Schädigungen im gewerblichen Verkehr

Der Fleetfall und die Kabelfälle haben uns schon einen Eindruck davon vermittelt, dass der Vermögensschutz besonders bei Schädigungen im gewerblichen Verkehr angesprochen ist. Die Vermögensschäden auslösenden Verhaltensweisen lassen sich in zwei große Kategorien einteilen: Handeln in wettbewerblicher und Handeln in nichtwettbewerblicher Absicht. Das Handeln in wettbewerblicher Absicht meint in Sonderheit das Handeln der Konkurrenten im Wettstreit um die Gunst des Kunden. Hier liegt es in einer Wettbewerbsgesellschaft auf der Hand, dass das Verhalten der Konkurrenten gerade darauf abzielen muss, die Kundennachfrage auf sich zu ziehen und damit zugleich bei insgesamt beschränkten Haushaltsmitteln Umsatz und Gewinnmöglichkeiten der Konkurrenz zu schmälern. Dagegen von Rechts wegen vorgehen zu wollen, rüttelte an die Grundfesten unserer Sozial- und Gesellschaftsordnung. Es liegt deshalb nahe, das Handeln zu Wettbewerbszwecken ganz anderen Kriterien zu unterwerfen als ein Handeln, das nicht auf Wettbewerb ausgerichtet ist. Man könnte daran denken, das gesamte Wettbewerbshandeln einem speziellen Rechtsbereich zuzuordnen und die BGB-Regeln für das Handeln außerhalb des Wettbewerbs zu reservieren. Die Rechtsprechung hat sich dazu nicht durchringen können. So werden für das Wettbewerbshandeln die Regeln des BGB ebenso herangezogen wie für das nichtwettbewerbliche Handeln. Zwar gibt es für das wettbewerbliche Handeln Sondertatbestände im GWB und UWG und vielen anderen Gesetzen mehr. Neben diesen Sondertatbeständen kann aber immer noch auf die Regelungen des BGB zurückgegriffen werden. Allerdings verschieben sich im Rahmen des BGB die Rechtswidrigkeitsmaßstäbe je nachdem, ob es sich um Handeln zu Zwecken des Wettbewerbs handelt oder nicht.

Die BGB-Regelung

Der deliktsrechtliche Schutz vor Schädigungen im gewerblichen Verkehr ist im Bürgerlichen Gesetzbuch ganz unterschiedlich ausgestaltet. In der ursprünglichen Konzeption des Gesetzgebers gewährleistete § 823 Abs. 1 BGB den Schutz vor Beeinträchtigungen des Eigentums und solcher "sonstiger Rechte", die mit dem Eigentum das eine gemeinsam hatten: den Ausschluss eines jeden anderen von der dem Rechtsinhaber zugewiesenen absoluten Rechtsposition. Im gewerblichen Bereich versagt der Eigentumsschutz bei Nutzungsbeeinträchtigungen, die daraus resultieren, dass man mit einer Sache immer noch machen kann, was man will, lediglich an der Realisierung eines bestimmten Zwecks gehindert wird (Ausschluss von Transportmitteln, Unterbrechung von Energiezufuhr). Auch im sonstigen Recht sind nach dem Verständnis des Gesetzgebers derartige Nutzungsmöglichkeiten nicht geschützt. Hier ist für den gewerblichen Bereich vor allem der Schutz des sog. geistigen Eigentums von besonderer Bedeutung.

In die Konzeption des Gesetzgebers hat die Rechtsprechung mit der Entwicklung des Rechts am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb als sonstiges Recht i.S. des § 823 Abs. 1 BGB einen systembedrohenden Sprengsatz gelegt. Als zunächst nur auf den Bestand des Unternehmens gerichteter Schutzzweck ist das Recht im Zuge der Entwicklungen immer weiter ausgedehnt und zu einem Rahmenrecht gestaltet worden, dem jegliche Ausschließlichkeitsfunktion des Eigentums und der klassischen sonstigen Rechte fehlt. Eine ähnliche Entwicklung ist im Personenschutz über das allgemeine Persönlichkeitsrecht zu verzeichnen.

Rechtsanwendung bei Rahmenrechten

Das systemsprengende Rahmenrecht stellt die Rechtsanwendung in § 823 Abs. 1 BGB vor ganz neue Aufgaben. In Ermangelungen des Ausschlusscharakters eines Rahmenrechts kann einem Eingriff, mag er unmittelbar und vorsätzlich sein, keine Unrechtsindikation zukommen, wie man das für die Eingriffe in die klassischen Rechtsgüter und sonstigen Rechte immer noch annehmen konnte. Hier müssen ungeleitet durch gesetzliche Vorgaben Schutzzonen und Verhaltenspflichten bei der Rechtsanwendung entwickelt und begründet werden. Es ist in jedem Fall eine positive Begründung des Rechts- und Pflichtwidrigkeitsurteils erforderlich.

Aus dem Rahmenrechtscharakter und der Systemwidrigkeit des Rechts am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb ziehen manche die Konsequenz, dass es hier gar nicht um ein sonstiges Recht im Rahmen des § 823 Abs. 1 BGB gehe, sondern um einen vom Gesetzgeber nicht vorgesehenen § 823 Abs. 3 mit spezifischen Vermögensschutzpflichten. Der einzige Unterschied zu § 823 Abs. 2 läge darin, dass die Vermögensschutzpflichten des § 823 Abs. 2 BGB vom Gesetzgeber aufgestellt, während die Vermögensschutzpflichten im Rahmen des imaginären § 823 Abs. 3 BGB von der Rechtsprechung entwickelt würden.

Hier stellt sich natürlich für alle die Frage nach der Legitimität einer derartigen Rechtsentwicklung. Diese Frage ist gänzlich unabhängig davon, ob man von einem Rahmenrecht in § 823 Abs. 1 BGB oder von der Entwicklung von Verkehrspflichten für den Schutz fremden Vermögens im Rahmen eines imaginären § 823 Abs. 3 BGB ausgeht. Das Rad der Geschichte wird sich kaum zurückdrehen lassen. Es scheint so, als benötige die Gesellschaft die zu flexiblen Reaktionen fähige Rechtsprechung, um einen angemessenen Schutz des Vermögens vor Schädigungen im gewerblichen Verkehr zu gewährleisten.

Das Rahmenrecht als subsidiäres Recht

Bei der Betrachtung einzelner Fallgruppen wird es sich aber immer wieder als wichtig erweisen, die ohne das Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb gegebene Rechtslage auszuleuchten. Das erweist sich schon deshalb als erforderlich, weil mit Recht die Rechtsprechung das Rahmenrecht des eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetriebs als bloß subsidiäres Recht begreift, das erst dann zum Zuge kommt, wenn andere Möglichkeiten des Vermögensschutzes scheitern.

Jenseits des § 823 Abs. 1 BGB sind im Rahmen der BGB-Regelung die wichtigsten Schutznormen die §§ 823 Abs. 2, 824 und 826 BGB.

Schutzgesetzverletzung

§ 823 Abs. 2 BGB stellt die Verbindung zu den gesetzlichen Normen außerhalb des Bürgerlichen Gesetzbuchs her, die einen individuellen Vermögensschutz zum Ziel haben. Die Schwierigkeiten in der Anwendung dieser Norm liegen darin, die Normen mit Schutzgesetzcharakter ausfindig zu machen und den jeweiligen Schutzbereich zu bestimmen.

Bei einer GmbH oder einer AG sind die Geschäftsführer und Vorstandsmitglieder kraft Gesetzes verpflichtet, im Falle des Eintritts der Zahlungsunfähigkeit der Gesellschaft oder im Falle ihrer Überschuldung unverzüglich das Insolvenzverfahren (früher Konkurs- oder Vergleichsverfahren) einzuleiten (vgl. § 64 Abs. 1 GmbHG, 92 Abs. 2 AktG). Wird diese Verpflichtung verletzt und dadurch der Gesellschaftskonkurs "verschleppt", so kann ein Gesellschaftsgläubiger Ersatz des ihm dadurch entstandenen Schadens von den Geschäftsführern oder Vorstandsmitgliedern verlangen. Als Anspruchsgrundlage kommt § 826 BGB in Betracht. Daneben kann der Anspruch aber auch auf § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. den eben genannten Vorschriften gestützt werden. Im letzteren Falle braucht der Gläubiger nicht den Schädigungsvorsatz der Gesellschaftsorgane nachzuweisen. Vielmehr muss er lediglich dartun, dass die Gesellschaft zahlungsunfähig oder überschuldet war und der Antrag auf Eröffnung des Konkursverfahrens gleichwohl unterblieben ist. Nach allgemeinen Beweislastregeln ist es alsdann Sache des Gesellschaftsorgans zu beweisen, dass ihm daraus kein Vorwurf gemacht werden kann. Die folgende aktuelle Entscheidung skizziert gleichzeitig die Entwicklung der Rechtsprechung auf diesem Gebiet:

Gericht: BGH 2. Zivilsenat, Datum: 06.06.1994, Az: II ZR 292/91

Leitsatz

2. Die (Neu-)Gläubiger, die ihre Forderungen gegen die GmbH nach dem Zeitpunkt erworben haben, zu dem Konkursantrag hätte gestellt werden müssen, haben gegen den insoweit schuldhaft pflichtwidrig handelnden Geschäftsführer einen Anspruch auf Ausgleich des vollen - nicht durch den "Quotenschaden" begrenzten - Schadens, der ihnen dadurch entsteht, daß sie in Rechtsbeziehungen zu einer überschuldeten oder zahlungsunfähigen GmbH getreten sind (insoweit Aufgabe BGH, 1957-12-16, VI ZR 245/57, BGHZ 29, 100).

Fundstelle

NJW 1994, 2220-2225 (LT)

JuS 1994, 1073 (L)

Tatbestand

Der Beklagte ist Geschäftsführer und seit 1985 Alleingesellschafter der im Mai 1981 mit einem Stammkapital von 50.000,-- DM gegründeten S. Handels-GmbH (im folgenden: GmbH). Im Dezember 1985 und Januar 1986 bestellte er im Namen der GmbH bei der Klägerin Waren im Gesamtwert von 98.236,22 DM. Die Klägerin lieferte die Gegenstände unter Eigentumsvorbehalt im Januar und Februar 1986. Auf Antrag des Beklagten vom 27. März 1986 wurde am 25. April 1986 das Konkursverfahren über das Vermögen der GmbH eröffnet. Die Klägerin, die auf die Warenlieferungen keine Bezahlung erhielt, erlangte durch Aussonderung Waren im Wert von 7.960,11 DM zurück.

Wegen der Restforderung von 90.276,11 DM, mit der sie nach ihrer Behauptung im Konkurs ausfallen wird, nimmt die Klägerin den Beklagten auf Schadensersatz in Anspruch. Sie hat behauptet, die GmbH sei bereits 1985 überschuldet und zahlungsunfähig gewesen; der Beklagte habe dies, als er die Waren bestellte, gewußt.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen, das Berufungsgericht hat ihr stattgegeben. Mit seiner Revision erstrebt der Beklagte die Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils.

Aus den Entscheidungsgründen:

Die Klage ist gleichwohl nicht abweisungsreif, weil sich die Haftung des Beklagten aus § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 64 Abs. 1 GmbHG ergeben kann.

1. Nach § 64 Abs. 1 GmbHG hat der Geschäftsführer die Eröffnung des Konkursverfahrens bei Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung der Gesellschaft unverzüglich ("ohne schuldhaftes Zögern") zu beantragen. Die Vorschrift ist, worüber seit langem Einigkeit besteht, ein Schutzgesetz im Sinne des § 823 Abs. 2 BGB zugunsten der Gesellschaftsgläubiger. Die sich daraus ergebende Haftung des Geschäftsführers ist jedenfalls gegenüber denjenigen Gläubigern, die ihre Forderung bereits vor dem Zeitpunkt erworben haben, in dem der Konkursantrag hätte gestellt werden müssen, auf den Betrag beschränkt, um den sich die Konkursquote, die sie bei rechtzeitiger Konkursanmeldung erhalten hätten, durch Verzögerung der Antragstellung verringert (sog. Quotenschaden; grundlegend BGHZ 29, 100, 102 ff.). Der Geschäftsführer hat den auf diese Weise errechneten Gesamtgläubigerschaden zu ersetzen, und zwar, wenn ein Konkursverfahren stattfindet, durch Zahlung in die Konkursmasse (vgl. K. Schmidt, GesR aaO § 36 II 5 b S. 903). Da hierbei auf den Zeitpunkt des Eintritts der Konkursantragspflicht abgestellt wird, war zunächst zweifelhaft, ob auch Gläubiger, die ihre Forderung erst später erworben haben, in den Schutzbereich der Vorschrift einbezogen sind. Diese Frage ist, wie seit der genannten Grundsatzentscheidung des VI. Zivilsenats des Bundesgerichtshofs vom 16. Dezember 1958 außer Streit ist, zu bejahen. Auch die Neugläubiger, die, jedenfalls soweit es sich um Vertragsgläubiger handelt, bei rechtzeitiger Konkursanmeldung gar keinen Schaden erlitten hätten, sollen danach indessen nur den Quotenschaden ersetzt erhalten; für dessen Berechnung soll der Zeitpunkt maßgebend sein, in dem die jeweilige Forderung entstanden ist (BGHZ 29, 100, 104 ff., 107; BGHZ 100, 19, 23 ff.; BGH, Urt. v. 22. Januar 1962 - III ZR 198/60, WM 1962, 527, 530, v. 18. Juni 1979 - VII ZR 84/78, NJW 1979, 2198, insoweit in BGHZ 75, 23 nicht abgedruckt, und v. 8. Oktober 1987 - IX ZR 143/86, WM 1987, 1431, 1432; ferner beiläufig das eine Aktiengesellschaft betreffende Urteil des erkennenden Senats vom 11. November 1985, BGHZ 96, 231, 237; vgl. aber auch BGHZ 75, 96, 106: "Schutzgesetz ... jedenfalls insoweit ..., als sich durch die Verzögerung der Konkurseröffnung die Befriedigungsaussichten der Gläubiger verringert haben"). Auch das Bundesarbeitsgericht ist dieser Rechtsprechung gefolgt (Urt. v. 24. September 1974 - 3 AZR 589/73, NJW 1975, 708 und v. 17. September 1991 - 3 AZR 521/90, soweit ersichtlich, nicht veröffentlicht).

Das gleiche gilt für den überwiegenden Teil des Schrifttums (vgl. Hachenburg/Ulmer aaO § 64 Rdn. 48 f.; Scholz/K. Schmidt, GmbHG 7. Aufl. § 64 Rdn. 35 f.; Rowedder, GmbHG 2. Aufl. § 64 Rdn. 24 - ohne eigene Stellungnahme -; Lutter/Hommelhoff, GmbHG 13. Aufl. § 64 Rdn. 13; Schulze-Osterloh, in: Baumbach/Hueck, GmbHG 15. Aufl. § 64 Rdn. 26 m.w.N.; zu § 92 Abs. 2 AktG: Mertens, KK 2. Aufl. § 92 Rdn. 52; Meyer-Landrut, GroßKomm. <1973> § 92 Anm. 9; unklar dagegen Hefermehl, in: Geßler/Hefermehl/Eckardt/ Kropff, AktG, 1973-74, § 92 Rdn. 24; zweifelnd Roth, GmbHG 2. Aufl. § 64 Anm. 3.1). Auch die Gegenansicht - Ersatz des vollen den "Neugläubigern" infolge des Kontrahierens mit einer konkursreifen GmbH entstandenen Schadens - ist aber immer vertreten worden und bis zur Wiederaufnahme der kontroversen Diskussion im Anschluß an die die jetzige Entscheidung vorbereitenden Beschlüsse des Senats vom 1. März 1993 (aaO) und vom 20. September 1993 (ZIP 1993, 1543) nicht verstummt (Winkler, MDR 1960, 185, 186 f.; Lambsdorff/Gilles, NJW 1966, 1551 f.; Kühn, NJW 1970, 589, 590 ff.; Lindacher, DB 1972, 1424 f.; Gilles/Baumgart, JuS 1974, 226, 227 f.; Uhlenbruck, Die GmbH & Co. KG in Krise, Konkurs und Vergleich, 2. Aufl., 1988, S. 403 ff.; Stapelfeld, Die Haftung des GmbH-Geschäftsführers für Fehlverhalten in der Gesellschaftskrise, 1990, S. 166 ff.). Auch zu den dem § 64 GmbHG entsprechenden Konkursantragsvorschriften für die anderen juristischen Personen mit beschränktem Haftungsvermögen wird teilweise eine Pflicht zu vollem Schadensausgleich gegenüber den Neugläubigern angenommen (Staudinger/Coing, BGB 12. Aufl. § 42 Rdn. 10; Müller, GenG, 1976, § 99 Rdn. 9; zu § 92 Abs. 2 AktG: Meyer-Landrut, FS Barz, 1974, S. 271, 277 ff.; zweifelnd Medicus, Bürgerliches Recht 16. Aufl. Rdn. 622; Meyer/Meulenbergh/Beuthien, GenG 12. Aufl. § 99 Rdn. 4). Hopt (Baumbach/Duden/Hopt, HGB 28. Aufl. § 130 a Anm. 3 A) sieht in dem auf der Grundlage der bisherigen Rechtsprechung eingeschränkten Haftungsumfang "eine wesentliche Schwäche" der Haftungsregelung des § 130a HGB.

2. Der erkennende Senat, auf den die Zuständigkeit zur Entscheidung über Ansprüche aus unerlaubter Handlung durch Verletzung von gesellschaftsrechtlichen Schutzgesetzen vom VI. Zivilsenat übergegangen ist, hält mit Zustimmung der von dieser Rechtsprechungsänderung betroffenen Zivilsenate des Bundesgerichtshofs - nämlich des III., des VII. und des IX. Zivilsenats - sowie des 3. Senats des Bundesarbeitsgerichts den Geschäftsführer bei schuldhaftem Verstoß gegen die Konkursantragspflicht des § 64 Abs. 1 GmbHG für verpflichtet, den Gläubigern, die infolge des Unterbleibens des Konkursantrags mit der GmbH in Geschäftsbeziehung treten und ihr Kredit gewähren, den ihnen dadurch entstehenden Schaden über den sogenannten Quotenschaden hinaus zu ersetzen.

a) Durch die dem Geschäftsführer einer GmbH auferlegte Konkursantragspflicht werden, wie gesagt, nicht nur die bei Eintritt der Konkursreife bereits vorhandenen Gesellschaftsgläubiger (die "Altgläubiger"), sondern auch die erst später neu hinzukommenden (die "Neugläubiger") geschützt. Diese wären, wenn der Geschäftsführer seiner Pflicht nachgekommen wäre, nicht in die Gläubigerstellung gelangt; sie hätten mit der Gesellschaft keinen Vertrag mehr geschlossen, ihr keinen Kredit gewährt und damit keinen Schaden erlitten. Die Ursache für diesen Schaden liegt in dem Verstoß gegen die Schutzvorschrift des § 64 Abs. 1 GmbHG. Das hat nach allgemeinen Schadensersatzregeln zur Folge, daß der dem Vertragspartner auf diese Weise rechtswidrig und schuldhaft zugefügte Schaden zu ersetzen ist (vgl. Staudinger/Coing aaO § 42 Rdn. 10). Daß demgegenüber die Altgläubiger nur bis zur Höhe der bei rechtzeitiger Konkursantragstellung erzielbaren Konkursquote entschädigt werden, ist kein Grund dafür, die Neugläubiger ebenso zu behandeln. Bis zu dem nach § 64 Abs. 1 GmbHG maßgebenden Zeitpunkt ist kein Konkursdelikt begangen worden; eine vorher eingetretene Entwertung der zu diesem Zeitpunkt bereits begründeten Forderungen fällt, soweit ein Anspruch nicht auf einer anderen Rechtsgrundlage besteht, in den Risiko- bereich der davon betroffenen Gläubiger. Insoweit ist diesen kein auf dem Verstoß gegen die Konkursantragspflicht beruhender Schaden entstanden. Eine Ungleichbehandlung beider Gläubigergruppen (Fleck, GmbHR 1974, 224, 235; Hachenburg/Ulmer aaO § 64 Rdn. 49) läßt sich darin, daß jedem Gläubiger der gerade ihm entstandene Schaden ersetzt wird, nicht erkennen. Die Begrenzung des Ersatzanspruchs auf den Quotenschaden wird - auch - damit begründet, daß die Neugläubiger, weil sie erst durch die Anbahnung von vertraglichen Beziehungen zur GmbH zu Gläubigern werden, mit ihrem Einzelschaden keine individuell abgrenzbare Gruppe von Betroffenen, sondern Teil des Rechtsverkehrs und damit der Allgemeinheit seien, die als solche in den von § 64 Abs. 1 GmbHG gewährten Schutz nicht einbezogen sei (so Ulmer, ZIP 1993, 771; dagegen Wiedemann, EWiR 1993, 583, 584; K. Schmidt, NJW 1993, 2934; Lutter, DB 1994, 129, 135). Es geht indessen hier nicht um den persönlichen Schutzbereich des § 64 GmbHG - daß die Neugläubiger von ihm erfaßt werden, steht außer Streit -, sondern um den Umfang des den Neugläubigern zu ersetzenden Schadens. Wenn dieser Ersatzanspruch hinter dem zurückbleiben soll, was sich aus allgemeinen schadensersatzrechtlichen Grundsätzen ergibt, so läßt sich das allenfalls damit begründen, daß ein solcher Individualschaden nicht vom objektiven Schutzzweck des § 64 Abs. 1 GmbHG erfaßt werde.

b) Der Normzweck der gesetzlichen Konkursantragspflichten besteht darin, konkursreife Gesellschaften mit beschränktem Haftungsfonds vom Geschäftsverkehr fernzuhalten, damit durch das Auftreten solcher Gebilde nicht Gläubiger geschädigt oder gefährdet werden (Hachenburg/Ulmer aaO § 64 Rdn. 1). Daran hat der Gesetzgeber in schadensersatzrechtlicher Hinsicht zunächst nur die Sanktion geknüpft, daß die Geschäftsführer nach § 64 Abs. 2 GmbHG verpflichtet sind, "Zahlungen", die sie nach Eintritt der Konkursreife unter Außerachtlassung der Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmanns aus dem Gesellschaftsvermögen geleistet haben, der Gesellschaft zu ersetzen. Nach herrschender Meinung sind damit über reine Geldzahlungen hinaus alle Leistungen gemeint, die das Gesellschaftsvermögen schmälern, wobei streitig ist, ob auch die Eingehung neuer Verbindlichkeiten dazu gehört (vgl. Hachenburg/Ulmer aaO § 64 Rdn. 39 f. und Scholz/K. Schmidt aaO § 64 Rdn. 22, jeweils m.w.N.; im hier interessierenden Zusammenhang ausführlich Wilhelm, ZIP 1993, 1833, 1835 f.). Der Bundesgerichtshof hat aus dieser sich unmittelbar aus dem GmbH-Gesetz ergebenden Rechtslage geschlossen, daß ein weitergehender Schutz der Gläubiger nicht gewollt gewesen sei; das Vertrauen in die Zahlungsfähigkeit und die Kreditwürdigkeit eines anderen werde, so ist im Urteil vom 16. Dezember 1958 ausgeführt, im Geschäfts- und Wirtschaftsleben nicht besonders geschützt (BGHZ 29, 100, 106). Für Gläubiger einer Rechtsperson, deren Gesellschafter nicht mit ihrem ganzen Vermögen haften, bestehe zwar ein Bedürfnis nach einem weitergehenden Schutz der Gläubiger. Es gebe jedoch keine Anhaltspunkte dafür, daß der Gesetzgeber durch § 64 Abs. 1 GmbHG über das Ziel hinaus, das zur Befriedigung der Gesellschaftsgläubiger erforderliche Gesellschaftsvermögen zu erhalten, die Gläubiger auch davor habe bewahren wollen, einer überschuldeten Gesellschaft noch Kredit zu geben oder überhaupt noch mit ihr in Geschäftsbeziehungen zu treten.

Aus den Materialien zum GmbH-Gesetz läßt sich insoweit wenig herleiten. Der Deutsche Handelstag hatte im Gesetzgebungsverfahren gefordert, die im Hinblick auf "das kapitalistische Moment der neuen Gesellschaftsform" befürwortete Konkursantragspflicht dadurch sicherzustellen, daß der Zuwiderhandelnde mit seinem gesamten Vermögen in die Haftung für die Gesellschaftsschulden eintrete bzw. daß er den Gesellschaftsgläubigern persönlich für jeden einzelnen Ausfall an ihren Forderungen hafte (Amtl. Ausgabe des Entwurfs eines Gesetzes betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung nebst Begründung und Anlagen, 1891, S. 136, 137). Auch die preußischen Handelskammern hatte als Sanktion für die verspätete Stellung des Konkursantrags eine direkte Haftung für alle Ausfälle, die die Gläubiger im Konkurs erleiden, verlangt. Der Gesetzgeber ist diesen Forderungen zwar nicht nachgekommen, sondern hat es bei dem durch § 64 Abs. 2 GmbHG geschaffenen Schadensersatzanspruch der Gesellschaft gegen die Geschäftsführer belassen (vgl. dazu auch Flume, ZIP 1994, 337, 339). Indessen war bei Erlaß des GmbH-Gesetzes im Jahre 1892 das Bürgerliche Gesetzbuch noch nicht in Kraft getreten, und die Vorschrift des § 823 Abs. 2 BGB existierte noch nicht (darauf weisen Medicus, WuB II C. § 64 GmbHG 1.94, und Wilhelm, ZIP 1993, 1834, 1835 zutreffend hin). Die Frage, welche Schadensersatzansprüche sich aus dieser Bestimmung für die durch verspätete Konkursantragstellung geschädigten Gläubiger ergeben, kann nicht ohne weiteres mit dem Hinweis auf die - begrenzten - Ansprüche beantwortet werden, die vor der Einführung jener Vorschrift gesetzlich vorgesehen waren. Die bisherige Rechtsprechung und der Teil des Schrifttums, der ihr folgt, sehen als das "den Schutz eines anderen bezweckende Gesetz" (§ 823 Abs. 2 BGB) ausdrücklich oder der Sache nach nur Absatz 2, nicht dagegen Absatz 1 des § 64 GmbHG an, und zwar auch, soweit diese letztere Bestimmung als Schutzgesetz bezeichnet wird (nachdrücklich in diesem Sinne Gerd Müller, GmbHR 1994, 209: Anspruch gemäß § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 64 Abs. 2 GmbHG; vgl. auch Canaris, JZ 1993, 649, 650); jedenfalls sollen beide Absätze der Vorschrift eine "einheitliche Schutzrichtung" haben (K. Schmidt, NJW 1993, 2934). Unter dieser Voraussetzung ist in der Tat nur der allen Gläubigern gleichmäßig entstandene Masseverkürzungsschaden zu ersetzen, und die Neugläubiger werden dann tatsächlich nur insoweit zu in den Schutz einbezogenen "Gläubigern", als sie sich der GmbH gegenüber schon vertraglich gebunden haben (Ulmer, ZIP 1993, 771); denn nur in dieser Eigenschaft haben sie ein Anrecht auf Befriedigung aus dem als Konkursmasse zu erhaltenden Gesellschaftsvermögen. Eigentliches und ausschließliches Schutzgut des § 64 GmbHG ist aus dieser Sicht das Vermögen der Gesellschaft, dessen Erhaltung durch Absatz 2 dieser Vorschrift gesichert werden soll (zutreffend Flume, ZIP 1994, 337, 339). Die von der Verkürzung der Masse betroffenen Gesellschaftsgläubiger erleiden danach lediglich einen "Reflexschaden", und die Bedeutung des § 823 Abs. 2 BGB besteht dann in diesem Zusammenhang lediglich darin, daß sie jenen mittelbaren Schaden - zudem auch dort, wo im Verhältnis zwischen der Gesellschaft und dem Geschäftsführer § 43 Abs. 2 GmbHG versagt, wie insbesondere beim Alleingesellschafter - außerhalb des Konkurses selbständig geltend machen können (Gerd Müller, ZIP 1993, 1531, 1536; ders., GmbHR 1994, 209, 210). Dem über § 64 Abs. 2 GmbHG hinausreichenden Zweck des Absatzes 1 der Vorschrift, konkursreife Gesellschaften mit beschränktem Haftungsvermögen aus dem Rechtsverkehr zu entfernen, wird damit eine Schutzwirkung zugunsten der mit einer solchen Gesellschaft in Rechtsbeziehungen tretenden Personen versagt. Jener weitergehende Zweck des § 64 Abs. 1 GmbHG schützt dann überhaupt nicht den einzelnen Geschäftspartner einer konkursreifen GmbH, sondern ausschließlich die Allgemeinheit in ihrem - öffentlichen - Interesse an der Beseitigung einer solchen Gesellschaft. Dies ist gemeint, wenn gesagt wird, die Neugläubiger fielen nicht in den persönlichen Schutzbereich des § 64 GmbHG (Ulmer, ZIP 1993, 771).

c) Eine solche Begrenzung des mit den Konkursantragspflichten bewirkten Schutzes wird deren Bedeutung nicht gerecht. Für juristische Personen mit beschränkter Haftungsmasse besteht nicht nur der zusätzliche Konkursgrund der Überschuldung; nur für sie gibt es auch überhaupt eine - von ihren Organen zu erfüllende - Pflicht zur Konkursanmeldung. Das beruht darauf, daß die Beschränkung der Haftung auf das Vermögen der Gesellschaft (§ 13 Abs. 2 GmbHG) ihre Legitimation verloren hat, wenn dieses Vermögen vollständig verwirtschaftet ist. Die Konsequenz besteht nach dem Gesetz nicht in einer nunmehr einsetzenden persönlichen Haftung der Gesellschafter, sondern darin, daß die für die Geschäftsführung verantwortlichen Personen durch Konkursanmeldung für eine rechtzeitige Beseitigung der Gesellschaft zu sorgen haben. Die Konkursantragspflicht ergänzt damit den mit den Kapitalaufbringungs- und -erhaltungsvorschriften bewirkten Gläubigerschutz; zusammen mit diesen stellt sie die Rechtfertigung für das Haftungsprivileg der Gesellschafter dar (K. Schmidt, ZIP 1988, 1497; ders., NJW 1993, 2934; Stapelfeld aaO S. 171). Wegen dieses Zusammenhangs ist es verfehlt, eine über den Quotenschaden hinausgehende Haftung des Geschäftsführers - der im übrigen nicht notwendig auch Gesellschafter sein muß - gerade als dem Prinzip der Haftungsbeschränkung widersprechend zu bezeichnen (so Bauder, BB 1993, 2473 f.).

Als Instrument des Gläubigerschutzes muß das Gebot der rechtzeitigen Konkursantragstellung schadensersatzrechtlich - und nicht nur strafrechtlich - so sanktioniert sein, daß dieser Schutz wirksam ist. Das ist bei Begrenzung der Geschäftsführerhaftung auf den Quotenschaden und Ausschluß der Ersatzpflicht für darüber hinausgehende Individualschäden nicht der Fall. Die Berechnung jenes Quotenschadens bereitet "beängstigende Schwierigkeiten der Schadensschätzung" (K. Schmidt, JZ 1978, 661, 665), die sich, soweit es um die erst nach dem Zeitpunkt der Konkursreife hinzukommenden Gläubiger geht, noch verstärken (vgl. dazu Hachenburg/Ulmer aaO § 64 Rdn. 54). Der damit zusammenhängende Aufwand ist so groß, daß er in der Praxis als nicht lohnend angesehen wird. Die Quotenberechnung ist als eine "juristische Spielerei" (Gerd Müller, GmbHR 1994, 209, 212) bezeichnet worden, die "ebenso ästhetisch anziehend wie praktisch undurchführbar" sei (Schanze, AG 1993, 380). Die Frage, ob eine die Konkursanmeldung betreffende Pflichtverletzung vorlag, war deshalb auf der Grundlage der bisherigen Rechtspraxis zu § 64 GmbHG, soweit es um unmittelbare Ansprüche der Gesellschaftsgläubiger ging, "nicht bedeutsam" (Bauder, BB 1993, 2472, 2473). Die Begrenzung der Haftung auf den Quotenschaden hat die Konkursantragsvorschriften als Haftungsnormen weitgehend außer Kraft gesetzt; es ist, soweit ersichtlich, kein Prozeß bekannt geworden, in dem von vornherein ein auf den Ersatz des Quotenschadens begrenzter Anspruch jemals ernstlich verfolgt worden wäre (Mertens, FS Hermann Lange, 1992, S. 561, 577).

