Gefährdungshaftung

Ein Beispiel für einen Gefährdungshaftungstatbestand haben wir mit dem Produkthaftungsgesetz schon kennen gelernt. Es ist eines von vielen Beispielen dafür, wie der Gesetzgeber im Rahmen von Einzelregelungen Gefährdungshaftungstatbestände geschaffen hat, die weit überwiegend nach einem einheitlichen Muster gestrickt sind. Der Halter einer Gefahrenquelle muss für Schäden einstehen, die aus Rechtsgutsverletzungen aus der Verwirklichung des Gefahren- und Risikopotentials resultieren. Das Grundmodell der Gefährdungshaftung lässt sich graphisch wie folgt verdeutlichen:

gefährdungshaftung

Auch hier kann man wieder die beiden Seiten der Haftungsbegründung und der Haftungsausfüllung unterscheiden. Ein Fehlverhalten spielt bei der Haftungsbegründung keine Rolle. Und doch handelt es sich nicht um eine reine Kausalhaftung. Zur Kausalität muss hinzutreten, dass sich genau jene Gefahr bei der Rechtsgutsverletzung ausgewirkt hat, um derentwillen der Haftungstatbestand begründet worden ist. Man spricht hier auch von spezifischer Betriebsgefahr. Im einzelnen mag es da durchaus problematische Abgrenzungsfragen geben. Das soll an einigen Fällen aus dem Bereich der Haftung nach dem Straßenverkehrsgesetz illustriert werden.

§ 7 Abs. 1 StVG verpflichtet den Halter zum Ersatz des Schadens, der beim Betrieb des Kraftfahrzeugs angerichtet wird. Nach § 18 Abs. 1 Satz 1 StVG trifft dieselbe Haftung den Führer des Kraftfahrzeugs. Der Führer kann sich allerdings durch den Beweis des Nichtverschuldens nach § 18 Abs. 1 Satz 2 StVG entlasten, während der Halter nur bei höherer Gewalt (früher bei einem unabwendbaren Ereignis), die er beweisen muss, von der Haftung frei wird (§ 7 Abs. 2 StVG). Entsteht der Schaden an einem anderen Kraftfahrzeug, findet eine Abwägung unter den Betriebsgefahren der beteiligten Fahrzeuge statt, die zu einer Anrechnung (=Kürzung) auf den Schadensersatzanspruch nach § 17 Satz 2 StVG führen kann. In diesem normativen Umfeld bewegen sich die folgenden Entscheidungen zu den Auswirkungen der spezifischen Betriebsgefahr:

Von einem LKW, der sich wegen eines Motorschadens nicht mehr fortbewegen kann, soll noch die Betriebsgefahr ausgehen, um derentwillen die Kraftfahrzeughalterhaftung geschaffen worden ist:

Gericht: BGH 6. Zivilsenat, Datum: 09.01.1959, Az: VI ZR 202/57

Leitsatz

Es ist eine die Haftung nach StVG § 7 begründende Auswirkung der Betriebsgefahr eines Kraftfahrzeugs, wenn es auf der Fahrbahn einer dem Schnellverkehr dienenden Straße wegen Motorschadens liegen bleibt. Auf die kürzere oder längere Dauer dieses Zustandes kommt es nicht an (Abweichung RG, 1928-11-12, VI 173/28, RGZ 122, 270).

Fundstelle

BGHZ 29, 163 (LT1)

Tatbestand

Der Lastzug des Klägers (Motorwagen und zwei Anhänger) blieb in der Nacht vom 7. auf den 8. März 1951 wegen eines Motorschadens auf dem rechten Teil der Autobahn Karlsruhe-Frankfurt stehen. Am frühen Morgen gegen 1 1/4 Uhr fuhr der Fuhrunternehmer K. - Ehemann der Beklagten Sophie K. und Vater des Beklagten Herbert Bernhard K. - mit seinem Lastzug (Triebwagen und einem Anhänger) von hinten auf den haltenden Lastzug des Klägers auf. An beiden Lastzügen entstand erheblicher Sachschaden. K., der seinen Lastzug gesteuert hatte, erlitt so schwere Verletzungen, daß er auf dem Wege zum Krankenhaus verstarb.

Der Kläger ist der Ansicht, der Zusammenstoß sei ausschließlich auf das Verschulden des K. zurückzuführen; denn dieser habe bei genügender Aufmerksamkeit die Schlußlichter des haltenden Lastzuges sowie die aufgestellte Sturmlaterne bemerken müssen und rechtzeitig auf die Überholbahn ausweichen können. Er hat von den Beklagten als den Erben des K. Schadensersatz verlangt.

Das Landgericht hat den Klageanspruch dem Grunde nach für gerechtfertigt erklärt. Dagegen hat das Berufungsgericht die Schadensersatzpflicht der Beklagten nur zur Hälfte dem Grunde nach bejaht. Die Revision des Klägers, mit welcher er die Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils erstrebte, hatte keinen Erfolg.

Entscheidungsgründe

I. Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts ist der Fuhrunternehmer K. bei eingeschaltetem Fernlicht mit der vollen Breite seines Fahrzeugs auf den haltenden Lastzug aufgefahren, ohne rechtzeitig abgebremst oder eine Ausweichbewegung nach links gemacht zu haben. Zahlreiche andere Fahrzeuge waren vorher während der 1 1/2 Stunden, in denen der Lastzug des Klägers auf der Autobahn stillag, daran vorbeigefahren. Nach Ansicht des Berufungsgerichts hätte auch K. bei genügender Aufmerksamkeit den haltenden Lastzug, auch wenn dieser völlig unbeleuchtet gewesen wäre, erkennen müssen und dann noch rechtzeitig auf die Überholbahn hinüberwechseln können. Es hat ausgeführt: Daß K. auf das Hindernis in seiner Fahrbahn gar nicht reagiert habe, beweise seine grobe Unaufmerksamkeit oder aber, daß er trotz der Blendung durch entgegenkommende Fahrzeuge mit unverminderter Geschwindigkeit in einen nicht übersehbaren Raum hineingefahren sei. Beides bedeute ein Außerachtlassen der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt. Diese Ansicht des Berufungsgerichts ist bei dem festgestellten Sachverhalt rechtlich nicht zu beanstanden. Es hat daher auch mit Recht angenommen, daß die Beklagten als Erben des K. nach §§ 823, 1967 BGB für den Schaden des Klägers einzustehen haben.

