchen, die das bürgerliche Recht in seinen familienrechtlichen Bestimmungen für den Fall der Verletzungen der Treuepflicht durch einen der Ehegatten gibt, noch weitergehende Ansprüche aus einer solchen Verletzung hergeleitet werden können. Der Senat hat diese Frage, soweit es sich um die Anwendung des § 823 BGB handelt, verneint. Trotz der gegen diese Entscheidung laut gewordenen Kritik sieht der Senat jedoch nach erneuter Prüfung keinen Anlaß, von dieser Rechtsprechung abzuweichen. Maßgebend sind hierfür im wesentlichen folgende Erwägungen:
1. Das bürgerliche Recht enthält zahlreiche Bestimmungen über die durch die Ehe begründeten Pflichten und über die Folgen ihrer Verletzung (vgl insbes das EheG sowie die §§ 1353, 1361, 1933, 2077, 2335 BGB). Diese besondere Regelung spricht grundsätzlich dafür, daß mit ihr ausschließlich und abschließend die Frage geklärt sein soll, welche Folgen eine Verletzung der durch die Ehe begründeten Pflichten hat.
2. Dies steht mit den Erwägungen im Einklang, wie sie anläßlich der Schaffung des Bürgerlichen Gesetzbuchs geschwebt haben und wie sie in den Motiven zum BGB Band 4 S 615 dargelegt sind.
3. Für eine abschließende Regelung im Familienrecht spricht, daß die dort vorgenommene Regelung der vermögensrechtlichen Beziehungen zwischen den Ehegatten bei einer Anwendung der §§ 823ff BGB in erheblichem Maße ihren Sinn verlieren würde. Denn eine Entschädigungspflicht auf Grund schuldrechtlicher Vorschriften würde wesentlich weitergehen, als die Pflichten, die in den familienrechtlichen Bestimmungen enthalten sind. Damit würde aber die in den familienrechtlichen Bestimmungen getroffene Regelung in erheblichem Umfang überflüssig werden.
4. Es ist zwar nicht zu verkennen, daß die Eingehung der Ehe sowohl familienrechtliche als auch vermögensrechtliche Folgen hat. Grundsätzlich muß jedoch - entsprechend dem auch im § 888 Abs 2 ZPO zum Ausdruck gekommenen Grundsatz - zwischen den rein familienrechtlichen und den aus der Ehe sich ergebenden vermögensrechtlichen Pflichten der Ehegatten unterschieden werden. Die rein familienrechtlichen, wie zB die Pflicht zur Herstellung der ehelichen Lebensgemeinschaft, die Treuepflicht, erschöpfen sich in einem diesen Pflichten entsprechenden Verhalten und, wenn aus der Verletzung solcher Pflichten Folgerungen zu ziehen sind, so lassen diese sich grundsätzlich nicht aus dem Schuldrecht herleiten, sondern müssen dem Wesen der Ehe entsprechend aus den für solche Verletzungen vom Familienrecht selbst gegebenen Vorschriften entnommen werden. Es entspricht nicht dem Wesen der Ehe und auch nicht dem heutigen sittlichen Empfinden, das sich seit der Zeit, in welchem das BGB geschaffen wurde, insoweit nichts geändert hat, die Ehe einem vermögensrechtlichen Geschäft gleichzustellen.
5. Zwar ist grundsätzlich eine Gesetzesauslegung zu billigen, die der Aufrechterhaltung einer dem feierlichen Ehegelöbnis entsprechenden ehelichen Lebensgemeinschaft dient. Das hat der Senat vor allem in seiner Rechtsprechung zu § 48 EheG immer wieder betont. Die Anwendung der Schadensersatzbestimmungen des Schuldrechts auf ehewidriges Verhalten zeitigt jedoch Ergebnisse, die nicht erstrebenswert sind.
a) Zunächst würde die Verurteilung zur Leistung eines Schadensersatzes wegen eines Verstoßes gegen die durch die Ehe begründeten Pflichten praktisch der Verhängung einer Strafe gleichkommen. Man denke nur an den Fall, daß der schuldlose Ehemann durch die unberechtigte Verweigerung der Herstellung der ehelichen Lebensgemeinschaft durch die Ehefrau genötigt ist, eine bezahlte Hilfe für die Haushaltsführung zu nehmen, und das Gericht die Ehefrau wegen Verstoßes gegen § 1353 BGB verurteilen würde, ihrem Ehemann allmonatlich bis zur Wiederherstellung der ehelichen Gemeinschaft einen den Kosten der Hilfe etwa entsprechenden bestimmten Betrag zu zahlen. Das würde darauf hinauslaufen, die Ehefrau zur Herstellung der ehelichen Lebensgemeinschaft durch Geldstrafen anzuhalten nur mit der Besonderheit, daß dieses Geld nicht, wie in den Fällen des § 888 Abs 1 ZPO dem Staat, sondern dem Ehemann zufließen, außerdem § 888 Abs 2 ZPO dadurch wirkungslos werden würde.
b) Zuzugeben ist, daß aus Billigkeitsgründen nichts dagegen einzuwenden wäre, dem schuldigen Ehegatten die Kosten einer Anfechtung der Ehelichkeit des von ihm im Ehebruch erzeugten Kindes aufzuerlegen. Jedoch erschöpft sich damit noch nicht der Umfang der Schadensersatzpflicht des schuldigen Ehegatten, die nur grundsätzlich bejaht oder abgelehnt werden kann. Infolgedessen könnte im Falle der Bejahung der schuldlose Ehegatte entsprechend dem Grundsatz des § 249 BGB verlangen, in allen Beziehungen so gestellt zu werden, wie er stehen würde, wenn das zum Schadensersatz verpflichtende Ereignis und somit auch die durch dieses ausgelöste Scheidung der Ehe nicht eingetreten wäre. Er könnte daher auch nicht nur den angemessenen oder billigen Unterhalt von dem schuldigen Ehegatten verlangen, sondern im Widerspruch zu den Unterhaltsvorschriften der §§ 58 und 59 EheG einen Betrag, der ihm dieselbe Lebensführung ermöglicht, wie wenn die Ehe noch bestände. Der schuldlose Ehegatte würde ferner das Recht haben, im Falle des Todes des schuldigen Ehegatten hinsichtlich seines Nachlasses so gestellt zu werden, als ob die Ehe zu diesem Zeitpunkt noch bestanden hätte, wobei dann noch der Zweifel entstehen würde, ob dem schuldlosen Ehegatten die vermögensrechtliche Stellung eines Erben oder nur die eines Pflichtteilsberechtigten zuzubilligen wäre.
c) Die Vertreter der Rechtsauffassung, die die Schadensersatzansprüche bejahen, wollen zum Teil solche Ansprüche gegen den schuldigen Ehegatten nicht zulassen, so insbesondere Schwab, während Boehmer in Abweichung von seiner früheren Ansicht (Grundlagen der bürgerlichen Rechtsordnung I 90) dies jetzt auf den Fall beschränken will, daß die Ehe weiterbesteht (ArchZivPrax 155, 190ff). Abgesehen davon, daß das Schuldrecht die von Boehmer vorgenommene Differenzierung wohl kaum rechtfertigt, wird aber die Versagung eines Schadensersatzanspruchs gegen den schuldigen Ehegatten sofort dadurch hinfällig, daß, wenn der an der Ehestörung beteiligte Dritte auf Schadensersatz in Anspruch genommen wird, er, der ja zusammen mit dem schuldigen Ehegatten als Mittäter aus unerlaubter Handlung haften würde, auf Grund des § 426 BGB von dem schuldigen Ehegatten einen Ausgleich verlangen könnte. Hierbei würde dann noch die Frage auftauchen, inwieweit etwa § 254 BGB anzuwenden wäre mit der Folge, daß möglicherweise der schuldige Ehegatte den Schaden überwiegend oder sogar allein zu tragen hätte.
d) Die Bejahung einer Schadensersatzpflicht kann auch, worauf bereits von den Motiven als nicht seltener Erscheinung hingewiesen wird, dazu führen, aus niedrigen Beweggründen den Scheidungsgrund zum Zwecke der eigenen Bereicherung auszunutzen.
e) Die weitere Folge wird mit großer Wahrscheinlichkeit sein, daß die Zahl der Prozesse zwischen Ehegatten erheblich vermehrt wird. In vielen Fällen wird sich dem Scheidungsprozeß und gegebenenfalls dem Unterhaltungsprozeß noch ein Schadensersatzprozeß anschließen.
f) Im Schadensersatzprozeß wird sich häufig die Notwendigkeit ergeben, hier erst genaue Feststellungen über den Verlauf der Ehe und das Verhalten der Ehegatten zu treffen. Denn entgegen der von Boehmer vertretenen Auffassung wird erfahrungsgemäß in vielen Fällen eine Scheidung nicht wegen ehewidriger Beziehungen zu einem Dritten, sondern trotz solcher Beziehungen nur aus in der Person des schuldigen Ehegatten liegenden anderen Gründen, zB wegen hartnäckiger Verweigerung der ehelichen Pflichten, ausgesprochen.
g) Abgesehen davon, daß solche Schadensersatzprozesse meist in recht wenig erfreulicher Weise sich abspielen und Parteien wie Gericht übermäßig belasten werden, bieten sie mit ihrem reinen Parteibetrieb auch nicht die Sicherheit wie die Durchführung eines Ehescheidungsverfahrens.
h) Schließlich wird, worauf gleichfalls die Motive bereits hingewiesen haben, die Festsetzung einer Entschädigung für den durch das ehewidrige Verhalten und die Scheidung der Ehe entstandenen Schaden immer mehr oder weniger willkürlich sein. Damit wird aber eine außerordentliche Rechtsunsicherheit erzeugt.
6. Der Hinweis Boehmers auf § 893 ZPO ist nicht überzeugend. Denn diese Bestimmung gewährt nicht einen selbständigen Schadensersatzanspruch, sondern stellt nur klar, daß das auf Grund bürgerlich-rechtlicher Vorschriften bestehende Recht, Schadensersatz zu verlangen, von den Zwangsvollstreckungsvorschriften der Zivilprozeßordnung nicht berührt wird (so auch Stein-Jonas-Schönke 18. Aufl Anm I zu § 893).
III. Die vorstehenden Erwägungen, die zu einer Versagung eines auf § 823 BGB gestützten Schadensersatzanspruchs führen, müssen auch gelten, wenn, wie dies hier der Fall ist, mit dem ehewidrigen Verhalten eine gegen die guten Sitten verstoßende vorsätzliche Schadenszufügung behauptet wird. Allerdings hat das Reichsgericht bereits in der SeuffArch 61 Nr 38 die Möglichkeit einer Haftung der Ehefrau aus § 826 BGB bejaht und es hat in seiner Entscheidung RGZ 152, 397ff die Anwendung des § 826 BGB in einem Falle zugelassen, in dem eine Ehefrau einen Ehebruch begangen hatte und aus diesem ein Kind hervorgegangen war, mit dem die Ehefrau und der Ehebrecher als mögliche Folge ihres Verkehrs gerechnet hatten. Rechtsprechung und Schrifttum sind auch weitgehend dieser Auffassung des Reichsgerichts gefolgt (vgl aus neuerer Zeit OLG Neustadt mit Anm von Beitzke ZblJugR 1952, 211; Erman Anm 5 zu § 1353; Königs JR 1954, 206; Fiedler JR 1954, 452).
Dieser Ansicht kann sich aber der erkennende Senat nicht anschließen. Denn auch ihr steht entgegen, daß die familienrechtlichen Bestimmungen die Folgen einer Verletzung der durch die Ehe begründeten Pflichten und der Scheidung einer Ehe abschließend regeln. Es kann vielmehr nur der Auffassung von Gieseke SJZ 1949, 627 und von Boehmer aaO S 194 zugestimmt werden, daß, wenn Schadensersatzansprüche wegen ehewidrigen Verhaltens auf Grund des § 823 BGB wegen der durch familienrechtliche Bestimmungen erfolgten Regelung zu verneinen sind, dies auch für einen Schadensersatzanspruch auf Grund des § 826 BGB gelten muß. Daß Bestimmungen des Familienrechts die Anwendung auch des § 826 BGB ausschließen können, hat der Senat bereits in seiner Entscheidung BGHZ 14, 358ff ausgesprochen.
Davon macht der BGH lediglich in einer ganz extremen Fallgestaltung eine Ausnahme:
Gericht: BGH 4b. Zivilsenat, Datum: 08. 04.1981, Az: IVb ZR 584/80
Leitsatz
Zur Schadensersatzpflicht der Ehefrau, die ihrem Ehemann vor der Eheschließung vorgespiegelt hat, daß nur er als Vater des von ihr erwarteten Kindes in Frage komme.
Fundstelle
BGHZ 80, 235-241 (LT1)
Tatbestand
Die Parteien unterhielten im Jahre 1964 intime Beziehungen zueinander, die sich gegen Ende des Jahres abkühlten, weil sich die Beklagte mit ihrem französischen Sprachlehrer L. angefreundet hatte. Zu Silvester 1964 erklärte die Beklagte dem Kläger, daß sie schwanger sei, wobei sie beteuerte, das Kind könne nur vom Kläger stammen, da es sich bei ihrer Beziehung zu L. nur um eine harmlose Freundschaft gehandelt habe.
Am 10. August 1965 schlossen die Parteien die Ehe miteinander, nachdem die Beklagte auf Verlangen des Klägers eine schriftliche Erklärung mit folgendem Wortlaut unterzeichnet hatte:
Ich ... erkläre hiermit, daß ich einzig und allein mit meinem zukünftigen Mann, Herrn U. N., geschlechtlich verkehrt habe. Somit kann dieser nur als Vater meines Kindes gelten. Eine Vaterschaft Dritter ist daher völlig ausgeschlossen. Im Bewußtsein der rechtlichen Folgen dieser Erklärung gebe ich diese im Besitz meiner geistigen und physischen Kräfte ab.