Auf der anderen Seite besteht, wie schon der VI. Zivilsenat im Urteil vom 16. Dezember 1958 zum Ausdruck gebracht hat - darauf ist weiter oben bereits hingewiesen worden - ein Bedürfnis nach einem individuellen Schutz der durch Konkursverschleppungen geschädigten Gläubiger (BGHZ 29, 100, 106). Rechtsprechung und Wissenschaft haben versucht, diesem Bedürfnis durch Haftungstatbestände außerhalb der Konkursantragsvorschriften Rechnung zu tragen. Dazu gehören die jedenfalls in diesem Zusammenhang dogmatisch nicht haltbare, an der falschen Stelle ansetzende und die in Betracht kommenden Fälle nicht richtig erfassende Vertreterhaftung wegen wirtschaftlichen Eigeninteresses (oben I) und der in unmittelbarer Nähe der Konkursverschleppungstatbestände ansetzende Vorschlag, eine Vertrauenshaftung des Geschäftsführers im Stadium der Insolvenz der Gesellschaft einzuführen (s. dazu oben I 2 b). Es ist ferner, wie bereits erwähnt (oben I 2 a bb unter 1), erwogen worden, in den Fällen der Fortführung einer konkursreifen GmbH eine Haftung der die Gesellschaft beherrschenden, an ihr unternehmerisch beteiligten Gesellschafter anzunehmen (Roth, GmbHR 1985, 137, 139 ff.). Dies alles zeigt, daß die gläubigerschützende Bedeutung des § 64 Abs. 1 GmbHG unter dem Aspekt der Haftungsnorm des § 823 Abs. 2 BGB zu gering eingestuft wird, wenn man annimmt, die Gesellschaftsgläubiger seien, soweit sie über den "Gesamtgläubigerschaden" hinausgehende individuelle Schäden erleiden, als Teil der Allgemeinheit durch die Konkursantragspflicht nicht geschützt. Den Neugläubigern ist deshalb gegen die Geschäftsführer bei schuldhaftem Verstoß gegen die Konkursantragspflicht ein Anspruch auf Ausgleich des Schadens zuzubilligen, der ihnen dadurch entsteht, daß sie in Rechtsbeziehungen zu einer überschuldeten oder zahlungsunfähigen Gesellschaft getreten sind (ebenso für das österreichische Recht OGH, Beschl. v. 10. Dezember 1992, ZIP 1993, 1871, 1874; vgl. auch Karollus, Recht der Wirtschaft <österr.> 1994, 100 f.). Die neueren Vorschriften der §§ 130 a, 177 a HGB für offene Handelsgesellschaften und Kommanditgesellschaften, an denen keine unbeschränkt haftende natürliche Person beteiligt ist, stehen einem solchen Verständnis der Konkursantragsvorschriften nicht entgegen; der sich aus § 823 Abs. 2 BGB ergebende Schadensersatzanspruch der Gläubiger besteht neben demjenigen der Gesellschaft, der in § 130 a Abs. 3 HGB geregelt ist (Baumbach/Duden/Hopt aaO § 130 a Anm. 3 C).

d) Die Haftung des Geschäftsführers für die durch die Konkursverschleppung verursachten Gläubigerschäden bedeutet für diesen keine unzumutbare Belastung. Die Haftung setzt Verschulden voraus; fahrlässiges Verhalten genügt (BGHZ 75, 96, 111; Hachenburg/Ulmer aaO § 64 Rdn. 52 m.w.N.; a.A. Schulze-Osterloh in: Baumbach/Hueck aaO § 64 Rdn. 27). Der Geschäftsführer hat die Entscheidung darüber, ob er die Konkurseröffnung beantragen muß, mit der Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsleiters zu treffen. Als solcher ist er verpflichtet, die wirtschaftliche Lage des Unternehmens laufend zu beobachten. Bei Anzeichen einer Krise wird er sich durch Aufstellung eines Vermögensstatus einen Überblick über den Vermögensstand verschaffen müssen (Hachenburg/Ulmer aaO § 64 Rdn. 52; Scholz/K. Schmidt aaO § 64 Rdn. 28). Stellt sich dabei eine rechnerische Überschuldung heraus, dann muß er prüfen, ob sich für das Unternehmen eine positive Fortbestehensprognose stellt (BGHZ 119, 201, 214; vgl. dazu auch Schüppen, DB 1994, 197, 199). Gibt es begründete Anhaltspunkte, die eine solche Prognose rechtfertigen, so kann das Unternehmen weiterbetrieben werden. Hierbei ist dem Geschäftsführer ein gewisser Beurteilungsspielraum zuzubilligen; vor allem kommt es nicht auf nachträgliche Erkenntnisse, sondern auf die damalige Sicht eines ordentlichen Geschäftsleiters an. Notfalls muß sich der Geschäftsführer fachkundig beraten lassen (Lutter, DB 1994, 129, 135). Hält er sich an diese Anforderungen, die für den Geschäftsführer einer mit einem beschränkten Haftungsvermögen ausgestatteten Gesellschaft eigentlich selbstverständlich sind, dann ist das Risiko, wegen verspäteter Konkursantragstellung belangt zu werden, nicht unzumutbar groß. Die Gefahr, daß sich ein seriöser Geschäftsleiter durch die drohende Haftung von aussichtsreichen Sanierungsbemühungen abhalten läßt, braucht nicht ernstlich befürchtet zu werden. Für solche Sanierungsversuche gilt, soweit sie vertretbar sind, die Dreiwochenfrist des § 64 Abs. 1 GmbHG (vgl. dazu BGHZ 75, 96, 107 ff.; Scholz/K. Schmidt aaO § 64 Rdn. 15). Die Quote der masselosen GmbH-Konkurse, die bei etwa 75 % liegen soll (K. Schmidt, NJW 1993, 2935), zeigt, daß in vielen Fällen eine frühere Konkursanmeldung geboten wäre und keine voreilige Unternehmensbeendigung bedeuten würde. Den Beweis für das Vorliegen der objektiven Voraussetzungen der Konkursantragspflicht hat grundsätzlich der Gläubiger zu erbringen. Steht fest, daß die Gesellschaft zu einem bestimmten Zeitpunkt rechnerisch überschuldet war, so ist es allerdings Sache des Geschäftsführers, die Umstände darzulegen, die es aus damaliger Sicht rechtfertigten, das Unternehmen trotzdem fortzuführen. Hierzu ist er weit besser in der Lage als ein außenstehender Gläubiger, der in aller Regel von den für die Zukunftsaussichten der Gesellschaft maßgebenden Umständen keine Kenntnis haben wird. Dem Geschäftsführer ist die Darlegung dieser Umstände zumutbar, weil er, wie bereits gesagt, ohnehin zu einer laufenden Prüfung der Unternehmenslage verpflichtet ist. Ob über diese Verteilung der Darlegungslast hinaus der Geschäftsführer hinsichtlich der Fortbestehensprognose auch die Beweislast trägt (so Scholz/K. Schmidt aaO § 63 Rdn. 12 und § 64 Rdn. 38; Hachenburg/Ulmer aaO § 64 Rdn. 19), ist dagegen zweifelhaft; das ist hier indessen nicht zu entscheiden. Mangelndes Verschulden hat freilich der Geschäftsführer zu beweisen (Sen.Urt. v. 1. März 1993 - II ZR 61/93 <81/94> unter II 2 a m.w.N., zur Veröffentlichung bestimmt; vgl. auch § 130 a Abs. 3 Satz 2 HGB).

e) Da es sich bei dem Anspruch aus § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 64 Abs. 1 GmbHG um einen Schadensersatzanspruch handelt, kann er nach Maßgabe des § 254 BGB durch ein Mitverschulden des Vertragspartners gemindert sein. Eine solche Mitverantwortung des Geschädigten für den bei ihm eingetretenen Schaden wird anzunehmen sein, wenn für ihn bei Abschluß des Vertrages erkennbare Umstände vorlagen, die die hierdurch begründete Forderung gegen die Gesellschaft als gefährdet erscheinen lassen mußten. Der Ansicht, daß als Anzeichen hierfür schon allein die Höhe des Stammkapitals der GmbH ausreichen könnte (vgl. dazu Flume, ZIP 1994, 337, 341), kann jedoch nicht zugestimmt werden. Denn damit würde das Risiko einer materiellen Unterkapitalisierung der Gesellschaft zumindest teilweise dem Gläubiger aufgebürdet. Das wäre im Hinblick auf die deliktische Haftung des Geschäftsführers nicht angemessen. f) Der Anspruch des "Neugläubigers" entspricht der Höhe nach seinem Vertrauensschaden, soweit dieser durch eine auf den Gläubiger entfallende Konkursquote nicht gedeckt ist. Zur Geltendmachung des Anspruchs ist auch während eines Konkursverfahrens der Gläubiger selbst befugt. Ob dazu daneben auch der Konkursverwalter nach § 64 Abs. 2 GmbHG berechtigt ist (vgl. Wilhelm, ZIP 1993, 1833, 1836, der offenbar eine ausschließliche Einziehungsbefugnis des Konkursverwalters, bezogen auf den Erfüllungsschaden des Gläubigers, annimmt; insoweit ebenso Wellkamp, DB 1994, 869, 873), ist hier nicht zu entscheiden.

Auch zum Aktienrecht gibt es eine Entscheidung zur Konkursverschleppung, das berühmte "Herstatt-Urteil":

Gericht: BGH 2. Zivilsenat, Datum: 09.07.1979, Az: II ZR 118/77

Fundstelle

NJW 1979, 1823-1828 (LT1-4)

BGHZ 75, 96-116 (LT1-4)

Kreditgefährdung durch unrichtige Tatsachenbehauptungen

§ 824 BGB gewährt einem Unternehmer Schutz gegen die Verbreitung falscher Tatsachenbehauptungen. Der Schutz ist unterschiedlich ausgestaltet, je nachdem, ob es sich um eine Verbreitung in Kenntnis der Unwahrheit oder in Unkenntnis derselben handelt. § 824 BGB schützt nicht vor der Verbreitung von Meinungsäußerungen und Bewertungen eines Unternehmens oder seiner Leistungen. Deshalb besteht eines der Hauptanwendungsprobleme im Rahmen des § 824 BGB darin, Tatsachenäußerungen von Werturteilsäußerungen zu unterscheiden. Hier können wir ein Bestreben der Rechtsprechung registrieren, mit der Annahme von Tatsachenbehauptungen zurückhaltend zu sein. Das engt den Anwendungsbereich des § 824 BGB ein. Dahinter steht die Absicht, das Grundrecht der Meinungsäußerungsfreiheit im gewerblichen Bereich zu festigen.

Auch eindeutige Tatsachenbehauptungen eröffnen nicht in jedem Fall den Schutz des § 824 BGB. Die Rechtsprechung will den Schutz nur dem angedeihen lassen, der in einer verbreiteten Behauptung konkret genannt ist oder dessen Verhältnisse, Betätigung oder gewerbliche Leistungen in enger Beziehung zu der Behauptung stehen. Danach soll es nicht genügen, wenn fehlerhafte Behauptungen über die spezifische Eignung eines Systems (elektronische Orgeln zum Kirchengebrauch) aufgestellt werden. Ein Hersteller eines solchen Systems hat keinen Anspruch aus § 824 BGB (BGH, Urt. v. 2. Juli 1963, VI ZR 251/62, NJW 1963, 1871; JZ 1964, 509).

Andererseits kann auch ein Verleger für eine im Anzeigenteil seiner Zeitung enthaltene unzutreffende Behauptung aus § 824 BGB zur Verantwortung gezogen werden:

Gericht: BGH 6. Zivilsenat, Datum: 20.06.1972, Az: VI ZR 26/71

Leitsatz

1. Der Verleger einer Zeitung ist nicht nur für den redaktionellen, sondern grundsätzlich auch für den Anzeigenteil zivilrechtlich gegenüber Dritten verantwortlich. Daher hat er durch Anweisungen Vorsorge auch gegen Rechtsgüter Dritter verletzende Veröffentlichungen zu treffen, die im Anzeigenteil erscheinen.

2. Allerdings ist nicht das Maß an Prüfung zu fordern wie bei Verlautbarungen im redaktionellen Teil. Besondere Maßnahmen wie fernmündliche Rückfrage zur Sicherstellung der Urheberschaft können nur gefordert werden, wenn dazu besonderer Anlaß besteht. Ein solcher ist nicht allein deshalb zu bejahen, weil eine Anzeige telefonisch aufgegeben ist.

3. Ein besonderer Anlaß ist bei telefonischer Aufgabe einer Anzeige über eine Geschäftsaufgabe ohne Erfragung und Festlegung des Namens der aufgebenden Person anzunehmen.

Fundstelle

BGHZ 59, 76-82 (LT1)

NJW 1972, 1658 (ST)

Tatbestand

Der beklagte Zeitungsverlag, eine GmbH, gibt die L.-Zeitung in D., eine Tageszeitung, heraus. In der am Sonnabend, dem 21. Dezember 1968 erschienenen Ausgabe befand sich folgende Anzeige, die bei der Geschäftsstelle fernmündlich aufgegeben worden war:

"Verkaufe wegen Geschäftsaufgabe sämtliche Baumaschinen und Baugeräte Firma Karl S., Sch."

Der Inhalt der Anzeige war unzutreffend. Die Klägerin, die das Bauunternehmen nach dem Ableben ihres Ehemannes Karl S. zu Anfang 1968 weiterführte, hatte die Anzeige nicht aufgegeben. Der Anrufer ist unbekannt geblieben. In der Ausgabe der L.-Zeitung von Montag, dem 23. Dezember 1968, erschien im Anzeigenteil folgende Mitteilung der Beklagten:

"In eigener Sache

Die in unserer Sonnabend-Ausgabe vom 21. Dezember 1968 erschienene Anzeige über Verkauf von Baumaschinen und Geräten der Firma Karl S., Sch. entspricht nicht den Tatsachen. Der noch unbekannte Auftraggeber hat unsere Anzeigen-Abteilung vorsätzlich getäuscht. Die polizeilichen Ermittlungen sind eingeleitet."

Im redaktionellen Teil der gleichen Ausgabe fand sich außerdem noch folgende Notiz:

"Mehr als übler Streich

Sch. . War es ein übler Streich oder war es eine gezielte Geschäftsschädigung? Unter dem Namen der Firma Karl S. in Sch. erfolgte die telefonische Aufgabe eines Inserats, das den Verkauf von Baumaschinen und -geräten wegen Geschäftsaufgabe beinhaltete. Der Inhalt dieser Anzeige entbehrt jeder Grundlage. Die Firma Karl S. hat gegen den unbekannten Auftraggeber Strafanzeige erstattet, Staatsanwaltschaft und Kriminalpolizei haben die Ermittlungen eingeleitet (siehe auch heutige Anzeige)."

Die Klägerin begehrt mit der Klage Schadensersatz. Sie hat vorgetragen: Aufgrund der am 21. Dezember 1968 erschienenen Anzeige hätten sich tagelang Interessenten für die Maschinen und Geräte gemeldet. Außerdem hätten Kunden und Architekten ihre Sorgen wegen der Erledigung der laufenden Aufträge geäußert. Wochenlang sei in Fachkreisen davon die Rede gewesen, daß sie, die Klägerin, in Zahlungsschwierigkeiten geraten sei. Es sei sogar von der bevorstehenden Konkurseröffnung gesprochen worden.

Die Klägerin hat von der Beklagten die Zahlung von 549 DM nebst Zinsen als Ersatz ihres Vermögensschadens gefordert.

Die Beklagte hat geltend gemacht, es sei bei Tageszeitungen allgemein und weithin üblich, fernmündlich Anzeigenaufträge entgegenzunehmen; dies entspreche den Anforderungen der Gegenwart. Rückfragen nach der Richtigkeit des Inhalts der Anzeigen seien wegen der großen Zahl der in ihrer Zeitung veröffentlichten Anzeigen nicht durchführbar; in den Wochenendausgaben würden regelmäßig 900 bis 1.000 Anzeigen veröffentlicht.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Das Oberlandesgericht hat den Klageanspruch dem Grunde nach für gerechtfertigt erklärt.

Die zugelassene Revision der Beklagten blieb ohne Erfolg.

Entscheidungsgründe

I.

Das Berufungsgericht hält den Klageanspruch dem Grunde nach für gerechtfertigt aufgrund der §§ 823 Abs 1, 31 BGB (Eingriff in den Gewerbebetrieb der Klägerin) und des § 823 Abs 2 BGB i Verb mit § 6 Satz 1 Landespressegesetz (LPG) NRW. Das haftungsbegründende Verhalten der Beklagten unter Sorgfaltsverstoß erblickt das Berufungsgericht darin, daß sie keine Anweisungen an ihre Angestellten erteilt hat, nach denen die Richtigkeit von Anzeigen, in denen die Aufgabe eines Unternehmens unmittelbar oder mittelbar angezeigt wird, durch - insbesondere telefonische - Rückfrage zu überprüfen ist.

II.

Dem Berufungsgericht ist im Ergebnis zu folgen.

1. Auszugehen ist davon, daß der Verleger nicht nur für den redaktionellen, sondern grundsätzlich auch für den Anzeigenteil der Zeitung zivilrechtlich verantwortlich ist. Der Anzeigenteil einer Zeitung findet dieselbe Verbreitung wie der redaktionelle. Auch er birgt Gefahren für die Persönlichkeit und den wirtschaftlichen Ruf der Betroffenen (vgl dazu den Sachverhalt in: BGH Urteil vom 5. November 1963 - VI ZR 216/62 = LM BGB § 847 Nr 25 = BB 1964, 150). Im Grundsatz sind daher Beeinträchtigungen von geschützten Rechten und Rechtsgütern durch Veröffentlichungen im Anzeigenteil wie solche anzusehen, die im redaktionellen Teil enthalten sind (Helle, Der Schutz der Persönlichkeit, der Ehre und des wirtschaftlichen Rufs im Privatrecht, 2. Aufl S 175/176; Löffler, Presserecht I 2. Aufl Kap 14 Rz 70, 84, vgl auch Rz 30, 50).

2. Damit erstreckt sich im Grundsatz die zivilrechtliche Haftung der Beklagten aus unerlaubter Handlung auch auf den Anzeigenteil.

Außer den vom Berufungsgericht zugrundegelegten Bestimmungen ist für den geltend gemachten Schadensersatz insbesondere § 824 BGB von Belang, dem zudem jedenfalls gegenüber dem von der Rechtsprechung ausgebildeten Auffangtatbestand des rechtswidrigen Eingriffs in den Gewerbebetrieb (§ 823 Abs 1 BGB) Vorrang zukommt (vgl BGH Urteil vom 21. Juni 1966 - VI ZR 266/64 = LM BGB § 824 Nr 9 = NJW 1966, 2010 - "Teppichkehrmaschine").

Der Inhalt der Anzeige ging für den Leser nicht nur dahin, daß sämtliche Maschinen des Baugeschäfts der Klägerin zum Verkauf standen - was nicht zutraf -, sondern auch dahin, daß sie ihr Baugeschäft aufgab. Wenn auch der unmittelbare - scheinbare - Zweck der Anzeige nicht war, die Geschäftsaufgabe bekanntzugeben, sondern die Baumaschinen anzubieten, war im regionalen Einzugsbereich der Zeitung der Beklagten die als Beweggrund des Verkaufs erwähnte Geschäftsaufgabe mindestens ebenso entscheidend und auffallend. Auch diese Tatsache war unstreitig unwahr. Sie war in besonderem Maße geeignet, im Sinne des § 824 BGB den Kredit der Klägerin zu gefährden und sonstige Nachteile für ihren Erwerb herbeizuführen. Diese unwahre Tatsache hat die Beklagte durch die Veröffentlichung verbreitet.

3. Der hier allein in Frage stehende Schadensersatzanspruch setzt voraus, daß die Beklagte als Verbreiter der kredit- und erwerbsgefährdenden Behauptung deren Unrichtigkeit kannte oder - was hier allein in Betracht kommt - kennen mußte (§ 824 Abs 1 BGB). Damit ist - ebenso wie bei den vom Berufungsgericht zugrundegelegten Bestimmungen der unerlaubten Handlungen - Fahrlässigkeit der Beklagten erforderlich.

Wenn auch, wie bereits ausgeführt, Eingriffe gegen geschützte Rechtsgüter im Anzeigenteil im Grundsatz nicht anders zu beurteilen sind, wie wenn sie im redaktionellen Teil stünden, so ist doch nicht die gleiche Prüfung und Abwägung zu fordern wie bei Verlautbarungen im redaktionellen Teil (Helle aaO S 176 N 16; vgl Löffler aaO I Kap 14 Rdz 50). Allerdings war die Beklagte grundsätzlich gehalten, Vorsorge auch gegen im Anzeigenteil veröffentlichte, das Persönlichkeitsrecht oder den wirtschaftlichen Ruf verletzende Äußerungen zu treffen. Die insoweit geforderte Sorgfaltspflicht darf aber nicht überspannt werden. Besonders im Hinblick auf die Eigenheiten beim Anzeigengeschäft können besondere Maßnahmen nicht gefordert werden, wenn kein besonderer Anlaß besteht. So war die Beklagte nicht gehalten, sämtliche bei ihr telefonisch aufgegebenen Anzeigen durch eine (fernmündliche) Rückfrage daraufhin zu überprüfen, ob sie auch vom angegebenen Besteller herrührten und inhaltlich zutrafen.

Ein besonderer Anlaß zur Überprüfung kann aus verschiedenen Umständen folgen. Eine solche Lage ist zu bejahen, wenn sich der Inhalt der Anzeige erkennbar als Verletzung geschützter Rechtsgüter - insbesondere des Persönlichkeitsrechts oder des wirtschaftlichen Rufes eines anderen darstellt oder wenn aus sonstigen Gründen eine Anzeige auffällig erscheint. Besondere Vorsicht mag auch bei den Anzeigen geboten sein, die nicht selten von Dritten ohne Wissen der Betroffenen aus zu mißbilligenden Gründen aufgegeben werden, wie es nach der bisherigen Erfahrung bei bestimmten Familienanzeigen (Verlobungs- und Heiratsanzeigen) der Fall ist. So lag es hier nicht.

Ein besonderer Anlaß ist aber auch dann zu bejahen, wenn eine Anzeige erkennbar einen besonders einschneidenden, für den Betroffenen weitreichenden Umstand kundtut, und außerdem die Möglichkeit, daß sie von einem Dritten, zB einem Konkurrenten, in Schädigungsabsicht aufgegeben ist, nicht von der Hand zu weisen ist. Die Bejahung einer solchen Pflicht in Ausnahmefällen bei der Anzeigenannahme stimmt mit der für Äußerungen im redaktionellen Teil entwickelten Annahme überein, daß eine Überprüfung um so sorgfältiger gegebenenfalls durch Rückfrage beim Betroffenen - sein muß, je schwerer sich die Mitteilung für den Betroffenen auswirken kann (vgl RGZ 148, 154; BGH Urteil vom 8. Dezember 1964 - VI ZR 201/63 = LM BGB § 823 (Ah) Nr 25 = NJW 1965, 685). In solchem Ausnahmefall gewinnt die Frage, ob die Anzeige von dem Betroffenen herrührt, überwiegende Bedeutung. Erkennbar droht dem Betroffenen großer Schaden, wenn die Anzeige nicht zutrifft. Vorsichtsmaßnahmen sind in solchem Falle dann geboten, wenn die Anzeige telefonisch aufgegeben wird, so daß eine sofortige sichere Feststellung der aufgebenden Person nicht möglich ist, und wenn die Anzeige sogar ohne Erfragung und Festlegung des Namens der aufgebenden Person telefonisch entgegengenommen worden ist.

So lag es hier. Wenn der Inhaber eines Gewerbebetriebes - wie bereits oben dargelegt - in einer Anzeige ua kundtut, er gebe sein Geschäft auf, so wird damit erkennbar in aller Öffentlichkeit eine sehr einschneidende Tatsache verlautbart. Stimmt der Inhalt der Anzeige nicht, weil sie von einem Unbefugten ohne Wissen des Betroffenen aufgegeben worden ist, dann entsteht eine nicht geringe Gefährdung für den Gewerbebetrieb. Es besteht Gefahr, daß Kreditgeber ihre Kredite zurückverlangen und neue Kredite verweigern, und weiterhin, daß Lieferanten und Kunden sich von einer Geschäftsverbindung zu lösen trachten oder solche erst gar nicht zu knüpfen suchen.

Bei einer solchen Gestaltung ist das Publikationsorgan daher gehalten, die authentische Urheberschaft im Rahmen des Zumutbaren festzustellen. Ist die Anzeige fernmündlich aufgegeben worden, dazu wie hier ohne daß der Annehmende auch nur den Namen, geschweige denn die Identität des Unbekannten am Telefon feststellt, ist die Urheberschaft durch - gegebenenfalls telefonische Rückfrage zu überprüfen. Eine solche Rückfrage war der Beklagten nach den hier vom Berufungsgericht getroffenen Feststellungen zumutbar. Ohne Schwierigkeiten hätte sie die Klägerin telefonisch erreichen können und von ihr die Unrichtigkeit der Anzeige erfahren. Damit wurde die Beklagte auch nicht überfordert. Wie der Tatrichter feststellt, werden bei der Beklagten jährlich nur etwa 2 oder 3 Anzeigen aufgegeben, in denen eine Geschäftsaufgabe mitgeteilt wird.

Dieser Pflicht zur Überprüfung der Autorenschaft, zB durch telefonische Rückfrage, brauchte die Beklagte allerdings nicht durch unmittelbare Mitwirkung ihrer Organe nachzukommen. Diese mußten aber durch entsprechende Anweisungen sicherstellen, daß eine Verletzung der Rechte betroffener Dritter, wie hier der Klägerin, durch einen solchen Hergang möglichst verhindert würde. Sie hatten die im Anzeigengeschäft Tätigen insbesondere über die Gefahren solcher Anzeigen zu unterrichten und sie auf die Möglichkeit sowie Notwendigkeit einer - vielleicht telefonischen - Rückfrage beim Betroffenen hinzuweisen (vgl zu derartigen Pflichten des Verlegers hinsichtlich Äußerungen im redaktionellen Teil: RGZ 148, 154; BGH Urteil vom 19. März 1957 - VI ZR 263/65 = NJW 1957, 1049; Urteil vom 8. Dezember 1964 - VI ZR 201/63 = NJW 1965, 685; Urteil vom 15. Januar 1965 - Ib ZR 44/63 = NJW 1965, 1374). Eine Anweisung solchen Inhalts ist unstreitig nicht erteilt worden. Hätte die Beklagte sie in gehöriger Weise erteilt, so wäre nach der aus Rechtsgründen nicht zu beanstandenden Auffassung des Berufungsgerichts die unrichtige Anzeige nicht erschienen. Damit hat die Beklagte für die hierdurch verursachten Vermögensschäden einzustehen (§§ 823, 824, 31 BGB).

Vorsätzlich sittenwidrige Schädigungen

Die letzte Möglichkeit, die das Deliktsrecht bietet, ist der Vermögensschutz aus § 826 BGB. Er setzt eine vorsätzlich sittenwidrige Schädigung voraus und erweist sich als umso schärferes Schwert, je geringer man die Anforderungen an den Vorsatz und die Sittenwidrigkeit fasst. Hier geht die Rechtsprechung mitunter recht weit. Sie lässt dolus eventualis genügen und orientiert sich für die Sittenwidrigkeit nicht an den Ansprüchen einer hohen Moral, sondern an dem, was ein ordentlicher Mensch im Geschäftsleben tut oder auch nicht tut.

Schädigungen im gewerblichen Verkehr - Fallgruppen

Um einen Eindruck von den vielfältigen Facetten des Vermögensschutzes im gewerblichen Bereich zu bekommen, werden wir im folgenden Fallgruppen ansprechen und mit Entscheidungsmaterial unterlegen. Einige knappe Lösungshinweise mögen die Richtung andeuten, in die man denken sollte.

Verletzung von Schutzrechten

Schutzrechte wie das Urheberrecht, Patentrecht, Warenzeichenrecht, Gebrauchsmusterrecht genießen zum einen den Schutz aus den speziellen Gesetzen, die diesen Rechten gewidmet sind. Zum anderen werden sie als sonstige Rechte i.S. des § 823 Abs. 1 BGB anerkannt. Daneben bedarf es keines Rechts am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb.

Das sieht die Rechtsprechung anders, wenn es um die "Verwässerung" berühmter Markenschutzzeichen geht. Dieser Tatbestand soll namentlich dann erfüllt und in das Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb eingegriffen sein, wenn die Waren, die mit einem berühmten Zeichen versehen werden, so weit voneinander entfernt liegen, dass von einer Verwechslungsgefahr keine Rede sein kann. Die folgenden Entscheidungen belegen zum einen die abstrakte Anerkennung des Rechts gegen Verwässerung eines berühmten Zeichens und zeigen zum anderen, wie schwer es im konkreten Fall ist, diesen Schutz auch tatsächlich zu erlangen.

Gericht: BGH 1. Zivilsenat, Datum: 22.10.1954, Az: I ZR 46/53

Leitsatz

1. Einem Namen, einer Firma oder der besonderen Bezeichnung eines gewerblichen Unternehmens, die mit überragender Kennzeichnungskraft ausgestattet ist und sich kraft langen Gebrauches und umfassender Werbung in stärkstem Maße als Schutz aus BGB § 12 unter dem Gesichtspunkt der "Verwässerungsgefahr" ausnahmsweise auch dann gewährt werden, wenn trotz Verwechslungsfähigkeit der Bezeichnungen infolge Ungleichartigkeit der Waren geschäftliche Beziehungen zwischen den beiden Benutzern nicht angenommen werden können.

2. Die Berufung auf ein nur formales Zeichenrecht gegenüber einem älteren sachlichen (zB Namensrecht oder Firmenrecht) Recht, in dessen Schutzbereich das jüngere Zeichen fällt, widerspricht den Grundsätzen von Treu und Glauben und ist daher rechtsmißbräuchlich.

Fundstelle

BGHZ 15, 107-113 (LT1-2)

Tatbestand

Die Klägerin betreibt eine Lebensmittelgroßhandlung mit Zweigniederlassungen an mehreren Orten des Industriegebiets. Der Großhandlung sind verschiedene Fabrikationsbetriebe angeschlossen, nämlich eine Nährmittel-, eine Marmeladen-, eine Schokoladen- und Süßwarenfabrik sowie eine Fabrik chemischer Erzeugnisse und kosmetischer Artikel. Auch führt sie eine Weingroßhandlung mit einer Weinkellerei. In der Pfalz betreibt sie eine Konservenfabrik und hat dort im Jahre 1950 auch eine Kolonialwarengroßhandlung eingerichtet. Im Jahre 1935 und auch später sind für sie eine Reihe von Wort- und Bildzeichen in die Zeichenrolle des Reichspatentamts eingetragen worden, die die Silben "Ko" und "Ma" sowohl getrennt als auch in einem Wort enthalten. Die Eintragungen sind in den verschiedensten Klassen der amtlichen Warenklasseneinteilung erfolgt; eine Eintragung für Schreib-, Zeichen-, Mal- und Modellierwaren usw (Nr 32) befindet sich nicht unter ihnen.

Die Beklagte betreibt eine Füllhalterfabrik. Sie bringt ihre Erzeugnisse unter der Bezeichnung "Komma-Füllfederhalter" in den Verkehr. Das Wortzeichen "Komma" ist für sie seit März 1951 in die Warenzeichenrolle eingetragen.

Die Klägerin hat behauptet, sie benutze seit Anfang der zwanziger Jahre die Firmenkürzung "Koma" als Kenn- und Schlagwort für ihre Firma. Diese Firmenbezeichnung habe sich infolge umfangreicher Werbung im Verkehr durchgesetzt, im Siegener und rheinisch-westfälischen Industriegebiet genieße sie sogar eine gesteigerte Verkehrsgeltung. Die Bezeichnung "Komma", die die Beklagte sowohl firmenmäßig wie auch warenzeichenmäßig verwende, seit mit ihrem Firmenschlagwort "Koma" verwechslungsfähig. Eine Verwechslungsgefahr bestehe jedenfalls in dem Sinne, daß zwischen ihr und der Beklagten Beziehungen vermutet würden, zumal sie ua Krämerläden in ländlichen Gegenden beliefere, die auch Schreibwaren führten, und bei denen es daher vorkommen könne, daß neben "Koma"-Packungen auch "Komma"-Füllhalter oder -Kugelschreiber angeboten würden. Auch sei zu befürchten, daß die Bezeichnung "Koma" durch das Verhalten der Beklagten verwässert werde. Die Beklagte ziehe aus der überragenden Verkehrsgeltung der Bezeichnung "Koma" für sich Vorteile, ohne hierzu berechtigt zu sein. Sie sei daher nach § 12 BGB, § 16 UnlWG, § 24 WZG, § 1 UnlWG, § 826 BGB verpflichtet, die weitere Verwendung ihrer Bezeichnung zu unterlassen.

Die Klägerin hat beantragt, die Beklagte zur Unterlassung der Verwendung des Kenn- und Schlagworts "Komma" zwecks Kennzeichnung ihres Betriebes und der von ihr vertriebenen Waren zu verurteilen; hilfsweise hat sie den Unterlassungsanspruch auf im einzelnen von ihr bezeichnete Kundenbezirke beschränkt.

Die Beklagte hat geltend gemacht, die Bezeichnung der Klägerin sei jedenfalls außerhalb ihrer engeren Lieferungsgebiete völlig unbekannt. Es müsse bezweifelt werden, daß sie sich als Firmenname oder als besondere Bezeichnung eines Erwerbsgeschäfts im Sinne des § 16 UnlWG überhaupt im Verkehr durchgesetzt habe. Zudem bestehe zwischen "Koma" und "Komma" weder im engeren noch im weiteren Sinne eine Verwechslungsgefahr. Die Sinnbedeutung beider Worte sei verschieden. Bei der Unterschiedlichkeit der unter der Bezeichnung vertriebenen Waren sei es auch ausgeschlossen, daß persönliche oder geschäftliche Beziehungen zwischen den beiden Unternehmungen vermutet würden. Es sei ferner zu berücksichtigen, daß Abkürzungen, wie die Klägerin sie verwende, im Lebensmittelhandel vielfach üblich seien.

Die Klage blieb in allen Instanzen erfolglos.