II. Die Revision wendet sich dagegen, daß das Berufungsgericht § 17 StVG angewandt und dem Kläger nur den Ersatz der Hälfte seines Schadens dem Grunde nach zugesprochen hat.

Sie hält die §§ 7, 17 StVG nicht für anwendbar, weil der Lastzug des Klägers nicht mehr im Betrieb gewesen sei, und meint: Ein Kraftwagen befinde sich, auch wenn er noch nicht am Ende der Fahrt angelangt sei, nicht mehr im Betrieb, wenn er aus Mangel an Betriebsstoff oder wegen eines Mangels in der Maschinerie zu vollständiger Ruhe gelangt sei. Auch wenn er infolge Motorschadens auf einer Verkehrsstraße halte und eine nicht ganz unerhebliche Zeit stehen bleibe, sei er nach allgemeiner Auffassung nicht mehr im Betrieb, weil er die Fähigkeit verloren habe, sich fortzubewegen.

Diese Ansicht der Revision entspricht im Ergebnis der Rechtsprechung des Reichsgerichts und mehrerer Oberlandesgerichte. Nach dieser Rechtsprechung ist ein Kraftfahrzeug nicht mehr im Sinne des § 7 StVG im Betrieb, wenn es in völlige Betriebsruhe versetzt ist und wegen eines Motorschadens erst nach geraumer Zeit wieder in Betrieb genommen werden kann (ua RGZ 122, 270; 126, 333, 132, 262). Dabei ist auch das Reichsgericht nicht von dem maschinentechnischen Betriebsbegriff ausgegangen, nach dem ein Kraftfahrzeug nur solange in Betrieb ist, als die motorischen Kräfte unmittelbar oder mittelbar auf das Fahrzeug einwirken. Es hat vielmehr der verkehrstechnischen Auffassung den Vorzug gegeben und einen Unfall auch dann dem Betrieb eines Kraftfahrzeugs zugerechnet, wenn er in einem nahen örtlichen und zeitlichen Zusammenhang mit einem bestimmten Betriebsvorgang oder einer bestimmten Betriebseinrichtung stand, ohne daß es darauf ankommt, ob der Motor als Kraftquelle auf das Fahrzeug gewirkt hat. Nach Ansicht des Reichsgerichts, die der Bundesgerichtshof gebilligt hat, ist daher der Betrieb eines Kraftfahrzeugs in der Regel nicht unterbrochen, wenn das Fahrzeug mit abgestelltem Motor auf der Fahrbahn anhält. Das Reichsgericht hat aber auch bei Zugrundelegung dieser verkehrstechnischen Ansicht den Begriff des "Betriebes eines Kraftfahrzeuges" eng ausgelegt und eine Beendigung des Betriebes dann angenommen, wenn das Kraftfahrzeug wegen eines Motorschadens oder weil Treibstoff fehlte, für mehr als kurze Zeit aus eigener Kraft nicht mehr fortbewegt werden konnte.