Am 7. September 1965 brachte die Beklagte eine Tochter zur Welt. Am 29. Februar 1968 wurde die Ehe der Parteien geschieden.
Durch Urteil vom 9. September 1977 wurde auf eine Anfechtungsklage des Klägers rechtskräftig die Nichtehelichkeit der Tochter der Beklagten festgestellt, nachdem ein im Rechtsstreit eingeholtes Blutgruppengutachten ergeben hatte, daß der Kläger nicht der Erzeuger des Kindes sein kann.
Der Kläger nimmt nunmehr die Beklagte auf Erstattung der Unterhaltsleistungen in Anspruch, die er dem Kind für die Zeit ab 1. Oktober 1970 gewährt hat; ferner begehrt er die Erstattung der ihm aus den Unterhaltsprozessen entstandenen Kosten. Er hat behauptet, die Beklagte habe ihn durch die Vorspiegelung, daß nur er als Vater des von ihr erwarteten Kindes in Frage komme, zur Eheschließung bewogen und ihrer Absicht gemäß erreicht, daß er dem Kinde Unterhalt habe leisten müssen.
Die auf Zahlung von insgesamt 31.455,81 DM nebst Zinsen gerichtete Klage ist in den Vorinstanzen erfolglos geblieben. Mit der (zugelassenen) Revision verfolgt der Kläger sein Begehren weiter.
Entscheidungsgründe
Die Revision führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
I.
Das Berufungsgericht hat es dahingestellt gelassen, ob die Beklagte den Kläger - wie von diesem behauptet - durch arglistige Täuschung zur Eheschließung bestimmt und damit ihrer Absicht gemäß erreicht hat, daß der Kläger ihrem Kind Unterhalt leisten mußte. Es hat die Klage auch bei Unterstellung dieses Sachverhalts für unbegründet erachtet und dies wie folgt gerechtfertigt: Das Schuldrecht und insbesondere das Recht der unerlaubten Handlungen greife nicht ein, soweit familienrechtliche Verhältnisse abschließend in den Bestimmungen des Familienrechts geregelt seien. Dies sei bei der Verletzung der durch die Ehe begründeten Pflichten der Fall. Ebenso habe es der Gesetzgeber bei Aufhebung der Ehe für den Zeitraum des Bestehens der Ehe bei deren vermögensrechtlichen Wirkungen bewenden lassen wollen. Nach diesen Grundsätzen seien auch im vorliegenden Fall Ersatzansprüche ausgeschlossen. Das Gesetz trage der rechtskräftigen Feststellung der Nichtehelichkeit des Kindes in § 1615b BGB durch den zu Gunsten des Scheinvaters angeordneten Forderungsübergang Rechnung. Rückgriffsansprüche gegen die Mutter habe der Gesetzgeber nicht vorgesehen. Das müsse auch für den Fall einer arglistigen Täuschung vor der Eheschließung gelten, die in die Ehe hinein fortwirke. Für das Verlöbnis seien die Ersatzpflichten in den §§ 1298, 1299 BGB abschließend geregelt. Die Zulassung von Schadensersatzansprüchen aufgrund der Täuschung würde dazu führen, daß tatsächlich die Ehe als nicht geschlossen anzusehen wäre, was nicht zugelassen werden könne. Im übrigen seien Schadensersatzansprüche aufgrund der behaupteten Täuschung jedenfalls deshalb ausgeschlossen, weil die Ehe nicht wegen arglistiger Täuschung aufgehoben worden sei. Ebenso wie Ansprüche aus unerlaubter Handlung seien auch alle anderen, auf das gleiche Ziel gerichteten Ansprüche ausgeschlossen, etwa solche aus Geschäftsführung ohne Auftrag, ungerechtfertigter Bereicherung oder Verschulden bei Vertragsschluß.
II.
Diese Ausführungen halten der rechtlichen Nachprüfung nicht stand.
1. Zutreffend ist der Ausgangspunkt des Berufungsgerichts, daß im Bereich familienrechtlicher Beziehungen schuldrechtliche Ersatzansprüche, insbesondere Schadensersatzansprüche aus unerlaubter Handlung, durch abschließende Sonderregelungen des Familienrechts ausgeschlossen sein können. So hat der Bundesgerichtshof in ständiger Rechtsprechung - entgegen einer vor allem im Schrifttum bis in die jüngste Zeit vertretenen Auffassung (ua: Beitzke, Familienrecht 21. Aufl § 12 III 3c = S 62f; Gernhuber, Familienrecht 3. Aufl § 17 III 3 = S 165; Jayme, Die Familie im Recht der unerlaubten Handlungen 1971, S 223ff, 268; weitere Nachweise, insbesondere der zahlreichen Beiträge von Boehmer, in BGHZ 57, 229, 231 und bei Palandt/Thomas, BGB 40. Aufl § 823 Anm 6f) - Schadensersatzansprüche aufgrund ehestörenden Verhaltens sowohl gegen den anderen Ehegatten als auch gegen einen an der Ehestörung beteiligten Dritten verneint (BGHZ 23, 215; 23, 279; 26, 217; 57, 229; BGH NJW 1973, 991 = JZ 1973, 668m Anm Löwisch). Ebenso hat der Bundesgerichtshof entschieden, daß im Falle der Aufhebung einer Ehe wegen Irrtums über persönliche Eigenschaften des anderen Ehegatten (§ 32 EheG) der irrende Ehegatte auf die in §§ 29 Satz 2, 37 EheG geregelten Rechtsfolgen verwiesen ist und nicht im Wege eines Schadensersatzanspruchs verlangen kann, so gestellt zu werden, als habe die Ehe nicht bestanden (BGHZ 48, 82).
2. Ein vergleichbarer Fall liegt jedoch hier nicht vor. Der mit der Klage geltend gemachte Schadensersatzanspruch ist nicht durch familienrechtliche Regelungen ausgeschlossen.
a) Die Rechtsgrundsätze über den Ausschluß eines deliktischen Ersatzanspruchs für Schäden, die ihre Ursachen in Ehestörungen haben, betreffen den Klageanspruch nicht. Nach den genannten Grundsätzen kann ein Ehemann nicht aufgrund des Ehebruchs seiner Ehefrau, aus dem ein Kind hervorgegangen ist, von der Ehefrau oder dem am Ehebruch beteiligten Dritten nach dem Recht der unerlaubten Handlungen den Ersatz des Vermögensschadens verlangen, der ihm infolge der Scheinehelichkeit des Kindes entstanden ist (BGHZ 23, 215; 26, 217; 57, 229). Ein solcher Anspruch steht jedoch hier nicht in Frage. Die Beklagte hat das Kind vor der Ehe empfangen. Der Kläger stützt sein Begehren auch nicht darauf, daß sich die Beklagte mit einem anderen Mann eingelassen habe, sondern darauf, daß sie ihm vorgespiegelt habe, nur er könne der Vater des Kindes sein, und ihn dadurch zur Eheschließung bestimmt habe.b) Aufgrund des vom Kläger behaupteten Verhaltens der Beklagten hätte dieser nach § 33 EheG die Aufhebung der Ehe wegen arglistiger Täuschung verlangen können (BGHZ 29, 265, 268; vgl auch BGHZ 5, 186). Durch die Aufhebung wäre die Ehe nicht rückwirkend, sondern nur für die Zukunft aufgelöst worden (§ 29 Satz 2 EheG). Der Bestand der Ehe bis zur Rechtskraft des Aufhebungsurteils und die daraus folgenden vermögensrechtlichen Wirkungen der Ehe wären nach §§ 29 Satz 2, 37 EheG bestehen geblieben; dies gilt nach der Neufassung des § 37 EheG durch das 1. EheRG in gleicher Weise wie nach der früher geltenden Fassung der Vorschrift.
Wenn die mit der Klage geltend gemachte Schadensersatzforderung darauf gerichtet wäre, die Belastung durch eine vermögensrechtliche Wirkung der Ehe in diesem Sinne zu beseitigen, würde sich die Frage stellen, ob einem solchen Begehren die Regelung der §§ 29 Satz 2, 37 EheG entgegenstünde. Der Bundesgerichtshof hat in der bereits genannten Entscheidung BGHZ 48, 82 angenommen, daß derartige Schadensersatzansprüche während des Bestehens der Ehe nicht geltend gemacht werden können und auch nach der Aufhebung der Ehe wegen Irrtums ausgeschlossen sind. Ob im Falle der Aufhebung der Ehe wegen arglistiger Täuschung oder Drohung (§§ 33, 34 EheG) etwas anderes gelten könnte, hat er offen gelassen (BGHZ aaO S 88; für die Zulassung von Deliktsansprüchen insoweit ua: Erman/Ronke, BGB 6. Aufl § 37 EheG RdNr 14; Gernhuber aaO § 14 VIII 5 = S 144). Nicht behandelt ist in der genannten Entscheidung auch der Fall, daß die Ehe wegen arglistiger Täuschung hätte aufgehoben werden können, es jedoch nicht zur Aufhebung gekommen ist, weil die Ehe aus einem anderen Grunde aufgelöst worden ist, bevor der getäuschte Ehegatte die Täuschung entdeckt hatte.
Hier kommt es jedoch auf diese Problematik nicht an. Die familienrechtlichen Vorschriften, nach denen im vorliegenden Fall der Bestand der Ehe bis zu ihrer Auflösung selbst im Falle der Aufhebung wegen arglistiger Täuschung nicht beeinträchtigt worden wäre, stehen dem Klageanspruch schon deshalb nicht entgegen, weil dieser - entgegen der offenbar vom Berufungsgericht vertretenen Auffassung - nicht auf die Beseitigung einer vermögensrechtlichen Wirkung der Ehe im dargelegten Sinne gerichtet ist. Die Eheschließung war zwar ursächlich dafür, daß der Kläger als Scheinvater zunächst mit den Unterhaltszahlungen und Prozeßkosten belastet wurde. Sie hatte jedoch nicht zur Folge, daß das Kind, das nach dem Ergebnis des Anfechtungsprozesses nicht vom Kläger abstammen kann, ehelich wurde (§ 1591 Abs 1 Satz 2 BGB). Die Nichtehelichkeit des Kindes und damit auch die fehlende Unterhaltspflicht des Ehemannes (§§ 1589 Satz 1, 1601 BGB) konnte nach § 1593 BGB allerdings erst geltend gemacht werden, nachdem die Ehelichkeit angefochten und die Nichtehelichkeit rechtskräftig festgestellt worden war. Die Feststellung der Nichtehelichkeit wirkt jedoch in jeder Beziehung zurück, und zwar auch in die Zeit vor Auflösung der Ehe. Nicht der Scheinvater, sondern der Erzeuger und wahre Vater ist und war von Anfang an der Unterhaltspflichtige (BGHZ 57, 229, 235; Senatsurteil vom 8. Oktober 1980 - IVb ZR 535/80 = FamRZ 1981, 30). Die Anfechtung der Ehelichkeit des Kindes ist auch in ihrer Geltendmachung vom Bestand der Ehe unabhängig. Der Kläger mußte die Scheinehelichkeit des Kindes während des Bestandes der Ehe nicht hinnehmen. Wenn er es infolge einer Täuschung über die Abstammungsverhältnisse trotzdem tat, beruht dies nicht auf einer Rechtswirkung der Ehe. Die Bestandskraft der Ehe bis zu ihrer Auflösung kann sich deshalb nicht dahin auswirken, daß ein auf die Täuschung über die Abstammungsverhältnisse gestützter deliktischer Schadensersatzanspruch ausgeschlossen ist.
c) Auch aus sonstigen familienrechtlichen Gesichtspunkten ergibt sich ein solcher Ausschluß nicht. Der Übergang des Unterhaltsanspruchs des Kindes gegen seinen Erzeuger auf den Unterhalt leistenden Scheinvater nach § 1615b Abs 2 BGB schließt deliktische Ansprüche des Scheinvaters gegen Dritte ebensowenig aus wie Bereicherungsansprüche (vgl dazu BGHZ 43, 1, 10; Senatsurteil FamRZ 1981, 30); der Anspruchsübergang ist gegebenenfalls unter dem Gesichtspunkt der Vorteilsausgleichung zu berücksichtigen.
Die vom Berufungsgericht noch herangezogenen §§ 1298, 1299 BGB sind nicht einschlägig. Sie regeln die Ersatzpflicht für den Fall des Rücktritts vom Verlöbnis. Zu diesem Regelungsbereich hat der vorliegende Schadensfall keine Beziehung. Im übrigen ist nicht festgestellt, daß die Parteien im Zeitpunkt der Täuschungshandlung verlobt waren.
III.