Entscheidungsgründe

I. Das Berufungsgericht geht zutreffend davon aus, daß der Klägerin für ihre schlagwortartige Bezeichnung "Koma" der Schutz nach § 12 BGB, § 16 UnlWG zusteht. Auch abgekürzte Bezeichnungen oder Firmenschlagworte, gleichgültig, ob sie Phantasieworte, Worte der Umgangssprache oder nur Buchstaben darstellen, können als Hinweis und Kennzeichnung eines bestimmten Unternehmens verwendet werden (BGHZ 4, 167 (169); 11, 214 (215)). Der Umstand, daß das aus den Anfangsbuchstaben der Namen "Koch" und "Mann" gebildete Wort "Koma" auch als Warenzeichen eingetragen ist, steht einem solchen Namensschutz des Unternehmens nicht entgegen (RG MuW XXIV, 156). Voraussetzung des Schutzes nach den genannten Vorschriften ist allein, daß die Klägerin ihre schlagwortartige Bezeichnung im Verkehr als Abkürzung ihres Namens verwendet hat und die beteiligten Verkehrskreise sich daran gewöhnt haben, in ihr den Namen der Klägerin zu erblicken (RGZ 109, 213 (214)). Die Firmenabkürzung muß, da sie nicht gleichzeitig einen Bestandteil des unverkürzten Firmennamens bildet (vgl BGHZ 11, 214 (216)), demnach Verkehrsgeltung in dem Sinne erworben haben, daß jedenfalls ein nicht unbeträchtlicher Teil des Verkehrs sie als Hinweis auf ein bestimmtes Unternehmen ansieht.

Diese Voraussetzungen eines Schutzes für das Schlagwort "Koma" sind vom Berufungsgericht rechtsirrtumsfrei bejaht worden (wird ausgeführt).

Das Berufungsgericht verkennt nicht, daß für den Schutz aus § 12 BGB, § 16 UnlWG ein Wettbewerbsverhältnis zwischen den Benutzern der gleichen oder verwechslungsfähigen Bezeichnungen nicht notwendig ist und die von ihnen vertriebenen oder hergestellten Waren nicht im Sinne des Warenzeichengesetzes gleich oder gleichartig zu sein brauchen. Erforderlich bleibt aber auch insoweit, daß der prioritätsältere Benutzer ein schutzwürdiges Interesse an der Unterlassung der Benutzung durch den jüngeren Benutzer besitzt. Ein solches Interesse wird, wie das Berufungsgericht zutreffend ausführt, in der Regel dann gegeben sein, wenn auf Grund der gleichen oder miteinander verwechslungsfähigen Bezeichnungen innerhalb nicht ganz unbeachtlicher Verkehrskreise geschäftliche Beziehungen zwischen den beiden Benutzern angenommen werden könnten (RGZ 117, 215 (220); RG GRUR 1937, 148 (150); RG GRUR 1951, 332 (333)). Dabei wird im allgemeinen eine solche "Verwechslungsgefahr im weiteren Sinne" um so geringer sein, je ungleichartiger die zum Vergleich stehenden Waren sind.

Liegen die genannten Voraussetzungen vor, so kann sich auch der Inhaber eines eingetragenen jüngeren Warenzeichens nicht darauf berufen, er sei mit Rücksicht auf die Eintragung berechtigt, das geschützte Wortzeichen jedenfalls warenzeichenmäßig zu verwenden. Die Berufung auf das nur formale Zeichenrecht gegenüber einem älteren sachlichen Recht würde den Grundsätzen von Treu und Glauben widersprechen und daher rechtsmißbräuchlich sein (Baumbach-Hefermehl, Wettbewerbs- und Warenzeichenrecht 6. Aufl Übersicht § 16 UnlWG Anm 3 C; Reimer, Wettbewerbs- und Warenzeichenrecht 3. Aufl Kap 52 Anm 5).

Das Berufungsgericht hat eine Verwechslungsgefahr in dem gekennzeichneten weiteren Sinne jedoch für den zur Entscheidung stehenden Sachverhalt verneint. Es hat den Standpunkt vertreten, daß mit Rücksicht auf die völlige Verschiedenheit der von den Parteien hergestellten und vertriebenen Waren eine Verwechslungsgefahr in einem rechtlich beachtlichen Ausmaße nicht gegeben sei. Zwar seien, so erklärt das Berufungsgericht, die Bezeichnungen "Koma" und "Komma" an und für sich miteinander verwechslungsfähig, da sie sich trotz unterschiedlicher Sinnbedeutung jedenfalls klanglich und bildlich überaus naheständen. Da es sich bei der Klägerin aber um ein Unternehmen der Lebensmittelbranche handele, die Beklagte dagegen ausschließlich Füllhalter und Kugelschreiber herstelle, sei nicht zu befürchten, daß der Verkehr Beziehungen zwischen den Benutzern der Bezeichnungen vermute, selbst wenn die Unterschiede der Bezeichnungen übersehen würden.

Die gegen diesen Standpunkt des Berufungsgerichts gerichteten Angriffe der Revision sind nicht begründet (wird ausgeführt).

II. An dem Ergebnis, daß eine Verwechslungsgefahr nicht besteht, wird auch durch den Vortrag der Klägerin nichts geändert, sie genieße für ihren Namen eine besonders starke Verkehrsgeltung. Allerdings wird bei einem Namen von überragender Bedeutung eine Verwechslungsgefahr häufig auch noch dann bejaht werden können, wenn in anderen Fällen mit Rücksicht auf die Verschiedenartigkeit der Waren die Möglichkeit einer Verwechslung auch im weiteren Sinne geleugnet werden müßte. Denn je stärker sich eine Kennzeichnung im Verkehr durchgesetzt hat, desto leichter wird bei den beteiligten Verkehrskreisen der Anschein erweckt werden, der Geschäftsbetrieb, aus dem die widerrechtlich bezeichnete Ware stammt, stehe zu dem des Verletzten in irgendwie gearteten Beziehungen. Können jedoch solche Beziehungen mit Rücksicht auf die völlige Verschiedenheit der Waren von den in Betracht kommenden Verkehrskreisen bei verständiger Betrachtungsweise unter keinen Umständen vermutet werden, so wäre es auch nicht gerechtfertigt, selbst bei Firmenbezeichnungen von überragender Bedeutung noch von der Gefahr einer "Verwechslung" zu sprechen. Dies würde in der Tat mit der Lebenswirklichkeit kaum noch in Übereinstimmung zu bringen sein (Friedrich JR 1951, 314 (315)).

Ein Schutz könnte bei einer sehr starken Verkehrsgeltung nur unter dem Gesichtspunkt gewährt werden, daß die Eigenart und der kennzeichnende Charakter der Bezeichnung geschwächt und damit eine Verwässerungsgefahr herbeigeführt werde. Der Inhaber einer Bezeichnung von der unterstellten Bedeutung hat ein berechtigtes Interesse daran, daß ihm eine unter großem Aufwand von Zeit und Geld erworbene Alleinstellung erhalten bleibt und alles vermieden wird, was diese Stellung beeinträchtigen könnte (vgl RG GRUR 1951, 332 (333)). Würde eine weithin bekannte Bezeichnung auf den verschiedensten Gebieten als Firmen- oder Warenname auftreten, so würde dies ihre Werbekraft allmählich beeinträchtigen und so ihre "Verwässerung" zur Folge haben können. Es wird jedoch jeweils einer besonders gewissenhaften Prüfung bedürfen, ob ein solcher Ausnahmetatbestand wirklich gegeben ist, damit nicht dem Namensinhaber trotz Fehlens eines Wettbewerbsverhältnisses und angesichts einer völligen Verschiedenheit der Waren eine unbillige Vorzugsstellung eingeräumt wird (vgl Ernst Reimer in GRUR 1951, 222ff; Heydt in GRUR 1952, 321; Friedrich in Markenartikel 1953, 316ff). Die Verletzung eines berechtigten Interesses im Sinne des § 12 BGB wird daher nur dann bejaht werden dürfen, wenn der gute Ruf einer Bezeichnung in Frage steht, die mit überragender Kennzeichnungskraft ausgestattet ist und sich kraft langen Gebrauchs und umfassender Werbung in stärkstem Maße als Kennzeichen für das Unternehmen durchgesetzt hat.

Die Voraussetzungen eines solchen Sachverhalts liegen nach den Feststellungen des Berufungsgerichts im Streitfalle jedoch nicht vor. Das Berufungsgericht räumt zwar ein, daß die Klägerin - in den oben angegebenen örtlichen Bezirken - im Lebensmittelsektor sehr gut eingeführt und bei dem kaufenden Publikum weithin bekannt sei, stellt aber fest, daß damit ihre Bedeutung im wesentlichen erschöpft sei. Das Wort "Koma" stelle, so führt das Berufungsgericht aus, keineswegs eine Bezeichnung dar, die, wie etwa Weltmarken oder Marken mit zwar nur inländischer, aber ebenso intensiver Verkehrsgeltung der Allgemeinheit in besonderem Maße nahegekommen sei. Ihre Geltung beschränke sich vielmehr auf einen bestimmten, wenn auch umfangreichen Interessenkreis. Einen Vergleich mit den Werbeanstrengungen, die für Bezeichnungen überragender Bedeutung veranstaltet würden und auch notwendig seien, um ihnen diese Bedeutung zu verschaffen und zu erhalten, halte sie aber nach ihrer Wesensart nicht aus. Diese Feststellungen des Berufungsgerichts beruhen auf einer tatsächlichen Würdigung des Sachverhalts und sind der Nachprüfung durch das Revisionsgericht entzogen. Es ist von der Revision nicht dargetan und auch nicht ersichtlich, daß das Berufungsgericht etwa insoweit wesentliche Gesichtspunkte übersehen hat. Insbesondere trifft es nicht zu, daß das Berufungsgericht, wie die Revision meint, die "gesteigerte" Verkehrsgeltung der Bezeichnung "Koma" im nordrheinwestfälischen Gebiet nicht ausreichend gewürdigt habe.

Die Ausnutzung der Werbekraft eines allgemein bekannten Zeichens, durch die dessen Werbekraft beeinträchtigt wird, könnte auch ein Umstand sein, der die Annahme einer sittenwidrigen Handlungsweise zu begründen geeignet wäre (BGH GRUR 1953, 40 (41)). Die erforderliche Kennzeichnungskraft besitzt aber, wie ausgeführt, die Bezeichnung der Klägerin tatsächlich nicht. Es ist daher nicht zu beanstanden, daß das Berufungsgericht auch die Voraussetzungen für einen etwaigen Anspruch aus §§ 1 UnlWG, 826 BGB verneint hat.

"Quick" und "Glück" im Medienkampf:

Gericht: BGH 1. Zivilsenat, Datum: 11.11.1958, Az: I ZR 152/57

Fundstelle

BGHZ 28, 320 (LT1-2)

Salomonisches zu Sportartikeln und Tabakwaren:

Gericht: BGH 1. Zivilsenat, Datum: 29.11.1990, Az: I ZR 13/89

Fundstelle

BGHZ 113, 82-89 (LT)

Schutzrechtsverwarnungen

Unberechtigte Schutzrechtsverwarnungen standen an der Wiege des Rechts auf den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb. In der Tat ist der Bestand eines Unternehmens gefährdet, wenn seine Produktion eingestellt werden muss, weil ihr das Schutzrecht eines anderen Unternehmens entgegensteht. Vor bewusst unrichtigen Schutzrechtsverwarnungen schützen den Betroffenen §§ 826 BGB, 3 UWG, für unbewusst unrichtige Schutzrechtsverwarnungen halten weder BGB noch UWG eine Lösung bereit. Hier hilft allein das Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb. An ihm hält die Rechtsprechung für unberechtigte Schutzrechtsverwarnungen nach wie vor fest:

Gericht: BGH 10. Zivilsenat, Datum: 11.12.1973, Az: X ZR 14/7O

Leitsatz

1. An der ständigen Rechtsprechung, wonach eine unberechtigte Schutzrechtsverwarnung einen Eingriff in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb darstellt, wird festgehalten.

2. Der Verwarner handelt nicht schuldhaft, wenn er sich durch eine gewissenhafte Prüfung und auf Grund vernünftiger und billiger Überlegungen die Überzeugung verschafft hat, sein Schutzrecht werde rechtsbeständig sein ("Maschenfester Strumpf").

Fundstelle

BGHZ 62, 29-42 (LT1)

NJW 1974, 315 (ST)

Tatbestand

Die Parteien sind Großhersteller von Strümpfen.

Die Beklagte war Inhaberin ausschließlicher Lizenzen an zwei Gebrauchsmustern, die nahtlose maschenfeste Strümpfe betrafen.

Im April 1962 kam die Klägerin mit dem maschenfesten Strumpf "A ...", dessen Maschenbild dem des einen Gebrauchsmusters entsprach, auf den Markt.

Durch Schreiben vom 9. August 1962 verwarnte die Beklagte die Klägerin unter Hinweis auf die beiden Gebrauchsmuster und forderte sie auf, ab sofort zu unterlassen, rundgestrickte Damenstrümpfe herzustellen, anzubieten und/oder zu vertreiben, die eine oder beide der in der Anlage beigefügten Merkmalgruppen aufweisen.

Entsprechende Verwarnungsschreiben richtete die Beklagte auch an Abnehmer der Klägerin, insbesondere Kaufhauskonzerne.

Die Klägerin entschloß sich auf Grund des Rates ihrer Patentanwälte, die Produktion ihres maschenfesten Strumpfes sofort einzustellen.

Ende 1962 wurde das eine, Ende 1963 das andere Gebrauchsmuster gelöscht.

Am 30. März 1963 teilte die Beklagte der Klägerin mit, daß sie bezüglich beider Schutzrechte die Verwarnung für die Zeit nach dem 31. März 1963 nicht mehr aufrechterhalte.

Die Klägerin nimmt die Beklagte auf Ersatz des Schadens in Anspruch, der ihr nach ihrer Behauptung durch die Einstellung der Produktion ihres A. ... -Strumpfes entstanden ist.

Das Landgericht hat die Beklagte zur Zahlung von ... DM verurteilt und die weitergehende Klage abgewiesen. Es hat die Verwarnung als widerrechtlich und das Verhalten der Beklagten als schuldhaft angesehen, der Klägerin aber ein Mitverschulden zugerechnet und aus diesem Grund den von ihr geltend gemachten Schadensbetrag um 1/3 gemindert.

Auf die Berufung der Klägerin und die Anschlußberufung der Beklagte hat das Oberlandesgericht den Anspruch der Klägerin dem Grunde nach für gerechtfertigt erklärt.

Die Revision der Beklagten führte zur Abweisung der Klage.

Entscheidungsgründe

I. 1. Das Berufungsgericht geht davon aus, daß die unberechtigte Schutzrechtsverwarnung einen Eingriff in das Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb des Verwarnten darstelle. Es beruft sich hierzu vor allem auf das Urteil des Bundesgerichtshofs vom 5. November 1962 (BGHZ 38, 200 = GRUR 1963, 255 - Kindernähmaschinen), mit dem der I. Zivilsenat an dieser Rechtsprechung festgehalten hat.

2. Die Revision bittet um Nachprüfung, ob die bisherige Rechtsprechung mit dem allgemeinen Grundsatz vereinbart werden kann, wonach sonst bei der Beurteilung unerlaubter Handlungen allein die Rechtslage maßgebend ist, die im Zeitpunkt der Vornahme der Handlung bestand, und ob bei der Wertung der unberechtigten Schutzrechtsverwarnung als eines Eingriffs in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb hinreichend berücksichtigt worden ist, daß der Verwarnte durch die Verwarnung keinem Rechtszwang ausgesetzt wird, sondern freie Beurteilungs- und Entschließungsmöglichkeiten hat. Zur Unterstützung ihrer Bedenken weist die Revision auf mehrere Veröffentlichungen hin, in denen die bisherige Rechtsprechung einer kritischen Betrachtung unterzogen worden ist.

3. Es trifft zu, daß die von der Rechtsprechung entwickelten und von der Rechtslehre durchweg übernommenen Grundsätze für die Beurteilung von Schutzrechtsverwarnungen, die sich infolge nachträglicher Löschung oder Nichtigerklärung der ihnen zugrunde liegenden Rechte als nicht begründet erweisen, in der jüngeren Literatur kritisiert worden sind. So hat bereits Moser von Filseck in seiner Anmerkung zu der oben zitierten "Kindernähmaschinen" -Entscheidung (GRUR 1963, 260) Zweifel daran geäußert, ob es richtig ist, die Geltendmachung von Ansprüchen aus Schutzrechten immer schon dann als rechtswidrig anzusehen, wenn diese Rechte nachträglich rückwirkend entfallen. Kuntze (WRP 1965, 7), Rogge (WRP 1965, 40) und Horn (GRUR 1971, 442 und Dissertation 1971 "Die unberechtigte Verwarnung aus gewerblichen Schutzrechten") haben sich dieser Kritik angeschlossen und ihrer Argumenten neue hinzugefügt. Ohl (GRUR 1966, 172) hat die bisherige Rechtsprechung gegen solche Angriffe verteidigt.

Gegenstand der gegen diese Rechtsprechung erhobenen Bedenken ist vor allem die Frage, ob die Subsumtion unberechtigter Schutzrechtsverwarnungen unter den Tatbestand des § 823 Abs 1 BGB einer rechtlichen Nachprüfung standhält und ob für die Beurteilung solcher Verwarnungen nicht mit den Bestimmungen des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb oder - wo ein Wettbewerbsverhältnis nicht besteht - des § 826 BGB auszukommen sei mit der Folge, daß den Verwarner, dessen Schutzrecht rückwirkend entfällt, eine Schadensersatzpflicht nur im Falle sittenwidrigen Handelns oder vorsätzlicher Schadenszufügung trifft.

Man mag darüber streiten können, ob die unberechtigte Schutzrechtsverwarnung dem ursprünglichen Vorstellungsgehalt des gesetzlichen Tatbestandes des § 823 Abs 1 BGB genau entspricht; bei streng dogmatischer Betrachtungsweise mag insbesondere im Hinblick darauf, daß der Verwarner die Produktionseinstellung nur durch Einwirkung auf die Willensbildung des Verwarnten herbeiführt, in Frage gestellt werden können, ob sein Handeln als eine unmittelbare und widerrechtliche Verletzung des Unternehmensrechtes zu werten ist. Die Fortentwicklung des Rechts verlangt aber nicht selten, daß außergewöhnliche Tatbestände, wie sie sich aus den Besonderheiten der Verleihung von Ausschließungsrechten ergeben, deren Rechtsbestand auf Grund späterer Erkenntnisse mit rückwirkender Kraft entfallen kann, mangels einer hierauf abgestellten Spezialregelung im Wege der Lückenausfüllung einer Vorschrift zugeordnet werden, deren Anwendung zu einem als sinnvoll und billig erkannten Ergebnis führt, mag sie auch ihrem Wortlaut nach nicht von vornherein auf Fälle dieser Art zugeschnitten erscheinen. Eine solche Rechtsfortentwicklung bedeutete es, als das Reichsgericht erstmalig im Jahre 1904 (RGZ 58, 24 Juteartikel) von da ab in ständiger Rechtsprechung Fälle, in denen eine auf ein eingetragenes Schutzrecht gestützte Verwarnung den Inhaber eines Gewerbebetriebes zur Einstellung seiner Produktion veranlaßt hatte, dem Unternehmer unter Heranziehung des § 823 Abs 1 BGB den Anspruch auf Ersatz des ihm daraus erwachsenen Schadens gegen den Verwarnenden zusprach, dessen Schutzrecht sich als nicht rechtsbeständig und deshalb als von Anfang an nichtig erwiesen hatte. Die spätere Rechtsprechung ist dem im Grundsatz und im Ergebnis über viele Jahrzehnte hin bis in die Gegenwart nahezu einhellig gefolgt. Sie hat es als ein Gebot der Gerechtigkeit angesehen, daß derjenige, der durch die Ausübung eines in Wirklichkeit sachlich nicht gerechtfertigten Monopolrechtes eine Vermögensschädigung des Verwarnten verursacht, für diesen Schaden jedenfalls dann einzustehen hat, wenn er bei gehöriger Prüfung hätte erkennen können, daß seine vermeintliche Monopolstellung rechtlich keinen Bestand haben werde. Von diesem Grundsatz abzuweichen, geben die gegen diese Rechtsprechung im Schrifttum erhobenen Einwendungen keinen Anlaß. Solange die von ihr aufgezeigte Gesetzeslücke nicht durch eine Regelung geschlossen ist, die alle denkbaren Fälle ungerechtfertigter und schuldhafter Schutzrechtsverwarnungen erfaßt - wozu die derzeitigen Bestimmungen des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb ebensowenig ausreichen wie die des § 826 BGB -, kann auf die weitere Anwendung der Grundsätze dieser Rechtsprechung nicht verzichtet werden. Es wäre untragbar, wenn der Schutzrechtsinhaber Dritte in ihrer Gewerbeausübung durch objektiv ungerechtfertigte Unterlassungsforderungen behindern könnte, ohne selbst bei grob fahrlässiger Fehlbeurteilung der Rechtsbeständigkeit seines Schutzrechts den von ihm verursachten Schaden ersetzen zu müssen. Soweit das angefochtene Urteil diesen Grundsätzen, die zu einer ausgewogenen Risikoverteilung führen, folgt, sind seine Ausführungen nicht zu beanstanden.

II. 1. Zur Frage des Verschuldens der Beklagten hat das Berufungsgericht ebenfalls auf die Ausführungen des "Kindernähmaschinen" -Urteils verwiesen und dann weiter ausgeführt: Da es für den Bestand des Schutzrechts nicht auf die Auffassung des Verwarners, sondern derjenigen Instanzen ankomme, die über die Nichtigkeits- oder Löschungsklage zu entscheiden hätten, werde der Verwarner nicht so sehr darauf abstellen dürfen, was er selbst von der Schutzfähigkeit der betreffenden Rechte hält, sondern vielmehr darauf, wie diese von den betreffenden Instanzen voraussichtlich beurteilt werden. Bei einer zweifelhaften Rechtslage müsse er auch damit rechnen, daß sich diese Instanzen möglicherweise seinem wohlbegründeten Standpunkt verschließen und sich der Auffassung des Gegners anschließen könnten. Im vorliegenden Fall sei danach zu prüfen gewesen, ob die Beklagte damit habe rechnen müssen, daß die beiden Gebrauchsmuster, auf die sie die Verwarnung gestützt habe, auf Grund der Löschungsklagen der Firma X. gelöscht werden würden. Dabei komme es nicht darauf an, ob die Löschungsentscheidungen des Patentamts und des Bundespatentgerichts materiell richtig seien. Entscheidend sei vielmehr, ob die Beklagte mit einem solchen Ausgang beider Verfahren habe rechnen müssen. Das sei der Fall, da sie ohne weiteres habe erkennen können, daß die Maschenbilder der Figuren 1 der beiden Gebrauchsmuster mit dem Maschenbild der Figur 35 der ihr bekannten US-Patentschrift Nr ... weitgehend übereinstimmten. Da vor der von ihr ausgesprochenen Verwarnung eine Prüfung der Gebrauchsmuster in einem Löschungs- oder parallelen Patenterteilungsverfahren nicht stattgefunden habe, sei sie zur erhöhten Sorgfalt verpflichtet gewesen. Nach allem habe die Beklagte, als sie die Klägerin verwarnte, schuldhaft, und zwar mindestens leicht fahrlässig gehandelt.

2. Diese Ausführungen des Berufungsgerichts halten den Angriffen der Revision nicht stand.

a) Diese rügt mit Recht, das Berufungsgericht habe hinsichtlich der allgemeinen Anforderungen an die Sorgfaltspflicht des Schutzrechtsinhabers einen zu scharfen Maßstab angelegt, wenn es verlange, daß dieser sich, bevor er eine Verwarnung ausspreche, nicht nur durch sorgfältige Prüfung eine eigene Überzeugung von der Bestandsfähigkeit seines Schutzrechts verschaffen, sondern darüber hinaus in Rechnung stellen müsse, daß die zur Entscheidung berufenen Instanzen sich "seinem wohlbegründeten Standpunkt verschließen und sich der Auffassung des Gegners anschließen könnten".

Eine solche Forderung würde im Ergebnis darauf hinauslaufen, daß der Schutzrechtsinhaber auch dann von der Verwarnung eines vermeindlichen Verletzers absehen müßte, wenn er sein Schutzrecht nach gehöriger Prüfung objektiv zutreffend als materiell rechtsbeständig ansieht, eine falsche Entscheidung hierüber aber nicht für ausgeschlossen hält. Das geht in der Tat zu weit und bedeutet eine erhebliche Überspannung der billigerweise zu fordernden Sorgfaltspflicht. Es würde zu einer bedenklichen Entwertung der Schutzrechte führen, weil deren Ausübung durch Verwarnung oder Klageerhebung dann mit einem für den Schutzrechtsinhaber untragbaren Risiko belastet würde. Dabei ist zu berücksichtigen, daß dieses Risiko höher einzuschätzen ist als das des Verletzers, dessen Schadensersatzpflicht sich in vorausberechenbaren Grenzen, im allgemeinen nämlich im Rahmen einer Lizenz allenfalls des aus der Verletzungshandlung gezogenen Gewinnes hält, während die Schadensfolgen der auf eine Verwarnung oder Klageerhebung hin erfolgenden Produktionseinstellung für den Verwarner unübersehbar sein und unabhängig davon eintreten können, ob die Ausschaltung des Konkurrenzproduktes dem Schutzrechtsinhaber einen Vorteil eingetragen hat oder nicht. Untragbar wäre ein solches Risiko jedenfalls dann, wenn es dem Schutzrechtsinhaber, der gegen den Verletzer erst nach sorgfältiger Prüfung der Schutzrechtslage vorgegangen ist, als Verschulden angerechnet werden könnte, daß er eine spätere, von dem durchaus vertretbaren Ergebnis seiner Prüfung abweichende Entscheidung nicht vorausgesehen oder nicht in Rechnung gestellt hat. Diese Erwägungen dürfen auch bei Verwarnungen aus ungeprüften oder vorläufigen Schutzrechten, die an sich einer strengeren Prüfungspflicht unterliegen, nicht außer acht gelassen werden, weil das Gesetz auch sie mit den vollen Schutzrechtswirkungen ausgestattet hat, eine Überspannung der an ihre Ausübung geknüpften Sorgfaltspflicht sie aber weitgehend wertlos machen und damit der Absicht des Gesetzgebers, erfinderische Leistungen, durch Verleihung solcher Rechte zu fördern, entgegenwirken würde.

b) Die Frage, welche Überlegungen ein Schutzrechtsinhaber anstellen und welche Maßnahmen er treffen muß, um sich im Falle der Verwarnung oder Erhebung einer Verletzungsklage nicht dem Vorwurf schuldhaften Handelns auszusetzen, ist in der Rechtsprechung des Reichsgerichts allgemein dahin beantwortet worden, daß den Verwarner kein Verschulden treffe, wenn er sich seine Überzeugung ... "durch gewissenhafte Prüfung gebildet ..." (RGZ 94, 271, 276 - Sprechmaschine) oder wenn er sich bei seinem Vorgehen von "vernünftigen und billigen Überlegungen" habe leiten lassen (RG GRUR 1931, 640, 641).

An diesen Grundsätzen ist festzuhalten. Wenn im "Kindernähmaschinen"-Urteil in bezug auf die zuletzt zitierte Formulierung des Reichsgerichts gesagt worden ist, sie sei für die Abgrenzung der Schuldfrage "zu unscharf", so kommt darin nur zum Ausdruck, daß mit ihr allein im Hinblick auf die zuvor dargelegten besonderen Umstände des Falles, der zur Entscheidung stand, nicht auszukommen sei, sondern daß sie der Interpretierung bedürfe; diese schließt sich denn auch sogleich in der Feststellung des folgenden Satzes an, daß eine "billige" Überlegung jedenfalls das Erfordernis einschließe, daß der Verwarner den ihm bei Anwendung der erforderlichen Sorgfalt zugänglichen Stand der Technik vollständig berücksichtigt, was der Kläger im damaligen Fall nicht getan habe.

c) Die Rechtsprechung hat sich bemüht, im Rahmen der oben angeführten Grundsätze bestimmte Kriterien für die Beurteilung der Verschuldensfrage herauszuarbeiten, von denen dem "Kindernähmaschinen" -Urteil die folgenden zu entnehmen sind:

aa) Für die Annahme eines Verschuldens genügt nicht die - in Streitigkeiten des gewerblichen Rechtsschutzes stets gegebene - Möglichkeit, daß das Schutzrecht keinen Bestand haben könnte. Die möglichen Zweifel an der Rechtslage müssen vielmehr einen konkreten Beziehungspunkt haben, der vom Verwarner hätte beachtet werden können.

bb) Bei Gebrauchsmusterverwarnungen muß von dem Verwarner ein höheres Maß an Nachprüfung verlangt werden als bei einem Vorgehen aus geprüften Schutzrechten.

cc) Um einen Schuldvorwurf zu begründen genügt es, wenn der Verwarner in vorwerfbarer Weise den Stand der Technik nur unvollständig berücksichtigt oder falsch gewürdigt, oder wenn er vorwerfbar die Erfordernisse des Fortschritts oder der Erfindungshöhe falsch eingeschätzt oder die Verletzungsform zu Unrecht als unter sein Recht fallend eingeordnet hat. Dabei ist allerdings eine irrige Wertung, die sich allein auf die Frage der Erfindungshöhe beschränkt, weniger streng zu würdigen.

dd) Es widerspricht nicht dem im bürgerlichen Recht geltenden objektiven Sorgfaltsbegriff, wenn bestimmte, eine gesteigerte Sachkenntnis bedingende Umstände, wie sie sich etwa aus den langjährigen Erfahrungen eines bedeutenden Unternehmens ergeben können, bei der Bemessung der Sorgfaltspflicht berücksichtigt werden.

Der Senat sieht in keinem dieser Kriterien ein Abweichen von dem oben wiedergegebenen Grundsatz des Reichsgerichts, wonach dem Vorgehen des Verwarners eine "gewissenhafte Prüfung" und "vernünftige und billige Überlegungen" vorausgehen müssen, um seine Haftung auszuschließen. Hinweise dieser Art können allerdings die Entscheidung über die Verschuldensfrage im Einzelfalle zwar erleichtern, aber nicht ersetzen. So wird auch in der zitierten Entscheidung im Zusammenhang mit den dort aufgeführten Forderungen, die in bezug auf die Berücksichtigung und Wertung des Standes der Technik zu stellen seien, ausdrücklich darauf abgestellt, ob hierbei zutage getretene Unvollständigkeiten oder Fehleinschätzungen "in vorwerfbarer Weise" zustande gekommen sind oder nicht. Darin kommt zum Ausdruck, daß die Frage, ob der Verwarner bei der Prüfung der Rechtsbeständigkeit seines Schutzrechts gewissenhaft vorgegangen ist und die ihm billigerweise zuzumutende Sorgfalt hat walten lassen, nicht - auch nicht anhand der aufgezeigten Kriterien generell, sondern stets nur unter Berücksichtigung der besonderen Gestaltung des Einzelfalles beantwortet werden kann.

3. Da - wie oben zu 2 a) dargelegt - das Berufungsgericht seinen Feststellungen zur Frage des Verschuldens der Beklagten einen unrichtigen Beurteilungsmaßstab zugrundegelegt hat, beruht die angefochtene Entscheidung auf einem Rechtsfehler. Der Senat ist auf Grund der vom Berufungsgericht getroffenen tatsächlichen Feststellungen und des unstreitigen Sachverhalts selbst in der Lage, die Verschuldensfrage abschließend zu beurteilen (§ 565 Abs 3 Nr 1 ZPO).

Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts rechtfertigen die besonderen Umstände des vorliegenden Falles es auch unter Berücksichtigung des Umstandes, daß die Verwarnung auf ungeprüfte Schutzrechte gestützt und deshalb ein hohes Maß an Sorgfalt zu fordern ist, nicht, gegen die Beklagte den Vorwurf fahrlässigen Handelns zu erheben.

a) Auszugehen ist von der Tatsache, daß es sich bei beiden Parteien um bedeutende Unternehmen auf dem Gebiet der Strumpfherstellung handelt, und daß daher alle Erwägungen, die für die Verschuldensfrage aus einem etwaigen wirtschaftlichen Übergewicht oder größeren technischen oder patentrechtlichen Erfahrungen der einen oder der anderen Seite hergeleitet werden könnten, entfallen. - Ferner ist zu berücksichtigen, daß - anders als in der Mehrzahl vergleichbarer Fälle - die Klägerin von dem Vorgehen der Beklagten nicht überrascht worden ist. ...

b) Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts hat die Beklagte, bevor sie die Klägerin verwarnte, zweimal unter Beteiligung fach- und rechtskundiger Berater eingehende Untersuchungen über die Schutzfähigkeit der beiden Gebrauchsmuster vorgenommen. ...

c) Angesichts dieser aus doppeltem Anlaß durchgeführten eingehenden Prüfungen ist der Revision zuzugeben, daß die Beklagte alles ihr billigerweise Zumutbare getan hat, um zu einer objektiv richtigen Beurteilung der Schutzrechtslage zu gelangen. Bei dieser Wertung hat der Senat insbesondere auch die Tatsache berücksichtigt, daß die Beklagte sich nicht auf ihr eigenes Urteil verlassen, sondern den Rat erfahrener Rechts- und Patentanwälte eingeholt hat. Soweit die Rechtsprechung gelegentlich die Meinung vertreten hat, auf den Rat ihres eigenen Patentanwalts dürfe sich die Schutzrechtsinhaberin nicht verlassen, sondern müsse in zweifelhaften Fällen das Gutachten eines erfahrenen neutralen Spezialisten einholen (so ua das dem "Kindernähmaschinen" - Urteil zugrunde liegende Berufungsurteil, dem die Revisionsinstanz insoweit ohne eigene Begründung gefolgt ist (aaO S 259 r Sp; vgl hierzu auch Moser v Filseck aaO S 262 li Sp)), vermag der Senat dem jedenfalls dann nicht beizutreten, wenn das Schutzrecht ein Gebiet betrifft, das - wie das hier der Fall ist - in technischer Hinsicht überschaubar ist und von einem Patentanwalt oder einem patentrechtlich erfahrenen Rechtsanwalt erfaßt und beurteilt werden kann. An der Objektivität des Anwalts bei der Beratung seines Auftraggebers zu zweifeln, besteht kein Anlaß, denn dieser erwartet von ihm gerade eine neutrale, das heißt objektiv richtige Beurteilung der Sach- und Rechtslage, weil nur eine solche ihm eine brauchbare Grundlage für seine Entschließungen geben kann. Auch im Hinblick darauf, daß für die Beurteilung der Rechtsbeständigkeit und des Schutzumfanges eines Schutzrechtes patentrechtliche Kenntnis und Erfahrungen eine nicht minder bedeutsame Rolle spielen als ein rein technisches Wissen, kann nicht in jedem Falle davon ausgegangen werden, daß ein Spezialist des betreffenden technischen Fachgebietes dem Schutzrechtsinhaber wertvollere Erkenntnisse vermitteln könne als der eigene Anwalt. Erwartet werden muß allerdings, daß der Schutzrechtsinhaber den anwaltlichen Rat nicht ohne weiteres hinnimmt, sondern sich im Rahmen seiner Möglichkeiten in die Prüfung einschaltet und unter Einsatz seines eigenen fachlichen Spezialwissens an ihr mitwirkt. Das hat die Beklagte im vorliegenden Fall getan, indem sie ihre Anwälte im eigenen Betrieb mit allen technischen Einzelheiten vertraut gemacht und mit ihnen gemeinsam alle wesentlichen Fragen erörtert hat.

d) Wenn die Beklagte trotz aller dieser Maßnahmen und entgegen der Ansicht ihrer Berater die Schutzfähigkeit ihrer Gebrauchsmuster unrichtig beurteilt haben sollte, wofür das Ergebnis der Löschungsklagen sprechen mag, so würde diese Fehlbeurteilung den Vorwurf der Fahrlässigkeit nur dann rechtfertigen, wenn die Beklagte begründeten Anlaß gehabt hätte, das Urteil ihrer Anwälte anzuzweifeln. Gegen eine solche Annahme spricht aber, daß auch die von der Klägerin zur Prüfung der Schutzrechtslage zu Rate gezogenen, ebenfalls besonders erfahrenen Patentanwälte die Löschung der Gebrauchsmuster für unwahrscheinlich angesehen und der Klägerin aus diesem Grunde zur Einstellung der Produktion des unter diese Schutzrechte fallenden Strumpfes geraten haben, und daß sogar die Gebrauchsmusterabteilung des Deutschen Patentamts im späteren Löschungsverfahren zunächst zu dem in einem Zwischenbescheid niedergelegten Ergebnis gelangt war, die Gebrauchsmuster seien durch keine Entgegenhaltung, auch nicht durch die ihnen am nächsten kommende US-Patentschrift Nr ..., vorweggenommen. Die übereinstimmende, auf unabhängig voneinander durchgeführten Prüfungen verschiedener Stellen beruhende positive Beurteilung der Gebrauchsmuster spricht in besonderer Weise dafür, daß dieses Ergebnis aus damaliger Sicht zumindest mit guten Gründen vertretbar war und nicht auf einer Außerachtlassung der gebotenen Sorgfalt beruhte. ...

4. Zu einer hiervon abweichenden Beurteilung geben auch die nachfolgenden Erwägungen keine Anlaß.

a) ...

b) Angesichts des Verhaltens der Konkurrenz kann gegen die Beklagte ein Schuldvorwurf auch nicht daraus hergeleitet werden, daß sie das Ergebnis der von einer Mitbewerberin Ende Juni 1962 erhobenen Löschungsklage nicht abgewartet hat, bevor sie zur Verwarnung der Klägerin schritt. Denn einmal war für sie nicht vorhersehbar, wann mit einer endgültigen Entscheidung über die Löschungsklagen würde gerechnet werden können, zum anderen war das Geschäft mit dem neuen maschenfesten Strumpf durch ungewöhnlich hohe Anfangserfolge gekennzeichnet, denen bereits nach wenigen Monaten ein erheblicher Rückgang und Preisverfall folgte. Bei dieser Sachlage war es der Beklagten nicht zuzumuten, die Geltendmachung ihrer Rechte auf unbestimmte Zeit zurückzustellen.

c) Auch Form und Inhalt des an die Klägerin gerichteten Verwarnungsschreibens der Beklagten rechtfertigen einen Schuldvorwurf nicht. Das Schreiben enthält die Behauptung einer Schutzrechtsverletzung, eine darauf gestützte Unterlassungsaufforderung und - für den Fall, daß dieser nicht Folge geleistet werde - die Ankündigung einer Schadensersatzklage, wobei der Schaden als "ungewöhnlich hoch" bezeichnet wird. Sachliche Unrichtigkeiten oder Formulierungen, die geeignet sein konnten, die Klägerin einem Druck auszusetzen, der sich nicht ohnehin aus der Verletzungssituation ergeben hätte, sind dem Schreiben nicht zu entnehmen. Bei der wirtschaftlichen Größe und Bedeutung der Klägerin und im Hinblick darauf, daß ihr alle Möglichkeiten offenstanden, die in Aussicht gestellten Schadensforderungen nach Grund und Höhe selbst zu beurteilen, kann auch der Hinweis auf einen ungewöhnlich hohen Schaden nicht als ein unzulässiger Einschüchterungsversuch gewertet werden.

d) Daß die Beklagte nicht nur die Klägerin selbst, sondern auch einen Teil ihrer Abnehmer verwarnt hat, muß für die Verschuldensfrage unberücksichtigt bleiben, weil die Verwarnung der Abnehmer für den Entschluß der Klägerin, die Produktion ihres A ..-Strumpfes einzustellen, und für den daraus hergeleiteten Schaden nicht ursächlich geworden ist. Vielmehr hat die Klägerin diesen Entschluß auf Grund der unmittelbar an sie gerichteten Verwarnung und zu einem Zeitpunkt gefaßt, an dem sie von der Verwarnung der Abnehmer noch nichts wußte. Dafür, daß sie ohne die Verwarnung ihrer Abnehmer die Produktion eher wieder aufgenommen hätte als tatsächlich geschehen, liegen keine Anhaltspunkte vor.

e) Die Frage, ob ein Verschulden der Beklagten schon dann entfällt, wenn sie auch nur eines der beiden Gebrauchsmuster, auf die sie die Verwarnung gestützt hat, für rechtsbeständig halten durfte, hat das Berufungsgericht zutreffend mit der Begründung bejaht, daß ein auf zwei Schutzrechte gestützter einheitlicher Unterlassungsanspruch schon dann gerechtfertigt ist, wenn eines der beiden Schutzrechte den Anspruch trägt, und daß der Verwarnende demgemäß nicht schuldhaft handelt, solange er auf den Rechtsbestand eines der beiden Schutzrechte vertrauen darf. Da die Beklagte - wie dargetan - auf Grund sorgfältiger Prüfung und daher ohne Verschulden zu der Überzeugung gelangt war, daß jedenfalls das Gebrauchsmuster Nr ... sich als rechtsbeständig erweisen werde, kommt es nicht darauf an, ob die Beklagte möglicherweise hätte erkennen können, daß das gleichzeitig geltend gemachte Gebrauchsmuster Nr ... keinen Bestand haben werde.

Und nun die oben mehrfach erwähnte Kindernähmaschinenentscheidung:

Gericht: BGH 1. Zivilsenat, Datum: 05.11.1962, Az: I ZR 39/61

Leitsatz

Zur Haftung auf Grund Eingriffs in das Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb, begangen durch Verwarnung und Klage auf Unterlassung und Schadenersatz aus einem Gebrauchsmuster, das später rückwirkend gelöscht worden ist. ("Kindernähmaschinen")

Fundstelle

BGHZ 38, 200-208 (LT1)

Tatbestand

Die Parteien sind Spezialfabriken für die Herstellung von Kindernähmaschinen; sie stehen hierin seit Jahrzehnten in Wettbewerb. Die Klägerin erwirkte am 1. September 1953 die Eintragung des Gebrauchsmusters Nr 1.663.900 für eine solche Maschine mit mehrern Schutzansprüchen. Schutz war danach insbesondere für einen elektrischen Antrieb, namentlich für Niederspannung, sowie für die Anbringung der Antriebselemente unterhalb der Sockelplatte beansprucht.

Am 2. September 1953 ließ die Klägerin durch Patentanwalt Dr. X die Beklagte auf ihr Gebrauchsmuster hinweisen und ihr mitteilen, sie habe festgestellt, daß die Beklagte es durch Lieferung von Maschinen verletze. Die Beklagte antwortete durch ihren Patentanwalt Y mit einer Bitte um nähere Angaben, worin die Klägerin die Rechtsverletzung erblicke und welches Modell sie beanstande. Daraufhin übersandte die Klägerin am 14. September 1953 Kopien der Eintragungsunterlagen. In seiner Antwort wies Patentanwalt Y darauf hin, der Anspruch 1 werde der Löschung verfallen, wenn dafür nicht eine um einige Jahre ältere Priorität beansprucht werden könne. Daraufhin drohte die Klägerin am 28. September 1953 einen Rechtsstreit an. Die Beklagte erwiderte mit dem Hinweis, die interessierenden Merkmale des Gebrauchsmusters seien in öffentlichen Druckschriften und Katalogen bereits vor dem Anmeldetage bekanntgemacht worden.

Mit der daraufhin eingereichten Klage beantragte die Klägerin Verurteilung der Beklagten zur Unterlassung der Herstellung und des Vertriebes der fraglichen Kindernähmaschinen, die gegen die Ansprüche 1 - 4 des Gebrauchsmusters verstießen, sowie ferner zur Vernichtung und Einziehung der darauf bezüglichen Werbeprospekte und Geschäftsunterlagen, zur Rechnungslegung und zum Schadensersatz.

Die Beklagte begehrte Abweisung dieser Klage und stellte alsbald ihrerseits beim Patentamt Antrag auf Löschung des Gebrauchsmusters. Dieser Antrag führte im ersten Rechtszuge zu einer teilweisen, im zweiten Rechtszuge zur völligen Löschung des Gebrauchsmusters. Darauf erklärte die Klägerin, die vorliegende Klage zurückzunehmen; die Beklagte verweigerte jedoch die dazu erforderliche Zustimmung und erhob Widerklage auf Schadensersatz wegen unberechtigter Verwarnung. Die Klägerin habe sich eines Eingriffs in den Gewerbebetrieb der Beklagten schuldig gemacht. Ihr, der Beklagten, sei zunächst nur übriggeblieben, die beanstandete Produktion einzustellen, weil das Risiko für sie besonders dann zu groß gewesen sei, wenn die Klägerin, was auf Grund ihres früheren Verhaltens in anderen Fällen zu befürchten gewesen sei, ihre vermeintlichen Rechte auch gegenüber Abnehmern der Beklagten geltend gemacht hätte.

Die Klägerin hat geltend gemacht, die Beklagte habe den behaupteten Eingriff in ihren Gewerbebetrieb selber aus freien Stücken vorgenommen; ihr, der Klägerin, könne auch kein Verschulden vorgeworfen werden; die sachkundige Gebrauchsmusterabteilung des Patentamts habe das Gebrauchsmuster mit zwei geänderten Ansprüchen aufrechterhalten; auch der Beschwerdesenat habe lediglich die Erfindungshöhe verneint.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen, der Widerklage voll stattgegeben und in den Gründen ausgeführt, daß die Beklagte ein Viertel ihres Schadens wegen mitwirkenden Verschuldens selbst zu tragen habe. Dagegen hat die Klägerin nur wegen der Widerklage Berufung eingelegt, mit der sie deren Abweisung beantragt hat. Das Berufungsgericht hat durch Zwischenurteil die Berufung insoweit zurückgewiesen, als sie sich gegen den Grund des Widerklageanspruchs richtet. Die Revision der Klägerin blieb ohne Erfolg.

Entscheidungsgründe

I. Das Berufungsgericht hält den Klageanspruch nach § 823 Abs 1 BGB dem Grunde nach für gerechtfertigt; die Klägerin habe einen rechtswidrigen und schuldhaften Eingriff in den Gewerbebetrieb der Beklagten vorgenommen, durch den dieser ein Schaden entstanden sei; der Schaden sei durch ein Mitverschulden der Beklagten jedenfalls nicht zu mehr als einem Viertel verursacht worden.

Während das Landgericht schon die Schreiben der Klägerin vom 2., 14. und 28. September 1953 als solche Eingriffe erachtet hatte, hat das Berufungsgericht insoweit Bedenken geäußert; es hat diese Frage aber dahingestellt gelassen, da die Schreiben die Beklagte noch nicht veranlaßt hätten, Herstellung oder Vertrieb der fraglichen Waren zu beschränken; diese Wirkung habe vielmehr erst die Unterlassungsklage selbst gehabt. Diese stelle aber die stärkste Form der Verwarnung und deshalb erst recht einen Eingriff in den Gewerbebetrieb dar, zumal die Unterlassungsklage hier noch mit Anträgen auf Vernichtung bzw Einziehung der zugehörigen Geschäftsunterlagen verbunden gewesen sei. Das Vorbringen der Klägerin, nicht sie, sondern die Beklagte habe durch eigenen, weder durch Täuschung, noch durch Drohung oder Zwang beeinflußten Willensentschluß den Eingriff in ihren Gewerbebetrieb herbeigeführt, hält das Berufungsgericht für unvereinbar mit den Grundsätzen der kausalen Zurechnung; es weist diesem Vorbringen deshalb nur einen Platz im Rahmen des Einwandes mitwirkenden Verschuldens zu. Die Rechtswidrigkeit des Eingriffs bejaht das Berufungsgericht mit dem Hinweis auf die rückwirkende Löschung des Gebrauchsmusters, auf das die Klage gegründet gewesen sei.

II. Die Revision führt aus, auf das in den Vorinstanzen behandelte Problem der Haftung aus rechtswidriger schuldhafter Schutzrechtsverwarnung komme es für die Entscheidung nicht an, da die drei Schreiben der Klägerin nach den Feststellungen des Berufungsgerichts keinen Schaden verursacht hätten. Es gehe deshalb allein um die Frage, ob die Klagepartei schadensersatzpflichtig werde, wenn sie das Gericht unter Darlegung des zutreffenden Sachverhalts um die Entscheidung einer Rechtsfrage bitte. Die Klage unter Darlegung des vollständigen Sachverhalts sei die von der Rechtsordnung vorgesehene Art, rechtliche Zweifel zu klären; die beklagte Partei müsse die Entscheidung abwarten und sei durch die im Verfahren gegebenen Möglichkeiten hinreichend geschützt. Wenn das Reichsgericht in der Erhebung einer Unterlassungs- und Schadensersatzklage einen rechtswidrigen Eingriff in den Gewerbebetrieb des Beklagten gesehen habe (GRUR 1939, 787, 789), so könne diese für den Fall einer veröffentlichten, später aber zurückgewiesenen Patentanmeldung entwickelte Rechtsauffassung jedenfalls für das Gebrauchsmuster nicht übernommen werden, da hier der Verletzungsrichter den rechtlichen Bestand des Schutzrechts uneingeschränkt zu prüfen habe.

III. Diese Angriffe können im Ergebnis keinen Erfolg haben.

1. Die Widerklage betrifft die Haftung aus einem unberechtigten, auf die Behauptung eines gewerblichen Schutzrechts gestützten und an den Inhaber eines eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetriebes gerichteten, ernsthaften und endgültigen Unterlassungsbegehrens. Der Fall eines bloßen vorbereitenden Meinungsaustausches über die patent- oder gebrauchsmusterrechtliche Lage steht also nicht zur Entscheidung. Zutreffend hat das Berufungsgericht diesen Tatbestand unter dem Gesichtspunkt des Eingriffes in den Gewerbebetrieb im Rahmen des § 823 Abs 1 BGB geprüft. Diese Haftung tritt zwar wegen ihres subsidiären Charakters nur ein, wenn eine andere Rechtsgrundlage nicht gegeben ist und der Zusammenhang der auf dem jeweiligen Rechtsgebiet geltenden Normen ergibt, daß eine Lücke besteht, die mit Hilfe des § 823 Abs 1 BGB geschlossen werden darf (BGHZ 36, 252, 256 - Gründerbildnis; von Caemmerer, Hundert Jahre deutsches Rechtsleben, Bd II S 49, 90ff). Diese Voraussetzungen sind aber hier gegeben. (Wird ausgeführt).

2. Die Schutzrechtsverwarnung des nur vermeintlich Berechtigten stellt an sich nur einen Fall des unberechtigten Leistungsbegehrens dar. Die dadurch bewirkte Leistung kann im allgemeinen, auch wenn der Fordernde mit einer Scheinrechtsstellung ausgestattet ist, nur als ungerechtfertigte Bereicherung zurückgefordert werden (BGHZ 36, 18, 20; so auch RG BlPMZ 1903, 229, 230 für den Fall einer Zahlung auf Grund nichtbestehenden gewerblichen Schutzrechts). Im Regelfall kann daher Schadensersatz nur unter den Voraussetzungen der §§ 823 Abs 2, 826 BGB gefordert werden, und nur Besonderheiten des Tatbestandes können eine Ausnahme rechtfertigen. Solche sind aber bei der auf Unterlassung gerichteten Schutzrechtsverwarnung dann gegeben, wenn sie sich an den Inhaber eines Gewerbebetriebes richtet. Entscheidend sind insoweit die einschneidenden Wirkungen, die ein solches Unterlassungsbegehren für den Inhaber eines Gewerbebetriebes in aller Regel zur Folge hat; diese Wirkungen gehen über die Folgen, denen der zu Unrecht als Schuldner in Anspruch Genommene im allgemeinen ausgesetzt ist, wesentlich hinaus und könnten durch einen Bereicherungsanspruch schon deshalb nicht angemessen ausgeglichen werden, weil regelmäßig nicht nachgewiesen werden könnte, daß gerade dem Verwarner dasjenige zugeflossen ist, was dem Verwarnten infolge der Verwarnung entzogen worden ist. Die Schutzrechtsverwarnung stellt den Verwarnten insbesondere vor die Frage, ob der Herstellung bzw Vertrieb der umstrittenen Erzeugnisse fortsetzen soll; dabei stößt die Beurteilung der patentrechtlichen Lage fast immer auf beträchtliche Schwierigkeiten, deren Überwindung Zeit fordert. Andererseits haftet der Verwarnte, wenn er seinen Betrieb insoweit ungeachtet der Verwarnung fortsetzt, nach einem durch die Besonderheiten der Verhältnisse gebotenen, in der Rechtsprechung schon des Reichsgerichts von jeher angelegten scharfen Verschuldensmaßstabe; vor allem hat er aber Schadensersatz nach einem besonderen Maß zu leisten: er haftet nach Wahl des Verletzten auf Herausgabe des von ihm erzielten Gewinnes auch dann, wenn der Verletzte diesen nicht hätte machen können (RGZ 70, 249, 251). Namentlich diese letztgenannte, gewohnheitsrechtlich begründete Schadensberechnung stellt den Verwarnten in diesen Fällen in ganz anderer Weise als sonst einen zu Unrecht als Schuldner in Anspruch Genommenen vor die Frage, ob er dem Unterlassungsbegehren Folge leisten soll; sie nötigt ihn zu einem weitreichenden, unmittelbar die Fortsetzung des Betriebes im ganzen oder auf einem Teilgebiete betreffenden Entschluß. Diese besonderen Umstände haben zu der Forderung nach einer Gefährdungshaftung des Verwarners entsprechend §§ 945, 717 Abs 2 ZPO geführt. Geht diese Forderung auch zu weit, weil ein derartiges Risiko die Inhaber auch wohlbegründeter gewerblicher Schutzrechte von der Wahrnehmung ihrer Rechte abhalten könnte (RG GRUR 1939, 787, 789), so läßt die ernstliche Erwägung dieses Gedankens doch erkennen, daß dem schutzwürdigen Interesse des zu Unrecht Verwarnten in diesen Fällen durch eine bloße Bereicherungshaftung und durch eine Haftung nach §§ 823 Abs 2, 826 BGB, § 1 UWG nicht hinreichend Rechnung getragen werden könnte. Nach alledem muß an der ständigen bisherigen Rechtsprechung festgehalten werden, in der das Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb gerade wegen der Besonderheiten der unberechtigten Schutzrechtsverwarnung entwickelt worden ist (RGZ 58, 24, 29; vgl die Nachweisungen bei BGB-RGRK, 11. Aufl, Anm 27 zu § 823 BGB; von Caemmerer aaO S 84), und die der erkennende Senat übernommen hat (BGHZ 2, 387, 393 Mülltonnen; BGHZ 13, 210, 216 = GRUR 1954, 391, 393 - Prallmühle I).

3. Die von der Revision geleugnete Rechtswidrigkeit des Vorgehens der Klägerin ergibt sich grundsätzlich aus der Rückwirkung der Gebrauchsmusterlöschung (RG GRUR 1934, 666 667; BGH GRUR 1955, 573, 574). Es kommt hierfür nicht darauf an, ob der Verwarner in gutem Glauben an den Bestand des Rechts gehandelt hat. Auch die von der Revision angeführte Entscheidung des II. Zivilsenats des Reichsgerichts vom 6. März 1931 (GRUR 1931, 640, 641) geht hiervon aus. Lediglich in der vorangegangenen, vereinzelt gebliebenen Entscheidung desselben Senats vom 16. Mai 1930 (MuW 1930, 441, 443) war abweichend auf den guten Glauben abgestellt und zur Begründung auf den inzwischen außer Kraft getretenen § 35 PatG verwiesen worden, der die Ersatzhaftung auf Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit beschränkte. Diese Ansicht ist aber alsbald in Übereinstimmung mit der früheren ständigen Rechtsprechung wieder aufgegeben worden (RGZ 141, 336, 338; RG GRUR 1942, 54, 55; vgl auch Baumbach/Hefermehl, Wettbewerbs- und Warenzeichenrecht, 8. Aufl Anm 8 zu § 14 UWG; Reimer, Wettbewerbs- und Warenzeichenrecht, 3. Aufl Kap 97, S 726). Folgerichtig hat die Rechtsprechung dem objektiv zu Unrecht Verwarnten auch stets den im gewerblichen Rechtsschutz unentbehrlichen Unterlassungsanspruch gegen weitere Verwarnungen ohne Rücksicht darauf gewährt, ob der Verwarner selbst nach sorgfältigster Prüfung von der Berechtigung seines eigenen Rechtsstandpunktes überzeugt sein durfte (RG GRUR 1936, 100, 102 re Sp; RG MuW 1940, 161, 162, 164; RG GRUR 1942, 54, 55). Die Ausführungen der Revision geben keinen Anlaß, hiervon abzugehen. Für den Bereich der gewerblichen Schutzrechte gebietet schon die große praktische Bedeutung der vorbeugenden Unterlassungsklage gegenüber Schutzrechtsverwarnungen, die Frage der Rechtswidrigkeit weiterhin nach objektiven Gesichtspunkten zu beantworten. Auch für die Rechtswidrigkeit der auf ein vermeintliches Schutzrecht geschützten Klage kann nichts anderes gelten, als für die der außerhalb eines Rechtsstreits erklärten Verwarnung (Baur, JZ 1962, 95). Einer unterschiedlichen Behandlung stehen schon zwingende praktische Gründe entgegen; wer sofort klagt, kann rechtlich nicht besser gestellt werden, als wer zur Klärung der Sach- und Rechtslage zuvor verwarnt. Die außerprozessuale Verwarnung bildet gerade wegen ihrer klärenden, streitvermeidenden Bedeutung einen unentbehrlichen, besonders wichtigen Bestandteil des Rechtslebens auf dem Gebiete der gewerblichen Schutzrechte (vgl Dietze, Mitt 1960, 101ff; Reimer, Mitt 1960, 107; Zeller, Gebrauchsmusterrecht 1952, S 424). Würde man den Schutzrechtsinhaber bei sofortiger Klageerhebung von der Ersatzpflicht nach § 823 Abs 1 BGB freistellen, so müßte eine solche unbegründete Bevorzugung den Rechtsfrieden gefährden und zu einer untragbaren Rechtsunsicherheit auf dem Gebiete des gewerblichen Rechtsschutzes führen. Überdies erhält die Verwarnung in aller Regel ihre Bedeutung und Wirkung nur durch die hinter ihr stehende Möglichkeit der Unterlassungsklage; auch deshalb kann nicht die Verwarnung als rechtswidrig, die entsprechende Klage dagegen als rechtmäßig angesehen werden. Folgt der Verwarnung die entsprechende Klage, so wäre es deshalb auch kaum möglich, eine einigermaßen sichere Feststellung dahin zu treffen, die Verwarnung, nicht aber die Klage habe die Betriebseinstellung verursacht.

Auch der von der Revision in anderem Zusammenhang vorgetragene, an sich zutreffende Gedanke, daß der Verwarnte seine Rechtsstellung verteidigen müsse und nicht voreilig nachgeben dürfe, führt zu demselben Ergebnis; er unterstreicht die Notwendigkeit, denjenigen Verwarnten, der sich nicht schon der Verwarnung, sondern - wie hier der Beklagte - erst der Klageerhebung beugt, nicht schlechter zu stellen, soweit der Anspruch auf Schadensersatz wegen unberechtigter Verwarnung in Betracht kommt.

Der von der Revision geltend gemachte Grundsatz, daß niemand durch die wahrheitsgemäß - gemeint ist offenbar: nur subjektiv wahrhaftig, objektiv aber unzutreffend - begründete Bitte um Rechtsschutz rechtswidrig handeln könne, trifft zwar aus den für die außerhalb des Rechtsstreits erklärte Verwarnung dargelegten Gründen an sich zu. So hat der Bundesgerichtshof in einem unberechtigten Rückerstattungsverlangen keinen widerrechtlichen Eingriff in den Gewerbebetrieb gesehen, dieses Ergebnis allerdings mit der Verneinung der Unmittelbarkeit des Eingriffs gewonnen (LM Nr 4 zu BGB § 823 (Da)); auch ist angenommen worden, daß in der Erhebung einer Feststellungsklage keine verbotene Eigenmacht oder sonstige Rechtsverletzung liege (BGHZ 20, 169, 171); für den Fall des unbegründeten Konkursantrages ist schließlich allgemeiner ausgesprochen worden, daß dadurch, wie im Falle der unbegründeten Klage, das Recht am eingerichteten Gewerbebetrieb nicht verletzt werde (BGHZ 36, 18, 20 = JZ 1962, 94). In allen diesen Fällen ist jedoch die Interessenlage aus den bereits unter 2) dargelegten Gründen völlig anders als bei der unberechtigten Schutzrechtsverwarnung und der ihr entsprechenden Unterlassungsklage.

Nach alledem hält der Senat an der Rechtsprechung des Reichsgerichts fest, die den Fall der Klageerhebung mit der vorherigen Verwarnung gleichgestellt hat (RG GRUR 1939, 787, 789; ebenso Baur aaO; Staudinger/Werner, BGB 10./11. Aufl, Vorbem 89 zu §§ 275 - 292, S 323 oben).

Später sind dem 1. Zivilsenat des BGH Zweifel an der Richtigkeit seiner Rechtsprechung gekommen. Er legte durch Beschluss vom 12. August 2004 (I ZR 98/02) dem Großen Senat für Zivilsachen die Frage zur Entscheidung vor: „Kann eine unbegründete Verwarnung aus einem Kennzeichenrecht bei schuldhaftem Handeln als rechtswidriger Eingriff in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb gemäß § 823 Abs. 1 BGB zum Schadensersatz verpflichten oder kann sich eine Schadensersatzpflicht, falls nicht § 826 BGB eingreift, nur aus dem Recht des unlauteren Wettbewerbs (§ 3, § 4 Nrn. 1, 8 und 10, § 9 UWG) ergeben?“

Die Antwort des Großen Zivilsenats findet sich in einem Beschluss vom 15. Juli 2005 (GSZ 1/04). Sie belässt es bei der beschriebenen Rechtslage. Die unberechtigte Schutzrechtsverwarnung ist ein Eingriff in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb.

Unberechtigte Verfahrenseinleitungen

Die unberechtigte Schutzrechtsverwarnung ist ein Sondertatbestand der unberechtigten Wahrnehmung von Verfahrensrechten. Während die Rechtsprechung den Schutz vor unberechtigten Schutzrechtsverwarnungen ohne weiteres anerkennt, hält sie sich bei unberechtigten Verfahrenseinleitungen (Klagen, Strafanzeigen, Konkursanträge) bedeckt und ist nur in Ausnahmesituationen bereit, über §§ 826 BGB, 1 UWG a.F. Schutz zu gewähren.

Gericht: BGH 6. Zivilsenat, Datum: 03.10.1961, Az: VI ZR 242/60

Leitsatz

Fundstelle

BGHZ 36, 18-24 (LT1)

Tatbestand

Die Klägerin betreibt den Einbau von Heizungsanlagen und sanitären Einrichtungen. Sie bezog seit 1955 das hierfür benötigte Material großenteils von der Beklagten, die ihr Ende 1956 drei Monate Zahlungsziel gegen die persönlichen Bürgschaften ihrer damaligen beiden Gesellschafter einräumte. Zu der außerdem als Sicherung in Aussicht genommenen Bestellung einer Hypothek an dem Hausgrundstück eines der Gesellschafter kam es nicht; das Grundstück wurde verkauft. Hierüber und wegen der Zahlungsweise der Klägerin entstanden Meinungsverschiedenheiten, die schließlich zum Abbruch der Geschäftsbeziehungen führten.

Die Beklagte ließ am 26. August 1957 durch ihre Anwälte der Klägerin schreiben, sie möge ihre insgesamt 94.388,96 DM betragende Verbindlichkeit bis zum 2. September 1957 begleichen oder eindeutige Vorschläge zur Sicherung dieser Forderung machen; wenn bis zur Frist weder Zahlung geleistet noch Sicherheit erbracht sei, müsse die Beklagte annehmen, daß bei der Klägerin die Voraussetzungen des Konkurses eingetreten seien, und gegebenenfalls seine Eröffnung beantragen. Die Klägerin erhob Einwendungen zur Höhe der Forderung, zahlte jedoch im September 1957 binnen sechzehn Tagen 40.000 DM und gab Wechsel für 10.000 DM her, die später eingelöst wurden. Nach weiteren Anschaffungen der Klägerin und zwei Mahnschreiben der Beklagten, in denen sie sich auf die angekündigte Maßnahme bezog, machte die Beklagte Anfang November 1957 noch eine Restforderung von 11.235,74 DM geltend. Als sie keine Zahlung erhielt, stellte sie ihretwegen am 13. November 1957 Konkursantrag gegen die damals als GmbH betriebene Klägerin. Diese legte dem Amtsgericht einen Status zum 30. November 1957 vor, der ein Vermögen von 493.661,18 DM auswies. Sodann zahlte sie am 7. Dezember 1957 durch Scheck 9.990,24 DM an die Beklagte unter Bestreiten einer weitergehenden Verbindlichkeit. Die Beklagte nahm daraufhin den Konkursantrag zurück.

Die Klägerin hat die Feststellung begehrt, daß die Beklagte ihr den durch den Konkursantrag zugefügten Schaden ersetzen müsse. Sie hat behauptet, infolge der bekannt gewordenen Antragstellung geschäftliche Verluste erlitten zu haben, die sie im einzelnen noch nicht übersehen könne. Die gesetzlichen Voraussetzungen für die Eröffnung eines Vergleichs- oder Konkursverfahrens seien bei ihr niemals gegeben gewesen. Das habe die Beklagte auch gewußt, mindestens aber unschwer erkennen können. Dieser sei es in Wirklichkeit nur darum zu tun gewesen, ihre teilweise streitige Forderung schneller als im Klage- und Vollstreckungswege durchzusetzen. Die Beklagte hat dies bestritten und auf Umstände verwiesen, aus denen die objektive Konkursreife der Klägerin hervorgegangen, wenigstens aber eine dahingehende Überzeugung zu gewinnen gewesen sei. Sie hat weiter behauptet, sofern die Klägerin überhaupt einen Schaden erlitten habe, sei er auf Mitteilung über den - sonst nicht veröffentlichten - Konkursantrag zurückzuführen, wie sie unstreitig die Klägerin selbst Dritten gegenüber gemacht habe. Im übrigen hat die Beklagte die Ansicht vertreten, daß ihr eine unerlaubte Handlung nicht vorgeworfen werden könne, da sie als Gläubigerin lediglich einen ihr gesetzlich eröffneten Weg beschritten habe, der wegen der Berücksichtigung ihrer Eigentumsvorbehalte im Konkurs auch sinnvoll gewesen sei.

Nach Einholung eines Sachverständigengutachters, in welchem die Konkursvoraussetzungen für den Zeitpunkt der Antragstellung verneint worden sind, hat das Landgericht der Klage stattgegeben. Die hiergegen gerichtete Berufung der Beklagten ist erfolglos geblieben.

Die Revision der Beklagten führte zur Aufhebung und Zurückverweisung.

Entscheidungsgründe

Das Berufungsgericht hat - ebenso wie das Landgericht - in dem Konkursantrag einen unerlaubten Eingriff der Beklagten in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb der Klägerin erblickt. Es hat festgestellt, daß der Antrag tatsächlich nicht begründet war, und ausgeführt, daher sei das Vorgehen der Beklagten rechtswidrig gewesen. Die Beklagte habe auch zumindest fahrlässig gehandelt; denn wenn sie die - im einzelnen erörterten - Umstände mit der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns objektiv und unter Abwägung der beiderseitigen Interessen geprüft hätte, statt sich auf Vermutungen zu verlassen, hätte sie erkennen müssen, daß ihr Antrag unberechtigt war und daß sie mit ihm widerrechtlich in den geschützten Rechtskreis der Klägerin eingriff. Für den von der Klägerin unter Beweisantritt behaupteten Schaden spreche eine hohe Wahrscheinlichkeit, weil ein Unternehmen, gegen das ein Konkursantrag gestellt sei, nach der Lebenserfahrung von seinen Geschäftspartnern nicht mehr als zahlungs- und leistungsfähig angesehen werde. Wegen der zumindest ursprünglich nicht übersehbaren Höhe des Schadens sei die Feststellungsklage zulässig; sachlich sei sie nach § 823 Abs 1 BGB begründet.