Der Bundesgerichtshof kann sich dieser Rechtsprechung des Reichsgerichts nicht anschließen, weil sie angesichts der gewaltigen Steigerung des Kraftfahrzeugverkehrs und seiner Gefahren dem Sinn und Zweck des § 7 StVG nicht mehr gerecht wird. Der Zweck des Gesetzes, die Verkehrsteilnehmer vor den wachsenden Gefahren des heutigen Kraftfahrzeugverkehrs zu schützen, macht es vielmehr erforderlich, den Begriff "bei dem Betrieb eines Kraftfahrzeugs" weit zu fassen (so schon Urt v 1. Oktober 1957 - VI ZR 225/56 - NJW 1957, 1878 Nr 7 = DAR 1958, 15 = VRS 13, 413). In dieser Entscheidung hat der Senat eine Betriebsruhe des Fahrzeugs und damit eine Freistellung von der Gefährdungshaftung in einem Falle verneint, in dem ein Kraftfahrer seinen Lastzug auf der Fahrbahn einer Bundesstraße abgestellt hatte, um eine längere Nachtruhe zu halten. Der Senat hat den Unfall, der sich dadurch ereignete, daß ein Kraftwagen auf den haltenden Lastzug auffuhr, im Sinne von § 7 StVG auch dem Betrieb des stehenden Fahrzeugs zugerechnet. Nichts anderes kann aber gelten, wenn es auf die gleiche Weise zu einem Unfall kommt, weil ein Lastzug längere Zeit wegen eines Motorschadens auf der Fahrbahn einer dem Schnellverkehr dienenden Straße stehen bleibt. Dieser jetzt zu entscheidende Fall unterscheidet sich von dem früheren nur dadurch, daß der Lastzug hier die Fähigkeit verloren hatte, sich aus eigener Kraft fortzubewegen, während er damals zwar mit abgestelltem Motor, aber doch in fahrbereitem Zustand auf der Straße hielt. Dieser Unterschied kann bei der Anwendung des § 7 StVG keine Rolle spielen, wenn man den Betriebsbegriff dieser Bestimmung unter verkehrstechnischem Blickpunkt sieht, wie es die heute vorherrschende Meinung mit Recht tut. Die Gefahren, die durch das Kraftfahrzeug in den Verkehr getragen werden, gehen nicht nur von dem Motor und seiner Einwirkung auf das Fahrzeug aus, sondern mit der Zunahme des Verkehrs mehr und mehr von der gesamten Abwicklung des Verkehrs und im besonderen Maße von Kraftfahrzeugen, die auf der Fahrbahn einer dem Schnellverkehr dienenden Straße halten oder parken. Gerade auf der Autobahn, auf der sich hier der Unfall ereignet hat, wird durch stillstehende Fahrzeuge eine für den Kraftverkehr typische Gefährdung der anderen Verkehrsteilnehmer heraufbeschworen. Hier kann, wie der Bundesgerichtshof schon in seinem Urteil vom 8. April 1957 (III ZR 66/56 VersR 1957, 375) hervorgehoben hat, die Betriebsgefahr des stillstehenden Kraftwagens sogar größer sein als die eines fahrenden. Dann ist es aber auch geboten und nach dem Sinn und Zweck der Haftungsbestimmungen des Straßenverkehrsgesetzes gerechtfertigt, einen Unfall, der sich durch das Auffahren auf ein haltendes Kraftfahrzeug ereignet, nicht nur dem Betrieb des auffahrenden, sondern auch dem des haltenden Fahrzeugs zuzurechnen und daher die Schadensersatzpflicht beider Fahrzeughalter aus dem Gesichtspunkt der Gefährdungshaftung zu bejahen. Dabei kommt es nicht darauf an, ob der Fahrer freiwillig eine Fahrpause einlegt oder ob er durch einen Schaden am Fahrzeug gezwungen wird, auf der Fahrbahn zu halten. Entscheidend ist, daß in beiden Fällen andere Verkehrsteilnehmer durch sein Fahrzeug auf der Fahrbahn gefährdet werden. Daß ein Unfall, der auf einem Fehler des Fahrzeugs oder auf einem Versagen seiner Vorrichtungen beruht, zur Haftung des Fahrzeughalters führen soll, ergibt sich im übrigen deutlich aus § 7 Abs 2 StVG, der für diesen Fall ausdrücklich das Vorliegen eines unabwendbaren Ereignisses und damit einen Haftungsausschluß verneint. Diese Haftung für Unfälle, die auf einen technischen Fehler des Kraftfahrzeugs zurückzuführen sind, würde, wie das Oberlandesgericht Karlsruhe (VersR 1956, 260) zutreffend hervorhebt, weitgehend aufgehoben, wenn man bei einem Anhalten wegen eines technischen Versagens einen Unfall "bei dem Betrieb" des Fahrzeugs und damit eine Haftungsvoraussetzung des § 7 Abs 1 StVG verneinen wollte. Der Wortlaut des Absatzes 2 dieser Bestimmung deutet darauf hin, daß die Gefährdungshaftung des Straßenverkehrsgesetzes sich auch auf Unfälle dieser Art erstrecken soll.

Dieses Ergebnis liegt in der Linie, die sich schon in der Entscheidung des Reichsgerichts RGZ 170, 1 anbahnt. Hier hat das Reichsgericht einen Unfall "beim Betrieb" eines Lastkraftwagens in einem Falle angenommen, in dem ein Eisenbahnzug mit einem Lastkraftwagen zusammengestoßen war, als dieser in einem Loch steckengeblieben war, seine Ladebrücke mit dem linken rückwärtigen Teil über die Eisenbahnschienen ragte und er mit eigener Kraft nicht mehr bewegt werden konnte, weil die Saugluftleitung abgerissen war. In diesem Falle hat das Reichsgericht eine Fortwirkung des Kraftfahrzeugbetriebes angenommen. Es hat ausgeführt, der Lastkraftwagen sei bis zur Unfallstelle gefahren und habe dadurch bei seinem Betrieb die fortwirkende Ursache zu dem Zusammenstoß gesetzt. Nicht wesentlich anders verhält es sich aber, wenn ein Lastzug wie im vorliegenden Falle wegen eines Motorschadens einen Teil der Fahrbahn versperrt. Auch hier ist der Lastzug bis zur Unfallstelle gefahren und hat daher die den Verkehr gefährdende Lage bei seinem Betriebe herbeigeführt.

Bei Prüfung der Frage, ob in einem solchen Falle § 7 StVG anzuwenden ist, kann auch nicht darauf abgestellt werden, wie lange ein Kraftfahrzeug auf der Fahrbahn steht. Ist ein Schaden an dem Fahrzeug in kurzer Zeit zu beheben und eine Weiterfahrt bald möglich, so wird schon heute übereinstimmend mit der Rechtsprechung des Reichsgerichts weitgehend angenommen, daß der Betrieb des Fahrzeugs, wie § 7 StVG ihn im Auge hat, durch diesen Aufenthalt nicht unterbrochen wird (vgl ua RG JW 1929, 2055 Nr 7 in einem Falle, in dem die Benzinleitung verstopft war). Berücksichtigt man nun, daß sich die Gefahren des stillstehenden Fahrzeugs häufen, je länger es ein Hindernis für die anderen Verkehrsteilnehmer bildet, so wäre es vom Standpunkt der verkehrstechnischen Auffassung aus sinnwidrig, den Halter des längere Zeit stilliegenden, also eine größere Gefährdung verursachenden Fahrzeugs in der Frage der Haftung zu bevorzugen. Es geht nicht an, ihn von der Haftung freizustellen, bei einer geringeren Betriebsgefahr des Fahrzeugs dagegen die Halterhaftung zu bejahen. Muß wie im vorliegenden Falle ein Fahrzeug längere Zeit auf der Fahrbahn verbleiben, weil es nicht alsbald instandgesetzt werden kann, so ist daher, wenn ein anderes Fahrzeug auf das Hindernis auffährt, dieser Unfall auch dem Betrieb des haltenden Fahrzeugs zuzurechnen (ebenso OLG Düsseldorf NJW 1956, 1033 Nr 12; OLG Karlsruhe VersR 1956, 260; Böhmer, MDR 1957, 597 und VersR 1958, 587 sowie Walther in Kraftverkehrsrecht von A bis Z, Betrieb des Kraftfahrzeugs Erl 1). Der Betrieb dieses Fahrzeugs dauert fort, solange der Fahrer das Fahrzeug im Verkehr beläßt und die dadurch geschaffene Gefahrenlage fortbesteht. Er wird im Sinne des § 7 StVG erst unterbrochen, wenn das Fahrzeug von der Fahrbahn gezogen und an einem Ort außerhalb des allgemeinen Verkehrs aufgestellt wird. Erst damit wird die Betriebsunterbrechung äußerlich erkennbar, aber auch jene typische Gefährdung beseitigt, die durch Kraftfahrzeuge entstehen, die auf der für den Schnellverkehr bestimmten Fahrbahn halten oder parken. Ob, wie Walther (aaO) meint, anders zu entscheiden ist, wenn ein unbefugter Benutzer ein Kraftfahrzeug irgendwo im Verkehrsbereich stehen läßt um es nie mehr zu benutzen, bedarf keiner Prüfung, da ein solcher Fall hier nicht gegeben ist. In dem zu entscheidenden Falle war der Lastzug auf dem Wege zu einem bestimmten Ziele und geplant, die Fahrt fortzusetzen.