Der Sachvortrag des Klägers, dessen Richtigkeit das Berufungsgericht nicht geprüft hat, könnte, wenn er zutrifft, eine Schadensersatzpflicht der Beklagten nach § 823 Abs 2 BGB iVm § 263 StGB und nach § 826 BGB begründen. Dabei kann es dahingestellt bleiben, ob bereits in der Eheschließung eine von der Beklagten durch die Täuschung bewirkte schädigende Einwirkung des Klägers auf seine Vermögenslage gesehen werden könnte (vgl dazu BGHZ 48, 83, 86; RGSt 34, 86; Schönke/Schröder, StGB 20. Aufl § 263 RdNr 160). Eine solche läge jedenfalls darin, daß der Kläger infolge der Täuschung über die Abstammungsverhältnisse unbeschadet der Eheschließung auch davon abgesehen hat, die Ehelichkeit des Kindes anzufechten. Den Ersatzansprüchen steht entgegen einer vom OLG Hamburg (MDR 1970, 507; gleicher Ansicht offenbar auch Engel, Der Rückgriff des Scheinvaters wegen Unterhaltsleistungen 1974, S 99, 102, 115, unter Verweisung auf Dieckmann, JuS 1969, 106 Fn 65) vertretenen Ansicht - auch nicht entgegen, daß der Kläger vor der Anfechtung der Ehelichkeit seine fehlende Unterhaltsverpflichtung nach § 1593 BGB nicht geltend machen konnte. Die schädigende Einwirkung durch die arglistige Täuschung würde gerade darin liegen, daß der Kläger davon abgehalten wurde, von seinem Anfechtungsrecht Gebrauch zu machen.
Es kommt daher darauf an, ob die Behauptungen des Klägers über die Täuschungshandlung der Beklagten, die damit von der Beklagten verbundene Absicht und die dadurch bewirkten Folgen zutreffen. Da diese Prüfung dem Tatrichter vorbehalten ist, muß die Sache unter Aufhebung des angefochtenen Urteils an das Berufungsgericht zurückverwiesen werden.
Die Leitentscheidung, die auch einen Anspruch gegen den Dritten aus § 823 Abs. 1 BGB verneint, lautet in den tragenden Passagen wie folgt:
Gericht: BGH 4. Zivilsenat, Datum: 06. 02.1957, Az: IV ZR 263/56
Leitsatz
Wird eine Ehe wegen ehewidriger Beziehungen eines Ehegatten zu einem Dritten geschieden, so sind Ersatzansprüche auf Grund der BGB § 823, BGB §§ 823ff wegen des Schadens, der dem anderen Ehegatten durch die Scheidung seiner Ehe entsteht, auch gegen den Dritten nicht gegeben.
Fundstelle
BGHZ 23, 279-282 (LT1)
Aus den Entscheidungsgründen
...
1. Die durch die Eingehung einer Ehe begründeten Pflichten sind dem Wesen der Ehe entsprechend persönliche Verpflichtungen der Ehegatten. Ihre Beachtung, insbesondere die Wahrung der Treuepflicht liegt dem Ehegatten persönlich ob. Infolgedessen können diese persönlichen Verpflichtungen gegenüber dem anderen Ehegatten auch nur durch den Ehegatten selbst verletzt werden. Diesen allein können daher grundsätzlich nur die Folgen einer Verletzung treffen.
2. Zwar ist nicht zu verkennen, daß ein ehewidriges Verhalten, insbesondere wenn dieses zu einer Scheidung führt, einen Schaden für den schuldlosen Ehegatten zur Folge haben kann. Das Gesetz will aber, wie in dem oben angeführten Urteil des Senats ausgeführt ist, hierfür einen über die familienrechtlichen Bestimmungen hinausgehenden Ersatz nicht geben. Dies würde jedoch eintreten, wenn das ehewidrige Verhalten als eine unerlaubte Handlung im Sinne der §§ 823ff nach diesen Bestimmungen eine Schadensersatzpflicht auslösen würde. Denn der in Anspruch genommene Dritte würde dann von dem schuldigen Ehegatten als Mittäter bei der unerlaubten Handlung einen Ausgleich gemäß den §§ 840, 426, 254 BGB verlangen können.
3. Eine über einen Verstoß gegen die durch die Ehe begründeten Pflichten hinausgehende unerlaubte Handlung im Sinne der §§ 823ff BGB liegt nicht vor. Denn nach den Feststellungen des Berufungsgerichts haben lediglich ehewidrige Beziehungen zwischen dem Ehemann der Klägerin und der Beklagten bestanden, die Anlaß zur Scheidung der Ehe gegeben haben, und nur durch diese und die damit erfolgte Zerstörung der Ehe soll der Gesundheitsschaden der Klägerin eingetreten sein. Das, was die Klägerin von der Beklagten fordert, ist somit lediglich Schadenersatz wegen der Zerstörung ihrer Ehe infolge ehewidriger Beziehungen und der ihrer Darstellung nach nur dadurch verursachten Gesundheitsschädigung.
Da somit schon aus den dargelegten Gründen der Klägerin ein Schadensersatzanspruch gegen die Beklagte zu versagen war, mußte, ohne daß es einer Entscheidung bedarf, ob und inwieweit die übrigen Angriffe der Revision gerechtfertigt sind, der Schmerzensgeldanspruch abgewiesen werden.
Allerdings können sich gegen den Dritten Ansprüche aus dem Familienrecht geben:
Gericht: BGH 4. Zivilsenat, Datum: 03. 11.1971, Az: IV ZR 86/70
Leitsatz
Der Ehemann der Mutter hat wegen der Kosten, die ihm durch den Ehelichkeitsanfechtungsprozeß entstanden sind, einen sich nach Unterhaltsrecht bestimmenden Ausgleichsanspruch gegen den Erzeuger des Kindes.
Fundstelle
BGHZ 57, 229-237 (LT1)
Aus den Entscheidungsgründen
...
Ob für Aufwendungen oder Schäden, die ihre Ursache in Ehestörungen haben, von dem Störer Ersatz zu leisten ist, ist umstritten. Das gilt insbesondere auch für die Frage, ob der Ehebrecher die Kosten des Verfahrens zu tragen hat, in dem die Ehelichkeit des Kindes angefochten wird. Die Frage hat (entgegen einer Anregung von Beitzke, FamRZ 1959, 45) in dem Gesetz über die rechtliche Stellung der nichtehelichen Kinder vom 19. August 1969 keine Regelung gefunden.
a) Die Rechtsansicht des Berufungsgerichts, daß Ehestörungen eine Schadensersatzpflicht auf der Grundlage des § 823 Abs 1 BGB nach sich ziehen, ist im Schrifttum vor allem von Boehmer in zahlreichen Beiträgen vertreten worden.
Der Bundesgerichtshof ist dem nicht gefolgt. Er hat ebenfalls angenommen, daß die Ehe ein Recht auf Fortbestand oder Ungestörtheit der ehelichen Lebensgemeinschaft gewähre. Doch könnten, wie der Bundesgerichtshof ausgeführt hat, aus einer Störung dieses Bereichs keine Schadensersatzansprüche hergeleitet werden. Die Ehe stehe außerhalb der Rechtsverhältnisse, deren Verletzung allgemeine Ansprüche auf Ersatz von Vermögensschäden auslösen könne. Der Schutzzweck des § 823 Abs 1 BGB erfasse nicht die störenden Eingriffe Dritter in den familienrechtlichen Bereich der Ehe. Es sei auch kaum gerechtfertigt, von den beiden Teilnehmern an einem Ehebruch nur den Dritten, nicht aber den ungetreuen Ehegatten als schadensersatzpflichtig anzusehen. Eine Mithaftung des ungetreuen Ehegatten sei aber mit der abschließenden Regelung der Verletzung ehelicher Pflichten im Ehegesetz und BGB nicht vereinbar. Außerdem bleibe unklar, wie der Umfang der Schadensersatzansprüche begrenzt werden solle (BGH FamRZ 1956, 180 = NJW 1956, 1149; BGHZ 23, 215; 23, 279 und 26, 217).
An dem Rechtsstandpunkt, daß der Bereich der Ehestörungen nicht dem deliktischen Rechtsgüterschutz des § 823 Abs 1 BGB zuzuordnen ist, ist festzuhalten. Eine die Lebens- und Geschlechtsgemeinschaft der Ehegatten beeinträchtigende Ehestörung ist ohne Mitwirkung eines der Ehegatten nicht möglich. Sie stellt damit in wesentlicher Hinsicht einen innerehelichen Vorgang dar. Dieser aber ist in den Schutzzweck der deliktischen Haftungstatbestände nicht einbezogen. Das muß sich auch auf die Beteiligung des Dritten auswirken. Das Verhalten des ungetreuen Ehegatten ist so eng mit dem des Dritten verbunden, daß es nicht angeht, die Ehestörung in eine allein eherechtlich zu beurteilende Verfehlung des ungetreuen Ehegatten und eine Schadensersatzansprüche auslösende unerlaubte Handlung des Dritten aufzuteilen. Das wird besonders deutlich, wenn man bedenkt, daß die eheliche Lebensgemeinschaft nicht nur durch Ehebruch verletzt werden kann, vielmehr jedes geschlechtsbetonte Verhältnis, auch jedes Verhalten, das nur den "bösen Schein" eines solchen Verhältnisses hervorruft, einen für einen Anspruch nach § 823 Abs 1 BGB erheblichen Eingriff in den ehelichen Bereich darstellen kann (Gernhuber, Lehrbuch des Familienrechts 2. Aufl S 141f). Eine Begrenzung der Schadensersatzpflicht nach Tatbestand und Umfang erschiene kaum möglich. Der mehrfach gemachte Vorschlag, Schadensersatz nur für positiv entstandene Nachteile, nicht aber für entgangene Vorteile zu gewähren (vgl insbesondere Eike von Hippel NJW 1965, 664, 667), findet im Schadensersatzrecht (§§ 249ff BGB) keine ausreichende Rechtfertigung. Auch der Vorschlag Gernhubers, zwischen einem dem Deliktsschutzzweck nicht unterliegenden "Bestandsinteresse" der Ehe und einem ihm zuzurechnenden "Abwicklungsinteresse" zu unterscheiden, vermag nicht zu überzeugen, zumal dann im Prozeß wegen Erstattung des Abwicklungsschadens, insbesondere der Kosten des Scheidungsprozesses, in vielen Fällen aufgeklärt werden müßte, ob der in Frage stehende Eingriff in die Ehe eine ehestörende Wirkung gehabt hat, dh es müßte bei gescheiterten Ehen ermittelt werden, woran diese zerbrochen sind, eine Prüfung, die nicht einmal im Scheidungsprozeß immer erforderlich ist und nach der Begründung für die beabsichtigte Einführung des Zerrüttungsprinzips bei der Scheidung gerade vermieden werden soll. Es muß daher dabei bleiben, daß die Auseinandersetzung wegen der in der Ehe begangenen Verfehlungen, auch soweit dritte Personen beteiligt sind, allein dem ehelichen Bereich zu überlassen ist (so auch zutreffend Fikentscher, Schuldrecht 2. Aufl S 650).
b) Soweit die Kosten eines Ehelichkeitsanfechtungsverfahrens in Rede stehen, ist die Haftung des Ehebrechers auch aus der familienrechtlichen Unterhaltspflicht hergeleitet worden in Verbindung mit dem gesetzlichen Forderungsübergang entsprechend § 1709 Abs 2 BGB aF oder § 1615b Abs 1 BGB nF. Dieser Weg ist von Beitzke in mehreren Beiträgen vorgezeichnet worden (JR 1957, 129; FamRZ 1959, 44, 45 und NJW 1966, 2119). Ihm haben sich im wesentlichen Bartholomeyczik (Erman BGB 4. Aufl Anm 5f zu § 1353) und Göppinger (Staudinger BGB 10./11. Aufl Rn 76 zu § 1709) angeschlossen, ebenso auch Schrade (FamRZ 1957, 342, 345) sowie in der Rechtsprechung OLG Köln (FamRZ 1963, 584 = NJW 1963, 2028), OLG Celle (in der Zweitbegründung der bereits genannten Entscheidung FamRZ 1964, 366, 368 Ziff 5) und die Landgerichte Bonn (NJW 1966, 2119), Hannover (NdsRpfl 1967, 180), Bielefeld (FamRZ 1968, 655) und Kassel (FamRZ 1971, 200). Der Bundesgerichtshof hat diese Haftungsgrundlage bisher nur für die Beträge anerkannt, die der Scheinvater dem Kinde als Prozeßkostenvorschüsse gezahlt hat (FamRZ 1964, 558 = NJW 1964, 2151 und FamRZ 1968, 78 = NJW 1968, 446).