Dem kann nicht beigetreten werden.

Wer sich zum Vorgehen gegen seinen Schuldner eines staatlichen, gesetzlich eingerichteten und geregelten Verfahrens bedient, greift auch dann nicht unmittelbar und rechtswidrig in den geschützten Rechtskreis des Schuldners ein, wenn sein Begehren sachlich nicht gerechtfertigt ist und dem anderen Teil aus dem Verfahren Nachteile erwachsen. Der Gläubiger ist deshalb nicht verpflichtet, zuvor mit Sorgfalt zu prüfen, ob er sich zur Ingangsetzung des Verfahrens für berechtigt halten darf, oder gar seine Interessen gegen die des Schuldners abzuwägen. Den Schutz des Schuldners, gegebenenfalls auch durch Interessenabwägung, übernimmt vielmehr das Verfahren selbst nach Maßgabe seiner gesetzlichen Ausgestaltung. Diese sieht teilweise Schadensersatzansprüche des Schuldners bei ungerechtfertigter Inanspruchnahme vor, so bei der Vollstreckung aus einem nur vorläufig vollstreckbaren, später aufgehobenen oder abgeänderten Urteil (§ 717 Abs 2 ZPO) oder bei der Vollziehung eines von Anfang an ungerechtfertigten Arrestes (§ 945 ZPO). Wo solche Sanktionen fehlen, sind sie nicht durch einen Rückgriff auf § 823 Abs 1 BGB zu ersetzen, schon weil es an der Rechtswidrigkeit mangelt. So können aus der objektiv unbegründeten Erwirkung eines Zahlungsbefehls oder Anstrengung einer Klage dem Betroffenen Nachteile über den Kostenpunkt hinaus erwachsen, ohne daß er dieserhalb den Gläubiger oder Kläger in Anspruch zu nehmen vermöchte. Anders ist es nur bei der vorsätzlichen, sittenwidrigen Schadenszufügung durch ein mit unlauteren Mitteln betriebenes Verfahren, wie im Falle des Prozeßbetrugs oder auch der mit unwahren Angaben erschlichenen Konkurseröffnung. Alsdann gründet sich die Haftung des Schädigers jedoch auf § 826 BGB.

Die Beklagte hat nach den Feststellungen einen - wie sich nachträglich erwies - sachlich nicht gerechtfertigten Konkursantrag gegen die Klägerin gestellt. Sie hat hierdurch das Zulassungs- und Prüfungsverfahren nach § 105 KO in Gang gesetzt. Dieses Verfahren ist eigens vorgeschaltet, um den Schuldner vor den schweren Nachteilen zu bewahren, welche eine schematische Eröffnung des Konkurses in der Regel mit sich bringen würde, auch wenn alsbald seine Einstellung erfolgte. Hier prägt sich die oben gekennzeichnete Schutzinfektion deutlich aus. Die Prüfung, ob der Konkursantrag zulässig und begründet ist, findet von Amts wegen mit der Möglichkeit einer objektiven Klärung statt. Diese zu veranlassen, ist auch im Falle eines unbegründeten Antrags weder rechtswidrig noch der Sache nach ein unmittelbarer Eingriff des Gläubigers in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb des Schuldners. Damit soll nicht verkannt werden, daß auch schon die Einleitung des Zulassungs- und Prüfungsverfahrens Nachteile für den Schuldner mit sich bringen kann. Diese müssen jedoch von ihm hingenommen werden. Ob die Beklagte das Fehlen der Konkursvoraussetzungen hätte erkennen können, ist mithin ohne Belang.

Die Rechtsprechung, welche eine sorgfältige und zutreffende Interessenabwägung vor dem Eingriff in die gewerbliche Freiheit eines anderen verlangt hat, läßt sich entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts hier nicht heranziehen. Denn in den dort entschiedenen Fällen hatte der Schädiger nicht ein objektives, seiner Willkür entzogenes und mit gesetzlichen Sicherungen ausgestattetes Verfahren in Gang gesetzt, sondern selbst und unmittelbar in eine freie gewerbliche Betätigung eingegriffen, wie durch öffentliches Abraten von dem Bezug einer Zeitschrift (BGHZ 3, 270) oder durch Warnung beteiligter Handelskreise vor der "langsamen" Zahlungsweise eines Abnehmers (BGHZ 8, 142). Das Berufungsgericht hat diese Fälle dem vorliegenden mit der Begründung gleichzusetzen gesucht, der Eingang eines jeden Konkursantrags spreche sich nach der Lebenserfahrung schnell herum. Wenn dem so wäre, dann handelte es sich bei dem Ruchbarwerden gerade nicht um einen vom Gläubiger unmittelbar und rechtswidrig vorgenommenen Eingriff, sondern um die unerwünschte Nebenfolge eines gesetzlich ausgestalteten Verfahrens, durch die auch bei fahrlässiger, objektiv unbegründeter Antragstellung eine Schadensersatzpflicht des Gläubigers nicht ausgelöst werden könnte.

Indessen ist ein Erfahrungssatz so allgemeinen Inhalts nicht anzuerkennen. Auch das Berufungsgericht gibt für ihn keine Anhalte oder Erläuterungen. Von Amts wegen bekannt zu machen ist nicht der Eingang des Konkursantrags, sondern erst der Eröffnungsbeschluß nach Maßgabe von §§ 111ff KO. Inwieweit die Öffentlichkeit dennoch im Falle wirklicher Insolvenz schon früher Kenntnis zu erlangen pflegt, weil eine gesteigerte Aufmerksamkeit der Gläubiger und sonstiger Interessenten darauf gerichtet ist, kann hier dahinstehen. Daß jedoch auch der unbegründete und alsbald zurückgenommene Antrag eines vereinzelten Gläubigers gegen einen solventen Schuldner unweigerlich an die Öffentlichkeit dringt, selbst wenn mit ihm gar nicht die Konkurseröffnung, sondern die Beitreibung einer Forderung bezweckt wird, ist allein schon wegen des Ausnahmecharakters eines solchen Vorgehens kein Satz der Lebenserfahrung. Das Amtsgericht hatte vorliegend auch noch keine über die Anhörung des Schuldners hinausgehenden Ermittlungen angestellt, die weitere Kreise ziehen und ein Bekanntwerden hätten fördern können. Alsdann bleibt es möglich, wie dies die Klägerin auch ausdrücklich behauptet hatte, daß erst die Beklagte die Nachricht verbreitet hat. Ein solcher Sachverhalt könnte aber den Anspruch der Klägerin begründen, der ausschließlich auf den Ersatz des Schadens gerichtet ist, den sie durch das Bekanntwerden des Antrags der Beklagten erlitten haben will.

Ein Gläubiger, der fahrlässig einen unbegründeten Konkursantrag gegen seinen Schuldner stellt, handelt, wenn er die Tatsache seiner Antragstellung verbreitet, damit nicht der Wahrheit zuwider, so daß er nicht wegen Kreditgefährdung nach § 824 BGB haftet. Die Bekanntgabe einer wahren Tatsache kann jedoch eine Verletzung des durch § 823 Abs 1 BGB geschützten Rechtes am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb darstellen (vgl BGHZ 8, 142). Sollte die Beklagte in der genannten Weise vorgegangen sein, so läge der unmittelbare und rechtswidrige Eingriff zwar nicht in der Stellung des Konkursantrages, möglicherweise aber - selbständig - in der ungerechtfertigten Mitteilung an Dritte. Denn dem Berufungsgericht ist darin beizutreten, daß allein schon die Information der Gesprächspartner über einen gestellten Konkursantrag, mag dieser sich auch demnächst als unbegründet erweisen, geeignet ist, die freie Entfaltung des betroffenen Gewerbebetriebes zu beeinträchtigen. Eine solche Mitteilung ist noch konkreter und gefährlicher als die in BGHZ 8, 142 behandelte, ebenfalls an sich wahre Nachricht, daß ein Unternehmen ein "langsamer Zahler" sei. Den Gläubiger, der sie verbreiten will, trifft deshalb die in dieser Entscheidung und schon in BGHZ 3, 270 geforderte Prüfungs- und Aufklärungspflicht. Dabei würde es ihn nicht schon freistellen, daß er seinen Konkursantrag für begründet halten durfte; die Rechtswidrigkeit müßte vielmehr für den Eingriff selbst, also die Verbreitung der Nachricht, zu verneinen sein.

Die Ansicht des Berufungsgerichts, daß es bei erweislicher Unbegründetheit und Fahrlässigkeit der Antragstellung nicht mehr darauf ankomme, ob und inwieweit die Beklagte die Tatsache ihres Konkursantrages verbreitet hat, stellt demnach einen Rechtsirrtum dar. Da das angefochtene Urteil auf ihm beruht, mußte es aufgehoben und die Sache zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverweisen werden.

Schäden durch fehlerhafte Informationen und Auskünfte

Beim Schutz vor Schäden durch fehlerhafte Informationen und Auskünfte greift die Rechtsprechung nicht auf das Deliktsrecht zurück, sondern versucht, vertragliche Schadensersatzansprüche zu begründen. Das ist indessen mit einigen Schwierigkeiten verbunden. Zum einen fehlt es häufig schon im unmittelbaren Verhältnis zwischen dem Auskunftserteiler und dem Auskunftsempfänger an einer vertraglichen Bindung. Zum anderen nutzen häufig auch dritte Personen die fehlerhaften Auskünfte zu schädigenden geschäftlichen Dispositionen. Wenn man hier das Vertragsrecht strapaziert, muss man im ersten Bereich zu stillschweigenden Auskunftsverträgen und im zweiten Bereich zu Verträgen mit Schutzwirkungen zu Gunsten Dritter (§ 311 Abs. 3 BGB) Zuflucht nehmen.

Um etwa Dritte in den Schutzbereich eines auf Erstellung und Testat der Zwischenbilanz eines Unternehmens gerichteten Vertrags einzubeziehen, genügt es, nach dem Bundesgerichtshof, wenn dem testierenden Steuerberater erkennbar war, dass die Ausarbeitung als Entscheidungsgrundlage für einen Dritten, Käufer oder Kreditgeber (Bank) bestimmt war (BGH, Urt. v. 26. November 1986, IVa ZR 86/85, NJW 1987, 1758).

Um die Haftung des Vermittlers von Kapitalanlagen für die Richtigkeit der Angaben, die er über das Anlageprojekt selbst gemacht hat oder die in von ihm versandten Werbeprospekten enthalten sind, geht es in der folgenden Entscheidung:

Gericht: BGH 7. Zivilsenat, Datum: 22.03.1979, Az: VII ZR 259/77

Leitsatz

Zur Haftung des Vermittlers von Kapitalanlagen für die Richtigkeit der Angaben, die er über das Anlageobjekt selbst gemacht hat oder die in von ihm versandten Werbeprospekten enthalten sind.

Orientierungssatz

Der Vermittler von Kapitalanlagen haftet sowohl aus Beratungsvertrag als auch im Rahmen eines vorvertraglichen Vertrauensverhältnisses für die Richtigkeit der Angaben, die er über das Anlageobjekt selbst gemacht hat oder die in von ihm überreichten Werbeprospekten enthalten sind, wenn er gegenüber den Interessenten besonders vertrauenswürdig auftritt und diese erwarten durften, daß er die Angabe selbständig geprüft und für richtig befunden hat. (Vergleiche BGH, 1974-11-06, VIII ZR 207/72, LM Nr 14 zu § 676 BGB)

Fundstelle

BGHZ 74, 103-116 (LT1-2)

NJW 1979, 1449-1452 (LT1-2)

JZ 1979, 438-441 (LT1-2)

Rechtszug:

vorgehend KG Berlin 1977-09-26 XX

vorgehend LG Berlin 1976-03-22 XX

Tatbestand

Die Beklagte zu 1 (im folgenden: "die Beklagte"), deren persönlich haftende Gesellschafterin die Beklagte zu 2 ist, befaßt sich unter anderem mit der Vermittlung steuerbegünstigter Kapitalanlagen. Im Jahre 1971 übernahm sie den Vertrieb von Kommanditanteilen der B. S. GmbH & Co Herstellungs KG (künftig: KG) mit Sitz in B. . Die KG versprach ihr dafür eine Provision von 1.350.000 DM.

Mit Schreiben vom 6. Dezember 1971, dem ein "Kurzexpose" beigefügt war, wandte sich die Beklagte an den Kläger, mit dem sie bis dahin nicht in Geschäftsverbindung gestanden hatte, und bot ihm eine Beteiligung an der KG als einer Kapitalanlage an, die allen Nachprüfungen standhalte. Als besonderen Vorteil hob sie hervor, daß die Produktion bereits 1972 beginne und der Absatz schon jetzt gesichert sei.

Auf die Zuschrift des Klägers schrieb ihm die Beklagte dann unter dem 13. Dezember 1971 ua:

"In der Anlage übersenden wir Ihnen das Expose der Firma "B." nebst den dazugehörigen Unterlagen, die wir Ihrem eingehenden Studium empfehlen..

Das Objekt "B." wurde - wie alle unsere Angebote - durch mehrere Wirtschaftsprüfer und Steuerfachleute geprüft, bevor es von uns in den Vertrieb aufgenommen wurde. Eine Beteiligung kann nachhaltig empfohlen werden. Sie beteiligen sich mit Steuergeldern in einer Branche mit hervorragenden Zukunftschancen und Wachstumschancen. Gegenüber anderen Beteiligungsangeboten ergeben sich uE folgende Vorteile:

1) hervorragendes, fachlich bewährtes Management,

2) Produktion und Absatz bereits für 1972 gesichert,

3) notarielle Verbürgung aller Kommanditeinlagen bis zum 31.12.1974,

4) Versicherungsschutz für alle Kommanditisten,

5) volle Finanzierung der Beteiligung aus Steuerersparnissen bei entsprechender Progression,

6) je 185% Afa auf die Einzahlungen 1971 und 1972.

Alle weiteren Daten finden Sie in dem bereits erwähnten, diesem Schreiben anliegenden Expose".

In dem beigefügten Emissionsangebot heißt es, der Verkauf sei "sowohl über den Einzelhandel als auch über Warenhäuser und Konzerne sichergestellt"; es bestünden "bereits jetzt verbindliche Zusagen eingeführter und erfolgreicher Vertriebsorganisationen im Inland und Ausland, so daß schon in der Aufbauphase mit einer Auslastung der vorhandenen Kapazitäten zu rechnen ist".

Nach einer fernmündlichen Unterredung mit dem Gründungsgesellschafter B. der Komplementär-GmbH trat der Kläger am 20. Dezember 1971 mit einer Kommanditeinlage von 200.000 DM der KG bei. Am 27. Dezember 1971 zahlte er 100.000 DM, am 13. März 1972 und 4. Juli 1972 jeweils 50.000 DM ein.

Die KG nahm im Mai 1972 die Fertigung auf. Die Geschäfte entwickelten sich jedoch schlecht. Insbesondere entsprachen Produktion und Absatz nicht den gesetzten Erwartungen. Die KG geriet zunehmend in Schwierigkeiten. Am 8. Juli 1975 wurde die Eröffnung des Konkursverfahrens über ihr Vermögen mangels Masse abgelehnt.

Der Kläger, der in den Jahren 1971 bis 1973 aufgrund von Verlustzuweisungen der KG insgesamt 123.101 DM an Einkommenssteuer erspart hat, verlangt von den Beklagten die Zahlung von 200.000 DM nebst Zinsen als Schadensersatz.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Das Kammergericht hat ihr in Höhe von 88.000 DM nebst Zinsen stattgegeben und die weitergehende Berufung des Klägers zurückgewiesen. Dagegen richten sich die - angenommenen - Revisionen beider Parteien. Der Kläger verfolgt die Klage in vollem Umfang weiter, die Beklagten erstreben die Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils. Jede Partei beantragt, das gegnerische Rechtsmittel zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

I.

Das Berufungsgericht nimmt als Rechtsgrundlage für die Inanspruchnahme der Beklagten auf Schadensersatz die Verletzung einer vertraglichen Beratungspflicht sowie Verschulden bei Vertragsverhandlungen an.

Dagegen wendet sich die Revision der Beklagten ohne Erfolg.

1. Zutreffend geht das Berufungsgericht davon aus, daß zwischen den Parteien vertragliche Beziehungen bestehen, die die Beratung und Erteilung von Auskünften bei Vermittlung einer Kapitalanlage zum Gegenstand haben.

a) Nach gefestigter Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist eine Haftung aus einem (stillschweigend abgeschlossenen) Beratungsvertrag immer dann zu bejahen, wenn Auskünfte erteilt werden, die für den Empfänger erkennbar von erheblicher Bedeutung sind und die dieser zur Grundlage wesentlicher Entschlüsse oder Maßnahmen machen will. Das gilt insbesondere dann, wenn der Auskunftsgeber für die Erteilung der Auskunft sachkundig ist oder wenn bei ihm ein eigenes wirtschaftliches Interesse im Spiel ist. Das Fehlen sonstiger vertraglicher Beziehungen schließt einen solchen haftungsbegründenden Auskunftsvertrag nicht aus; dieser kommt gerade mit der Erteilung der Auskunft zustande (BGHZ 7, 371, 374; BGH NJW 1962, 1500 Nr 6; 1970, 1737; 1972, 678; 1972, 1200; 1973, 321, 323; Urteil vom 6. November 1974 - VIII ZR 207/72 = LM BGB § 676 Nr 14 jeweils mit weiteren Nachweisen).

b) Diese Grundsätze sind auch auf Personen oder Unternehmen anzuwenden, die sich mit dem Vertrieb und der Vermittlung von Kapitalanlagen befassen. Sie wenden sich in aller Regel an mutmaßliche Interessenten mit ins einzelne gehenden Angaben über die von ihnen angebotenen Kapitalanlagen oder senden solche detaillierten Darstellungen in Form von Prospekten auf Anfordern den künftigen Kapitalanlegern zu. Für diese bilden die ihnen so erteilten Auskünfte die wesentliche Grundlage für ihre Entscheidung, ob sie von dem ihnen unterbreiteten Angebot Gebrauch machen wollen. Sie sind auf die Auskünfte angewiesen, da sie regelmäßig keine Möglichkeiten haben, sich die nötigen zuverlässigen Informationen selbst zu verschaffen.

Auf der anderen Seite sind die Personen oder Unternehmen, die Kapitalanlagen vertreiben oder vermitteln, aufgrund ihrer Erfahrungen in dieser Branche sachkundig oder geben zumindest vor, es zu sein. Gewöhnlich sind sie auch in der Lage, Einblick in Unterlagen zu nehmen, auf die sich die von ihnen erteilten Auskünfte gründen. Zumindest können sie davon, daß ihnen das gewährt wird oder anderweitige Nachweise erbracht werden, ihre Vertriebstätigkeit und Vermittlungstätigkeit abhängig machen. Ihr eigenes wirtschaftliches Interesse liegt darin, sich die in diesem Gewerbezweig nicht unerheblichen Provisionen zu verdienen.

Die Interessenlage erfordert es deshalb zum Schutz der Kapitalanleger, in der Erteilung von Auskünften durch Vermittler von Kapitalanlagen nicht nur einen gemäß § 676 BGB unverbindlichen Rat zu erblicken, sondern einen Vorgang, der die volle vertragliche Haftung des Auskunftgebers nach sich zieht (vgl auch BGHZ 70, 356 für den Herausgeber eines periodisch erscheinenden Börsendienstes; etwas anderes Lutter, Festschrift für Bärmann, 1975, S 605, 613/614, der insoweit § 98 HGB anwenden will).

c) So ist es auch hier.

Die Angaben, die die Beklagte in ihren Schreiben vom 6. und 13. Dezember 1971 in Verbindung mit den übersandten Prospekten über die KG gemacht hat, waren für den Kläger, der eine sichere Anlage für eine größere Geldsumme suchte, von erheblicher Bedeutung. Das war für die Beklagte auch erkennbar. Sie wollte den Kläger gerade durch die mitgeteilten Einzelheiten zu einer Beteiligung an der KG bewegen und hat eine solche Beteiligung ausdrücklich und "nachhaltig" empfohlen. Dabei hat sie sich als erfahrene und erfolgreiche Vertriebsfirma für steuerbegünstigte Kapitalanlagen bezeichnet und damit ihre Sachkunde hervorgehoben. Da mit einem Erfolg ihrer Werbetätigkeit ansehnliche Provisionszahlungen verbunden waren, hatte die Beklagte auch ein eigenes wirtschaftliches Interesse daran, daß der Kläger der KG beitrat. Bei dieser Sachlage unterliegt es keinen Bedenken, wenn das Berufungsgericht annimmt, daß zwischen den Parteien ein Beratungsvertrag und Auskunftsvertrag zustandegekommen ist.

2. Die Beklagten haften dem Kläger aber auch aus Verschulden bei Vertragsverhandlungen.

Beide Anspruchsgrundlagen bestehen nebeneinander (BGH LM BGB § 676 Nr 14 und Senatsurteil vom 14. November 1968 - VII ZR 51/67 = WM 1969, 36).

a) Allerdings führte die Beklagte die Vertragsverhandlungen mit dem Kläger, aufgrund deren er der KG beitrat, nicht im eigenen Namen, sondern als Vertreter der KG. Trotzdem haftet die Beklagte. Die Verpflichtungen aus dem durch die Anbahnung von Vertragsverhandlungen eines Vertreters begründeten gesetzlichen Schuldverhältnis treffen zwar grundsätzlich den Vertretenen. Anders kann es jedoch sein, wenn der Vertreter in besonderem Maße persönliches Vertrauen in Anspruch genommen und ihm das der Verhandlungsgegner auch entgegengebracht hat. Dann muß der Vertreter selbst für die Verletzung vorvertraglicher Pflichten, gerade etwa auch einer Verpflichtung zur Aufklärung, einstehen. Den Vertreter selbst in solchen Fällen für sein Verschulden bei Vertragsverhandlungen haften zu lassen, ist deswegen gerechtfertigt, weil er über das normale Verhandlungsvertrauen hinausgegangen ist, das bei der Anbahnung von Geschäftsbeziehungen meist gegeben ist. Damit hat er dem Verhandlungspartner eine zusätzliche, von ihm persönlich ausgehende Gewähr für das Gelingen des in Aussicht genommenen Rechtsgeschäfts geboten, die für den Willensentschluß des anderen Teils bedeutsam war. Ein solches dem Vertreter persönlich entgegengebrachtes besonderes Vertrauen kann zB in dessen außergewöhnlicher Sachkunde für den Vertragsgegenstand begründet sein, aber auch in seiner besonderen persönlichen Zuverlässigkeit (BGHZ 56, 81, 83f mit Nachweisen; 63, 382; 70, 337, 341; BGH NJW 1977, 1914, Urteil vom 17. März 1976 - VIII ZR 208/74 = LM BGB § 276 (A) Nr 14 = WM 1976, 614).

b) Aus diesem Grunde hat der II. Zivilsenat ausgesprochen, daß im Regelfall die das Management bildenden Initiatoren und Gründer einer Publikums-KG für die Vollständigkeit und Richtigkeit der mit ihrem Wissen und Willen in Verkehr gebrachten Werbeprospekte haften (BGHZ 71, 284; BGH NJW 1973, 1604). Ebenso können sich Personen schadensersatzpflichtig machen, die besonderen Einfluß in der Gesellschaft ausüben und Mitverantwortung tragen (BGH Urteil vom 16. November 1978 - II ZR 94/77 = WM 1979, 141 zum Abdruck in BGHZ bestimmt). Der II. Zivilsenat hat weiter entschieden, daß eine lediglich als Handelsvertreter tätig gewordene Anlagenvermittlungsgesellschaft bei mangelnder Aufklärung eines durch Prospekt geworbenen Käufers von Anteilen eines ausländischen Immobilien-Fonds selbst aus Verschulden bei Vertragsverhandlungen zur Verantwortung gezogen werden kann, wenn sie den Erwerbern gegenüber besonderes Vertrauen in Anspruch genommen hat (BGH Urteil vom 10. April 1978 - II ZR 103/76 = WM 1978, 611).

Ähnliches gilt für Personen und Unternehmen, die sich mit dem Vertrieb oder der Vermittlung von Kapitalanlagen der hier in Frage stehenden Art befassen. Der vorzitierten Rechtsprechung des II. Zivilsenats liegt der allgemeine Rechtsgedanke zugrunde, daß für die Vollständigkeit und Richtigkeit der in Verkehr gebrachten Werbeprospekte einer Publikums-KG jeder einstehen muß, der durch von ihm in Anspruch genommenes und ihm auch entgegengebrachtes Vertrauen auf den Willensentschluß des Kapitalanlegers Einfluß genommen hat. Das sind einmal diejenigen, denen die Beitrittsinteressenten typischerweise ihr Vertrauen schenken, mögen sie auch nur als Initiatoren, Gestalter oder Gründer der Gesellschaft auftreten. Dazu gehören aber auch diejenigen, die einen aus ihrer Person hergeleiteten zusätzlichen Vertrauenstatbestand geschaffen haben. Das kann gerade auf die Personen und Unternehmen zutreffen, die solche Beteiligungen vertreiben oder vermitteln, nämlich dann, wenn sie als in dieser Branche vielfältig erfahren und damit sachkundig auftreten, den Eindruck besonderer persönlicher Zuverlässigkeit erwecken und so für ihre Verhandlungspartner eine zusätzliche, wenn nicht gar die ausschlaggebende Gewähr für die Richtigkeit der in dem Werbeprospekt oder anderweit über die Kapitalanlage gemachten Angaben bieten (vgl dazu auch Nirk, Festschrift für Fritz Hauss, 1978, S 267, 283).

c) Einen solchen zusätzlichen Vertrauenstatbestand hat die Beklagte als Vertriebsfirma hier geschaffen, wie das Berufungsgericht ohne Rechtsfehler annimmt. Sie hat sich, als sie sich an den Kläger wandte, als einen "erfahrenen und seriösen Partner" bezeichnet, der alle durch seine Hände gegangenen bedeutenden Vorhaben zur vollen Zufriedenheit seiner Kunden abgewickelt habe. Darüber hinaus hat sie mit der von ihr herausgestellten Angabe, das Objekt sei, bevor sie es in den Vertrieb aufgenommen habe, durch mehrere Wirtschaftsprüfer und Steuerfachleute geprüft worden, wie das bei allen ihren Angeboten geschehe, den Eindruck erweckt, besondere Sorgfalt walten zu lassen und damit auch besonders vertrauenswürdig zu sein.

Infolgedessen mußte die empfohlene Beteiligung an der KG dem Kläger vor allem deshalb unbedenklich erscheinen, weil sie von der Beklagten angeboten wurde. Deren persönlicher Einsatz für das Objekt gab den im Werbeprospekt und ihren Briefen gemachten Angaben besonderes Gewicht. Damit sind die Voraussetzungen für die eigene Haftung der Beklagten aus Verschulden bei Vertragsverhandlungen erfüllt.

II.

Das Berufungsgericht ist der Ansicht, die Beklagte habe die ihr obliegenden vertraglichen und vorvertraglichen Auskunftspflichten und Aufklärungspflichten schuldhaft verletzt.

Auch insoweit hält das Berufungsurteil den Angriffen der Revision der Beklagten stand.

1. Sowohl nach dem Auskunftsvertrag und Beratungsvertrag wie im Rahmen des durch die Anbahnung von Vertragsverhandlungen begründeten gesetzlichen Schuldverhältnisses war die Beklagte verpflichtet, die von ihr über die KG gegebenen Informationen, soweit sie für den Kläger für seinen Entschluß, der KG beizutreten, von Bedeutung sein konnten, sorgfältig und wahrheitsgemäß zu erteilen (BGH LM BGB § 676 Nr 14). Diese Verpflichtung hat die Beklagte verletzt.

Zumindest war die Angabe in ihren Schreiben vom 6. und 13. Dezember 1971 und in dem dem Kläger übersandten Emissionsangebot falsch, der Absatz der von der KG hergestellten Erzeugnisse sei schon vom Jahr der Aufnahme der Produktion an gesichert. Dabei handelt es sich nicht etwa um eine schlagwortartige Mitteilung, die, weil zu unbestimmt gefaßt, ein Interessent für eine Kapitalanlage nicht hätte ernst nehmen dürfen. In dem Werbeprospekt über die KG heißt es vielmehr detailliert, der Verkauf sei sowohl über den Einzelhandel als auch über Warenhäuser und Konzerne sichergestellt; es bestünden bereits jetzt verbindliche Zusagen eingeführter und erfolgreicher Vertriebsorganisationen im Inland und Ausland.

Dadurch wurde der Eindruck erweckt, es seien feste Abmachungen mit Abnehmern der von der KG hergestellten Strickwaren in einem Umfang getroffen worden, daß einer von Anfang an erfolgreichen Tätigkeit des zu gründenden Unternehmens nichts im Wege stehe. Solche fundierten Absatzerwartungen sind für jeden, der eine Beteiligung an einem solchen Unternehmen erwägt, von erheblicher Bedeutung. Tatsächlich lag keine Vertriebszusage vor, mit Ausnahme eines nur allgemein gehaltenen Angebots der P. L. GmbH in M., Strickwaren der KG gegen Verkaufsprovision zu vertreiben.

2. Die Beklagte hat auch schuldhaft gehandelt.

a) Welche Anforderungen an die Sorgfaltspflicht dessen zu stellen sind, der Kapitalanlagen anbietet und dazu entsprechende Empfehlungen gibt, hängt von den Umständen des Einzelfalles ab. Das gilt vor allem dafür, in welchem Umfang er Nachforschungen über die Verläßlichkeit der von ihm erteilten Informationen anstellen muß. Insofern ist maßgebend, wie weit im konkreten Fall das schutzwürdige Vertrauen des Informationsempfängers auf die Richtigkeit der ihm gemachten Angaben reicht. Danach richtet sich, welche Nachforschungen er redlicherweise verlangen darf. Das gilt gleichermaßen für den selbständigen Beratungsvertrag wie für die im Rahmen eines vorvertraglichen Vertrauensverhältnisses erteilten Auskünfte (BGH LM BGB § 676 Nr 14).

Eine erhöhte Sorgfaltspflicht trifft den Anlageberater, wenn er - wie hier in besonderem Maße persönliches Vertrauen in Anspruch genommen hat, das sich auf seine vielfältige Berufserfahrung und Sachkunde oder auf seine besondere persönliche Zuverlässigkeit gründet, so daß er eine zusätzliche Gewähr für die Richtigkeit der von ihm selbst oder in dem von ihm versandten Werbeprospekt gemachten Angaben bietet. Er muß eigene Ermittlungen anstellen und darf die Angaben Dritter nicht ungeprüft übernehmen und weitergeben. Er muß es umso mehr, wenn er sogar den Eindruck erweckt, das von ihm angebotene Objekt sei von ihm überprüft worden (vgl etwa BGHZ 70, 356, 362 und BGH WM 1978, 611).

b) Die Beklagte hatte dem Kläger gegenüber mehrfach betont, daß sie das hier in Frage stehende Objekt erst in ihren Vertrieb aufgenommen habe, nachdem es eingehend überprüft worden sei. So verfahre sie immer. Deshalb mußte sie, wie dargelegt, ihren Verhandlungspartnern als besonders vertrauenswürdig erscheinen. Dann aber durften diese erwarten, daß sie auch die Angaben zu den Absatzerwartungen selbständig überprüft und für richtig befunden hatte. Das hat sie, wie sie einräumt, nicht getan und damit fahrlässig gehandelt.

Daß sie anderen Angaben, die ihr von den Initiatoren der KG gemacht worden waren, nachgegangen ist und gewisse Sicherheiten für die Kommanditisten durchgesetzt hat, wie die Revision geltend macht, ist unmaßgeblich. Deshalb brauchte sich das Berufungsgericht mit dem Sachvortrag der Beklagten darüber nicht zu befassen und mußte auch die dazu angetretenen Beweise nicht erheben.

3. Ohne Rechtsfehler hat das Berufungsgericht ein Mitverschulden des Klägers verneint.

Dabei kann offen bleiben, ob und inwieweit in Fällen der vorliegenden Art der Einwand des Mitverschuldens überhaupt durchgreifen kann, wenn der Empfänger eines Kapitalanlageangebots eigene Überprüfungen unterläßt, bevor er der ihm erteilten Empfehlung folgt (BGHZ 70, 356, 365 mit weiteren Nachweisen). Hier besaß der Kläger zwar als Strickwarenfabrikant in gewissem Umfang eigene Sachkunde, die ihm auch eine eigene Beurteilung ermöglicht haben könnte. Eigene Ermittlungen über die behauptete Sicherstellung des Absatzes waren von ihm aber nicht zu erwarten, nachdem die Beklagte die Beteiligung erst kurz vor Jahresende angeboten und auf alsbaldige Zeichnung gedrängt hatte, damit die Steuervorteile noch für das Jahr 1971 wahrgenommen werden könnten.

III.

1. Das Berufungsgericht stellt fest, die falschen Angaben über die Sicherung des Absatzes der von der KG erzeugten Strickwaren seien ursächlich für den Beitritt des Klägers zur KG und damit für den Verlust seiner Einlage gewesen. Hätte er gewußt, daß in Wahrheit keine verbindlichen Zusagen von Kaufhäusern, Konzernen und Vertriebsorganisationen im Inland und Ausland vorlagen, am Verkauf der Waren mitzuwirken, so wäre er der KG nicht beigetreten. Die übrigen Angaben in den ihm von der Beklagten zugeleiteten Schriftstücken hätten ihn dazu nicht bewogen.