Gegenüber dieser Auffassung glaubt Roth-Stielow (DAR 1958, 123) den Vorwurf erheben zu können, sie durchbreche die Grenze, die dem Richter in der Gesetzesauslegung gesetzt sei. Dabei geht er von der Annahme aus, es liege "eine klare andersartige Weisung des Gesetzes" vor, gegen die hier verstoßen werde. Schon dieser Ausgangspunkt ist verfehlt. Das Gesetz gibt keine nähere Bestimmung des Begriffs "bei dem Betrieb eines Kraftfahrzeugs" und spricht, wie Böhmer (VersR 1957, 587) zutreffend ausführt, mit keinem Wort davon, daß ein Unfall bei dem Betrieb nur dann vorliege, wenn das Fahrzeug in Bewegung sei oder sein Motor laufe. Hat aber der Gesetzgeber keine nähere Erläuterung gegeben, so ist es Aufgabe des Richters, diesen vieldeutigen Begriff auszulegen. Der Richter ist daher nicht gehindert, den Betriebsbegriff des § 7 StVG weit auszulegen, wenn er damit dem Sinn und Zweck des Gesetzes, die Verkehrsteilnehmer vor den Gefahren des Kraftfahrzeugverkehrs zu schützen, gerecht wird. Es liegt daher durchaus im Rahmen einer zulässigen Gesetzesauslegung, wenn dieser Schutz der Verkehrsteilnehmer auch auf die Gefahren erstreckt wird, die bei den heutigen Verkehrsverhältnissen von stillstehenden Fahrzeugen ausgehen.

Selbst wenn der Gesetzgeber im Jahre 1908 die Hauptgefahr des Kraftfahrzeugs in seiner auf der Motorkraft beruhenden schnellen Bewegung gesehen hat und für ihn daher die maschinentechnische Seite des Betriebsbegriffs im Vordergrund stand, würde dies nicht ausschließen, den Begriff "bei dem Betrieb" eines Kraftfahrzeugs den Erfahrungen und Erfordernissen der heutigen Verkehrsverhältnisse anzupassen. Wie schon in anderem Zusammenhang hervorgehoben wurde, gehen nach den Erfahrungen des modernen Verkehrs die Gefahren des Kraftfahrzeugverkehrs nicht nur von dem Motor als solchem und seiner Einwirkung auf das Kraftfahrzeug aus, sondern von der gesamten Abwicklung des Verkehrs. Das Kraftfahrzeug selbst bildet im Rahmen des Straßenverkehrs eine erhebliche Gefahr. Mit Recht weist daher Wussow (Das Unfallhaftpflichtrecht 6. Aufl Textziffer 542) darauf hin, daß gerade unter dem Gesichtspunkt der Gefährdung von dem der Gesetzgeber ausgeht, die verkehrstechnische Seite sehr viel stärker in den Vordergrund tritt als die Gefahr, die vom Kraftfahrzeugmotor ausgeht. Der Richter würde seiner Aufgabe nicht gerecht, wenn er unter diesen Umständen an dem viel zu engen maschinentechnischen Betriebsbegriff festhalten würde. Seine Bindung an Gesetz und Recht (Art 20 Abs 2 GG) gestattet ihm nicht nur, das Recht im Sinne seiner Weiterentwicklung durch Auslegung des gesetzten Rechts fortzubilden, sondern verpflichtet ihn sogar dazu, wenn die Findung einer gerechten Entscheidung dies erfordert. Höher als der Wortlaut des Gesetzes stehen sein Sinn und Zweck. Diese im Einzelfalle der Rechtsanwendung nutzbar zu machen und den Streitfall einer billigen und vernünftigen Lösung zuzuführen, ist die Aufgabe des Richters (BGHZ 17, 226, 276). Er darf, wie Radbruch (Rechtsphilosophie 4. Aufl S 211) es ausdrückt, den Gedanken des Gesetzgebers nicht nur nachdenken, sondern soll ihn darüber hinaus auch zu Ende denken. Nichts anderes tut der Richter aber, wenn er den Betriebsbegriff des § 7 StVG den Erfahrungen und Erfordernissen der Neuzeit anpaßt, um auf diese Weise dem Willen des Gesetzes gerecht zu werden, der dahin geht, einen weitgehenden Schutz gegen die Gefahren des Kraftfahrzeugverkehrs zu gewährleisten.