Mit dem Beitzke gewiesenen Lösungsweg, der die Erstattungspflicht des Ehebrechers hinsichtlich der Kosten des Anfechtungsverfahrens nicht auf die geleistete Prozeßkostenvorschüsse beschränkt, ist erneut die Frage nach dem Umfang des Unterhalts aufgeworfen. Seitdem das Gleichberechtigungsgesetz mit § 1360a Abs 4 BGB eine Regelung über die Prozeßkostenvorschußpflicht geschaffen hat, ist anerkannt, daß die Zahlung von Prozeßkostenvorschüssen ihren Rechtsgrund in der Unterhaltspflicht hat (vgl statt vieler Palandt/Lauterbach BGB 30. Aufl Anm 3 zu § 1360a und die Entscheidung des erkennenden Senats FamRZ 1971, 360 = NJW 1971, 1262). Das gilt nicht nur für das Verhältnis zwischen Ehegatten, sondern ebenfalls für das Verhältnis zwischen Eltern und Kindern. Der Prozeßkostenvorschuß soll dem Unterhaltsberechtigten, der nicht in der Lage ist, die Kosten eines Rechtsstreits zu tragen, der eine persönliche Angelegenheit betrifft, die Führung dieses Rechtsstreits ermöglichen. Darauf beschränkt sich im allgemeinen, wie man angenommen hat, die Unterhaltspflicht, soweit es um die Kosten von Prozessen des Unterhaltsberechtigten geht. Das könnte jedoch anders zu beurteilen sein, soweit die Ehelichkeitsanfechtung in Frage steht. Die Klärung der Abstammung ist für die Person und die rechtlichen und sozialen Verhältnisse des Kindes von so grundlegender Bedeutung, daß die Frage berechtigt ist, ob die Aufwendungen, die für diese Klärung erforderlich sind, nicht insgesamt zum Lebensbedarf des Kindes im Sinne des § 1610 Abs 2 BGB zu rechnen sind. Die Frage würde zu bejahen sein, wenn unter Lebensbedarf nicht nur dasjenige zu verstehen ist, was zur Aufrechterhaltung der Lebensgrundlage im engeren Sinne notwendig ist, wie insbesondere Ernährung, Kleidung und Wohnung, sondern neben der Ausbildung auch die Wahrung und Klarstellung der Rechtspositionen des Kindes, jedenfalls in ihren wesentlichen Grundlagen. Zu diesen gehören ohne Zweifel die Statusverhältnisse des Kindes. Danach würde es, wie Beitzke ausgeführt hat (FamRZ 1959, 45), Aufgabe des Unterhaltspflichtigen sein, für die Ordnung der Statusverhältnisse des Kindes aufzukommen. Dem stünde nicht entgegen, daß unter Umständen erst der Ehelichkeitsanfechtungsprozeß Aufschluß über die Person des Unterhaltspflichtigen gibt und der Unterhaltsanspruch erst nach rechtskräftiger Feststellung der Nichtehelichkeit des Kindes und Feststellung der Vaterschaft geltend gemacht werden kann (§§ 1593, 1600a Satz 2 BGB). Denn die Feststellung der Nichtehelichkeit wirkt in jeder Beziehung zurück. Nicht der Scheinvater, sondern der Erzeuger und wahre Vater ist und war von Anfang an der Unterhaltspflichtige; er hat den Unterhalt auch für die Vergangenheit und auch für einen Sonderbedarf zu leisten (§§ 1613, 1615d BGB). Nach dieser Auffassung würde der Unterhalt, soweit es um die Ehelichkeitsanfechtung geht, nicht nur die Ermöglichung der Prozeßführung umfassen, sondern die (prozessuale) Klärung der Abstammung insgesamt mit allem, was dazugehört, daher mit allen dafür erforderlichen Kosten. Auf die im Anfechtungsprozeß ergangene Kostenentscheidung käme es für die Ausgleichspflicht des Kindeserzeugers nicht an.
Dieser Betrachtungsweise, die viel für sich hat, steht allerdings entgegen, daß die Ehelichkeitsanfechtung nicht immer im Interesse des Kindes zu liegen braucht. Zumindest für die Fälle, in denen die Ehelichkeitsanfechtung den Interessen des Kindes zuwiderläuft, erscheint es bedenklich, die Klärung der Abstammung durch Ehelichkeitsanfechtung zum Lebensbedarf des Kindes zu rechnen, auch wenn Lebensbedarf in einem weiteren Sinne verstanden wird, als das früher (etwa in den Motiven zum Bürgerlichen Gesetzbuch) geschehen ist. Dennoch erscheint die Auffassung, daß der Erzeuger für die Kosten die Abstammungsklärung aufzukommen hat, zutreffend. Er steht dieser Aufgabe jedenfalls näher als der Scheinvater. Denn er ist neben der Mutter verantwortlich für die Situation der Scheinehelichkeit des Kindes, auf der allein die Verpflichtungen des Scheinvaters beruhen. Zu diesen gehört neben der Pflicht, den Lebensunterhalt des Kindes zu bestreiten, die Aufgabe, sich über die Anfechtung der Ehelichkeit schlüssig zu werden, diese gegebenenfalls zu betreiben und die dafür erforderlichen Kosten aufzuwenden. Daß er und das Kind, die beide an der Notwendigkeit der Ehelichkeitsanfechtung "unschuldig" sind, die Kosten des Verfahrens zu tragen haben (§ 93c ZPO), ist lediglich eine Folge davon, daß die Anfechtung gesetzlich in der Form eines zwischen Ehemann der Mutter und Kind zu führenden Parteienprozesses ausgestaltet ist (§§ 1594ff BGB). Das macht es nicht möglich, die Verfahrenskosten dem für die Notwendigkeit des Prozesses verantwortlichen, an ihm aber nicht beteiligten Erzeuger aufzuerlegen. Es erscheint daher angebracht, eine der Billigkeit entsprechende Lösung ungeachtet dieser prozessualen Kostenregelung in einem materiellrechtlichen Interessenausgleich zu suchen. Dieser ist im Verhältnis zwischen Scheinvater, Kind und Erzeuger bei Abwägung der bestehenden Verantwortlichkeiten darin zu sehen, daß nicht das Kind und der Scheinvater, sondern, wenn nicht unmittelbar nach Unterhaltsrecht, so doch jedenfalls in analoger Anwendung der §§ 1610 Abs 2, 1615b Abs 1 BGB letztlich der wahre Vater die Kosten der Anfechtung zu tragen hat. Hierbei kann es nicht darauf ankommen, ob die Anfechtungsklage vom Kind oder vom Ehemann der Mutter erhoben worden ist, welches die Motive des Ehemannes der Mutter für die Erhebung der Anfechtungsklage gewesen sind und ob die Anfechtung objektiv im Interesse des Kindes liegt, was im übrigen oft nur mit großen Schwierigkeiten und Unsicherheitsfaktoren festzustellen sein würde, weil nicht nur die Verhältnisse während des Anfechtungsstreits, sondern auch diejenigen in Betracht gezogen werden müßten, die das Kind in den kaum übersehbaren künftigen Lebensbereichen erwarten. Demgemäß ist dahin zu entscheiden, daß den Erzeuger des Kindes die Verpflichtung trifft, dem Ehemann der Mutter im Wege einer familien- oder unterhaltsrechtlichen Ausgleichspflicht alle für den Ehelichkeitsanfechtungsprozeß gemachten Aufwendungen zu erstatten. Die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes, die die Erstattungspflicht auf die Prozeßkostenvorschüsse beschränkt hat, wird nicht aufrechterhalten.
Dieser Ausgleichsanspruch erscheint, wie angemerkt werden mag, auch sachgerechter als ein deliktischer Schadensersatzanspruch. Es bedarf zum Unterschied von der Haftung nach § 823 Abs 1 BGB nicht der Prüfung eines Verschuldens des Ehebrechers, das fraglich sein kann, wenn bei der Zeugung des Kindes, wie im vorliegenden Falle, bereits ein Scheidungsurteil ergangen war, dessen Rechtskraft der Ehebrecher irrtümlich angenommen haben könnte, oder wenn der Erzeuger aus anderen Gründen den Familienstand der Mutter nicht kannte. Im Schadensersatzprozeß müßte darüberhinaus, wie bereits erwähnt worden ist, in vielen Fällen erst aufgeklärt werden, ob der Ehebruch noch eine ehestörende Wirkung gehabt hat. Ferner wäre im Deliktsrecht die Mithaftung der Mutter streitig, während sich bei direkter oder analoger Anwendung des Unterhaltsrechts ihre anteilige Haftung aus ihrer eigenen Unterhaltspflicht nach § 1606 Abs 3 BGB ergibt. Andererseits kommt bei Geltendmachung des familienrechtlichen Ausgleichsanspruchs die zum Schutze des Kindes bestehende Regel zum Zuge, daß der Übergang des Anspruchs auf den Ehemann der Mutter nicht zum Nachteile des Kindes geltend gemacht werden kann (§ 1615b Abs 1 Satz 2 BGB).
Somit haben die Vorinstanzen den Anspruch des Klägers im Ergebnis zutreffend dem Grunde nach für gerechtfertigt erklärt. Die Revision war daher zurückzuweisen.
Personenschutz durch Schutzgesetze
Als den Personenschutz gewährleistende Schutzgesetze kommen vor allem die Vorschriften des 10. bis 18. Abschnitts des Strafgesetzbuchs in Betracht. Hier ist in Sonderheit der Schutz der persönlichen Ehre aus den §§ 185 ff. StGB zu nennen. Kein Schutzgesetz i.S. des § 823 Abs. 2 BGB enthält § 323c StGB. Nach einer Entscheidung des OLG Frankfurt (VersR 1989, 1154) geht es nicht an, denjenigen in den Haftungsfolgen dem Täter gleichzustellen, dem lediglich vorgeworfen wird, dem Opfer nicht geholfen zu haben.
Das allgemeine Persönlichkeitsrecht
Das Reichsgericht hat es in ständiger Rechtsprechung abgelehnt, ein APR als sonstiges Recht i.S. des § 823 Abs. 1 BGB anzuerkennen. Erst der BGH hat sich unter dem Eindruck einerseits der Wertentscheidungen des Grundgesetzes und andererseits der gesteigerten Eingriffsmöglichkeiten dazu entschlossen, das APR als in § 823 Abs. 1 BGB geschütztes Recht anzuerkennen. Schon in seiner ersten Entscheidung (Schacht-Leserbrief) hat er hervorgehoben, dass der Schutzumfang im Einzelfall durch Güterabwägung bestimmt werden müsse:
Gericht: BGH 1. Zivilsenat, Datum: 25. 05.1954, Az: I ZR 211/53
Leitsatz
Briefe oder sonstige private Aufzeichnungen dürfen in der Regel nicht ohne Zustimmung des noch lebenden Verfassers und nur in der vom Verfasser gebilligten Weise veröffentlicht werden. Das folgt aus dem in GG Art 1, GG Art 2 verankerten Schutz der Persönlichkeit und gilt daher auch dann, wenn die Aufzeichnungen nicht die individuelle Formprägung aufweisen, die für einen Urheberrechtsschutz erforderlich ist.
Fundstelle
BGHZ 13, 334-341 (LT1)
Zum Sachverhalt (vereinfacht)
Die Beklagte veröffentlichte in ihrer Zeitung einen Artikel, der sich mit dem politischen Wirken des Dr S. während des nationalsozialistischen Regimes und in den Jahren nach dem Krieg auseinandersetzte.Im Auftrage von Dr S. übersandte der Kläger, ein Rechtsanwalt, der Beklagten ein Schreiben. Es enthielt Richtigstellungen von in dem Zeitungsartikel aufgestellten Tatsachenbehauptungen und die Aufforderung, eine Gegendarstellung zu veröffentlichen.
Die Beklagte gab dem Kläger keine Antwort sondern veröffentlichte das Schreiben des Klägers nahezu unverändert unter der Rubrik "Leserbriefe" in Zusammenstellung mit unterschiedlichen Meinungsäußerungen von Lesern zu dem Artikel.
Der Kläger erblickt in dieser Art der Veröffentlichung seiner Aufforderung eine Verletzung seiner Persönlichkeitsrechte. Der Abdruck des durch die Streichung und die Wahl der Überschrift in seinem Inhalt verfälschten anwaltlichen Aufforderungsschreibens unter "Leserbriefe" stelle eine vorsätzliche Irreführung des Publikums dar. Es werde dadurch der unrichtige Eindruck erweckt, es handle sich um bloße Meinungsäußerung eines Lesers zu dem vorangegangenen Artikel über Dr S., wie dies bei den unter der gleichen Rubrik abgedruckten Leserzuschriften der Fall sei. Dem Kläger habe aber eine politische Stellungnahme völlig ferngelegen und er sei nur im Rahmen seines anwaltlichen Auftrags tätig geworden. Ein Anwalt müsse sich darauf verlassen können, daß ein im Namen seines Mandanten gestelltes Berichtigungsverlangen nicht in irreführender Weise der Öffentlichkeit unterbreitet werde.
Der Kläger hat beantragt, die Beklagte zu verurteilen, in ihrer nächsten Ausgabe unter "Leserbriefe" ihre Behauptung vom 6. Juli 1952 zu widerrufen, daß der Kläger einen Leserbrief in Sachen "Dr H. S. & Co" an die Beklagte gesandt habe.
Aus den Entscheidungsgründen:Nachdem nunmehr das Grundgesetz das Recht des Menschen auf Achtung seiner Würde (Art 1 GG) und das Recht auf freie Entfaltung seiner Persönlichkeit auch als privates, von jedermann zu achtendes Recht anerkennt, soweit dieses Recht nicht die Rechte anderer verletzt oder gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstößt (Art 2 GrundG), muß das allgemeine Persönlichkeitsrecht als ein verfassungsmäßig gewährleistetes Grundrecht angesehen werden (vgl Enneccerus-Nipperdey, Allgemeiner Teil 14. Aufl § 78 I 2; Enneccerus-Lehmann, Schuldrecht 14. Aufl §§ 233 2c; Coing SJZ 1947, 642). Es bedarf hier keiner näheren Erörterung, ob und inwieweit der Schutz dieses allgemeinen Persönlichkeitsrechtes, dessen Abgrenzung in besonderem Maße einer Güterabwägung bedarf, im Einzelfall durch berechtigte private oder öffentliche Belange eingeschränkt ist, die gegenüber dem Interesse an der Unantastbarkeit der Eigensphäre der Persönlichkeit überwiegen; denn im Streitfall sind schutzwürdige Belange der Beklagten, aus denen sie eine Berechtigung zu ihrem von dem Kläger beanstandeten Vorgehen herleiten könnte, nicht ersichtlich. Dagegen sind durch die von der Beklagten gewählte Art der Veröffentlichung des Berechtigungsschreibens unter Weglassung wesentlicher Teile dieses Schreibens persönlichkeitsrechtliche Interessen des Klägers verletzt worden.