2. Diese tatrichterliche Überzeugungsbildung ist aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden. Was die Revision der Beklagten dagegen vorbringt, greift nicht durch.

Die Würdigung des Berufungsgerichts widerspricht insbesondere nicht allgemeinen Erfahrungssätzen. So leuchtet es vor allem ein, daß sich ein Unternehmer aus der Textilbranche, wie der Kläger, der die Anfälligkeiten dieses Gewerbezweiges kennt, an einem erst zu errichtenden Fabrikationsbetrieb nur beteiligt, wenn der Absatz der Erzeugnisse durch feste Vertriebszusagen gesichert ist. Entgegen der Ansicht der Revision der Beklagten hat der Kläger in beiden Tatsacheninstanzen stets besonders auf diesen Gesichtspunkt abgestellt. Daß er auch andere Angaben über die KG für falsch gehalten hat, spielt dabei keine entscheidende Rolle.

Ebenso wenig kommt es darauf an, welche Umstände im einzelnen zum Zusammenbruch der Firma geführt haben. Da es in Wirklichkeit an den Absatzmöglichkeiten fehlte, wie sie in den dem Kläger übersandten Schriftstücken fälschlich als durch "verbindliche Zusagen eingeführter und erfolgreicher Vertriebsorganisationen im Inland und Ausland" gesichert dargestellt wurden, war das Unternehmen von Anfang an vom Scheitern bedroht. Die als besonders sicher und seriös angepriesene Beteiligung war im Gegenteil mit besonderen Risiken behaftet. Diesen Risiken wäre der Kläger entgangen, wenn er sich nicht an der später zahlungsunfähig gewordenen KG beteiligt hätte. Die falschen Angaben der Beklagten über die Absatzerwartungen sind daher für den dem Kläger durch den Verlust seiner Einlage entstandenen Schaden ursächlich geworden.

Auch ein Börseninformationsdienst kann in Schwierigkeiten kommen:

Gericht: BGH 8. Zivilsenat, Datum: 08.02.1978, Az: VIII ZR 20/77

Leitsatz

Zur Haftung des Herausgebers eines periodisch erscheinenden Börsendienstes gegenüber einem Abonnenten, wenn eine Anlageempfehlung ohne die gebotene Sorgfalt erstellt worden ist.

Fundstelle

BGHZ 70, 356-365 (LT1)

NJW 1978, 997-999 (LT)

JZ 1978, 398-400 (LT)

Ausnutzung fremden Vertragsbruchs

In diesen Fällen geht es um den Ausgleich von Vermögensschäden, die jemand im geschäftlichen Verkehr dadurch erleidet, dass sein Vertragspartner vertragsbrüchig wird und ein Dritter, der den Vertragsbruch kennt oder gar veranlasst hat, daraus für sich einen Vorteil zieht. Das relative Forderungsrecht aus dem Vertrag mit dem ungetreuen Vertragspartner genießt nicht den Schutz des sonstigen Rechts im § 823 Abs. 1 BGB. Der Schutz könnte nur über § 826 BGB oder über das Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb gewährleistet werden. Allerdings muss man hier in besonderer Weise darauf achten, dass man nicht mit einer Entscheidung unserer Gesellschaft für den freien Wettbewerb in Konflikt gerät.

Wenn jemand sein Grundstück gültig zu einem bestimmten Preis verkauft, dann aber sich von einem weiteren Interessenten dazu überreden lässt, das Grundstück unter Bruch des bereits abgeschlossenen Vertrages zu einem höheren Preis ihm zu verkaufen und aufzulassen, so steht dem Erstkäufer ein Schadensersatzanspruch wegen der in dem Doppelverkauf liegenden Vertragsverletzung gegen den Verkäufer zu. Sollte der Verkäufer zahlungsunfähig oder der Ersatzanspruch gegen ihn aus anderen Gründen nicht durchsetzbar sein, bliebe nur noch ein Ersatzanspruch gegen den Zweitkäufer. Den aber wird es schwerlich geben. Denn in einer Wettbewerbswirtschaft besteht ein allgemeines Interesse daran, dass jedes Gut von demjenigen genutzt werden kann, der dafür den höchsten Preis zu zahlen bereit ist. Das ist hier der Zweitkäufer. Der Schutz des Erstkäufers beschränkt sich auf den Schadensersatzanspruch gegen den Verkäufer. Wenn der sich nicht realisieren lässt, gehört dies in die Risikosphäre des Erstkäufers. Aus der Perspektive des Zweitkäufers ist festzustellen, dass grundsätzlich jeder den Vorteil behalten darf, der ihm aus der Durchführung eines Vertrages erwächst, auch wenn er weiß, dass sein Vertragspartner den Vertrag nur unter Verletzung anderweitiger vertraglicher Verpflichtungen, die er Dritten gegenüber eingegangen ist, erfüllen kann. Ausnahmen von diesem Grundsatz sind nur in solchen Fällen zu machen, in denen der Zweitkäufer den Vertragsbruch des Verkäufers durch irreführende Behauptungen, Täuschungen oder ein anderes von der Rechtsordnung missbilligtes Verhalten herbeigeführt hat.

Der Bundesgerichtshof hat das in folgender Weise zum Ausdruck gebracht:

Die Beteiligung eines Dritten an dem Vertragsbruch einer Vertragspartei kann beim Vorliegen besonderer Umstände eine zum Schadenersatz verpflichtende sittenwidrige Schädigung der anderen Vertragspartei sein. Dabei erzeugt freilich in keinem Fall lediglich die einfache Verletzung schuldrechtlicher Ansprüche eines anderen eine Schadensersatzpflicht wegen unerlaubter Handlung. Ein solcher Anspruch ist kein Recht, dessen schuldhafte Verletzung schon allein eine Schadensersatzpflicht nach § 823 Abs. 1 zur Folge hat. Es müssen vielmehr besondere Umstände gegeben sein, um das Verhalten des Dritten als eine sittenwidrige Schädigung erscheinen zu lassen und dabei eine Anwendung des § 826 BGB zu rechtfertigen. Das Reichsgericht hat unter diesem rechtlichen Gesichtspunkt bei einem Kaufvertrag die Beteiligung an einem Vertragsbruch durch Abschluß eines neuen Kaufvertrages und durch Übereignung der zuvor bereits anderweit verkauften Sache dann als sittenwidrige Schadenszufügung angesehen, wenn das Verhalten des Schädigers sittlich besonders verwerflich war. Dabei hat das Reichsgericht gegebenenfalls in der Verleitung zum Vertragsbruch oder in dem planmäßigen Zusammenwirken des Dritten mit dem Vertragsbrüchigen solche besonderen Umstände erblickt, die das Verhalten des Schädigers als sittlich besonders verwerflich erscheinen lassen (BGHZ 12, 308, 317 f.)

Ähnliche Grundsätze hat der Bundesgerichtshof für den Bereich entwickelt, in dem es um die Abwerbung von Kunden eines Konkurrenten geht (BGH NJW 1960, 1853). Die Entscheidung des Bundesgerichtshofs in DB 1973, 1229, wonach wettbewerbs- und sittenwidrig handelt, wer in Kenntnis der Tatsache, dass in einer Gastwirtschaft bereits ein Unterhaltungsautomat eines Mitbewerbers aufgestellt ist, mit dem Gastwirt einen Aufstellvertrag über Musik- und Spielautomaten abschließt, ohne sich zu vergewissern, dass dem nicht anderweitige vertragliche Verpflichtungen entgegenstehen, lässt sich wohl nur mit der Vermutung erklären, dass der BGB der notorischen Wildwestkonkurrenz im Automatenaufstellungsgewerbe einen Riegel vorschieben wollte. Auch das Abwerben von Arbeitskräften ist grundsätzlich erlaubt (für eine Sondersituation vgl. BGH DB 1968, 39).

Insolvenzverschleppung und Gläubigergefährdung

Um Fälle der Haftung wegen Konkursverschleppung handelt es sich dort, wo eine Bank - oder ein anderer Kreditgeber - zwar weiß, dass ihr Kreditnehmer insolvenzreif ist, sie ihm aber gleichwohl einen weiteren "unzureichenden oder den Todeskampf nur verlängernden" Kredit gewährt, weil sie darauf spekuliert, dass andere Gläubiger das Unternehmen für überlebensfähig halten und Dispositionen treffen werden, die sich zum Vorteil der Bank auswirken können. Ebenso liegt es, wenn die Bank aus den gleichen Erwägungen heraus zwar nicht einen Kredit gewährt, aber die Stellung des Insolvenzantrags unterlässt und auf diese Weise den wirtschaftlichen Zusammenbruch des Unternehmens hinauszögert.

In BGH NJW 1970, 657 hatten zwei Gutsbesitzer im Jahre 1963 mit einer Konservenfabrik Anbauverträge geschlossen, nach denen sie ihre für den Sommer 1963 erwartete Gemüseernte an die Fabrik zu liefern hatten. Diese stand ihrerseits in Geschäftsverbindung mit ihrer Hausbank, die ihr umfangreiche Kredite gewährt und sich zu deren Sicherung u.a. die in das Eigentum der Fabrik gelangenden Gemüsemengen hatte übereignen lassen. Im August 1963 wurde die Konservenfabrik zahlungsunfähig. Beide Gutsbesitzer erlitten erhebliche Ausfälle, weil sie für das von ihnen gelieferte Gemüse nicht bezahlt wurden. Sie verlangten Ersatz von der Bank, indem sie geltend machten, sie habe von der Überschuldung der Fabrik im Jahre 1963 gewusst, habe aber gleichwohl stillgehalten in der Hoffnung, dass die Fabrik mit Gemüse auf Kredit beliefert werde und sich dies zum Vorteil der (dinglich gesicherten) Bank auswirken würde. In dem Urteil heißt es, dass "eine Bank, die das Hinausschieben des nach den Verhältnissen (die sie meist am besten durchschaut) gebotenen Vergleichs- oder Konkursantrages durch ihr Stillhalten und Weitergewähren des Kredits bewirkt oder duldet, dann sittenwidrig erklärt (handelt), wenn sie das nicht mehr in der Annahme tut, dass es sich nur um eine überwindbare und vorübergehende Krise gehandelt habe, sondern deshalb, um in rücksichtsloser und eigensichtiger Weise ihre Stellung bei dem in Kürze erwarteten Zusammenbruch auf Kosten der anderen Gläubiger zu verbessern ... Der anstößige Eigennutz der Bank liegt auf der Hand, wenn sie die um eigener Vorteile Willen bewirkte Hinausschiebung des Konkurses veranlasst, obwohl sie weiß oder doch billigend in Kauf nimmt, dass dadurch die Lieferanten des Unternehmens zu Schaden kommen können, während sie, weil deren neue Lieferungen Kraft des Sicherungsvertrages in ihr Eigentum übergehen, dadurch demnächst günstiger abschneiden kann".

Neben der Insolvenzverschleppung hat sich in der Rechtsprechung ein weiterer Falltyp herausgebildet, in dem ebenfalls die Voraussetzungen einer gem. § 826 BGB zum Ersatz verpflichtenden Schädigung erfüllt sind. Es sind dies die Fälle der Gläubigergefährdung. Hier liegt es so, dass sich der Beklagte Sicherungen von seinem Schuldner hat einräumen lassen, die wegen ihres Umfangs und ihrer Undurchsichtigkeit die von ihm bewusst in Kauf genommene konkrete Gefahr mit sich bringen, dass nichtsahnende Kreditgeber zu Schaden kommen könnten. Zwar kommt es auch in diesen Fällen später meist zum Konkurs des Schuldners. Aber die Haftung wird hier nicht darauf gestützt, dass der Beklagte - meistens handelt es sich auch hier um eine Bank - den Konkurs des Schuldners verschleppt habe, sondern darauf, dass er sich übermäßige und undurchsichtige Sicherungen gewähren ließ und dadurch die (von ihm erkannte oder grob fahrlässig verkannte) Gefahr einer Schädigung anderer Gläubiger schuf, sei es, dass diese sich dadurch von der Beitreibung bereits begründeter Forderungen würden abhalten lassen, sei es auch, dass sie neue Forderungen gegen den Schuldner begründen würden (vgl. BGH WM 1962, 962, 965; BGH NJW 1970, 657, 659).

Streik

Das Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb gewährt einem Unternehmer Schutz vor den schädlichen Folgen eines rechtswidrigen Streiks. Die Rechtswidrigkeit von Streikmaßnahmen wird nach den richterrechtlich festgelegten Regeln des Arbeitskampfrechts beurteilt. Dass sich da ein erhebliches Risiko für die Streikführer entwickeln kann, belegt die folgende Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts:

Gericht: BAG 1. Senat, Datum: 21.06.1988, Az: 1 AZR 651/86

Leitsatz

3. Vom Streikrecht nicht gedeckt ist die Verhinderung des Zu- und Abgangs von Waren und Kunden sowie die Hinderung arbeitswilliger Arbeitnehmer am Betreten des Betriebes, soweit dies über das bloße Zureden, sich am Streik zu beteiligen, hinausgeht.

4. Handlungen anläßlich eines Streiks, die vom Streikrecht nicht gedeckt sind, machen den Streik als solchen nicht rechtswidrig. Sie verpflichten jedoch zum Ersatz des Schadens, der gerade durch diese Handlungen entstanden ist.

Fundstelle

BAGE 58, 364-394 (LT1-5)

NJW 1989, 57-61 (LT1-5)

JZ 1989, 85-91 (LT1-5)

Rechtszug:

vorgehend LArbG Stuttgart 1986-10-29 3 Sa 5/86

vorgehend ArbG Reutlingen 1986-01-14 2 Ca 175/85

Zum Sachverhalt (vereinfacht):

Der Betrieb der Klägerin wurde im Rahmen eines, von der Bekl. Gewerkschaft ausgerufenen, Warnstreiks bestreikt.

Dabei blockierten Streikposten die Kunden-, Personal- und Lieferanteneingänge und hinderten so Kunden und Arbeitswillige Mitarbeiter am Betreten des Betriebes. Außerdem wurden Schaufenster mit Plakaten beklebt.

Die Kl. verlangt von der bekl. Gewerkschaft Ersatz des durch diese, vom Streikrecht nicht gedeckten Handlungen entstandenen Schadens.

Aus den Gründen:

Das Recht zum Streik beinhaltet das Recht, die vertraglich geschuldete Arbeitsleistung zu verweigern. Vom Streikrecht mit umfaßt ist auch der Versuch und gegebenenfalls das Gelingen des Versuchs, neue, dem bestreikten Betrieb bisher nicht zugehörige Arbeitskräfte mit Mitteln des gütlichen Zuredens und des Appells an die Solidarität von der Aufnahme der Arbeit im bestreikten Betrieb abzuhalten (Urteil des Senats vom 20. Dezember 1963 - 1 AZR 157/63 - AP Nr. 34 zu Art. 9 GG Arbeitskampf). Dementsprechend ist vom Streikrecht auch umfaßt der Versuch, Arbeitnehmer des bestreikten Betriebes, die sich dem Streik bislang noch nicht angeschlossen haben, zur Teilnahme am Streik zu bewegen, sofern dieser Versuch mit Mitteln des gütlichen Zuredens und des Appells an die Solidarität erfolgt (Seiter, aa0, S. 520 f.; Löwisch, AR-Blattei, Arbeitskampf VI unter A II 2 a; LAG Köln vom 2. Juli 1984 - 9 Sa 602/84 - EzA Art. 9 GG Arbeitskampf Nr. 53 = NZA 1984, 402). Handlungen, die darüber hinausgehen und gar strafrechtlich geschützte Interessen des Arbeitgebers oder Dritter verletzen, werden durch das Streikrecht nicht gerechtfertigt (BGH Urteil vom 19. Oktober 1954 - 5 StR 171/54 - AP Nr. 1 zu § 125 StGB). Unzulässig ist danach auch die Verhinderung des Zu- und Abgangs von Waren und Kunden (RGZ 76, 35; Seiter, aa0, S. 522) sowie die Behinderung arbeitswilliger Arbeitnehmer am Betreten des Betriebes durch Maßnahmen, die über bloßes Zureden, sich am Streik zu beteiligen, hinausgehen (Löwisch, aa0; LAG Köln, aa0).

Solche Handlungen stellen sich ebenso wie ein rechtswidriger Streik als solcher als eine Verletzung des Rechts am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb des bestreikten Arbeitgebers und damit als unerlaubte Handlung im Sinne von § 823 Abs. 1 BGB dar (ständige Rechtsprechung des Senats, BAGE 41, 209, 222 = AP Nr. 76 zu Art. 9 GG Arbeitskampf, zu A II 2 der Gründe; BAGE 46, 322 = AP Nr. 81 zu Art. 9 GG Arbeitskampf; BAGE 48, 160, 165 = AP Nr. 85 zu Art. 9 GG Arbeitskampf, zu II 1 der Gründe). Der Geschädigte kann Ersatz des ihm durch diese unerlaubte Handlung entstandenen Schadens verlangen.

Wenn die Beklagten geltend machen, in einen rechtmäßig bestreikten Betrieb könne nicht mehr durch unerlaubte Handlung eingegriffen werden, weil der Betrieb durch den Streik funktionslos geworden sei und nicht weiter ausgeübt werden könne, so kann dem nicht gefolgt werden. Diese Annahme mag dann zutreffen, wenn alle Arbeitnehmer des Betriebes sich am Streik beteiligen und ohne Arbeitnehmer eine weitere Betriebstätigkeit in keiner Weise denkbar ist. Solange nicht alle Arbeitnehmer streiken, vielmehr Arbeitswillige vom Betreten des Betriebes durch mehr als gütliches Zureden abgehalten, der Zu- und Abgang von Kunden und Waren verhindert werden, stellen sich diese Handlungen als Verhinderung der trotz des Streiks noch möglichen Ausübung des Betriebes und seiner Funktion dar und sind damit als eine Verletzung des Rechts am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb zu werten.

Abschneiden von Verkehrswegen und Versorgungseinrichtungen

Wie der Fleet-Fall und die Kabelfälle belegen, gewährt die Rechtsprechung derzeit keinen Schutz für das Abschneiden von Verkehrswegen und Versorgungseinrichtungen über das Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb.

Zugangssperren

Schon die Streikentscheidung des Bundesarbeitsgerichts hat ausgeführt, dass es den Streikenden verwehrt sei, den Zugang zu dem bestreikten Unternehmen für arbeitswillige Arbeitnehmer und Lieferanten mit Gewalt zu versperren. Dieser Grundsatz lässt sich für jede Art der Gewaltausübung verallgemeinern. Die körperliche Behinderung ist verboten. Erlaubt ist allenfalls die Einflussnahme auf die Entscheidung derjenigen, die Zutritt zu dem bestreikten oder boykottierten Unternehmen suchen.

Boykott

Den Aufruf zum Boykott eines Unternehmens hatten die Zivilgerichte zunächst ganz allgemein als einen Eingriff in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb angesehen. Sie mussten sich insoweit durch das Bundesverfassungsgericht korrigieren lassen. Danach gilt für den Boykottaufruf ohne wettbewerbliche Zielsetzung und ohne Ausübung wirtschaftlichen Drucks der Schutz durch die Meinungsäußerungsfreiheit. Dies ist das Ergebnis der berühmten Lüth-Entscheidung des BVerfG, deren Leitsätze im folgenden wiedergegeben werden:

Gericht: BVerfG 1. Senat, Datum: 15.01.1958, Az: 1 BvR 400/51

Leitsatz

1. Die Grundrechte sind in erster Linie Abwehrrechte des Bürgers gegen den Staat; in den Grundrechtsbestimmungen des Grundgesetzes verkörpert sich aber auch eine objektive Wertordnung, die als verfassungsrechtliche Grundentscheidung für alle Bereiche des Rechts gilt.

2. Im bürgerlichen Recht entfaltet sich der Rechtsgehalt der Grundrechte mittelbar durch die privatrechtlichen Vorschriften. Er ergreift vor allem Bestimmungen zwingenden Charakters und ist für den Richter besonders realisierbar durch die Generalklauseln.

3. Der Zivilrichter kann durch sein Urteil Grundrechte verletzen (§ 90 BVerfGG) , wenn er die Einwirkung der Grundrechte auf das bürgerliche Recht verkennt. Das Bundesverfassungsgericht prüft zivilgerichtliche Urteile nur auf solche Verletzungen von Grundrechten, nicht allgemein auf Rechtsfehler nach.

4. Auch zivilrechtliche Vorschriften können "allgemeine Gesetze" im Sinne des Art 5 Abs 2 GG sein und so das Grundrecht auf Freiheit der Meinungsäußerung beschränken.

5. Die "allgemeinen Gesetze" müssen im Lichte der besonderen Bedeutung des Grundrechts der freien Meinungsäußerung für den freiheitlichen demokratischen Staat ausgelegt werden.

6. Das Grundrecht des Art 5 GG schützt nicht nur das Äußern einer Meinung als solches, sondern auch das geistige Wirken durch die Meinungsäußerung.

7. Eine Meinungsäußerung, die eine Aufforderung zum Boykott enthält, verstößt nicht notwendig gegen die guten Sitten im Sinne des § 826 BGB; sie kann bei Abwägung aller Umstände des Falles durch die Freiheit der Meinungsäußerung verfassungsrechtlich gerechtfertigt sein.

Fundstelle

BVERFGE 7, 198-230 (LT)

JZ 1958, 208 (LT)

NJW 1958, 257 (LT)

Rechtszug:

vorgehend LG Hamburg 1951-11-22 15 O 87/51

Wenn dagegen hinter einem Boykottaufruf die Ausübung wirtschaftlicher Macht und wirtschaftlichen Drucks steht, so handelt es sich um einen verbotenen Eingriff in das Recht am Unternehmen. Das ist das Ergebnis der "Blinkfuer"-Entscheidung des BVerfG (BVErfGE 25, 256) und wird auch vom BGH heute so gesehen (Verbot eines Aufrufs zum Reparaturboykott für Uhren aus Kaffeeröstereien BGH NJW 1985, 60).

Gericht: BGH 1. Zivilsenat, Datum: 02.02.1984, Az: I ZR 4/82

Orientierungssatz

Ein aktiver Beitrag zum Wettbewerbsverhalten in Gestalt einer suggestiv gemeinten Verhaltensanweisung an Wettbewerber, Kunden eines Konkurrenten nicht zu bedienen, haben, auch wenn sie als "Vorschläge" oder "Anregungen" formuliert sind, den Charakter eines Boykottaufrufs und können nicht als durch GG Art 5 geschützte bloße Meinungsäußerungen angesehen werden.

Fundstelle

WM IV 1984, 705-707 (LT1)

NJW 1985, 60-62 (LT1)

Rechtszug:

vorgehend KG Berlin 1981-10-09 5 U 3319/80

vorgehend LG Berlin 1980-05-30 15 O 133/80

Die Frage, unter welchen Voraussetzungen sich ein Großunternehmen gegen die Aufforderung eines Publikationsorgans an seine Vertragspartner zum kollektiven Vertragsbruch mit der Unterlassungsklage zur Wehr setzen könne (Aufforderung zum Mietboykott), war Gegenstand der folgenden Entscheidung des BGH:

Gericht: BGH 6. Zivilsenat, Datum: 29.01.1985, Az: VI ZR 130/83

Leitsatz

Zur Frage, unter welchen Voraussetzungen sich ein Großunternehmen gegen die Aufforderung eines Publikationsorgans an seine Vertragspartner zum kollektiven Vertragsbruch mit der Unterlassungsklage zur Wehr setzen kann (Aufforderung zum "Mietboykott").

Orientierungssatz

1. Der Aufruf zum organisierten Vertragsbruch durch massenhaften "Mietboykott" (Verweigerung der Mietzinszahlung) stellt einen Eingriff in den Betrieb eines mit der Verwaltung von Wohnungen befaßten Unternehmens dar.

2. Im Falle einer gegen den betrieblichen Organismus gerichteten Aufforderung zum kollektiven Vertragsbruch, dem der dem Betroffenen aus seiner Vertragsposition zustehende Rechtsschutz faktisch nicht gewachsen ist, entspricht es dem Schutzgedanken des Rechts am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb, dem Betroffenen die Möglichkeit zu erhalten, wirksam, dh in derartigen Fällen schon im organisatorischen Vorfeld, gegen die Quelle der Störung der Vertragsbeziehungen (mit der Unterlassungsklage) einzuschreiten.

Fundstelle

WM IV 1985, 760-762 (LT1)

JZ 1985, 587-588 (LT1)

NJW 1985, 1620-1621 (LT1)

Rechtszug:

vorgehend KG Berlin 1983-04-26 9 U 2449/82

vorgehend LG Berlin 1982-02-16 27 O 427/81

nachgehend BVerfG 1987-10-27 1 BvR 385/85

Tatbestand

Die Klägerin verwaltet in B. mehr als 30.000 Mietwohnungen, die ihr zum Teil gehören. Ihre Mieteinnahmen betragen etwa 9 Millionen DM monatlich. Die Erstbeklagte betreibt in B. einen Verlag, in dem "Die T-zeitung" (taz) mit einer Auflage von etwa 10.000 Exemplaren erscheint. In der Ausgabe der "taz" vom 24. September 1981 erschien in der Aufmachung einer Anzeige ein Aufruf zum "Mietboykott für Mieter der NN". Verfasserin dieses Aufrufs ist die zweitbeklagte Redakteurin der Erstbeklagten. In dem Aufruf heißt es:

"Aus Protest gegen die Wohnungspolitik der NN und angesichts der geräumten und verwüsteten Häuser fordere ich alle diejenigen auf, die mit ihrer Miete die Städte-Zerstörung der NN unterstützen, diese Miete für 1 Monat auf ein Sperrkonto zu überweisen. Wir Mieter erklären unsere NN-Wohnungen für einen Monat lang für besetzt."

In der Ausgabe der "taz" vom 28. September 1981 erschien unter dem Hinweis "Mietboykott" ein weiterer Artikel mit der Überschrift "Wir zahlen für 1 Monat keine Miete an die NN". Dieser Artikel wird mit folgendem Text eingeleitet:

"In der taz vom 24.9. war in einem Aufruf Widerstand gegen die Wohnungspolitik der NN gefordert worden. "Einen Monat lang keine Miete für die NN". Auf die Anzeige meldeten sich Mieterläden und Mieterinitiativen, insgesamt etwa 30 Leute, die sich an dem Boykott beteiligen wollen. Ein Rechtsanwalt machte sich Gedanken zu einer möglichen juristischen Begründung."

Es folgen Ausführungen zur rechtlichen Problematik des "Mietboykotts" sowie das Muster eines Schreibens, mit dem die Mieter der Klägerin u.a. mitteilen sollten, daß sie wegen deren Wohnungspolitik ein Zurückbehaltungsrecht ausüben und eine Monatsmiete auf ein Sperrkonto überweisen.

Die Klägerin erblickt in dem Aufruf zum "Mietboykott" einen rechtswidrigen Eingriff in ihren eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb. Sie hat die Verurteilung der Beklagten zur Unterlassung der Aufforderung zum "Mietboykott" sowie die Verurteilung der Erstbeklagten zur Veröffentlichung einer Mitteilung begehrt, in der die Erstbeklagte ihren Lesern und Mietern der NN empfehlen sollte, dem Aufruf zum "Mietboykott" nicht zu folgen und die Mieten vertragsgemäß zu zahlen.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Es hat in den Veröffentlichungen zwar Eingriffe in den Gewerbebetrieb der Klägerin erblickt, jedoch die Auffassung vertreten, daß diese Eingriffe durch das Recht der freien Meinungsäußerung aus Art. 5 Abs. 1 GG gerechtfertigt seien.

Auf die Berufung der Klägerin hat das Kammergericht der Unterlassungsklage stattgegeben, die Berufung jedoch zurückgewiesen, soweit sie sich gegen die Verneinung eines Anspruchs der Klägerin gegen die Erstbeklagte auf Veröffentlichung einer Empfehlung an die Leser der "taz" und Mieter der NN wendet.

Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision der Beklagten, mit der sie die Wiederherstellung des Urteils des Landgerichts erstreben.

Entscheidungsgründe

I. Das Berufungsgericht hält den Aufruf der Zweitbeklagten in der Ausgabe der "taz" vom 24. September 1981 für einen rechtswidrigen Eingriff in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb der Klägerin, für den auch dann, wenn der Aufruf als eine außerhalb des redaktionellen Teils erschienene Anzeige aufzufassen sei, die Erstbeklagte als Verlegerin mitverantwortlich sei. Für ein Unternehmen, das - wie die Klägerin - in großem Umfang Wohnraum vermiete, bedeute die in einem Publikationsorgan erscheinende Aufforderung an die Mieter, für einen Monat die Miete auf ein Sperrkonto zu zahlen, eine vorsätzliche Gefährdung der wirtschaftlichen Betätigung und damit einen betriebsbezogenen Eingriff in den Gewerbebetrieb. Dieser Eingriff sei auch rechtswidrig; er werde nicht durch das Grundrecht der Beklagten auf freie Meinungsäußerung gerechtfertigt. Zwar seien die Beklagten durchaus befugt, die "Wohnungspolitik" der Klägerin öffentlich in der Presse zu kritisieren, vorausgesetzt, die Kritik erfolge durch Argumente. Dies sei aber nicht geschehen, vielmehr hätten die Beklagten auf die Klägerin wirtschaftlichen Druck auszuüben versucht, um sie zu einer Änderung ihres "wohnungspolitischen" Verhaltens zu nötigen. Der Aufruf sei eine Aufforderung zur Rechtsverletzung, die das Recht auf freie Meinungsäußerung nicht gestatte. Es bestehe die Gefahr, daß die Beklagten den beanstandeten Aufruf ungeachtet der geringen Resonanz, den er in der Vergangenheit gefunden habe, wiederholten.

II. Diese Erwägungen halten den Angriffen der Revision im Ergebnis stand. Mit Recht hat das Berufungsgericht den Aufruf zum "Mietboykott" als rechtswidrigen Eingriff der Beklagten in den Gewerbebetrieb der Klägerin gewertet, gegen den sich die Klägerin gem. §§ 823 Abs. 1, 1004 BGB mit der vorbeugenden Unterlassungsklage zur Wehr setzen kann.

1. Allerdings erfaßt der deliktische Schutz des eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetriebes nur betriebsbezogene Eingriffe (BGHZ 55, 153, 161; 59, 30, 35; 69, 128, 139; vgl. ferner Steffen in BGB-RGRK, 12. Aufl., § 823 Rdn. 41 m.w.N.). Er betrifft damit nur spezifische Eingriffe, die sich gegen den betrieblichen Organismus oder die unternehmerische Entscheidungsfreiheit richten. Dabei muß es sich um Eingriffe handeln, denen eine Schadensgefahr eigen ist, die über eine bloße Belästigung oder eine sozialübliche Behinderung hinausgeht. Um einen solchen Eingriff handelt es sich aber hier.

Die Mieter der Klägerin, an die sich der Aufruf zum "Mietboykott" richtete, sollten die Erfüllung ihrer vertraglichen Verpflichtung zur Mietzinszahlung für einen Monat verweigern. Durch die beabsichtigte massenhafte Zahlungsverweigerung, die schlagartig einsetzen sollte, sollte nach den Vorstellungen der Zweitbeklagten die Organisation der Klägerin spürbar getroffen werden. Eine solche Aufforderung zum organisierten Vertragsbruch ist angesichts der Eigenart des Betriebes der Klägerin ihrer Natur nach nicht unerheblich. Die gewerbliche Tätigkeit der Klägerin ist auf die Verwaltung von Wohnungen ausgerichtet. Die unerwartete und plötzliche Notwendigkeit, in einer Vielzahl von Fällen die Mieter zur Erfüllung ihrer Vertragspflichten zu zwingen, hätte die Klägerin vor eine zusätzliche Aufgabe gestellt, auf die sie nicht vorbereitet war. Diese zusätzliche Belastung des betrieblichen Organismus der Klägerin war das Ziel des Aufrufs. Zwar geht der Senat im Gegensatz zur Auffassung des Berufungsgerichts nicht davon aus, daß diese Belastung und die mit ihr verbundene Vorenthaltung eines Teiles der Mieteinnahmen, selbst wenn sie das von der Verfasserin des Aufrufs erhoffte Ausmaß erreicht hätte, die Grundlage und den Bestand des Gewerbebetriebes der Klägerin zu bedrohen vermochten. Die mit der Aufforderung zum "Mietboykott" bezweckte Belastung der betrieblichen Tätigkeit der Klägerin war jedoch nach ihrer Anlage durchaus geeignet, die Abläufe im Betrieb der Klägerin in empfindlicher Weise zu stören.

Der beanstandete Aufruf sollte die Störaktion ins Werk setzen; er ist - nicht anders als die geplante Störaktion selbst - als betriebsbezogener Angriff auf die Klägerin zu bewerten. Seine geringe Resonanz war nicht ohne weiteres vorauszusehen; insoweit konnte das Berufungsgericht zu Recht in der Aufforderung selbst eine ernst zu nehmende Bedrohung für die Klägerin sehen. Dieser Eingriff ist auch der Erstbeklagten als Verlegerin zuzurechnen, und zwar auch dann, wenn der Aufruf wegen seiner für einen redaktionellen Beitrag ungewöhnlichen Erscheinungsform als Anzeige aufzufassen wäre (BGHZ 59, 76, 78/82).

2. Der Anspruch der Klägerin auf Unterlassung des Aufrufs zum "Mietboykott" scheitert auch nicht an der Subsidiarität des Unternehmensschutzes.