Jedenfalls kann nicht angenommen werden, daß die Beurteilung des Betriebsbegriffs unter verkehrstechnischem Gesichtspunkt, wie sie seit langem in der Rechtsprechung vorherrscht, dem Willen des heutigen Gesetzgebers widerspricht, denn er hat zwar wiederholt andere Bestimmungen des Straßenverkehrsgesetzes geändert, den Wortlaut des § 7 Abs 1 StVG dagegen beibehalten, obwohl ihm die seit langem gefestigte Rechtsprechung zu dem Begriff "bei dem Betrieb eines Kraftfahrzeugs" bekannt war.

III. Nach alledem hat das Berufungsgericht mit Recht den Schaden des Klägers nach § 17 StVG verteilt und bei der Prüfung, inwieweit er vorwiegend von dem einen oder dem anderen Teil verursacht worden ist, in erster Linie die Betriebsgefahr beider Lastzüge berücksichtigt. (Es folgen Ausführungen zur Abwägung).

Schäden am Haus infolge einer mit Motorkraft betriebenen Öltankbefüllung liegen dagegen außerhalb des betriebstypischen Risikos:

Gericht: BGH 6. Zivilsenat, Datum: 23.05.1978, Az: VI ZR 150/76

Leitsatz

Ein Unfall, der sich beim Einfüllen von Öl mittels der Motorkraft eines Tankwagens außerhalb des Verkehrsraums ereignet, ist nicht dem "Betrieb" des Kraftfahrzeuges zuzurechnen.

Fundstelle

BGHZ 71, 212-216 (LT1)

Tatbestand

Die Beklagte lieferte dem Kläger, der bei der Firma G. Heizöl bestellt hatte, am 20. Februar 1975 in deren Auftrag das Öl an. Ihr Angestellter K. fuhr mit dem Tankfahrzeug der Beklagten vor das Grundstück des Klägers. Sodann befüllte er den im Keller untergebrachten Öltank, der mit einem Grenzwertgeber ausgestattet war, mit Hilfe der Motorkraft des Tankwagens. Dabei trat Öl durch das Entlüftungsrohr des Tanks aus und durchtränkte Teile des Mauerwerks sowie des umliegenden Erdreiches.

Der Kläger verlangt von der Beklagten Ersatz seines Schadens. Zur Begründung trägt er vor, das Öl sei entweder durch eine Nachlässigkeit des Tankwagenfahrers oder durch einen Fehler in der Abschaltautomatik des Tankfahrzeuges verursacht worden.

Die Beklagte behauptet, alle Einrichtungen des Tankfahrzeuges hätten fehlerfrei funktioniert, auch habe ihr Angestellter K. den Abfüllvorgang sorgfältig überwacht. Die Ursache für das Überlaufen des Öls müsse deshalb im Verantwortungsbereich des Klägers zu suchen sein.

Das Landgericht hat die Klage dem Grunde nach für gerechtfertigt erklärt. Die Berufung der Beklagten ist ohne Erfolg geblieben. Mit ihrer (zugelassenen) Revision verfolgt sie ihren Antrag auf Abweisung der Klage weiter.

Entscheidungsgründe

I. Das Berufungsgericht ist der Auffassung, der Ölschaden habe sich im Rechtssinne beim Betrieb des Tankfahrzeugs der Beklagten ereignet, so daß diese dem Kläger nach § 7 StVG haftbar sei. Der Schutzbereich dieser Vorschrift umfasse auch Schäden beim Entladen eines Tanklastzuges mit Hilfe der vom Motor betriebenen Einrichtungen. Der Beklagten hätte es daher nach § 7 Abs 2 StVG obgelegen, den Beweis zu erbringen, daß der Ölunfall für sie ein unabwendbares Ereignis dargestellt habe, das aber sei ihr nicht gelungen.

II. Das angefochtene Urteil hält der rechtlichen Nachprüfung nicht stand. Der Ansicht des Berufungsgerichts, der Ölschaden im Keller des Klägers habe sich "bei dem Betrieb eines Kraftfahrzeuges" im Sinne von § 7 StVG ereignet, kann nicht gefolgt werden.

1. Der Senat hat bereits in seinem Urteil vom 27. Mai 1975 (VI RZ 95/74 (Silo-Fall) - VersR 1975, 945 = NJW 1975, 1886) eingehend zu der Frage Stellung genommen, unter welchen Umständen das Ingangsetzen der Betriebseinrichtungen eines Sonderfahrzeuges mittels dessen Motors dem "Betriebe" des Kraftfahrzeuges iS des § 7 StVG zuzurechnen ist. Denn wie bei jeder Haftungsnorm muß auch bei dieser Vorschrift geprüft werden, ob die durch den Betrieb des Kraftfahrzeugs verursachte Folge, für die Ersatz zu leisten ist, auch vom Schutzbereich der Vorschrift umfaßt ist. Das ist, wie er dort ausgesprochen hat, dann nicht mehr der Fall, wenn ein Zusammenhang mit der Bestimmung des Kraftfahrzeuges als Beförderungsmittel im Verkehr nicht mehr besteht, das Fahrzeug vielmehr nur noch als Arbeitsmaschine eingesetzt wird. Wenn, wie auch im Streitfall, die Maschinenkraft des Motors und die von diesem angetriebene besondere Betriebseinrichtung eines solchen Tankwagens zum Entladen benutzt werden, dann kommt es entscheidend darauf an, ob sich der schädliche Erfolg wegen der besonderen Bauart und der mit ihr verbundenen Betriebseinrichtung des Fahrzeuges verwirklicht hat, oder ob dabei die Funktion als Arbeitsmaschine im Vordergrund gestanden hat.