Jede sprachliche Festlegung eines bestimmten Gedankeninhalts ist, und zwar auch dann, wenn der Festlegungsform eine Urheberschutzfähigkeit nicht zugebilligt werden kann, Ausfluß der Persönlichkeit des Verfassers. Daraus folgt, daß grundsätzlich dem Verfasser allein die Befugnis zusteht, darüber zu entscheiden, ob und in welcher Form seine Aufzeichnungen der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden; denn jeder unter Namensnennung erfolgenden Veröffentlichung von Aufzeichnungen eines noch lebenden Menschen wird von der Allgemeinheit mit Recht eine entsprechende Willensrichtung des Verfassers entnommen. Die Fassung der Aufzeichnungen und die Art ihrer Bekanntgabe unterliegt der Kritik und Wertung der öffentlichen Meinung, die aus diesen Umständen Rückschlüsse auf die Persönlichkeit des Verfassers zieht. Während eine ungenehmigte Veröffentlichung privater Aufzeichnungen - in der Regel einen unzulässigen Eingriff in die jedem Menschen geschützte Geheimsphäre darstellt, verletzt eine veränderte Wiedergabe der Aufzeichnungen die persönlichkeitsrechtliche Eigensphäre des Verfassers deshalb, weil solche vom Verfasser nicht gebilligten Änderungen ein falsches Persönlichkeitsbild vermitteln können. Unzulässig sind im allgemeinen nicht nur vom Verfasser nicht genehmigte Streichungen wesentlicher Teile seiner Aufzeichnungen, sondern auch Zusätze, durch die seine nur für bestimmte Zwecke zur Veröffentlichung freigegebenen Aufzeichnungen eine andere Färbung oder Tendenz erhalten, als er sie durch die von ihm gewählte Fassung und die Art der von ihm erlaubten Veröffentlichung zum Ausdruck gebracht hat. [...]
Im vorliegenden Fall hatte der Kläger eindeutig nur eine Berichtigungsaufforderung, und zwar in seiner Eigenschaft als Anwalt des Dr S., an die Beklagte gerichtet. Damit wurde die Beklagte von dem Kläger nur ermächtigt, entweder das Schreiben in unverkürzter Gestalt oder unter Beschränkung auf die von ihm verlangte Tatsachenberichtigung unter Klarstellung, daß es sich um ein Berichtigungsverlangen handele, zu veröffentlichen. [...]Nicht aber war die Beklagte berechtigt, das Schreiben unter der Rubrik "Leserbriefe" bekanntzugeben, und zwar unter Streichung derjenigen Sätze, aus denen klar ersichtlich war, daß der Kläger nicht etwa seiner persönlichen Meinung zugunsten des Dr S. Ausdruck verleihen, sondern ein presserechtliches Berechtigungsverlangen durchsetzen wollte.
Es ist dem Landgericht beizupflichten, daß diese Art der Veröffentlichung noch dazu unter Einreihung des Berichtigungsschreibens unter fünf weitere Zuschriften zu dem von der Beklagten veröffentlichten Artikel über Dr S. - bei dem unbefangenen Leser den Eindruck hervorrufen mußte, das in Form eines Leserbriefes veröffentlichte Schreiben des Klägers gebe dessen persönliche Stellungnahme zu dem um Dr S. entbrannten Meinungsstreit wieder.
In der Tat handelt es sich bei dem APR um ein Rahmenrecht, das mit den klassischen in § 823 Abs. 1 BGB geschützten Rechten die Ausschlussfunktion und die Unrechtsindikationsfunktion nicht gemeinsam hat. Es ist im Gegenteil erforderlich, dass bei der Rechtsanwendung Schutzzonen konturiert und Verhaltenspflichten normiert werden müssen, die schwierige Interessenabwägungen erforderlich machen.
Das APR hat im Zuge der Rechtsentwicklung dadurch an Konturen gewonnen, dass man verschiedene Schutzzonen differenziert. Es lassen sich vier große Bereiche unterscheiden: das Recht auf Privatheit und Anonymität, das Recht auf Korrektheit der Darstellung einer Person in der Öffentlichkeit, das Recht auf informationelle Selbstbestimmung und das Recht der persönlichen Ehre. An der Entwicklung dieser Rechte und Schutzzonen war neben dem BGH auch das BVerfG maßgeblich beteiligt.
Das Recht auf Privatheit und Anonymität
Im Rahmen des Rechts auf Privatheit und Anonymität ist zunächst ein absoluter Schutz der Intimsphäre gewährleistet. Das Bayerische Oberste Landesgericht definiert die Intimsphäre als den personellen Zustand, in welchem der Mensch frei von allen sozialen Anforderungen sei (NJW 1979, 2624, 2625). Welchen Neigungen ein Mensch in diesem Zustand frönt, geht niemanden etwas an.
Jenseits der Intimsphäre beginnt ein schwieriges Kapitel der Abwägung zwischen der Medienfreiheit und dem Informationsrecht einerseits und dem Recht auf Privatheit andererseits. Grundsätzlich gilt auch hier, dass man Belästigungen in der Privatsphäre abwehren darf, dass man ein Recht am eigenen, nicht veröffentlichten Wort und am privaten Bild hat und nicht dulden muss, dass man unter Namensnennung zum Gegenstand der öffentlichen Berichterstattung gemacht wird. Uneingeschränkt gilt das indessen nur, wenn nicht Angelegenheiten von öffentlichem Interesse berührt sind. Sobald eine Person aus der Sphäre der Privatheit heraustritt, öffentliches Aufsehen erregt und zu einer Person der Zeitgeschichte wird oder gar selbst in den öffentlichen Meinungskampf eingreift, muss das Recht auf Privatheit und Anonymität abgewogen werden gegen das ein demokratisches Gemeinwesen konstituierende Informations- und Diskussionsrecht. Allein die Privatangelegenheiten ohne jeden Berührungspunkt zu einer öffentlichen Angelegenheit sind Angelegenheiten, die der öffentlichen Berichterstattung entzogen sind.
Für das Bestimmungsrecht über das eigene, nicht veröffentlichte Wort ist das in der folgenden Entscheidung des BGH ausgeführt:
Gericht: BGH 6. Zivilsenat, Datum: 20. 05.1958, Az: VI ZR 104/57
Leitsatz
1. Wer ein Gespräch ohne Zustimmung des Gesprächspartners durch Anwendung eines Tonbandes (Tonträgers) festlegt, verletzt in der Regel das durch GG Art 1,2 gewährleistete allgemeine Persönlichkeitsrecht, das die Person in ihrer persönlichkeitsrechtlichen Eigensphäre schützt.
2. Nur in besonderen Ausnahmefällen (Notwehr, Verfolgung überwiegender berechtigter Interessen) kann die Widerrechtlichkeit eines solchen Eingriffs entfallen.3. Angesichts der Bedeutung, die dem Schutz der Eigensphäre der Persönlichkeit zukommt, reicht das private Interesse an einer Beweismittelbeschaffung allein in der Regel nicht aus, eine heimliche Tonaufnahme eines Gesprächs zu rechtfertigen.
Fundstelle
BGHZ 27, 284-291 (LT1-3)
NJW 1958, 1344-1345 (LT1-3)
Für das Recht am privaten Bild sowie das Recht, in der Presse nicht namentlich erwähnt zu werden, mag auf die Heimkehrer-Entscheidung des BGH verwiesen werden:
Gericht: BGH 1. Zivilsenat, Datum: 10. 05.1957, Az: I ZR 234/55
Leitsatz
Auch Personen der Zeitgeschichte im Sinne von KunstUrhG § 23 Abs 1 brauchen es grundsätzlich nicht zu dulden, daß von ihnen innerhalb ihrer privaten Umgebung ohne ihr Wissen und gegen ihren Willen Bildaufnahmen zum Zweck der Veröffentlichung angefertigt werden. Es folgt dies aus dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht, das jede Person gegen alle Verletzungen ihrer Eigensphäre schützt, die nicht durch Interessen höheren Ranges geboten sind. Das Interesse der Allgemeinheit an einer bildhaften Darstellung von Personen der Zeitgeschichte allein reicht nicht aus, derart heimliche, zur Veröffentlichung bestimmte Bildaufnahmen innerhalb des privaten Bereichs des Abgebildeten zu rechtfertigen.
Fundstelle
BGHZ 24, 200-214 (LT1-2)
Eine der bedeutendsten Entscheidungen zum Recht auf Privatheit und Anonymität hat das BVerfG in seinem Lebach-Beschluß gefällt, dessen Leitsätze im folgenden wiedergegeben werden:
Gericht: BVerfG 1. Senat, Datum: 05.06.1973, Az: 1 BvR 536/72
Leitsatz
1. Eine Rundfunk- oder Fernsehanstalt kann sich grundsätzlich für jede Sendung zunächst auf den Schutz des GG Art 5 Abs 1 berufen. Die Rundfunkfreiheit deckt sowohl die Auswahl des dargebotenen Stoffes als auch die Entscheidung über die Art und Weise der Darstellung einschließlich der gewählten Form der Sendung.
Erst wenn die Rundfunkfreiheit mit anderen Rechtsgütern in Konflikt gerät, kann es auf das mit der konkreten Sendung verfolgte Interesse, die Art und Weise der Gestaltung und die erzielte oder voraussehbare Wirkung ankommen.
2. Die Vorschriften des KunstUrhG §§ 22, 23 bieten ausreichenden Raum für eine Interessenabwägung, die der Ausstrahlungswirkung der Rundfunkfreiheit gemäß GG Art 5 Abs 1 S 2 einerseits, des Persönlichkeitsschutzes gemäß GG Art 2 Abs 1 in Verbindung mit GG Art 1 Abs 1 andererseits Rechnung trägt.
Hierbei kann keiner der beiden Verfassungswerte einen grundsätzlichen Vorrang beanspruchen. Im Einzelfall ist die Intensität des Eingriffes in den Persönlichkeitsbereich gegen das Informationsinteresse der Öffentlichkeit abzuwägen.
3. Für die aktuelle Berichterstattung über schwere Straftaten verdient das Informationsinteresse der Öffentlichkeit im allgemeinen den Vorrang vor dem Persönlichkeitsschutz des Straftäters. Jedoch ist neben der Rücksicht auf den unantastbaren innersten Lebensbereich der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu beachten; danach ist eine Namensnennung, Abbildung oder sonstige Identifikation des Täters nicht immer zulässig.
Der verfassungsrechtliche Schutz der Persönlichkeit läßt es jedoch nicht zu, daß das Fernsehen sich über die aktuelle Berichterstattung hinaus etwa in Form eines Dokumentarspiels zeitlich unbeschränkt mit der Person eines Straftäters und seiner Privatsphäre befaßt.
Eine spätere Berichterstattung ist jedenfalls unzulässig, wenn sie geeignet ist, gegenüber der aktuellen Information eine erheblich neue oder zusätzliche Beeinträchtigung des Täters zu bewirken, insbesondere seine Wiedereingliederung in die Gesellschaft (Resozialisierung) zu gefährden. Eine Gefährdung der Resozialisierung ist regelmäßig anzunehmen, wenn eine den Täter identifizierende Sendung über eine schwere Straftat nach seiner Entlassung oder in zeitlicher Nähe zu der bevorstehenden Entlassung ausgestrahlt wird.
Fundstelle
NJW 1973, 1227-1234 (LT1-3)
BVerfGE 35, 202-245 (LT1-3)
Personen der Öffentlichkeit
Schon die vorstehend angeführten Entscheidungen konnten eine Idee davon vermitteln, dass auch solche Personen, die aus dem Kreis der Privatheit herausgetreten sind, für ihren privaten Lebensbereich den Schutz des APR in Anspruch nehmen können. Allerdings ist dieser Schutz unterschiedlich ausgestaltet.
Der Schutz der Person nimmt umso stärker ab, je mehr sie sich selbst am öffentlichen Meinungskampf beteiligt. Geht es gar um eine politische Partei, verstärkt Art. 21 Abs. 1 GG die Vermutung für die Zulässigkeit freier Rede mit der Folge, dass gegen das Äußern einer Meinung nur in äußersten Fällen eingeschritten werden darf (BVerfG, Entscheidung vom 22.6.1982, BVerfGE 61, 1 = NJW 1983, 1415). Auch eine einzelne am öffentlichen Meinungskampf teilnehmende Person muß einiges einstecken können, wie die folgende Entscheidung des BVerfG aus dem Bereich der Kunstkritik zeigt:
Gericht: BVerfG 1. Senat, Datum: 13.05.1980, Az: 1 BvR 103/77
Orientierungssatz
Die Äußerungen von Werturteilen im öffentlichen Meinungskampf fällt auch dann unter den Schutz des Grundrechts der Meinungsfreiheit, wenn sie außerhalb des öffentlichen Meinungskampfes zur Verurteilung wegen Beleidigung und zur Zahlung von Schmerzensgeld führen würde.
Fundstelle
BVerfGE 54, 129-139 (LT1)
Der Schutz der Pressefreiheit tritt hinter dem Schutz des Persönlichkeitsrechts zurück, wenn das öffentlich geäußerte Wort einer Person unrichtig zitiert wird (Böll):
Gericht: BVerfG 1. Senat, Datum: 03.06.1980, Az: 1 BvR 797/78
Leitsatz
2. Das Grundrecht der Meinungsfreiheit (GG Art 5 Abs 1) schützt nicht das unrichtige Zitat.
Von Verfassungs wegen nicht zu beanstanden ist es allerdings, wenn einer Person, der eine Äußerung in der Öffentlichkeit unterstellt wird, die Beweislast dafür auferlegt wird, dass sie diese Äußerung nicht getan habe (Eppler):
Gericht: BVerfG 1. Senat, Datum: 03.06.1980, Az: 1 BvR 185/77
Leitsatz
1. Das durch GG Art 2 Abs 1 iVm Art 1 Abs 1 verfassungsrechtlich gewährleistete allgemeine Persönlichkeitsrecht schützt auch dagegen, daß jemandem Äußerungen in den Mund gelegt werden, die er nicht getan hat und die seinen von ihm selbst definierten sozialen Geltungsanspruch beeinträchtigen.