Das von der Rechtsprechung entwickelte Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb ist ein "Auffangtatbestand", auf den Ansprüche nur gestützt werden können, wenn dies geboten ist, um eine sonst bleibende Lücke im Rechtsschutz zu schließen (vgl. BGHZ 45, 296, 307; 59, 30, 34; 65, 325, 328; 69, 128, 138 f.). Dabei ist zu beachten, daß der Deliktsschutz des Gewerbebetriebes nicht in einen allgemeinen deliktischen Vermögensschutz für Gewerbetreibende ausufern darf, der eine nicht gerechtfertigte haftungsrechtliche Privilegierung des Unternehmens zur Folge hätte (BGHZ 90, 113, 123). Insbesondere gilt es zu verhindern, daß vertragliche Positionen auf dem Umweg über den Schutz des Gewerbebetriebes in den deliktischen Schutzbereich gelangen. Deshalb wird der Aufforderung zum Vertragsbruch in der Regel nicht mit der Geltendmachung des Rechts am Gewerbebetrieb begegnet werden können.

Im Streitfall ist davon auszugehen, daß eine nachhaltige Verweigerung der vertraglichen Pflichten durch eine ins Gewicht fallende Zahl von Mietern ins Auge gefaßt war; denn nur sie hätte nach den Vorstellungen der Zweitbeklagten das erklärte Ziel, der "Wohnungspolitik" der Klägerin ein allseits beachtetes Zeichen entgegenzusetzen, erreichen können. Wäre entsprechend der Zielsetzung der Zweitbeklagten auch nur ein nicht unerheblicher Teil der Mieter der Klägerin der Aufforderung zum "Mietboykott" gefolgt, so hätte die Klägerin die Durchsetzung ihrer Ansprüche - wie sie unbestritten vorgetragen hat - vor Probleme gestellt, die sie mit ihrem für eine solche unvorhersehbare Belastung nicht organisierten Geschäftsbetrieb nur schwer hätte bewältigen können. In einem solchen Fall der gegen den betrieblichen Organismus gerichteten Aufforderung zum kollektiven Vertragsbruch, dem der dem Betroffenen aus seiner Vertragsposition zustehende Rechtsschutz faktisch nicht gewachsen ist, entspricht es dem Schutzgedanken des Rechts am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb, dem Betroffenen die Möglichkeit zu erhalten, wirksam, d.h. in derartigen Fällen schon im organisatorischen Vorfeld, gegen die Quelle der Störung der Vertragsbeziehungen einzuschreiten.

3. Gegenüber dem Interesse der Klägerin an der Abwehr der ihrem Gewerbebetrieb durch den Aufruf zum "Mietboykott" drohenden Beeinträchtigung können sich die Beklagten nicht mit Erfolg auf ihre Grundrechtspositionen aus Art. 5 Abs. 1 GG berufen. Zwar stehen die Erstbeklagte als Verlegerin und die Zweitbeklagte als Journalistin unter dem Schutz der Pressefreiheit aus Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG; überdies machte die Zweitbeklagte mit der Veröffentlichung ihres Aufrufs von ihrem Recht auf Meinungsäußerungsfreiheit Gebrauch (Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG). Der Grundrechtsschutz kommt hier aber nicht zum Tragen, weil die Zweitbeklagte ihre Ziele mit Mitteln durchzusetzen versuchte, die der Grundrechtsschutz nicht deckt.

Ihr Ziel war die Bekämpfung der "Wohnungspolitik" der Klägerin. Art. 5 Abs. 1 GG gab ihr zwar das Recht, sich für dieses Ziel innerhalb der Schranken des Art. 5 Abs. 2 GG publizistisch einzusetzen. Dabei setzten ihr aber die Grundrechte in der Wahl der Mittel der Zielverfolgung Grenzen. Sie beschränkten sie auf den Einsatz von Argumenten. Zwar gestatteten ihr die Grundrechte, ihren Standpunkt in der Öffentlichkeit nachdrücklich und wirkungsvoll zu vertreten; insoweit brauchte sie sich zur Schonung der Klägerin keine Zurückhaltung aufzuerlegen. Jedoch decken die Gewährleistungen in Art. 5 Abs. 1 GG nur den Einsatz von Mitteln, die der Durchsetzung des eigenen Standpunktes in der geistigen Auseinandersetzung adäquat sind. Der Rechtsbruch, sei es auch in der Form des Vertragsbruchs, ist kein von Art. 5 Abs. 1 GG geschützter Weg, die eigene Überzeugung durchzusetzen. Deshalb wird auch die Aufforderung der Beklagten zur kollektiven Verletzung der Mietverträge von der Meinungs- und Pressefreiheit nicht gedeckt.

4. Die weiteren Voraussetzungen der vorbeugenden Unterlassungsklage insbesondere die Wiederholungsgefahr - hat das Berufungsgericht rechtsfehlerfrei festgestellt. Dies greift die Revision auch nicht an.

Kritik gewerblicher Leistungen

Die öffentliche Kritik gewerblicher Leistungen hat eine außerordentlich bewegte Geschichte in der Rechtsprechung. Die Rechtsprechung des Reichsgerichts hielt sich an die BGB-Regelung gebunden. Danach konnte das Unternehmen gegenüber unzutreffenden Tatsachenbehauptungen nach § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. §§ 186, 187 StGB und nach § 824 BGB geschützt werden. Bei Werturteilen und Meinungsäußerungen kam ein Schutz nur nach § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 185 StGB und § 826 BGB in Betracht. Das Reichsgerichts hatte es immer abgelehnt, in der Kritik gewerblicher Leistungen einen Eingriff in das Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb zu sehen.

Mit dieser Rechtsprechung brach der BGH in der Constanze-Entscheidung (BGHZ 3, 270). Hier findet sich die Ausdehnung des Rechts am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb gegenüber den bestandsgefährdenden Eingriffen auf auch die übrigen Erscheinungsformen des Gewerbebetriebs, wozu der gesamte gewerbliche Tätigkeitskreis zu rechnen sei. Allerdings sollte der Schutz begrenzt sein auf unmittelbare Störungen.

Mit diesem Ausgangspunkt kam es alsdann zur Entwicklung der sogen. Constanze-Doktrin. Die lässt sich dahin zusammenfassen, dass gewerbeschädigende Äußerungen grundsätzlich unzulässige Eingriffe in das Recht einer störungsfreien Entfaltung des gewerblichen Tätigkeitskreises seien. Die Widerrechtlichkeit sei nur ausgeschlossen, bei sachlicher Kritik (Art. 5 Abs. 1 GG) und bei Wahrnehmung berechtigter Interessen (Argument aus § 193 StGB). Nur solche Kritik war erlaubt, die sich objektiv nach Inhalt, Form und Begleitumständen als das gebotene und notwendige Mittel zur Erreichung eines rechtlich gebilligten Zweckes darstellte.

Gericht: BGH 1. Zivilsenat, Datum: 26.10.1951, Az: I ZR 8/51

Leitsatz

1. Geschäftsschädigende Werturteile können, auch wenn sie nicht zu Wettbewerbszwecken erfolgen, einen unmittelbaren Eingriff in das nach BGB § 823 Abs 1 geschützte Recht an der ungestörten Ausübung eines eingerichteten Gewerbebetriebes darstellen.

2. Der Rechtsgedanke des StGB § 193, der auf dem Gebiet des Ehrenschutzes einen Rechtfertigungsgrund gewährt, muß bei Prüfung der Widerrechtlichkeit des Eingriffs sinngemäß auch auf gewerbestörende Werturteile zur Anwendung kommen.

3. Nach dem für alle Fälle des Interessenwiderstreits geltenden Grundsatz der Güterabwägung und Pflichtenabwägung sind rechtsverletzende Äußerungen nur dann durch die Wahrung berechtigter Interessen gerechtfertigt, wenn sie nach Inhalt, Form und Begleitumständen zur Erreichung eines rechtlich gebilligten Zweckes objektiv erforderlich sind. Ein Irrtum über die Notwendigkeit der Schwere und des Ausmaßes des Eingriffs in ein geschütztes Rechtsgut schließt, wenn er entschuldbar ist, nur die Schuld des Verletzers, nicht aber die Widerrechtlichkeit des objektiv übermäßigen Eingriffs aus.

Fundstelle

BGHZ 3, 270-285 (LT1-4)

Tatbestand

Im Verlag der Klägerin erscheint die Frauenzeitschrift "C.". Die Beklagte ist Verlegerin der Wochenzeitschrift "Kirche und Leben, Kirchenblatt für das Bistum M.". Jeder Nummer dieses Kirchenblattes wird in jedem Dekanat eine dort verfaßte und gedruckte "Dekanatsbeilage" beigefügt, in der vornehmlich Anzeigen sowie die Gottesdienstordnung und sonstige kirchliche Nachrichten des jeweiligen Dekanats veröffentlicht werden. In der Dekanatsbeilage für O. wurde mit der Überschrift "Die Lesemappe des P.-Ringes in jede Familie" ein Artikel veröffentlicht, in welchem an der sittlichen Haltung der in der Nachkriegszeit erschienenen illustrierten Zeitschriften Kritik geübt wird. In diesem Artikel sind ua die Wendungen enthalten: die Verleger machten mit dem scheinbaren Zusammenbruch der Begriffe von Anstand und Würde ihre Geschäftchen; sie vertauschten die saubere kaufmännische Werbung und Absatzkalkulation mit der gewissenlosen Spekulation auf die primitiven Instinkte eines müde gewordenen Volkes; die Frauenzeitschrift "C." der Klägerin sei eine Blüte aus dem Sumpf der fragwürdigen Kulturerzeugnisse nach Art der Magazine zu nennen; der christliche Leser der Frauenzeitschrift "C." vergesse mit dem Empfang der Zeitschrift, was er der Ehre seiner Frau und Tochter, und was er der Erziehung seiner heranwachsenden Kinder schuldig sei. Im Anschluß daran heißt es, der Christ könne sich aus anderen Zeitschriften ein Bild von der Welt machen und er habe die Möglichkeit, diesen Dingen gegenüber einen neuen Standpunkt zu beziehen. Seit ein paar Monaten erscheine auf Wunsch des Bischofs wöchentlich regelmäßig die Lesemappe des P.-Ringes, die an Reichhaltigkeit, Aktualität und Aufmachung den Erzeugnissen anderer Unternehmen nicht nachstehe und sie an Preiswürdigkeit übertreffe. Es werden sodann eine Reihe von Zeitschriften benannt, die eine "bunte Kette" bildeten, an der jeder verantwortlich denkende Christ Freude und Entspannung durch besinnliche Minuten an Abenden und Feiertagen finden könne. Auskunft über diese Lesemappe erteile jedes Pfarramt oder die Geschäftsstelle des P.-Ringes (Angabe der Anschrift).

Die in diesem Artikel angeführte Lesemappe des "P.-Ringes" wird von dem "Katholischen L. eV" in M. vertrieben, dem auch ein etwaiger Reingewinn zufließt. Der "P.-Ring" und der "Katholische L. eV" sind von der Beklagten wirtschaftlich unabhängig.

Der obenerwähnte Artikel aus der Dekanatsbeilage ist ohne Benennung eines Verfassers erschienen. Die Klägerin macht für die in diesem Artikel gegen sie und ihre Zeitschrift enthaltenen Äußerungen die Beklagte verantwortlich, der sie Verstöße gegen § 1, 14 UnlWG und Art V Nr 9 lit c Ziff 4 BritMilRegVO Nr 78 sowie gegen §§ 823, 824, 826 BGB und § 11 des Pressegesetzes zur Last legt. Die Beklagte hat von dem beanstandeten Artikel erst nach seinem Erscheinen Kenntnis erhalten, sie hat jedoch erklärt, daß sie für den Artikel in vollem Umfang eintrete und es ablehne, die in ihm zum Ausdruck kommende Kritik an der Zeitschrift der Klägerin zurückzunehmen.

Die Klägerin hat beantragt, die Beklagte zur Unterlassung und zum Widerruf der oben mitgeteilten Äußerungen zu verurteilen. Sie hat ferner Feststellung der Schadensersatzpflicht sowie Veröffentlichungsbefugnis hinsichtlich des Urteils begehrt.

Beide Tatsacheninstanzen haben die Klage abgewiesen. Die Revision führte zur Aufhebung und Zurückverweisung.

Entscheidungsgründe

I. Es kann von der Revision nicht mit Erfolg beanstandet werden, daß das Berufungsgericht in den strittigen Äußerungen Werturteile und nicht Tatsachenbehauptungen im Sinne von § 14 UnlWG, § 824 BGB, § 186, 187 StGB erblickt hat. Das Berufungsgericht hat nicht verkannt, daß sich unter der Form eines Urteils die Behauptung einer Tatsache verbergen kann. Wenn es auch der vom Gesetzgeber beabsichtigte Ehrenschutz gebietet, die fließende Grenze zwischen Tatsachenbehauptungen und Werturteilen oder bloßen Meinungsäußerungen zugunsten der Tatsachenbehauptungen möglichst weit zu ziehen, weil sich letztlich jedes Urteil auf äußere oder innere Tatsachen stützt, so bleibt doch Voraussetzung, daß das abfällige Urteil greifbare, dem Beweis zugängliche Geschehnisse zum Ausgang nimmt, da andernfalls ein Wahrheits- oder Unwahrheitsbeweis, wie ihn § 186 StGB, § 824 BGB und § 14 UnlWG vorgesehen, begrifflich ausgeschlossen ist. Die Revision geht nun selbst davon aus, daß für die von ihr beanstandeten Äußerungen ein Wahrheitsbeweis überhaupt nicht erbracht werden kann. Dem Wahrheitsbeweis nicht zugängliche Bewertungen, die nicht auf bestimmte nachprüfbare Handlungen Bezug nehmen, fallen aber gerade nicht unter die Tatsachenbehauptungen im Sinne der genannten Gesetzesvorschriften. Es ist der Revision zwar zuzugeben, daß der Vorwurf übler Geschäftemacherei eine Tatsachenbehauptung enthalten kann. Im vorliegenden Fall stützt sich dieser Vorwurf aber nicht auf bestimmte Einzelvorgänge, sondern wird damit begründet, daß die fraglichen Geschäfte "mit dem scheinbaren Zusammenbruch von Anstand und Würde" gemacht würden. Hält man diese Äußerung mit den weiteren Vorwürfen zusammen, wonach die hinter der Klägerin stehenden Persönlichkeiten der "gewissenlosen Spekulation auf die Instinkte eines müde gewordenen Volkes" bezichtigt werden, so muß der vom Berufungsgericht vertretenen Auffassung beigepflichtet werden, daß sich in den fraglichen Äußerungen nicht etwa der Vorwurf nachweisbarer geschäftlicher Unredlichkeit verbirgt, es sich vielmehr um eine moralische Beurteilung der allgemeinen Haltung und geschäftlichen Betätigung der in Betracht kommenden Personen handelt, also um generelle, durch nachprüfbare Tatsachen nicht konkretisierte Werturteile.

Das gleiche gilt für die weiteren Äußerungen, die Zeitschrift "C." der Klägerin sei "eine Blüte aus dem Sumpf der fragwürdigen Kulturerzeugnisse nach Art der Magazine", und "der christliche Leser der Zeitschrift vergesse mit dem Empfang der Zeitschrift, was er der Ehre seiner Frau und Tochter, und was er der Erziehung seiner heranwachsenden Kinder schuldig sei". Das Berufungsgericht hat diese Äußerung durchaus zutreffend im Einklang mit den vom Reichsgericht in ständiger zivil- und strafrechtlicher Rechtsprechung für die Abgrenzung von Werturteilen und Tatsachenbehauptungen aufgestellten Grundsätze als allgemein abfällige Wertkundgebungen gewürdigt, die nachprüfbare Handlungen der Beteiligten nicht zum Gegenstand haben (RGSt 41, 193; 55, 129 (131); 64, 10 (12); 68, 120; RGZ 101, 335 (338); RG JW 1928, 1745; OGHSt 2, 291 (310); HESt 1, 42 (45)).

II. Auch die Erwägungen mit denen das Berufungsgericht die §§ 823 Abs 1 und 2, 826 in Verbindung mit § 1004 BGB als Anspruchsgrundlage ausscheidet, halten einer rechtlichen Nachprüfung nicht stand.

... Zunächst ist zu beanstanden, daß das Berufungsgericht entscheidend darauf abstellt, ob die Beklagte in Beleidigungsabsicht gehandelt habe - eine Frage, die nur im Rahmen des Ehrenschutzes bedeutsam werden kann -, ohne zu prüfen, ob ein unmittelbarer Eingriff in den Gewerbebetrieb der Klägerin durch widerrechtliche Beeinträchtigung ihres gewerblichen Tätigkeitskreises vorliegt, der unter § 823 Abs 1 BGB fällt. Auch Äußerungen, die nicht einen Beleidigungstatbestand erfüllen, aber die Verhältnisse eines gewerblichen Unternehmens, seine Erzeugnisse oder sonstigen Leistungen herabsetzen und damit störend in die freie gewerbliche Entfaltung des Unternehmens eingreifen, können einen unmittelbaren Eingriff in das nach § 823 Abs 1 BGB geschützte Recht an der Ausübung eines eingerichteten Gewerbebetriebs darstellen. Da § 14 UnlWG und § 824 BGB Ansprüche nur bei unrichtigen Tatsachenbehauptungen gewähren, wäre der Rechtsschutz bei schädigenden Werturteilen, die nicht den Makel der Sittenwidrigkeit tragen und deshalb nicht unter die Generalklausel des § 1 UnlWG, § 826 BGB fallen, unvollkommen, wenn sie nicht als Verletzungshandlungen gegenüber dem Recht am Gewerbebetrieb gewertet werden könnten.

Das Reichsgericht bejahte zwar eine Verletzung des Rechtes am Gewerbebetrieb in seinen früheren Entscheidungen nur dann, wenn sich der Eingriff unmittelbar gegen den Bestand des Gewerbebetriebes richtete. Eine Schmälerung des wirtschaftlichen Gewinnes, der Aussicht auf Erwerb, wurde nicht als ausreichend angesehen (RGZ 101, 335 (337); 102, 223 (225); 126, 93 (96)). In späteren Entscheidungen ist das Reichsgericht jedoch auf dem Gebiet des Warenzeichen- und Wettbewerbsrechtes weiter gegangen und hat für den Unterlassungsanspruch jede widerrechtliche Beeinträchtigung der gewerblichen Betätigung für ausreichend erachtet, wenn sie einen unmittelbaren Eingriff in den Bereich des Gewerbebetriebs darstellt (RGZ 158, 377 (379); 163, 21 (32); RG MuW 1931, 276 (277); 1935, 26 (30); RG GRUR 1940, 375 (378); GRUR 1942, 54 und 365). Es besteht jedoch kein sachlicher Grund, diesen Gedanken des Schutzes der gewerblichen Betätigung auf das Gebiet des Wettbewerbs und der gewerblichen Schutzrechte zu beschränken. Wie das Eigentum nicht nur in seinem Bestand, sondern auch in seinen einzelnen Ausstrahlungen - beispielsweise der Beeinträchtigung der unbeschränkten Verfügungsmacht (RGZ 156, 400) - durch § 823 Abs 1 BGB vor unmittelbaren Eingriffen geschützt ist, muß nach dieser Schutzvorschrift auch das Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb nicht nur in seinem eigentlichen Bestand, sondern auch in seinen einzelnen Erscheinungsformen, wozu der gesamte gewerbliche Tätigkeitskreis zu rechnen ist, vor unmittelbaren Störungen bewahrt bleiben.

Der strittige Artikel, der getragen von höchster kirchlicher Autorität jedermann, insbesondere aber den christlichen Leser, eindringlich vor der Zeitschrift der Klägerin warnt und diese mit einer achtungverletzenden Herabsetzung der hinter der Klägerin stehenden Personen verbindet, ist geeignet, die gewerbliche Betätigung der Klägerin empfindlich zu beeinträchtigen. Er stellt einen unmittelbaren Eingriff in das der Klägerin geschützte Recht einer störungsfreien Entfaltung ihres gewerblichen Tätigkeitskreises dar. Dieser Eingriff in den geschützten Rechtskreis der Klägerin, der den von der Rechtsordnung gewährten Schutz der gewerblichen Betätigung verletzt, wäre nur dann nicht widerrechtlich, wenn der Beklagten für diesen Eingriff ein besonderer Rechtfertigungsgrund zur Seite stehen würde (RG JW 1926, 364; Enneccerus-Lehmann 13. Aufl, Recht der Schuldverhältnisse, § 229 Anm II, § 234 II 1). Hierbei kommt es entgegen der vom Berufungsgericht vertretenen Auffassung nicht entscheidend darauf an, ob der Tatbestand einer strafbaren Beleidigung vorliegt, da nicht der Ehrenschutz, sondern das Recht der Klägerin auf ungehinderte gewerbliche Betätigung in Frage steht. Wenn unlautere wettbewerbliche Momente, wie sie dem kritischen Vergleich von gewerblichen Erzeugnissen zu Werbungszwecken im Regelfall anhaften, ausscheiden, so wäre eine sachliche Kritik an der Zeitschrift der Klägerin selbst dann nicht widerrechtlich, wenn sie nachteilige Folgen für die Klägerin hätte, da eine solche Kritik nach Art 5 GrundG jedem auf Grund seines Rechtes zur freien Meinungsäußerung offen steht. Gewerbestörende Werturteile aber, die den Boden der sachlichen Kritik verlassen, sind nur dann der Widerrechtlichkeit entkleidet, wenn sie nach Inhalt, Form und Begleitumständen zur Wahrnehmung rechtlich gebilligter Interessen objektiv erforderlich sind. Der § 193 StGB gewährt zwar einen Rechtfertigungsgrund nur bei Ehrverletzungen. Diese Rechtsnorm regelt jedoch den Sonderfall von Interessenkollisionen, die auf dem Gebiet des Ehrenschutzes auftreten können, nach einem übergeordneten Rechtsgedanken, der in allen Fällen Bedeutung gewinnt, wo im Widerstreit verschiedener Belange die Verletzung eines Rechtsgutes in Kauf genommen werden muß. Auch gewerbestörende Werturteile, die tatbestandsmäßig unter § 823 Abs 1 BGB fallen, können durch die Wahrnehmung berechtigter Interessen gerechtfertigt sein, wenn sich die Interessenwahrung in den vom Gesetz gebilligten Grenzen hält. Diese Grenzen sind nach dem für alle Fälle des Interessenwiderstreits geltenden Grundsatz der Güter- und Pflichtenabwägung zu ziehen (RGSt 62, 83 (93); 63, 202 (204); 64, 10 (13); 65, 422 (427); 66, 1). Der Widerstreit zwischen dem verfolgten Interesse und dem Rechtsgut, das diesem Interesse aufgeopfert werden soll, ist unter Berücksichtigung der Grundsätze, die das Reichsgericht für den übergesetzlichen Notstand entwickelt hat, auszugleichen. Der Wertkonflikt darf lediglich in der gewählten Art zu lösen sein, wobei derjenige, der berechtigte Interessen nur durch den Eingriff in ein fremdes Rechtsgut wirksam wahrzunehmen vermag, das kleinste Rechtsübel, das schonendste Mittel, zu wählen hat. Rechtsverletzende Äußerungen sind daher nur dann durch die Wahrnehmung berechtigter Interessen gedeckt, wenn sie objektiv nach Inhalt, Form und Begleitumständen das gebotene und notwendige Mittel zur Erreichung des rechtlich gebilligten Zweckes bilden (Ebermayer 1951 Anm III zu § 185 und 193 StGB, Frank StGB § 193 II 2a; RGSt 42, 441 (443); 61, 242 (254)). Ein Irrtum über die Notwendigkeit der Schwere und des Ausmaßes des Eingriffs in ein geschütztes Rechtsgut schließt, wenn er entschuldbar ist, nur die Schuld und damit die Schadenshaftung, nicht aber die gegenständliche Widerrechtlichkeit des Eingriffs aus (Schwarz 1941 Anm 3c zu § 59 StGB; Baumbach-Hefermehl, Wettbewerbs- und Warenzeichenrecht, 6. Aufl Allg IV Anm 6 C). Hierbei ist zu beachten, daß derjenige, der in einen fremden Rechtskreis zugunsten eigener oder ihm besonders nahestehender Belange störend eingreifen will, besonders sorgfältig zu prüfen hat, ob die Rechtsverletzung, die er begehen will, zur sachgemäßen Interessenwahrung nach Schwere und Ausmaß erforderlich ist. Unterbleibt diese Prüfung, bei der auch der Schutzwert des angegriffenen Rechtsgutes zu berücksichtigen ist, so ist das stets rechtswidrige Übermaß der Rechtsverletzung auch bei einem Irrtum über seine Erforderlichkeit nicht entschuldbar.

Diese Rechtsgrundsätze sind vom Berufungsgericht verkannt worden. Das Berufungsgericht geht zwar zutreffend davon aus, daß die Beklagte als Verlegerin einer von einem hohen kirchlichen Würdenträger herausgegebenen Druckschrift keine rechtliche Sonderstellung einnimmt, sondern ihr Verhalten nach den für alle geltenden gesetzlichen Bestimmungen zu beurteilen ist. Dem Berufungsgericht ist auch darin beizupflichten, daß die Belange, die im Abwehrkampf der Kirche gegen das von ihr mißbilligte Zeitschriftenunwesen auf dem Spiel standen, die Beklagte als Verlegerin des Kirchenblattes so nahe angehen, daß ihr ein besonderes Recht zur Wahrung dieser Interessen zuzubilligen ist (RGSt 63, 229 (231); RGZ 115, 77 (80)). Das Berufungsgericht verkennt jedoch die Grenzen der Wahrnehmung berechtigter Interessen, wenn es einen Rechtfertigungsgrund auch für das von ihr unterstellte Übermaß der Rechtsverletzung deshalb für gegeben erachtet, weil die Beklagte ausschließlich mit einer ethisch einwandfreien Zielsetzung und nicht mit der Absicht, zu beleidigen, gehandelt habe. Auch sittliche Beweggründe gewähren kein Recht, die geschützten Interessen eines anderen über das erforderliche Maß aufzuopfern. Die vom Berufungsgericht vertretene Rechtsansicht, die die Widerrechtlichkeit der strittigen Äußerungen von der persönlichen Überzeugung und Willensrichtung des Verletzers abhängig machen will, würde das Rechtsgut der Ehre wie auch das Recht am eingerichteten Gewerbebetrieb selbst gegen gröbste Angriffe schutzlos stellen, wenn der Täter nicht aus verwerflichen Gründen, sondern nur mit dem Ziel handelt, durch das objektiv nicht gebotene Übermaß seiner Angriffe das von ihm verfolgte Interesse wirksamer durchzusetzen. Das Berufungsgericht übersieht, daß die Entscheidungen des Reichsgerichts, auf die es sich für seine gegenteilige Auffassung stützt (RG JW 1914, 368, 371; RGSt 40, 317), sich nur mit der Strafbarkeit - die stets ein Verschulden voraussetzt -, nicht aber der objektiven Widerrechtlichkeit von über Gebühr kränkenden Äußerungen befassen.

Es ist auch zu beanstanden, wenn das Berufungsgericht in Widerspruch zu seiner Auffassung, daß die Beklagte sich so behandeln lassen müsse, als habe sie den Artikel selbst verfaßt oder veranlaßt, das Verhalten der Beklagten im Rahmen des § 193 StGB aus der gewissen Konfliktslage rechtfertigen will, in der sie sich nach der Veröffentlichung des Artikels befunden habe. Stand der Beklagten ein Recht zu den Unwertkundgebungen in der vorliegenden Form bei dem Erscheinen des Artikels nicht zu, so kann dieses Recht, das die Beklagte auch für künftige Veröffentlichungen in Anspruch nimmt, nicht aus ihrer Lage nach Veröffentlichung des Artikels hergeleitet werden. Die Beklagte konnte, als die Klägerin an sie mit der Bitte um Zurücknahme des Artikels herantrat, in Ruhe überlegen, ob die beanstandeten Äußerungen über das zur Interessenwahrung gebotene Maß hinausgingen, wobei es gerade ihr als Verfechterin kirchlicher Belange ein besonderes Anliegen sein mußte, sorgfältig zu prüfen, ob die Zeitschrift der Klägerin nach ihrem Gesamtcharakter eine derart schwerwiegende Verächtlichmachung verbunden mit einer allgemein gehaltenen Ehrabschneidung ihrer Verleger und Lizenzträger rechtfertige. Liegt objektiv ein Übermaß des Eingriffs vor, so entschuldigt es die Beklagte, die dieses Übermaß gebilligt hat, keinesfalls, wie das Berufungsgericht rechtsirrig annimmt, daß auch bei Abschwächung der Ausdrucksform noch eine sachlich gebotene Rechtsverletzung verbleibe; denn nur der sachlich gebotene Eingriff in fremde Interessen, nicht aber der unnötige sogenannte Exzeß wird durch die Wahrung berechtigter Interessen gedeckt.

Ob ein rechtsverletzender Angriff über das zur Interessenwahrung sachlich gebotene Maß hinausgeht, ist Tatfrage. Das Berufungsgericht hat hierzu keine Feststellung getroffen. Ausgehend von seiner rechtsirrigen Auffassung, daß auch für die objektive Widerrechtlichkeit der strittigen Äußerungen allein die subjektive Überzeugung der Beklagten von ihrer Notwendigkeit maßgebend sei, hat das Berufungsgericht die Frage, ob ein sachlich nicht gebotenes Übermaß des Angriffs vorliegt, nicht für entscheidungserheblich erachtet. Das Berufungsgericht vertritt in diesem Zusammenhang die Ansicht, daß es nicht seine Aufgabe sein könne, "Stellung zu nehmen in dem Kampf der miteinander ringenden Weltanschauungen, wie sie hier in den fraglichen Kundgebungen (der Zeitschrift der Klägerin und dem Artikel, für den die Beklagten einzustehen haben) zutage treten, oder die Richtigkeit der in diesen Kundgebungen gefällten Werturteile nachzuprüfen". Dies ist nur insoweit richtig, als es dem Berufungsgericht nicht obliegt, über den Wert oder Unwert der von den Parteien verfolgten weltanschaulichen Ziele, soweit sie in Gegensatz zueinander treten, zu urteilen. Muß aber auch der Zeitschrift der Klägerin zugebilligt werden, wie aus der Begründung des angefochtenen Urteils zu entnehmen ist, daß sie sich mit weltanschaulichen Fragen auseinandersetzt, so kann sich das Berufungsgericht einer Feststellung darüber, ob der gegen diese Zeitschrift gerichtete Angriff der Beklagten nach Inhalt, Form und Begleitumständen bei objektiver Betrachtungsweise noch in den Grenzen rechtlich gebilligter Interessenwahrung liegt, nicht entziehen. Hierbei ist zu beachten, daß das zulässige Maß des Angriffs anders zu beurteilen ist, wenn er sich gegen eine Zeitschrift mit allgemein zuchtlosem Inhalt richtet, als wenn er auf eine Zeitschrift trifft, der die Verfolgung ernsthafter Bestrebungen - ganz oder teilweise - nicht abzusprechen ist. Entscheidend sind bei dieser Beurteilung nicht einzelne Beiträge der Zeitschrift, sondern ihr Gesamtcharakter. Das Berufungsgericht wird somit bei einer erneuten Verhandlung des Rechtsstreits, falls wettbewerbliche Bestimmungen auch nach einer weiteren tatsächlichen Klärung als Anspruchsgrundlage entfallen sollten, prüfen müssen, ob es das sachlich erforderliche und nicht zu mildernde Mittel für einen wirksamen Abwehrkampf gegen die Zeitschrift der Klägerin darstellt, wenn diese Zeitschrift mit Magazinen allgemein als anstößig empfundener Prägung gleichgestellt und den Verlegern und Linzenzträgern der Klägerin vorgeworfen wird, mit der Herausgabe dieser Zeitschrift in gewissenloser, ethisch verwerflicher Weise den moralischen Verfall des Volkes zu eigennützigen, gewinnsüchtigen Zwecken auszunützen. Hierbei wird das Berufungsgericht auch berücksichtigen müssen, daß die weitgehende moralische Verfemung der hinter der Klägerin stehenden Personen und ihres Verlagsobjektes in einer periodischen Druckschrift der Beklagten veröffentlicht worden ist. Bei Presseangriffen aber sind wegen ihrer unberechenbaren und tiefgreifenden Wirkung die Grenzen für das durch Interessenwahrung noch gedeckte Maß der Rechtsgutverletzung besonders eng zu ziehen (RGSt 63, 92 (94)) ... .

Zu einer Umkehr der Constanze-Doktrin kam es in der Höllenfeuer-Entscheidung des BGH (BGHZ 45, 296). Die Höllenfeuer-Doktrin sieht so aus, dass gewerbeschädigende Kritik außerhalb von Wettbewerbsverhältnissen grundsätzlich erlaubt ist. Eine Grenze wird ihr nur insoweit gezogen, als bei Beiträgen zu gemeinschaftswichtigen Fragen die böswillige und gehässige Schmähkritik und bei Äußerungen zu nichtgemeinschaftswichtigen Fragen die einfache Schmähkritik verboten ist.

Gericht: BGH 6. Zivilsenat, Datum: 21.06.1966, Az: VI ZR 261/64

Leitsatz

Zur Rechtswidrigkeit gewerbeschädigender Werturteile im Meinungskampf (Abweichung BGH, 1951-10-26, I ZR 8/51, BGHZ 3, 270).