Das verkennt im Grundsatz auch das Berufungsgericht nicht. Es meint jedoch, die angeführte Senatsentscheidung stehe der Annahme, der Schaden des Klägers habe sich beim Betriebe des Tankfahrzeuges ereignet, nicht entgegen, weil dessen Einrichtungen nur zum Entladen in Betrieb genommen worden seien. Insofern beharrt es auf dem Standpunkt, den es bereits in seinem Urteil vom 22. September 1970 eingenommen hat (OLGZ 1971, 168) - eine Entscheidung indes, die der Senat schon in seinem soeben erwähnten Urteil vom 27. Mai 1975 als bedenklich angeführt hat. Er hat dort die Frage, ob auch ein beim Einfüllen oder Abfüllen von Öl durch einen Tanklastzug verursachten Unfall unter § 7 StVG fällt, allerdings noch offen gelassen. Die Frage ist jetzt zu entscheiden und ist entgegen dem Standpunkt des Berufungsgericht zu verneinen.

Richtig ist zwar, daß zum "Betrieb" eines Kraftfahrzeuges nicht nur seine Fortbewegung, sondern auch das Beladen und Entladen gehört, und dies auch dann, wenn letzteres mit den Einrichtungen erfolgt, mit denen Sonderfahrzeuge (hier: Kesselwagen) ausgerüstet sind (vgl RGZ 132, 262, 265; 160, 129, 132). Unfälle, die mit dem Entlade-Vorgang zusammenhängen (das Öl läuft auf die Straße, weil der Abfüllschlauch undicht ist; jemand stolpert über den Schlauch udgl), stehen daher mit dem Betrieb im äußeren und inneren Zusammenhang. Im Streitfall ist das aber anders: Der Schaden ist nicht beim Entladen, sondern sozusagen beim Beladen des Öltanks im Hause des Klägers entstanden, indem ihm die Pumpe des Tankwagens zu viel Öl zugeführt hatte. Insofern unterscheidet sich aber der vorliegende Fall nicht von dem sogenannten Silo-Fall: Das mit dem Lastzug angefahrene Futter wurde mittels der vom Motor angetriebenen Vorrichtung in den Futter-Silo geblasen, mithin entladen. Trotzdem hat der Senat angenommen, der bei diesem Vorgang entstandene Schaden habe mit der von einem Kraftfahrzeug, und sei es auch ein Sonderfahrzeug, ausgehenden Gefährdung technisch und auch rechtlich nichts mehr zu tun. Denn dieser spezielle Entladungsvorgang hatte keine Gefahr geschaffen, die von dem Kraftfahrzeug in seiner Eigenschaft als einer dem Verkehr dienenden Maschine ausging, sei es durch seine Fortbewegung mittels seiner Motorkraft, sei es durch sein Vorhandensein im Verkehr. So wie dort ist auch hier zu fragen, ob der Verkehrsraum, der von dem Kraftfahrzeug benutzt wird, im Verlaufe des Ladegeschäftes in Anspruch genommen und gefährdet worden ist (so zutreffend Jagusch, 23. Aufl § 7 StVG, Rdz 8; Krumme/Steffen § 7 StVG Anm 12; Pienitz/Flöter, AKB, 4. Aufl § 10 Fn 27a). Ebensowenig wie der Schaden des Belieferten an seinem Futter-Silo durch das Einblasen des Futters noch einen Zusammenhang mit der Eigenschaft des Lieferfahrzeuges als eines Verkehrsmittels und Beförderungsmittels hat, ist das bei dem Schaden der Fall, den der mit Öl Belieferte auf seinem Grundstück erleidet. Das aus dem Tankwagen herausgepumpte Öl gefährdet unter solchen Umständen niemanden, der vor den Gefahren eines sich im Verkehr befindlichen Fahrzeuges, und sei es beim Entladen, geschützt werden müßte. Vielmehr hat sich der Schaden außerhalb des Verkehrsraumes ereignet, wobei sich nur die Funktion der Betriebseinrichtung des Tankwagens als Arbeitsmaschine ausgewirkt hat. Dann aber greift die Gefährdungshaftung des § 7 StVG nach ihrem Sinn und Zweck nicht zugunsten eines "Verkehrsopfers" ein, wie dies der Senat dem Kern nach bereits in seinem Urteil vom 27. Mai 1975 (aaO) entschieden hat; die dagegen von Wussow in WJ 1975, 138, 161, 195 erhobenen Bedenken vermögen nicht zu überzeugen. Mit Recht weist die Revision darauf hin, daß das Auslaufen von Heizöl aus dem Entlüftungsrohr des Vorratstankes (wie auch etwa ein sonstiges Überlaufen bei Überfüllung des Vorratstankes) nur die typische Verwirklichung der Gefahr des mechanischen Einfüllvorganges darstellt, für die der Motor des Fahrzeuges lediglich als Antriebskraft der Pumpvorrichtung von Bedeutung ist. Eine Haftung der Beklagten nach § 7 StVG scheidet mithin im Streitfall aus (so jetzt auch Darkow in KV-Recht von A - Z, Betrieb des Kraftfahrzeugs VI B 4; unrichtig KG VersR 1973, 665, 666).

2. Das Berufungsgericht hat, von seinem Standpunkt aus folgerichtig, nicht geprüft, ob die Voraussetzungen einer Haftung der Beklagten aus unerlaubter Handlung nach § 831 BGB oder aus Vertragsverletzung (vgl dazu BGH Urt vom 27. Februar 1964 - VII ZR 207/62 - VersR 1964, 632) in Betracht kommt. Der Senat kann mangels ausreichender tatsächlicher Feststellungen dazu nicht selbst entscheiden. Vielmehr wird das Berufungsgericht diese Prüfung nachzuholen haben.

Von besonderer Delikatesse ist die Panik im Schweinestall, die durch einen Unfallknall ausgelöst worden ist:

Gericht: BGH 6. Zivilsenat

Datum: 1991-07-02

Az: VI ZR 6/91

Leitsatz

Der Halter eines Kraftfahrzeuges haftet nicht für Schäden, die durch Panikreaktionen bei Tieren infolge von Unfallgeräuschen ausgelöst werden, wenn sich in dem Schadensfall in erster Linie ein von dem Geschädigten selbst gesetztes Risiko verwirklicht.