2. Unter der Voraussetzung einer Mitwirkungspflicht des Beklagten ist es in Fällen dieser Art verfassungsrechtlich nicht geboten, von der allgemeinen Regel des Zivilprozeßrechts abzugehen, daß dem Kläger der Beweis der seinen Anspruch begründenden Umstände obliegt.
Fundstelle
BVerfGE 54, 148-158 (LT1-2)
Rechtsfolgen der Verletzung des APR
Schon die Lektüre der im Vorangegangenen angegebenen Entscheidungen vermittelt einen Eindruck von den Rechtsfolgen, die mit der Verletzung des APR verknüpft sein können. Es geht um Schadensersatz, Beseitigung und Unterlassung. Beseitigungs- und Unterlassungsanspruch sind dem § 1004 BGB als quasi-negatorische Ansprüche nachgebildet. Die Beseitigung richtet sich auf eine noch wirkende Störungsquelle, ist also gegenwartsbezogen, die Unterlassung soll weitere Beeinträchtigungen unterbinden, ist also zukunftsbezogen. Was die Verpflichtung zum Schadensersatz bedeutet, regelt das BGB in den §§ 249 bis 253 BGB. Es geht um die Restitution von Güterlagen und die Kompensation von Vermögensverlusten.
Schadensersatz und Schmerzensgeld
Schaden ist jede nachteilige Veränderung der Güterlage des Betroffenen (Vergleich der realen, jetzt bestehenden Güterlage mit der hypothetischen Güterlage, die bestünde, wenn das zum Ersatz verpflichtende Ereignis nicht eingetreten wäre, § 249 BGB) durch
- Güterabfluss oder Verhinderung von Güterzufluss oder
- Lastenmehrung oder
- Verhinderung von Lastenminderung.
Geschuldet wird Ausgleich durch RESTITUTION (Herstellung der Güterlage)
-
durch Zahlung der Herstellungskosten (§§ 249 Abs. 2, 250 BGB).
Die Restitution wird abgelöst und/oder ergänzt bei
- Unmöglichkeit (§ 251 Abs. 1 BGB)
- Ungenügen (§ 251 Abs. 1 BGB)
- Unzumutbarkeit (§ 251 Abs. 2 BGB).
Dann wird Ausgleich durch KOMPENSATION des Vermögensschadens (§ 253 BGB) in Geld geschuldet für den
Bei diesem System wird im Restitutionsbereich nicht zwischen materiellen und immateriellen Gütern unterschieden. Im Kompensationsbereich kommt es dagegen sehr wohl darauf an, ob ein Gut Vermögenswert hat oder nicht. Vermögenswert hat ein Gut, wenn es für das Gut einen allgemeinen Wertmaßstab wie etwa den Marktpreis gibt! Da Verletzungen des APR Verletzungen eines nicht auf dem Markt gehandelten Gutes sind, geht es um Schadensersatz für den Eingriff in ein immaterielles Gut. Da dieses Gut in § 253 Abs. 2 BGB (früher § 847 BGB) nicht aufgeführt ist, sollte die Ersatzform der Kompensation ausgeschlossen sein (§ 253 Abs. 1 BGB) und nur die Ersatzform der Restitution zur Anwendung kommen. Die Entwicklung ist anders verlaufen.
Der BGH gewährt dem in seinem Persönlichkeitsrecht Verletzten entgegen der Anordnung des Gesetzgebers in § 253 BGB eine billige Entschädigung in Geld auch für den immateriellen Schaden (Schmerzensgeld). In der Paul Dahlke-Entscheidung hatte er diese Möglichkeit noch (beiläufig) verneint:
Gericht: BGH 1. Zivilsenat, Datum: 08. 05.1956, Az: I ZR 62/54
Fundstelle
BGHZ 20, 345-355 (LT1-4)
Aus den Entscheidungsgründen:
Es ist anerkannten Rechts, daß auch die Verletzung von Persönlichkeitsrechten vermögensrechtliche Ersatzansprüche auslösen kann. Ein Schaden freilich, der nicht Vermögensschaden ist, kann nach geltendem Recht nicht zu einem Geldersatzanspruch führen, weil hier keiner der Fälle vorliegt, in denen das Gesetz den Anspruch eigens darauf erstreckt (§ 253 BGB; RG GRUR 1934, 625).
Der Durchbruch kam mit der Herrenreiter-Entscheidung, die als einmaligen Ausrutscher die "Freiheitsberaubung im Geistigen" annahm, um sich an ein in § 847 BGB erwähntes immaterielles Gut anzulehnen:
Gericht: BGH 1. Zivilsenat, Datum: 14. 02.1958, Az: I ZR 151/56
Leitsatz
Nachdem durch GG Art 1, GG Art 2 das Recht zur freien Selbstbestimmung der Persönlichkeit als ein Grundwert der Rechtsordnung anerkannt ist, ist es gerechtfertigt, in analoger Anwendung des BGB § 847 auch dem durch die unbefugte Veröffentlichung seines Bildes Verletzten wegen eines hierdurch hervorgerufenen, nicht vermögensrechtlichen Schadens eine billige Entschädigung in Geld zu gewähren.
Fundstelle
BGHZ 26, 349 (LT1)
Zum Sachverhalt (vereinfacht)
Der Kläger betätigt sich als Herrenreiter auf Turnieren. Die Beklagte ist Herstellerin eines pharmazeutischen Präparats, das nach der Vorstellung weiter Bevölkerungskreise auch der Hebung der sexuellen Potenz dient. Sie hat zur Werbung für dieses Mittel ein Plakat mit der Abbildung eines Turnierreiters verbreitet. Dem Plakat lag ein Originalphoto des Klägers zugrunde, das auf einem Reitturnier aufgenommen worden war. Eine Einwilligung zur Verwendung seines Bildes hatte der Kläger nicht erteilt.
Der Kläger verlangt von der Beklagten Ersatz für den Schaden, der ihm durch die Verbreitung des Werbeplakats entstanden ist.
Aus den Entscheidungsgründen:
Versagt hiernach die Art der Schadensberechnung, die das Berufungsgericht seinen Feststellungen über die Schadenshöhe zugrunde gelegt hat und erweist sich, daß dem Kläger in Wahrheit kein vermögensrechtlicher Schaden entstanden ist, so geht die entscheidende Frage dahin, ob der Kläger Ersatz des immateriellen Schadens verlangen kann, der sich für ihn aus der mit der Abbildung seiner Person auf den Werbeplakaten verbundenen Beeinträchtigung seiner Persönlichkeit ergeben hat. Für den vorliegenden Sachverhalt bejaht der Senat diese Frage.
Bereits in der Entscheidung BGHZ 13, 334, 338 hat der Senat ausgesprochen, daß die durch das Grundgesetz Art 1, 2 geschützte Unantastbarkeit der Menschenwürde und das Recht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit auch als bürgerlichrechtliches, von jedem im Privatrechtsverkehr zu achtendes Recht anzuerkennen ist, soweit dieses Recht nicht die Rechte anderer verletzt oder gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstößt. Diesem sog allgemeinen Persönlichkeitsrecht kommt mithin auch innerhalb der Zivilrechtsordnung Rechtsgeltung zu und es genießt als "sonstiges Recht" den Schutz des § 823 Abs 1 BGB (vgl auch BGHZ 24, 12ff).
Die Art 1 und 2 des Grundgesetzes schützen, und zwar mit bindender Wirkung auch für die Rechtsprechung, das, was man die menschliche Personhaftigkeit nennt; ja sie erkennen in ihr einen der übergesetzlichen Grundwerte der Rechtsordnung an. Sie schützen damit unmittelbar jenen inneren Persönlichkeitsbereich, der grundsätzlich nur der freien und eigenverantwortlichen Selbstbestimmung des Einzelnen untersteht und dessen Verletzung rechtlich dadurch gekennzeichnet ist, daß sie in erster Linie sogenannte immaterielle Schäden, Schäden, die sich in einer Persönlichkeitsminderung ausdrücken, erzeugt. Diesen Bereich zu achten und nicht unbefugt in ihn einzudringen, ist ein rechtliches Gebot, das sich aus dem Grundgesetz selbst ergibt. Ebenso folgt aus dem Grundgesetz die Notwendigkeit, bei Verletzung dieses Bereiches Schutz gegen die der Verletzung wesenseigentümlichen Schäden zu gewähren.
Auf dem begrenzten Gebiet des Bildnisschutzes ist dies von dem Gesetzgeber übrigens bereits lange vor Inkrafttreten des Bonner Grundgesetzes und zu einer Zeit, als man das bürgerlichrechtlich zu schützende allgemeine Persönlichkeitsrecht noch nicht anerkannte, durch die Sonderregelung der §§ 22ff des Kunstschutzgesetzes aus dem Jahre 1907 ausdrücklich festgelegt worden. Denn wenn nach § 22 KunstUrhG Bildnisse nur mit Einwilligung des Abgebildeten verbreitet oder öffentlich zur Schau gestellt werden dürfen, so beruht dieser Schutz im Kern auf dem Grundsatz der Freiheit der Person in ihrem höchstpersönlichen Lebensbereich, zu dem vor allem auch das äußere Erscheinungsbild des Menschen zu rechnen ist. Die unbefugte Veröffentlichung des Bildes eines Menschen stellt, wie in der Rechtslehre seit langem anerkannt ist, einen Eingriff in die Freiheit der Selbstbestimmung und der freien Betätigung der Persönlichkeit dar (Osterrieth, Das Kunstschutzgesetz, § 22 KunstUrhG). Das Unzulässige der eigenmächtigen Bildnisveröffentlichung durch einen Dritten liegt darin, daß damit dem Abgebildeten die Freiheit entzogen wird, auf Grund eigener Entschließung über dieses Gut seiner Individualsphäre zu verfügen.
Würdigt man unter diesem Blickpunkt die die Persönlichkeit beeinträchtigende Verletzung des Rechts am eigenen Bild, so läßt sich in diesem Bereich für die Frage, wie die Zubilligung des Ersatzes auch immaterieller Schäden im einzelnen begründet werden könne, schon an die Regelung anknüpfen, die § 847 BGB für den Fall der "Freiheitsentziehung" trifft und kraft deren er dem Verletzten auch wegen eines nicht vermögensrechtlichen Schadens eine billige Entschädigung in Geld gewährt. Zwar versteht das Bürgerliche Gesetzbuch hier unter Freiheitsentziehung die Entziehung der körperlichen Bewegungsfreiheit sowie die Nötigung zu einer Handlung durch Gewalt oder Bedrohung (BGB-RGRK § 823 Anm 7), während es sich bei dem Tatbestand des § 22 KunstUrhG um eine Freiheitsberaubung im Bereich eigenverantwortlicher Willensentschließung handelt. Bereits vor dem Inkrafttreten des Grundgesetzes ist jedoch schon mehrfach die Ansicht vertreten worden, daß als Freiheitsverletzung im Sinne des § 847 BGB jeder Eingriff in die ungestörte Willensbetätigung anzusehen sei (vgl ua Staudinger, Anm II A 2c zu § 823 BGB). Nachdem nunmehr das Grundgesetz einen umfassenden Schutz der Persönlichkeit garantiert und die Würde des Menschen sowie das Recht zur freien Entfaltung der Persönlichkeit als einen Grundwert der Rechtsordnung anerkannt und damit die Auffassung des ursprünglichen Gesetzgebers des Bürgerlichen Gesetzbuches, es gäbe kein bürgerlichrechtlich zu schützendes allgemeines Persönlichkeitsrecht, berichtigt hat und da ein Schutz der "inneren Freiheit" ohne das Recht auf Ersatz auch immaterieller Schäden weitgehend unwirksam wäre, würde es eine nicht erträgliche Mißachtung dieses Rechts darstellen, wollte man demjenigen, der in der Freiheit der Selbstentschließung über seinen persönlichen Lebensbereich verletzt ist, einen Anspruch auf Ersatz des hierdurch hervorgerufenen immateriellen Schadens versagen. Begründet die schuldhafte Entziehung der körperlichen Freiheit einen Anspruch auf Ersatz des ideellen Schadens, so ist kein sachlicher Grund ersichtlich, der es hindern könnte, die in § 847 BGB getroffene Regelung im Wege der Analogie auch auf solche Eingriffe zu erstrecken, die das Recht der freien Willensbetätigung verletzen, zumal auch bei dieser Freiheitsberaubung "im Geistigen" in gleicher Weise wie bei der körperlichen Freiheitsberaubung in der Regel eine Naturalherstellung ausgeschlossen ist. Bei Beeinträchtigungen der vorliegenden Art, durch die in den natürlichen Herrschafts- und Freiheitsraum des Einzelnen unter schuldhafter Verletzung seines Persönlichkeitsrechtes eingegriffen wird, kann der nach dem Grundgesetz gebotene wirksame Rechtsschutz, solange es an einer gesetzlichen Sonderregelung fehlt, tatsächlich nur durch ihre Einbeziehung in die in § 847 BGB angeführten Verletzungstatbestände erzielt werden, weil ihre Schadensfolgen auf Grund der Natur des angegriffenen Rechtsgutes zwangsläufig in erster Linie auf immateriellem Gebiet liegen.
Die Bestimmung des § 35 KunstUrhG steht dieser Annahme nicht entgegen (wird ausgeführt). [...]