Orientierungssatz

Die strengen Sorgfaltspflichten, die die Rechtsprechung mit Recht stellt, wenn die Presse ehrenrührige Tatsachen über einen Bürger verbreitet, sind nicht in gleicher Weise am Platz, wenn Wertungen in Fragen allgemeiner Bedeutung, mögen sie auch einem einzelnen abträglich sein, vorgetragen werden. Mißt das GG der rechtlichen Sicherung der Freiheit der Meinungsäußerung eine überragende Bedeutung bei, so liegt dem die Vorstellung zugrunde, daß der mündige und zum eigenen Urteil im Kampf der Meinungen aufgerufene Bürger in der freiheitlichen Demokratie selbst fähig ist zu erkennen, was von einer Kritik zu halten ist, die auf eine Begründung verzichtet und in hämisch-ironischer oder schimpfend-polternder Art die Gegenmeinung angreift. Gegenüber diesem "Wagnis der Freiheit" ist es hinzunehmen, daß das Recht dem Betroffenen nicht gegenüber jeder unangemessen scharfen Meinungsäußerung Schutz gewährt. Dabei sind solche Einschränkungen des Rechtsschutzes besonders dann zu vertreten, wenn es dem Kritiker darum geht, einen Angriff auf die von ihm vertretene Auffassung abzuwehren, den er aus seiner Sicht nach Tendenz und Aufmachung als unangemessen oder anstößig empfinden konnte.

Fundstelle

BGHZ 45, 296-311 (LT1)

NJW 1966, 1617-1619 (LT1)

JZ 1967, 174-175 (LT1)

Zum Sachverhalt (vereinfacht):

Die Illustrierte "Stern" hatte sich in einem Artikel unter der Überschrift "Brennt in der Hölle wirklich ein Feuer?" kritisch mit den Problemen der katholischen Theologie und Kirchenpraxis beschäftigt. In der katholischen Wochenzeitung "Echo der Zeit" erschien daraufhin unter dem Titel "Warten auf Bucerius" ein Artikel, in dem dem "Stern" in scharfer Polemik "Konfessionshetze", "Dummenfang" und "leichtfertige Verfälschung oder Unkenntnis der Fakten" vorgeworfen wurde. Der Kläger, Herausgeber des "Stern", nimmt den beklagten Herausgeber des "Echo der Zeit" auf Unterlassung in Anspruch.

Die Klage wurde vom BGH abgewiesen.

Aus den Entscheidungsgründen:

I. [Der BGH stellt fest, daß der Beklagte mit der Veröffentlichung des Artikels "Warten auf B." nicht in der Absicht gehandelt haben, eigenen oder fremden Wettbewerb zu fördern (Dies ist Voraussetzung für die Anwendung von §§ 823, 1004 BGB. Handelt der Kritiker in Wettbewerbsabsicht, gehen §§ 1, 14 UWG vor)]

II. [Der BGH stellt fest, daß es sich bei den im Artikel "Warten auf B." gemachten Äußerungen nicht um Tatsachenbehauptungen, sondern um Werturteile gehandelt hat.]

[...]

V. Die für die Beurteilung des Rechtsstreits entscheidende Frage ist dahin zu stellen, ob die abfällige Kritik über die rechtlich gesetzten Grenzen hinausgegangen ist, indem sie die gewerbliche Betätigung der Klägerin in rechtlich unstatthafter Weise beeinträchtigt hat (§ 823 Abs 1 BGB).

In dieser Frage vertritt die Revision den Standpunkt, die Grenze müsse nach den Grundsätzen des sogenannten Constanze-Urteils (BGHZ 3, 270 - Constanze I -) festgesetzt werden. Der Rechtfertigungsgrund der Wahrnehmung berechtigter Interessen (§ 193 StGB) entfalle daher schon dann, wenn die Polemik unnötig scharf sei und über eine sachliche Kritik hinausgehe. Der Rechtfertigungsgrund setze voraus, daß die in Rede stehende Äußerung zur Wahrnehmung rechtlich geschützter Interessen objektiv erforderlich sei. Das sei bei keiner der von der Klägerin beanstandeten Äußerungen der Fall. Das Berufungsgericht habe eine solche objektive Erforderlichkeit zum Teil sogar ausdrücklich abgelehnt.

Nun sind in der Tat in dem Constanze-Urteil des früheren I. Zivilsenats, der damals für das Rechtsgebiet zuständig war, die Grenzen für die Verbreitung geschäftsschädigender Werturteile auch dann sehr eng gezogen, wenn eine wettbewerbsrechtliche Beurteilung ausscheidet. Zwar erscheint es nach den Grundsätzen dieses Urteils nicht ausgeschlossen, bei der vorzunehmenden Güter- und Pflichtenabwägung zu berücksichtigen, daß die Sprache bei der Abwehr eines Angreifers auf eine bestimmte Person, Einrichtung oder Gesinnung schärfer sein darf, als sie sonst zu vertreten wäre. Aber das Constanze-Urteil geht doch grundsätzlich davon aus, daß gewerbeschädigende Werturteile, die den Boden der sachlichen Kritik verlassen, nur dann der Widerrechtlichkeit entkleidet sind, wenn sie nach Inhalt, Form und Begleitumständen zur Wahrnehmung rechtlich geschützter Interessen objektiv erforderlich sind. Dabei wird erläuternd ausgeführt, es sei das kleinste Rechtsübel, das schonendste Mittel zu wählen. Es sei ferner Voraussetzung der Rechtfertigung, daß der Täter auch subjektiv besonders sorgfältig geprüft habe, ob die "Rechtsverletzung" nach Schwere und Ausmaß zur sachgemäßen Interessenwahrnehmung erforderlich sei (BGHZ 3, 270, 280ff). Indem nach dem Vorbild der "klassischen" Rechtsgutverletzungen des § 823 Abs 1 BGB das Schema der indizierten Rechtswidrigkeit und der ausnahmsweisen Rechtfertigung auf den Tatbestand der Beeinträchtigung des eingerichteten Gewerbebetriebes übernommen wird, zeigt sich auch in der methodischen Behandlung die Tendenz, einer negativen Kritik keinen allzu großen Spielraum zu geben, wenn gewerbliche Belange berührt werden.

Der erkennende Senat hat bereits in dem Urteil BGHZ 36, 77 (83) Waffenhändler - Bedenken geltend gemacht, ob bei gewerbeschädigenden Werturteilen an dem Erfordernis des mildesten Mittels als Voraussetzung der Rechtfertigung festgehalten werden kann. Der erkennende Senat ist ferner in zunehmendem Maße dazu übergegangen, bei dem in der Rechtsprechung herausgebildeten "Auffangtatbestand" der rechtswidrigen Beeinträchtigung der gewerblichen Tätigkeit und bei der Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts die Rechtswidrigkeit erst aus der zu mißbilligenden Art der Schädigung abzuleiten, so daß es der Berufung des Täters auf einen besonderen Rechtfertigungsgrund jedenfalls nicht immer bedarf (vgl BGHZ 29, 65; 36, 19; 36, 77; VI ZR 175/64 vom 11. Januar 1966 = MDR 1966, 309; LM GG Art 5 Nr 9 und 17; vgl hierzu von Caemmerer, Wandlungen des Deliktsrechts, Festschrift für den Deutschen Juristentag 1960, Bd II S 49 (91); Larenz, Lehrbuch des Schuldrechts, Besonderer Teil, 7. Aufl, § 66 Id und e; Fikentscher, Schuldrecht, 1960 § 103 IIl). Die weitere Rechtsentwicklung auf diesem Gebiet ist sodann entscheidend durch die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zur Tragweite des Art 5 GG und zum Einfluß dieses Grundrechts auf die Auslegung privat-rechtlicher Normen beeinflußt worden (BVerfGE 7, 198 - Lüth -; 12, 113 - Schmid/Spiegel -). Schon deshalb bedarf das in dem Urteil BGHZ 3, 270 behandelte Problem des Verhältnisses der freien Meinungsäußerung zur Beeinträchtigung gewerblicher Interessen einer erneuten Überprüfung.

Der Senat geht mit dem Bundesverfassungsgericht davon aus, daß die Vermutung für die Zulässigkeit der "freien Rede" streitet, wenn es sich um einen Beitrag zum geistigen Meinungskampf in einer die Öffentlichkeit wesentlich berührenden Frage durch einen dazu Legitimierten handelt. Um die freie Diskussion gemeinschaftswidriger Fragen zu sichern, kann es nach den Umständen des Einzelfalls geboten sein, den Schutz privater Rechtsgüter zurücktreten zu lassen. Gerade in Auseinandersetzungen, die über einzelpersönliche Bezüge hinausgehen und eine Thematik von großer Tragweite für das Gemeinschaftsleben ansprechen, erfordert es die Bedeutung des Art 5 GG, daß auch in der Art der Meinungsäußerung von Rechts wegen große Freiheit gewährt und in der Bejahung einer Beleidigungsabsicht oder einer rechtswidrigen Störung gewerblicher Belange Zurückhaltung geübt wird (vgl Ridder, JZ 1961, 537, 539). Die strengen Sorgfaltspflichten, die die Rechtsprechung mit Recht stellt, wenn die Presse ehrenrührige Tatsachen über einen Bürger verbreitet, sind nicht gleicher Weise am Platz, wenn Wertungen in Fragen allgemeiner Bedeutung, mögen sie auch einem einzelnen abträglich sein, vorgetragen werden. Mißt das Grundgesetz der rechtlichen Sicherung der Freiheit der Meinungsäußerung eine überragende Bedeutung bei, so liegt dem die Vorstellung zugrunde, daß der mündige und zum eigenen Urteil im Kampf der Meinungen aufgerufenen Bürger in der freiheitlichen Demokratie selbst fähig ist, zu erkennen, was von einer Kritik zu halten ist, die auf eine Begründung verzichtet und in hämisch-ironischer oder schimpfend-polternder Art die Gegenmeinung angreift. Gegenüber diesem "Wagnis der Freiheit" (Adolf Arndt, NJW 1964, 1312, 1313) ist es hinzunehmen, daß das Recht dem Betroffenen nicht gegenüber jeder unangemessenen scharfen Meinungsäußerung Schutz gewährt. Dabei sind solche Einschränkungen des Rechtsschutzes besonders dann zu vertreten, wenn es dem Kritiker darum geht, einen Angriff auf die von ihm vertretene Auffassung abzuwehren, den er aus seiner Sicht nach Tendenz und Aufmachung als unangemessen oder anstößig empfinden konnte (vgl BVerfGE 12, 113).

Dieser Bedeutung des Art 5 GG werden die Ausführungen des Berufungsurteils nicht in allem gerecht. Zwar erkennt das Berufungsgericht, daß nicht schon aus jeder unnötigen Schärfe die Rechtswidrigkeit einer gewerbeschädigenden Kritik abgeleitet werden kann. Andererseits kommt das Berufungsgericht bei den von ihm beanstandeten Äußerungen zur Bejahung der Rechtswidrigkeit, indem es rügt, es habe an einer sorgfältigen Abwägung der widerstreitenden Interessen gefehlt, die Beklagten hätten die von ihnen vertretenen Ansichten über den "stern" auch in anderer (nämlich mehr schonender) Weise zum Ausdruck bringen können, sie hätten sich nicht zu unnötigen gehässigen Schimpfereien hinreißen lassen dürfen, auch unter Berücksichtigung des vorangegangenen Angriffs sei das "rechte Maß" nicht immer eingehalten.

Die Grenzen zulässiger Meinungsäußerung sind in einer solchen Auseinandersetzung weiter zu ziehen.

[...] Es würde eine nicht zu rechtfertigende Einschränkung der Pressefreiheit bedeuten, wenn die öffentliche Erörterung des angesprochenen Themas durch Gerichtsurteil verboten werden könnte.

Ein Unternehmen muss es auch dulden, wenn sein Produkt als Beispiel in einer kritischen Fernsehsendung über formaldehydhaltige Desinfektionsmittel eingeblendet wird.

Gericht: BGH 6. Zivilsenat, Datum: 25.11.1986, Az: VI ZR 269/85

Leitsatz

Zur Zulässigkeit einer Fernsehsendung, in der während eines Berichts über die Gefahren, die von bestimmten Produkten ausgehen, beispielhaft das Etikett eines derartigen Produkts (hier: formaldehydhaltiges Desinfektionsmittel) im Bild gezeigt wird.

Fundstelle

JZ 1987, 414-415 (ST)

NJW 1987, 2746-2747 (ST)

Die fast grenzenlose Freiheit der Meinungsäußerung wird der Stiftung Warentest nicht zugebilligt (BGHZ 65, 325). Mit Recht! Die Stiftung Warentest erfüllt eine wichtige öffentliche Funktion. Ein Großteil der Verbraucher richtet sich in seinen Kaufentscheidungen nach den Testergebnissen. Die Testergebnisse haben einen ungeheueren Einfluss auf das Angebot der Unternehmen. Unter diesen Umständen müssen Testbeurteilungen besonderen Kriterien genügen. Sie sind nach Auffassung des BGH allerdings keine Tatsachenbehauptungen, sondern Wertungen. Die in ihnen enthaltenen negativen Meinungsäußerungen führen zu unzulässigen Eingriffen in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb, wenn der Test als solcher nicht den Anforderungen genügt, die der BGH wie folgt formuliert: Die Testuntersuchungen müssen neutral (ohne Beteiligung von Konkurrenten des gestesteten Produkts), objektiv und sachkundig durchgeführt sein. Sind sie dies, so sind die Testempfehlungen durch das Grundrecht der Meinungsfreiheit gedeckt.

Nach Auffassung des BGH muss sich ein Unternehmen selbst dann kritischen Tatsachenberichten stellen, wenn der Berichterstatter Betriebsinterna offenbart, deren Kenntnis durch Anstellung in dem Unternehmen unter Verschweigen seiner Absicht und unter einem Decknamen er sich verschafft hat. Das gilt allerdings nur für Angelegenheiten von erheblichen öffentlichen Interessen. Bei der im Leitsatz wiedergegebene Entscheidung ging es um den bekannten Buchautor Wallraf, der sich unter falschem Namen in die Redaktion der "Bild" Zeitung eingeschlichen hatte.

Gericht: BGH 6. Zivilsenat, Datum: 20.01.1981, Az: VI ZR 162/79

Leitsatz

1. Ein Arbeitnehmer ist durch seine Verpflichtung zur Verschwiegenheit dann nicht gehindert, nach seinem Ausscheiden aus dem Anstellungsverhältnis Betriebsinterna zu offenbaren, wenn er damit gewichtige innerbetriebliche Mißstände aufdeckt, durch die die Öffentlichkeit betroffen ist und denen durch betriebsinternes Vorstelligwerden nicht erfolgreich begegnet werden kann.

Satirisch scherzhafte Anspielungen

Eine letzte Fallgruppe bilden satirisch scherzhafte Anspielungen Produktnamen. Auch hier obsiegt im Zweifel die Meinungsäußerungsfreiheit. So darf man eine Marlboro Werbung in einer Antiwerbung satirisch verfremden zu einem "Mordoro"-Poker mit den Preisen: 1. Preis Magengeschwür, 2. Preis Herzinfarkt, 3. Preis Lungenkrebs (BGHZ 91, 117).

Und auch eine bayerische Nobelmarke läßt sich als Scherzartikel vermarkten.

Gericht: BGH 6. Zivilsenat, Datum: 03.06.1986, Az: VI ZR 102/85

Leitsatz

Zur Zulässigkeit eines Aufklebers, mit dem das Firmenemblem eines bekannten Kraftfahrzeugherstellers als Scherzartikel vermarktet wird.

Fundstelle

WM IV 1986, 1367-1369 (LT1)

NJW 1986, 2951-2952 (LT1)

JZ 1986, 1108-1110 (LT1)

Rechtszug:

vorgehend OLG Frankfurt 1985-02-28 6 U 89/84 NJW 1985, 1649

vorgehend LG Wiesbaden 1984-02-23 13 O 6/84

Tatbestand

Die Klägerin stellt Kraftfahrzeuge her, die sie unter der Firmenabkürzung "BMW" vertreibt. Sie versieht ihre Produkte mit einem kreisrunden Firmenemblem. Ein breiter, schwarzer Ring, in dessen oberer Hälfte sich die Firmenabkürzung befindet, schließt blau-weiße Karos ein. Die Klägerin verwendet dieses Emblem auch in ihrer Werbung und im Geschäftsverkehr; ein entsprechendes Warenzeichen ist seit 1917 in der Warenzeichenrolle eingetragen. Im Warenzeichenblatt vom 31. Juli 1984 ist die Eintragung des Firmenemblems auch für Abziehbilder, Aufkleber und Plaketten veröffentlicht worden; die Klägerin vertreibt auch Aufkleber mit diesem Emblem.

Die Beklagte stellt Geschenk- und Scherzartikel her. Sie vertreibt u.a. einen Aufkleber, der das Firmenemblem der Klägerin identisch wiedergibt und in der unteren Hälfte des schwarzen Ringes den zusätzlichen Aufdruck "Bumms Mal Wieder" aufweist.

Die Klägerin sieht sich durch den Vertrieb dieses Aufklebers in ihren Rechten verletzt. Sie nimmt die Beklagte auf Unterlassung und Auskunftserteilung in Anspruch; ferner begehrt sie die Feststellung der Verpflichtung der Beklagten zum Ersatz des ihr durch das Inverkehrbringen des Aufklebers entstandenen und entstehenden Schadens.

Die Beklagte hat eine Verletzung der Rechte der Klägerin bestritten; bei dem Aufkleber handele es sich um eine Parodie oder Travestie, die die Klägerin hinnehmen müsse. Sie hat im zweiten Rechtszug hilfsweise für den Fall ihres Unterliegens Widerklage erhoben, mit der sie die Feststellung begehrt, daß es ihr erlaubt sei, den Aufkleber mit einem eingedruckten Hinweis auf sie im geschäftlichen Verkehr anzubieten und zu vertreiben.

Das Landgericht hat der Klage stattgegeben. Das Oberlandesgericht hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen und ihre Widerklage abgewiesen.

Mit der Revision verfolgt die Beklagte ihr Prozeßbegehren weiter.

Entscheidungsgründe

1. Ansprüche aus kennzeichenrechtlichen Vorschriften hat das Berufungsgericht mit Recht verneint. Diese Vorschriften schützen nur die Kennzeichnung der Ware in ihrer Funktion als Herkunftshinweis gegen eine Irreführung des Verkehrs (BGHZ 91, 117, 119 m.w.N.). Darum geht es hier nicht. Die Beklagte benutzt wie das Berufungsgericht zutreffend ausführt - das Firmenemblem der Klägerin nicht als Herkunftshinweis für ihre Waren.

2. Zutreffend hat das Berufungsgericht auch Ansprüche aus dem Namensrecht (§ 12 BGB) verneint. Dieses Recht schützt gegen die Identitätsverwirrung durch den unbefugten Namensgebrauch sowie davor, daß dem Namensträger das Recht zum Gebrauch des Namens von einem anderen bestritten wird (BGHZ 91, 117, 120 m.w.N.). Auch darum geht es hier nicht. Das Identitätsinteresse der Klägerin wird durch den Vertrieb der beanstandeten Aufkleber nicht berührt; nach den Feststellungen des Berufungsgerichts erkennt der Verkehr durch den Zusatz in der unteren Hälfte des schwarzen Ringes des Emblems, daß die Aufkleber nicht von der Klägerin stammen. Dies schließt eine Verletzung des Namensrechts der Klägerin aus (BGHZ 81, 75,78).

3. Die Klageansprüche finden auch nicht in § 1 UWG eine Stütze.

Das Berufungsgericht hat sich mit dieser Anspruchsgrundlage nicht auseinandergesetzt. Nach Auffassung der Klägerin in ihrer Revisionserwiderung ist die Klage aus diesem rechtlichen Gesichtspunkt begründet. Durch die identische Übernahme des Firmenemblems der Klägerin habe sich die Beklagte an deren guten Ruf "angehängt", um ihn in schmarotzerischer Weise für ihre eigenen kommerziellen Zwecke auszubeuten; um wettbewerbswidriges Schmarotzen gehe es nicht nur bei der Ausnutzung des fremden guten Rufs als Vorspann für die eigene Werbung, vielmehr sei der Ausbeutungseffekt noch unmittelbarer und stärker, wenn ein berühmtes Firmenemblem von einem dazu nicht Befugten zur Ware gemacht werde.

Diesen Überlegungen vermag sich der Senat nicht anzuschließen.

Ein Anspruch aus § 1 UWG setzt voraus, daß zwischen dem durch eine Verletzungshandlung geförderten und dem dadurch betroffenen Unternehmen ein konkretes Wettbewerbsverhältnis besteht. Mögen die Anforderungen an die Annahme eines solchen Wettbewerbsverhältnisses auch nicht hoch sein, so ist doch zu fordern, daß sich der Verletzer durch seine Verletzungshandlung im konkreten Fall in irgendeiner Weise in Wettbewerb zu dem Betroffenen stellt, was auch dadurch geschehen kann, daß er sich durch eine ausdrückliche oder bildliche Gleichstellungsbehauptung an Ruf und Ansehen der fremden Ware "anhängt" und so deren Marktgeltung für den Absatz seiner Waren auszunutzen sucht; gleiches gilt für die Fälle, in denen die Verwertung des Rufes eines Warenzeichens durch die Benutzung des identischen Zeichens in Betracht kommt (BGHZ 93, 96, 98).

Ein Wettbewerbsverhältnis in diesem Sinne bestand zwischen den Parteien nicht. Sie sind keine Konkurrenten am Markt. Die Beklagte hat sich mit der Herstellung und dem Vertrieb des Aufklebers auch nicht in dem Sinne an Ruf und Ansehen der Klägerin "angehängt", daß insoweit von einer Handlung zu Wettbewerbszwecken gesprochen werden könnte, wie sie § 1 UWG voraussetzt. Zwar hat die Beklagte das Firmenemblem der Klägerin in ihren Aufkleber übernommen. Dieser Aufkleber ist aber als Ganzes zu sehen. Er besteht nicht nur aus dem Emblem der Klägerin, sondern auch aus dem in dieses Emblem eingefügten Zusatz "Bumms Mal Wieder". Durch diesen Zusatz erhält der Aufkleber eine andere Qualität als die eines bloßen Trägers des Emblems. Er lebt allein von der Verzerrung des Emblems, die von der Beklagten als "Gag" verstanden und von den Käufern als Scherzartikel erworben wird. Bei dieser Betrachtung hat sich die Beklagte nicht in Wettbewerb zur Klägerin gestellt. Weder hat sie sich an das Ansehen und den Ruf der Produkte der Klägerin in dem Sinne "angehängt", daß sie deren Marktgeltung zur Unterstützung der Marktgeltung ihres eigenen Produkts in Anspruch genommen hat, noch hat sie der Klägerin die wirtschaftliche Verwertung ihres Rufes streitig gemacht. Allerdings trifft es zu, daß der Aufkleber - wie die Klägerin geltend macht und die Beklagte auch gar nicht abstreitet - nur wegen der Berühmtheit ihrer Marke eine Absatzchance hat. Dies bedeutet aber noch nicht, daß das Vorgehen der Beklagten sich in einen Konflikt zu dem Regelungsbereich des § 1 UWG setzen würde, der auf die besonderen Schutzbedürfnisse eines anständigen Miteinanders im wirtschaftlichen Wettbewerb zugeschnitten ist. Die Beklagte setzt nicht die Werbekraft des Rufes der Klägerin und ihrer Produkte zur Förderung des Absatzes ihres eigenen Erzeugnisses ein. Allenfalls hat der Aufkleber der Beklagten mit seiner parodisierenden Verfremdung des Emblems der Klägerin deren Marktgeltung selbst zur Zielscheibe des "Gag" und nutzt in dieser Stoßrichtung die Bekanntheit des Emblems der Klägerin geschäftlich aus. In Fällen dieser Art liegt der Schwerpunkt des Konflikts nicht in einem Konkurrenzverhalten, das § 1 UWG, der eine Generalregel für den Wettbewerb im geschäftlichen Verkehr aufstellt, erfaßt und auf dessen spezifische Schutzbedürfnisse diese Spezialregelung beschränkt bleiben muß. Ein derartiges wettbewerbliches Schutzbedürfnis steht hier nicht infrage. Hier geht es vielmehr allein um den Schutz der Klägerin und seine Reichweite für ihre unternehmerische Stellung, insbesondere für ihren Ruf. Dieser Schutz beurteilt sich nach den allgemeinen Regeln und den Grundsätzen, die die Rechtsprechung für die Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts entwickelt hat.

4. Aber auch im allgemeinen Persönlichkeitsrecht finden die Klageansprüche keine Stütze. Der Senat teilt nicht die Auffassung des Berufungsgerichts, die Beklagte habe durch die Verwendung des Firmenemblems das allgemeine Persönlichkeitsrecht der Klägerin verletzt.

a) Zwar trifft es zu, daß grundsätzlich auch Kapitalgesellschaften wie die klagende Aktiengesellschaft Träger des allgemeinen Persönlichkeitsrechts sein können. Indes ist diese Rechtsträgerschaft inhaltlich begrenzt. Das allgemeine Persönlichkeitsrecht ist eine Rechtsschöpfung der Rechtsprechung, die Lücken im Persönlichkeitsschutz ausfüllt und aus den in Art. 1 Abs. 1 und Art. 2 Abs. 1 GG getroffenen Wertentscheidungen ihre Legitimation erfährt (BVerfGE 34, 269, 281, 291). Dieser Entstehungsgrund macht die thematische Begrenzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts deutlich. Eine Ausdehnung der Schutzwirkung dieses Rechts über natürliche Personen hinaus auf juristische Personen erscheint - auch mit Blick auf Art. 19 Abs. 3 GG - nur insoweit gerechtfertigt, als sie aus ihrem Wesen als Zweckschöpfung des Rechts und ihren Funktionen dieses Rechtsschutzes bedürfen. Dies ist der Fall, wenn sie in ihrem sozialen Geltungsanspruch als Arbeitgeber oder als Wirtschaftsunternehmen betroffen werden (Senatsurteil vom 3. Juni 1975 - VI ZR 123/74 - NJW 1975, 1882, 1884 = GRUR 1976, 210, 211).

Diese beschränkte Wirkungskraft des allgemeinen Persönlichkeitsrechts juristischer Personen setzt auch dem Recht der Klägerin, aus einer Verwendung ihres Emblems Ansprüche herzuleiten, Schranken. Eine natürliche Person braucht nicht zu dulden, daß ihr Bildnis ohne ihre Einwilligung für geschäftliche Interessen Dritter ausgenutzt wird (BGHZ 20, 345, 347, 350 f.; 30, 7, 12). Das gilt nicht nur, wenn das Bildnis zum Zwecke der Werbung Verwendung findet, sondern auch dann, wenn es auf andere Art im geschäftlichen Interesse ausgenutzt wird (BGHZ 49, 288, 293; Senatsurteil vom 6. Februar 1979 - VI ZR 46/77 - NJW 1979, 2203, 2204). Die Selbstbestimmung der Person und ihre Würde verbieten es, in dieser Weise gegen ihren Willen über sie zu verfügen. Demgegenüber kann eine juristische Person ihr Recht am Bild als Ausfluß ihres allgemeinen Persönlichkeitsrechts nur dann mit Erfolg geltend machen, wenn sie durch die Verwendung ihres Emblems in ihrem Tätigkeitsbereich einschließlich ihrer sozialen Geltung als Wirtschaftsunternehmen betroffen wird. Das ist hier nicht der Fall.

Der Aufkleber stellt mit seinem Zusatz "Bumms Mal Wieder" den sozialen Geltungsanspruch der Klägerin und insbesondere ihr Ansehen als Wirtschaftsunternehmen nicht in Frage. Er weist in seiner Gesamtheit weder eine Aussage zur Qualität ihrer Produkte noch zu ihrem Auftreten im Wirtschaftsleben auf; insbesondere enthält er keine ehrverletzende, herabwürdigende Kritik. Die Einfügung des Zusatzes "Bumms Mal Wieder" ist beziehungslos. Der einzige Bezug dieses Aufdrucks zur Klägerin erschöpft sich erkennbar darin, daß die Buchstabenfolge ihrer Firmenabkürzung der Beklagten die Gelegenheit zu einer Interpretation bot, die die eigentliche Bedeutung der Firmenabkürzung verzerrt und deshalb als Scherz empfunden werden soll. Nichts spricht dafür, daß der Verkehr das anders sieht. Bereits das Fehlen einer auf das klagende Unternehmen bezogenen Aussage unterscheidet den Streitfall von dem Sachverhalt einer blickfangmäßigen Verwendung eines Messenamens für einen diese diskriminierenden Protest gegen die Messegesellschaft, der der Entscheidung des I. Zivilsenats des Bundesgerichtshofs vom 24. Februar 1983 I ZR 207/80 = NJW 1983, 2195, 2196 = GRUR 1983, 467 zugrundelag

b) Der Geltungsanspruch der Klägerin als Wirtschaftsunternehmen wird auch nicht dadurch verletzt, daß die Beklagte in ihren Aufklebern die Namensabkürzung der Klägerin wiedergibt. Darin liegt keine unbefugte Benutzung eines fremden Namens zu Werbezwecken, die als Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Berechtigten gewertet werden kann (vgl. BGHZ 81, 75, 78, 80; BGH Urt. vom 24. Februar 1983 = aaO). Die Beklagte benutzt den Namen der Klägerin - wie schon gesagt - nicht im Rahmen der Werbung für ihre Produkte. Dies hat das Berufungsgericht auch erkannt. Es erfaßt das Vorgehen der Beklagten jedoch nicht in seiner vollen Breite, wenn es meint, die Beklagte habe das Emblem der Klägerin sogar unmittelbar als Ware vermarktet, was nicht weniger schwer wiege als seine Ausnutzung als Vorspann für die eigene Werbung. Dieses Argument läßt unbeachtet, daß der Aufkleber der Beklagten als Ganzes zu würdigen ist. Eine solche Würdigung läßt deutlich werden, daß die Beklagte in parodisierender Verfremdung des Emblems der Klägerin ein neues Produkt hergestellt hat und dieses Produkt, das durch die entstellende Auflösung der Firmenabkürzung "BMW" eine neue Qualität - nämlich die eines Scherzartikels - erlangt hat, vermarktet. Erst dieser "Gag" macht den Aufkleber aus; er ist kein "BMW"- Emblem, sondern ein Scherzartikel, als der er nach der Intention der Beklagten gedacht ist und als der er von den Käufern erworben wird.

c) Zwar ist in Grenzen durch das allgemeine Persönlichkeitsrecht auch das Recht einer Kapitalgesellschaft auf wirtschaftliche Selbstbestimmung geschützt. Indes kann sie dieses Recht nicht gegen jedes sie tangierende Marktverhalten Dritter, sondern nur dann in Anspruch nehmen, wenn ihr der geschützte Bereich wirtschaftlicher Entfaltung wirklich streitig gemacht wird. Hier bleibt für die Klägerin als Belastung, daß die Beklagte - die Möglichkeit einer verzerrenden Interpretation der Firmenabkürzung der Klägerin ausnutzend - den Namen der Klägerin in Vulgärsprache mit einer Aufforderung zu einer sexuellen Handlung in Verbindung bringt. Diese Verzerrung des Namens der Klägerin wird vom Verkehr als Scherz erkannt; nur deshalb erwerben die Käufer den Aufkleber. Es kann auf sich beruhen, wie eine solche Verzerrung des Namens zu beurteilen wäre, wenn sie eine natürliche Person beträfe. Die Klägerin ist ein Wirtschaftsunternehmen, das sich auf dem Markt bewegt und mit seiner Werbung auf Publizität zielt. Aus diesem Grund liegt für sie die Toleranzgrenze für vermeintliche oder echte Scherze, die sie betreffen, deutlich höher als bei einer natürlichen Person. Sie muß solche Scherze jedenfalls dann, wenn - wie hier - deren Beziehungslosigkeit zu ihrem Unternehmen und ihren Produkten auf der Hand liegt, hinnehmen, solange sich für sie eine konkrete Gefahr wirtschaftlicher Nachteile nicht abzeichnet. Anders wäre es, wenn der Vertrieb des Aufklebers eine Ansehensminderung der Klägerin als Wirtschaftsunternehmen befürchten lassen müßte.

Die Klägerin hat nicht darzutun vermocht, daß ihr aus dem Vertrieb des Aufklebers irgendwelche wirtschaftlichen Nachteile erwachsen sind. Soweit das Berufungsgericht von einem Schaden der Klägerin spricht, bezieht es diesen allein auf ein der Klägerin entgangenes Entgelt für eine Lizenzierung des Vertriebs des hier beanstandeten Aufklebers; das ist indes nicht die Beeinträchtigung in ihrer unternehmerischen Geltung und Selbstbestimmung, um die es nach Vorstehendem nur gehen kann. Insbesondere ist nicht erkennbar, daß ihr Ansehen als Wirtschaftsunternehmen durch den Vertrieb des Aufklebers gemindert wäre; gemindert sein kann allenfalls das Ansehen des Benutzers eines solchen Aufklebers.

5. Auch das Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb, auf das sich die Klägerin in der Vorinstanz berufen hat, trägt die Klageansprüche nicht. Der deliktische Schutz des eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetriebes ist ebenso wie das allgemeine Persönlichkeitsrecht nicht absolut, sondern jeweils für den konkreten Fall im Wege der Interessen- und Güterabwägung zu bestimmen. Im Streitfall kann der Schutz der Klägerin über diesen rechtlichen Gesichtspunkt nicht weiterreichen als ihr Schutz durch das allgemeine Persönlichkeitsrecht, zumal sie selbst das Schwergewicht ihrer Belastung auf ihren wirtschaftlichen Ruf bezieht. Der unternehmerische Funktionsbereich der Klägerin wird - wie vorstehend ausgeführt - durch den Vertrieb des Aufklebers nicht über das Maß hinaus eingeschränkt, das ein Wirtschaftsunternehmen hinnehmen muß.

Die Klage war deshalb abzuweisen. Damit erweist sich zugleich die Hilfswiderklage der Beklagten als gegenstandslos.
Zuletzt geändert: Mittwoch, 3. September 2008, 15:44