Fundstelle

ZIP 1991, 1216-1217 (LT)

NJW 1991, 2568-2569 (LT)

Tatbestand

Der Kläger ist Eigentümer eines landwirtschaftlichen Hofes, in dessen Stallungen er u.a. Schweinezucht betreibt.

Am 10. Februar 1989 fuhr der Erstbeklagte mit seinem Pkw, der bei der Zweitbeklagten haftpflichtversichert war, im Rahmen der Vorbereitung auf ein Autorennen auf der überwiegend von landwirtschaftlichen Fahrzeugen benutzten Straße Schwarzer Weg, um die bevorrechtigte Reichswaldstraße zu überqueren. An der Einmündung des Schwarzen Weges, der unmittelbar an dem Hof des Klägers vorbeiführt, stieß er mit der Frontseite seines Fahrzeuges gegen die linke vordere Seite eines auf der Reichswaldstraße herannahenden Pkw. Durch den Unfall entstand an beiden Fahrzeugen Blechschaden.

Der Zeuge B., der an einem am Schwarzen Weg gelegenen Fischteich geangelt hatte, wurde durch die Geräusche des Zusammenstoßes auf den Unfall aufmerksam und begab sich zur Unfallstelle. Eine Zeitspanne danach hörte er aus dem ca. 50 m von der Unfallstelle entfernten Schweinestall des Klägers Schweine quieken und kreischen, wie wenn sie geschlachtet würden. Deshalb suchte er den Kläger auf, der sich in seinem Wohnhaus aufhielt und noch nichts gehört hatte. Beide begaben sich in den Schweinestall. Dort stellten sie fest, daß die Schweine in Panik geraten waren und sich wie wilde Tiere gebärdeten; einige lagen bereits verendet auf dem Boden, andere bluteten. Der Kläger nimmt die Beklagten auf Schadensersatz in Anspruch, den er mit 8.746,80 DM beziffert. Zur Begründung hat er vorgetragen, der Erstbeklagte habe den Unfall schuldhaft verursacht, die Schweine seien infolge des Unfallgeräusches in Panik geraten und dabei "aufeinandergelaufen"; dadurch seien sechs hochtragende Jungsauen verendet, und fünf andere Jungsauen hätten vorzeitig die Tracht abgesetzt.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Das Oberlandesgericht hat sie dem Grunde nach für gerechtfertigt erklärt und die Revision zugelassen.

Entscheidungsgründe

I. Nach Auffassung des Berufungsgerichts spricht aufgrund der Aussage des Zeugen B. der Beweis des ersten Anscheins dafür, daß die Tiere infolge der Unfallgeräusche in Panik geraten und einige dadurch zu Schaden gekommen sind. Eine andere Ursache als der Unfallknall sei nicht ersichtlich. Eine Haftung für den durch den Unfall verursachten Schaden leitet das Berufungsgericht aus § 7 StVG und § 3 Nr. 1 PflVG her. Es ist der Auffassung, daß die Schadensursache nicht nur in der Empfindlichkeit der Schweine infolge der heutigen Aufzuchtsweise in engen Stallungen liege, sondern daß sich die typische Gefahr des Kraftfahrzeugverkehrs auch noch in dem Lärm verwirkliche, den ein Verkehrsunfall verursache. § 7 StVG wolle den Straßenanlieger ebenso für schädigende Lärmeinflüsse auf empfindliche Haustiere schadlos halten, wie dies im Rahmen der Gefährdungshaftung für den Lärm eines tieffliegenden Düsenjägers und für die von einem Hubschrauber ausgehenden Erschütterungen anerkannt sei. Wie § 30 StVO erkennen lasse, gehöre der unnötige Lärm zu den Gefahren des modernen Kraftfahrzeugverkehrs.

II. Das Berufungsurteil hält rechtlicher Prüfung nicht stand.

Es kann dahingestellt bleiben, ob das Berufungsgericht verfahrensfehlerfrei zu der Auffassung gelangt ist, der Schaden des Klägers sei ursächlich auf den Unfallknall zurückzuführen. Jedenfalls vermag der Senat in sachlich rechtlicher Hinsicht der Auffassung des Berufungsgerichts, der Schaden sei dem Betrieb des Pkw des Erstbeklagten zuzurechnen, für den dieser nach § 7 StVG einzustehen habe, nicht beizupflichten.

1. Voraussetzung für die Halterhaftung nach § 7 StVG ist, daß der Schaden "bei dem Betrieb" eines Kraftfahrzeuges entstanden ist.

a) Nach ständiger Rechtsprechung des Senats ist ein Schaden "bei dem Betrieb" eines Kraftfahrzeuges entstanden, wenn sich die von dem Kraftfahrzeug als solchem ausgehende Gefahr auf den Schadensablauf ausgewirkt hat, wenn also das Schadensereignis in dieser Weise durch das Kraftfahrzeug mitgeprägt worden ist (BGHZ 37, 311, 315f.; 105, 65, 66f.; 107, 359, 366 m.w.N.; Senatsurteil vom 3. Juli 1990 - VI ZR 33/90 - VersR 1991, 111). Ob dies der Fall ist, muß in einer am Schutzzweck der Haftungsnorm orientierten wertenden Betrachtung beurteilt werden. Dabei ist im Hinblick auf den weiten Schutzzweck des § 7 StVG eine weite Auslegung geboten (BGHZ 105, 65, 66f.; 107, 359, 366). Das beruht auf dem Gedanken, daß die von Kraftfahrzeugen im Straßenverkehr ausgehenden Gefahren immer größer werden, diese aber im Interesse des technischen Fortschritts und des Funktionierens des modernen Massenverkehrs nicht verboten werden können und deshalb von dem einzelnen hinzunehmen sind. So gesehen ist nicht nur die Gefährdungshaftung als solche, sondern auch deren weite Ausdehnung gleichsam der Preis für die Inkaufnahme dieses ständig zunehmenden Gefahrenpotentials.