Soweit der Senat im Anschluß an die Rechtsprechung des Reichsgericht in der Dahlke-Entscheidung (BGHZ 20, 345, 352ff) ausgeführt hat, daß ein immaterieller Schaden nicht zu einem Geldersatzanspruch führen könne, wenn kein Fall vorliege, in dem das Gesetz den Anspruch eigens darauf erstrecke, wird dies nach Maßgabe der vorstehenden Erörterungen nicht aufrechterhalten. Dieser Ausspruch hatte im übrigen für die damalige Entscheidung keine tragende Bedeutung, da bei dem dort zu entscheidenden Tatbestand ein Vermögensschaden in Frage stand, der auf der Grundlage der üblichen Lizenzgebühr berechnet werden konnte.
III. Die Höhe der an den Kläger als Schadensersatz zu zahlenden Vergütung hat das Berufungsgericht auf 10.000 DM geschätzt. Wenngleich es bei dieser Schätzung von der Möglichkeit einer Schadensberechnung nach der angemessenen Vergütung ausgegangen ist, die im Falle eines Vertragsabschlusses zu den üblichen Bedingungen zu zahlen gewesen wäre, treffen die vom Berufungsgericht insoweit angestellten Erwägungen in vollem Umfange auch auf die bei der Bemessung der Höhe einer billigen Geldentschädigung (§ 847 BGB) zu berücksichtigenden Umstände zu. Sie zeigen darüber hinaus, daß auch das Berufungsgericht in Wahrheit dem Kläger eine Entschädigung für den ihm entstandenen immateriellen Schaden zugesprochen hat.
Wie der Große Zivilsenat in seinem Beschluß vom 6. Juli 1955 (BGHZ 18, 149) ausgeführt hat, kommt dem Anspruch auf "Schmerzensgeld" die Funktion zu, dem Geschädigten einen angemessenen Ausgleich für diejenigen Schäden, diejenige Lebens- (oder Persönlichkeits-) Minderung zu bieten, die nicht vermögensrechtlicher Art sind. Zugleich trägt er aber auch dem Gedanken Rechnung, daß der Schädiger dem Geschädigten Genugtuung für das schuldet, was er ihm angetan hat. In dem Beschluß wird betont, daß gerade der Genugtuungsfunktion, die aus der Regelung der Entschädigung für immateriellen Schaden gar nicht wegzudenken sei, ihre besondere Bedeutung zukomme, im übrigen aber bei der Festsetzung der Entschädigung grundsätzlich alle in Betracht kommenden Umstände des Falles berücksichtigt werden dürften. Dieser Ansicht schließt sich der erkennende Senat auch für den vorliegenden Fall an. Geht man hiervon aus, so ergibt sich, daß das Berufungsgericht alle insoweit maßgebenden Umstände für die Bemessung der Schadenshöhe rechtsfehlerfrei berücksichtigt hat. Das Berufungsgericht hat insbesondere ausgeführt, schon die Tatsache, daß der Kläger überhaupt nicht bereit gewesen sei, an irgend einer Reklame mitzuwirken, müsse sich auf die Höhe der zu zahlenden Entschädigung maßgeblich auswirken. Als besonders schwerwiegend hat es angesehen, daß es sich um eine Werbung für ein als Sexualkräftigungsmittel geltendes Präparat gehandelt habe, bei dem ein Vergleich mit der Werbung für andere Erzeugnisse gar nicht möglich sei. Mit Recht hat das Berufungsgericht hervorgehoben, es sei unwahrscheinlich, daß Personen, die Gefahr liefern, für dieses Mittel auf einem Werbeplakat von einem größeren oder kleineren Personenkreis erkannt zu werden, ihr Bild für diese Reklame zur Verfügung stellen würden, da sie sich dann den Anspielungen aussetzten, zu denen das Präparat der Beklagten Anlaß gebe. Das Berufungsgericht hat darüberhinaus auch die gesellschaftliche Stellung des Klägers in Betracht gezogen und seine guten wirtschaftlichen Verhältnisse berücksichtigt. Auch hat es darauf verwiesen, daß sich der Kläger in einer Gesellschaftsschicht bewege, deren Mitglieder überwiegend miteinander bekannt seien und daher die Gefahr, sich lächerlich zu machen, besonders groß sei. Wenn das Berufungsgericht unter Berücksichtigung und Würdigung aller dieser für die Höhe eines Schmerzensgeldes maßgeblichen besonderen Umstände den von ihm geschätzten Schadensbetrag von 10.000 DM als angemessene Entschädigung (§ 287 ZPO) angesehen hat, so ist hierin ein Verstoß gegen Rechtsregeln nicht zu erkennen.
Die Schmerzensgeldrechtsprechung wird in der Catharina Valente-Entscheidung fortgeführt und erhält ihr bis heute gültiges Gepräge mit dem Ginseng-Fall:
Gericht: BGH 6. Zivilsenat, Datum: 19. 09.1961, Az: VI ZR 259/60
Leitsatz
Der durch eine rechtswidrige und schuldhafte Verletzung seines Persönlichkeitsrechts Betroffene kann Ersatz des immateriellen Schadens beanspruchen, wenn die Umstände, insbesondere die Schwere der Verletzung oder des Verschuldens, eine solche Genugtuung erfordern.
Fundstelle
BGHZ 35, 363-370 (LT1)
Zum Sachverhalt (vereinfacht):
Der Kläger ist Professor für Völker- und Kirchenrecht. Von einem Aufenthalt in Korea hat er einige Ginseng-Wurzeln mitgebracht, die er dem ihm befreundeten Professor H. in J., einem Pharmakologen, für Forschungszwecke zur Verfügung stellte. Dieser erwähnte in einem wissenschaftlichen Aufsatz über Ginseng-Wurzeln die Tatsache, daß er "durch die liebenswürdige Unterstützung" des Klägers in den Besitz echter koreanischer Ginseng-Wurzeln gekommen sei. Dies führte dazu, daß der Kläger in einem populärwissenschaftlichen Aufsatz "Wunderwurzel neu entdeckt", der im Jahre 1957 in der Zeitschrift "H. und W." erschien, neben Professor H. und anderen Wissenschaftlern als einer der bekanntesten Ginseng-Forscher Europas bezeichnet wurde.
Die Beklagte vertreibt ein Kräftigungsmittel, das Ginseng enthält. In ihrem Werbeprospekt für dieses Mittel wird der Kläger in folgendem Zusammenhang erwähnt:
"Aber auch die westliche Wissenschaft erkennt den hohen Wert dieser kostbaren Droge an. Nach Ansicht bedeutender Wissenschaftler wie Professor H. (J.), Professor B. ( ... Name des Klägers) wirkt Ginseng als reines Naturprodukt auf den gesunden Organismus erneuernd (ohne jedoch aufzuputschen), kreislauffördernd, aufbauend bei Drüsen- und Potenzschwäche und körperlich-seelischer Zerschlagenheit, also insbesondere bei Zuständen, die mit dem Zentralnervensystem zusammenhängen".
Fast wörtlich gleichlautend finden sich diese Angaben ferner im Februar-Heft 1958 der Zeitschrift "M." in einer redaktionellen Notiz, die in unmittelbarem räumlichem Zusammenhang mit einer Werbeanzeige der Beklagten abgedruckt ist.
In der Zeitschrift "M." heißt es:
"Als Heilpflanze ist Ginseng in ganz Asien bekannt. Besonders schätzt man sie als Kräftigungsmittel. Sie ist Hauptbestandteil der asiatischen Liebestränke und soll von den Frauen allabendlich genommen werden ...".
Der Kläger hat in der Anspielung auf seine Person einen unbefugten Eingriff in sein Persönlichkeitsrecht erblickt. Die Werbung erwecke, so führt er aus, den Eindruck, als habe er sich auf einem fremden Fachgebiet ein Urteil in einer umstrittenen Frage angemaßt oder als habe er entgeltlich und standeswidrig seinen Namen der Werbung für ein zweifelhaftes Produkt zur Verfügung gestellt. Gerade im Zusammenhang mit der von der Werbung in Anspruch genommenen Wirkung des Präparats als sexuelles Kräftigungsmittel führe die Berufung auf seine wissenschaftliche Autorität dazu, daß er in seinem Ruf als Gelehrter Einbuße erleide und in der Öffentlichkeit, vor allem bei den Studenten, lächerlich gemacht werde. Der Kläger hat unter Berufung auf die in dem Urteil BGHZ 26, 349 (Herrenreiter) aufgestellten Rechtsgrundsätze einen Betrag von 10.000 DM als Genugtuung für die erlittene Kränkung gefordert.
Das Landgericht hat dem Kläger ein Schmerzensgeld von 8.000 DM zugebilligt. Die Berufung und die Revision der Beklagten blieben ohne Erfolg.
Aus den Entscheidungsgründen:
2. Der Senat stimmt dem Berufungsgericht auch darin zu, daß der Kläger einen Anspruch auf Ersatz des immateriellen Schadens hat. Der Fall liegt in seinen grundsätzlichen Zügen sehr ähnlich wie die vom Bundesgerichtshof entschiedenen Fälle BGHZ 26, 349 (Herrenreiter) und 30, 7. In beiden Fällen wurde durch die Art der Werbung für ein Produkt in die geschützte Persönlichkeitssphäre von Personen eingegriffen, die mit einer Schadensersatzklage einen Ausgleich für die rechtswidrige Beeinträchtigung verlangten. Dabei ergab sich, daß die Voraussetzungen für Ersatz materieller Einbußen nicht vorlagen oder doch nicht dargetan waren. Kommt nach den Umständen eine Gestattung der Benutzung eines Namens oder eines Bildes für Werbezwecke nicht in Betracht, so ist es im besonderen nicht möglich, nach den Grundsätzen des sogenannten Eingriffserwerbs einen materiellen Schadensersatz entsprechend einer angemessenen Lizenzgebühr zu bemessen. Der I. Zivilsenat hat dem Kläger in dem von ihm entschiedenen Fall BGHZ 26, 349 ein Schmerzensgeld zugebilligt und eben in dem sogenannten "immateriellen Schadensersatz" mit seiner Genugtuungsfunktion den adäquaten Ausgleich erblickt, den die Rechtsordnung dem in seinem Persönlichkeitsrecht beeinträchtigten Kläger zu gewähren hat. Aus der Entscheidung des IV. Zivilsenats BGHZ 30, 7 muß entnommen werden, daß der IV. Zivilsenat dem Standpunkt des I. Zivilsenats wenigstens nicht entgegentreten will.
Der erkennende Senat stimmt dem I. Zivilsenat darin zu, daß bei schuldhafter Verletzung des Persönlichkeitsrechts dem Betroffenen eine Genugtuung zugebilligt werden kann. Zwar besagt § 253 BGB, daß Geldentschädigung für ideellen Schaden nur in den durch das Gesetz ausdrücklich bestimmten Fällen gefordert werden kann. Als das Bürgerliche Gesetzbuch dieses Enumerationsprinzip aufstellte, hatte der hohe Wert des Rechtsschutzes der menschlichen Persönlichkeit und ihrer Eigensphäre noch nicht die Anerkennung der Rechtsordnung erfahren, die ihm nach Art 1 und Art 2 Abs 1 des Grundgesetzes zukommt. Vom Standpunkt des Bürgerlichen Gesetzbuches stand der Schutz der Sachgüter durchaus im Vordergrund, während der Personenwert des Menschen nur auf Teilgebieten und unzureichend geschützt war. Indem die Rechtsprechung ein allgemeines Persönlichkeitsrecht des Menschen anerkannte und ihm den Schutz des § 823 Abs 1 BGB zubilligte, zog sie für das Zivilrecht die Folgerungen, die sich aus dem Rang ergeben, die das Grundgesetz der Würde der menschlichen Persönlichkeit und dem Schutz ihrer freien Entfaltung beimißt. Die unter dem Einfluß der Wertentscheidung des Grundgesetzes erfolgte Ausbildung des zivilrechtlichen Persönlichkeitsschutzes wäre aber lückenhaft und unzureichend, wenn eine Verletzung des Persönlichkeitsrechts keine der ideellen Beeinträchtigung adäquate Sanktion auslösen würde. Ebenso wie sich die Beschränkung des deliktsrechtlichen Schutzes auf bestimmte einzelne Rechtsgüter des Menschen als zu eng erwies, und den vom Grundgesetz geforderten Persönlichkeitsschutz zu gewährleisten, wird eine Einengung des ideellen Schadensersatzes dahin, daß er nur bei Verletzung einzeln aufgeführter Rechtsgüter zugebilligt wird, dem Wertsystem des Grundgesetzes nicht mehr gerecht. Denn dieses erklärt es in Art 1 als vordringliche Verpflichtung der stattlichen Gewalt, die unantastbare Würde des Menschen zu schützen. In Art 2 Abs 1 stellt es das Recht des Menschen auf freie Entfaltung seiner Persönlichkeit an die Spitze der Grundrechte. Würde der Deliktschutz des Persönlichkeitsrechts im geistigen Bereich hinter den Schutz der in Art 2 Abs 2 GG genannten besonderen Persönlichkeitsgüter völlig zurücktreten, die Ausfluß des Persönlichkeitsrechts sind, so hätte das Zivilrecht die Wertentscheidung des Grundgesetzes unbeachtet gelassen. Die Ausschaltung des immateriellen Schadensersatzes im Persönlichkeitsschutz würde bedeuten, daß Verletzungen der Würde und Ehre des Menschen ohne eine Sanktion der Zivilrechtsordnung blieben, in der zum Ausdruck kommt, daß wesentliche Werte gestört sind und daß der Verletzer dem Betroffenen für das ihm angetane Unrecht eine Genugtuung schuldet. Die Rechtsordnung würde dann auf das wirksamste und oft einzige Mittel verzichten, das geeignet ist, die Respektierung des Personenwertes des einzelnen zu sichern.
3. Damit ist nicht gesagt, daß die Rechtsfolgen bei Verletzung von Körper, Gesundheit und Freiheit einerseits und der ideellen Persönlichkeitssphäre andererseits genau die gleichen sein müssen, oder daß sie sich zum mindesten weitgehend zu entsprechen haben. Ein Anlaß zur Differenzierung liegt schon deshalb nahe, weil der Tatbestand der Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts weit unbestimmter ist als der Tatbestand der Verletzung des Körpers, der Gesundheit und der Freiheit. Das bedeutet, daß häufiger Grenzfälle auftreten, bei denen zu prüfen ist, ob sie von der generalklauselartigen Umschreibung der Beeinträchtigung der Persönlichkeit umfaßt werden und ob, wenn das zutrifft, die Rechtswidrigkeit nicht wegen kollidierender Rechte des Eingreifenden ausgeschlossen ist, unter denen das Recht auf freie Meinungsäußerung besondere Beachtung verdient. Gerade wenn eine sogenannte Güter- und Interessenabwägung stattfinden muß, ist die Grenze des Erlaubten nicht immer leicht festzustellen. Müßte bei jeder, auch geringfügigen Überschreitung der Grenze auf Verlangen des Betroffenen immaterieller Schadensersatz wegen Verletzung des Persönlichkeitsrechts zugebilligt werden, dann bestände allerdings die Gefahr, daß unbedeutende Beeinträchtigungen in unangemessener Weise ausgenutzt werden, um daran zu verdienen. Alsdann wäre der Zweck verfehlt, der mit der Zubilligung einer Genugtuung erreicht werden soll. Es muß ferner beachtet werden, daß sich Verletzungen des Persönlichkeitsrechts im geistigen Bereich noch schwerer am allgemeinen Wertmesser des Geldes abschätzen lassen als die Folgen körperlicher Beeinträchtigungen. Bei Verletzungen des allgemeinen Persönlichkeitsrechts rückt die Genugtuungsfunktion des Schmerzensgeldes gegenüber der Entschädigungsfunktion durchaus in den Vordergrund (Larenz, NJW 1958, 828). Daher wird stets zu prüfen sein, ob es nach der Art der Verletzung des Persönlichkeitsrechts erforderlich ist, dem Betroffenen, dessen Einbuße auf andere Art nicht auszugleichen ist, eine Genugtuung für die erlittene Unbill zuzusprechen. Das wird im allgemeinen nur dann der Fall sein, wenn den Schädiger der Vorwurf einer schweren Schuld trifft oder wenn es sich um eine objektiv erheblich ins Gewicht fallende Beeinträchtigung des Persönlichkeitsrechts handelt. Nur bei solch ernsten Störungen darf die Zivilrechtsordnung, die es mit dem Schutz der Persönlichkeit und ihres Eigenwerts ernst nimmt, nicht darauf verzichten, auf die Verletzung mit der Zubilligung einer Genugtuung an den Betroffenen zu reagieren. Unbedeutende Beeinträchtigungen erfordern eine Genugtuung nicht. Von einer der Eigenart der Persönlichkeitsverletzung angemessenen Beschränkung des immateriellen Schadensersatzes auf schwere Fälle geht auch das Schweizer Recht aus, das dem Rechtsschutz der Persönlichkeit größere Aufmerksamkeit gewidmet hat als das Bürgerliche Gesetzbuch (vgl Art 49 Abs 1 des Schweizerischen Obligationsrechts).
4. Die Voraussetzungen für die Zubilligung immateriellen Schadensersatzes werden im besonderen dann gegeben sein, wenn - wie in dem vorliegenden Falle in das Persönlichkeitsrecht eines anderen leichtfertig aus dem materiellen Grund eingegriffen wird, die eigene kommerzielle Werbung zugkräftiger zu gestalten. Solchem unlauteren Gewinnstreben kann wirksam nur entgegengetreten werden, wenn es mit dem Risiko eines fühlbaren materiellen Verlustes belastet wird, und andererseits darf der, der mittels unlauteren Eingriffs in eine fremde Persönlichkeitssphäre Geld zu verdienen sucht, sich nicht beschwert fühlen, wenn er zu einem Ausgleich in Geld herangezogen wird. Für den Kläger war die zugefügte Kränkung - gerade im Zusammenhang mit der Anpreisung des Mittels für spezifische Zwecke - keineswegs unbedeutend, zumal die Gefahr nahelag, daß Leser annahmen, der Kläger habe seinen Namen gegen Entgelt zur Verfügung gestellt. Die Zubilligung einer Geldentschädigung als Genugtuung war sowohl nach der Schwere des Eingriffs wie nach der Schwere der Schuld gerechtfertigt.
Mit dem Soraya-Fall wird die Schmerzensgeldrechtsprechung zur Überprüfung durch das Bundesverfassungsgericht gestellt. Das BVerfG hält die Rechtsprechung für mit dem Grundgesetz vereinbar (Entscheidung vom14.2.1973, BVerfGE 34, 269 = NJW 1973, 1221). Diese Entscheidung ist unhaltbar. Es wäre Aufgabe des Gesetzgebers gewesen, darüber zu befinden, ob Persönlichkeitsrechtsverletzungen mit einem Schmerzensgeldanspruch sanktioniert werden sollten oder nicht. Heute darf man allerdings von einer das Bürgerliche Gesetzbuch verändernden und ergänzenden gewohnheitsrechtlichen Anerkennung der Schmerzensgeldsanktion in den Fällen des schweren Verschuldens und schwerwiegender Eingriffe in das Persönlichkeitsrecht ausgehen.
Die Verpflichtung zum Widerruf
Vor die Verpflichtung zum Widerruf hat die Rechtsprechung hohe Hürden gestellt. An sich kommt ein Widerruf sowohl als Schadensersatzmaßnahme im Restitutionsbereich wie auch als Beseitigungsmaßnahme nach § 1004 BGB analog in Betracht. Der Bundesgerichtshof sieht aber durch den Zwang zum Widerruf die Meinungsäußerungsfreiheit bedroht und prüft deshalb Eignung, Erforderlichkeit und Zumutbarkeit dieser Maßnahme besonders argwöhnisch.
Bei Äußerungen unter vier Augen scheitert der Widerruf schon an der Eignung, das angekratzte Persönlichkeitsbild des Klägers (in der Öffentlichkeit) zu korrigieren:
Gericht: BGH 6. Zivilsenat, Datum: 17. 06.1953, Az: VI ZR 51/52
Leitsatz
Ein Anspruch auf Widerruf beleidigender Äußerungen, die nur dem Verletzten gegenüber gemacht worden sind, ist nicht gegeben.
Fundstelle
BGHZ 10, 104-107 (LT1)
Wird der Kreis größer, ändert sich die Situation:
Gericht: BGH 6. Zivilsenat, Datum: 20. 12.1983, Az: VI ZR 94/82
Leitsatz
1. Ehrverletzenden unwahren Behauptungen kann der Betroffene mit der Widerrufsklage grundsätzlich auch dann begegnen, wenn sie im "kleinen Kreis" aufgestellt worden sind. Dem Verlangen, die Behauptungen gegenüber den Teilnehmern des "kleinen Kreises" zu widerrufen, steht nicht schon entgegen, daß diese selbst als Störer in Betracht kommen, weil sie sich die Behauptungen des Widerrufsbeklagten zu eigen gemacht haben.
Fundstelle
NJW 1984, 1104-1105 (LT1-2)
ZIP 1984, 443-446 (LT1-2)
Nur Tatsachenbehauptungen und nicht auch Werturteile können Gegenstand einer Widerrufsverpflichtung sein. Darüber hinaus muss die Unwahrheit der Tatsachenbehauptung feststehen:
Gericht: BGH 6. Zivilsenat, Datum: 05. 06.1962, Az: VI ZR 236/61
Leitsatz
Die Verurteilung zum Widerruf einer ehrkränkenden Behauptung setzt voraus, daß die Unwahrheit der zu widerrufenden Behauptung feststeht.
Fundstelle
BGHZ 37, 187-192 (LT1)
Danach kann man wegen einer beleidigenden Äußerung, die nicht erweislich wahr ist, zwar bestraft werden (§ 186 StGB); vor der Verpflichtung zum Widerruf der nicht erweislich wahren Behauptung schützt dagegen (angeblich) das Grundrecht der Meinungsäußerungsfreiheit: eine doch recht seltsame Vorstellung, an der der Bundesgerichtshof aber trotz der Kritik im Schrifttum selbst für den nur eingeschränkten Widerruf (Einräumung der Nichterweislichkeit) festhält:
Gericht: BGH 6. Zivilsenat, Datum: 14. 06.1977, Az: VI ZR 111/75
Leitsatz
Solange der Kläger ernsthafte Anhaltspunkte für die Wahrheit einer ehrenrührigen Behauptung nicht ausgeräumt hat, kann er nicht deren Widerruf verlangen; auch nicht in der eingeschränkten Form, der Beklagte "könne sie nicht aufrechterhalten, weil er sie nicht beweisen könne" (Ergänzung zu BGHZ 37, 187, 190; 65, 325, 337).
Fundstelle
BGHZ 69, 181-185 (LT)
Anfang und Ende des deliktischen Schutzes einer Person
Unzweifelhaft ist der deliktische Schutz einer Person in dem Zeitraum von der Geburt bis zum Tode. Vor der Geburt und nach den Tod können allerdings Begründungsprobleme auftauchen. Diese halten sich noch in Grenzen, soweit es um pränatale Schädigungen eines nasciturus geht. Hier gibt schon das Gesetz in § 844 Abs. 2 Satz 2 BGB zuerkennen, dass es auch an den Schutz eines noch nicht geborenen, aber schon gezeugten Menschen denkt. Das ist auch außerhalb des Anwendungsbereichs des § 844 Abs. 2 BGB anerkannt, wie sich der Entscheidung des BGH vom 5.2.1985 entnehmen lässt, die im Zusammenhang mit den Schockschäden als Fall einer mehrfach psychisch vermittelten Kausalität wiedergegeben ist.
Schwieriger gestaltet sich der Bereich solcher Schädigungen, deren Handlungen oder Versäumnisse in einem Zeitraum liegen, zu dem der Geschädigte noch nicht einmal gezeugt war. Das Problem gewinnt mit Blick auf mit der Immunschwäche AIDS infizierte Neugeborene an tragischer Aktualität. Es ist vom BGH aber schon in den 50iger Jahren zugunsten eines präkonzeptiven Schutzes Neugeborener entschieden worden:
Gericht: BGH 2. Zivilsenat, Datum: 20. 12.1952, Az: II ZR 141/51
Leitsatz
Wird eine Ehefrau als Patientin in einem Krankenhaus durch Verschulden eines der gesetzlichen Vertreter des Krankenhauses mit Lues angesteckt und empfängt die Ehefrau später ein Kind, das infolge der Infektion der Mutter mit angeborener Lues zur Welt kommt, so stehen dem Kinde Schadensersatzansprüche aus BGB § 823 Abs 1 gegen das Krankenhaus zu.
Fundstelle
BGHZ 8, 243-249 (LT1)
Jenseits der haftungsrechtlichen Erfassungsmöglichkeiten des gegebenen Rechts liegen dagegen die Fälle der mit schwersten Behinderungen geborenen Kinder, bei denen die Alternative nicht heißt Geboren-Werden ohne Schädigung, sondern Verhinderung der Geburt durch Abtreibung. Für diese unter dem Stichwort "wrongful life" diskutierten Fälle hat sich der BGH mit Recht außerstande gesehen, dem mit Schäden geborenen Kind einen Schadensersatzanspruch zuzusprechen. Der Vergleich mit der Alternative, gar nicht zu leben, führt einfach nicht zu kommensurablen Größen.
Der Personenschutz nach dem Tod kann eigentlich nur ein Schutz des Persönlichkeitsbildes sein. Der BGH hat sich zu einem solchen postmortalen Persönlichkeitsschutz in der Mephisto-Entscheidung selbst gegenüber der Kunstfreiheit bereitgefunden.
Auch auf eine Verfassungsbeschwerde hin ist es bei dieser Entscheidung geblieben, weil es beim BVerfG zu einem Stimmenpatt gekommen ist, bei dem die angegriffene Entscheidung bestehen bleibt. Ich beschränke mich auf die Wiedergabe der Leitsätze der in allen Voten außerordentlich lesenswerten Entscheidung:
Gericht: BVerfG 1. Senat, Datum: 24.02.1971, Az: 1 BvR 435/68
Leitsatz
GG Art 5 Abs 3 S 1 ist eine das Verhältnis des Bereiches Kunst zum Staat regelnde wertentscheidende Grundsatznorm. Sie gewährt zugleich ein individuelles Freiheitsrecht.
Die Kunstfreiheitsgarantie betrifft nicht nur die künstlerische Betätigung, sondern auch die Darbietung und Verbreitung des Kunstwerks.
Auf das Recht der Kunstfreiheit kann sich auch ein Buchverleger berufen.
Für die Kunstfreiheit gelten weder die Schranken des GG Art 5 Abs 2 noch die des GG Art 2 Abs 1 Halbs 2.
Ein Konflikt zwischen der Kunstfreiheitsgarantie und dem verfassungsrechtlich geschützten Persönlichkeitsbereich ist nach Maßgabe der grundgesetzlichen Wertordnung zu lösen; hierbei ist insbesondere die in GG Art 1 Abs 1 garantierte Würde des Menschen zu beachten.
Fundstelle
BVerfGE 30, 173 (LT1)