b) Auf der anderen Seite sind einer Haftung aus § 7 StVG Grenzen gesetzt, die sich ebenfalls aus dem Schutzzweck der Vorschrift ergeben (BGHZ 79, 259, 263). Die Haftung wird nicht schon durch jede Verursachung eines Schadens begründet, der im weitesten Sinne im Zusammenhang mit dem Betrieb eines Kraftfahrzeuges ausgelöst worden ist. Eine Haftung tritt vielmehr erst dann ein, wenn das Schadensereignis dem Betrieb eines Kraftfahrzeuges nach dem Schutzzweck der Gefährdungshaftung auch zugerechnet werden kann. An diesem Zusammenhang fehlt es, wenn die Schädigung nicht mehr eine spezifische Auswirkung derjenigen Gefahren ist, für die die Haftungsvorschrift den Verkehr schadlos halten will (BGHZ 79, 259, 263; Senatsurteil vom 1. Dezember 1981 - VI ZR 111/80 - VersR 1982, 243). Dies gilt insbesondere für Schäden, in denen sich ein gegenüber der Betriebsgefahr eigenständiger Gefahrenkreis verwirklicht hat (vgl. BGHZ 58, 162; 107, 359, 364; Urteil vom 3. Juli 1990 - VI ZR 33/90 - VersR 1991, 111).

2. Bei Zugrundelegung dieser Maßstäbe kann dem Berufungsgericht nicht darin gefolgt werden, daß der bei dem Kläger entstandene Schaden haftungsrechtlich dem Betrieb des Kraftfahrzeuges des Erstbeklagten zuzuordnen ist. Die Reaktion der Tiere, die zu dem Schaden des Klägers geführt hat, mag zwar durch den bei dem Unfall entstandenen Knall ausgelöst worden sein und hinge damit ursächlich mit dem Betrieb des vom Erstbeklagten gefahrenen Pkw zusammen. Auch läßt sich sagen, worauf das Berufungsgericht abstellt, daß sich Gefahren des Kraftfahrzeugverkehrs in dem Lärm verwirklichen können, den ein Verkehrsunfall verursacht.

Gleichwohl ergibt die am Schutzzweck orientierte Begrenzung der Halterhaftung hier, daß die Beklagten für den infolge des Unfallärms im Schweinestall des Klägers eingetretenen Schaden nicht einzustehen haben. Denn in dem Schadensfall hat sich in erster Linie ein Risiko verwirklicht, das der Kläger dadurch selbst geschaffen hat, daß er seine Schweine unter Bedingungen aufgezogen hat, die sie für Geräusche, wie sie auch der Straßenverkehr mit sich bringt, besonders anfällig machen und zu Panikreaktionen unter den Tieren führen können, bei denen es zu Schäden der hier aufgetretenen Art kommen kann.

Die panikartigen Reaktionen der Schweine auf die Unfallgeräusche sind - wovon das Berufungsgericht ausgeht - auf eine ungewöhnliche Empfindlichkeit der Tiere zurückzuführen, die ihren Grund wiederum in den heutigen Aufzuchtsbedingungen hat. Die moderne Intensivzucht, bei der Tiere größerer Anzahl in engen Stallungen zusammengehalten werden, führt dazu, daß vor allem Schweine bei außergewöhnlichen Geräuschen zu schreckhaften Reaktionen neigen, aggressiv werden und sich gegenseitig zu Tode bringen. Wenn sich der Geschädigte gleichwohl, ohne dazu gezwungen zu sein, zur Aufzucht von Schweinen unter diesen Bedingungen entschließt, setzt er die entscheidende Schadensursache selbst. Schweinehaltung unter diesen Bedingungen verträgt sich nicht mit derartigen Geräuschen, wie sie der Straßenverkehr gelegentlich mit sich bringt. Störungen und Einbußen sind deshalb vom Züchter einzukalkulieren. Bei wertender Betrachtung ist dies der Preis, den der Züchter für die gewählte Art der Schweinehaltung zahlen muß, nicht aber sind es Nachteile aus der Duldung des Kraftfahrzeugbetriebes, die § 7 StVG dem Betroffen abnehmen will. So gesehen schafft der Kläger für seinen Betrieb einen gegenüber der Kfz-Betriebsgefahr eigenständigen Gefahrenkreis, dessen Risiken er selbst tragen muß. Schäden, in denen sich das selbst geschaffene Risiko realisiert, kann er billigerweise nicht mehr dem Kraftfahrzeughalter aufbürden. Eine Haftung für derartige Schäden wird vom Schutzzweck des § 7 StVG nicht mehr umfaßt. Ob dies auch dann gilt, wenn ein Dritter durch unfallbedingte Panikreaktionen von Schweinen zu Schaden kommt, bedarf hier keiner Entscheidung.

An dieser Beurteilung ändert sich nichts dadurch, daß die Art und Weise der Schweineaufzucht heutzutage nichts Außergewöhnliches mehr darstellen, also zu den normalen Erscheinungen des heutigen Lebens gehören und deshalb von jedermann, und damit auch vom Kraftfahrer, hinzunehmen sind. Haftungsrechtlich bleibt der Gesichtspunkt entscheidend, daß der Betreiber einer solchen Tierhaltung ein besonderes Risiko eingeht, dessen spezifische Auswirkungen er als eigenen Schaden selbst hinnehmen muß und sie nicht dem Kfz-Halter anlasten kann.

Im Ergebnis ebenso hat dies auch das Reichsgericht in dem ähnlich gelagerten Silberfüchse-Fall beurteilt (RGZ 158, 34). Es hat dem Gedanken Rechnung getragen, daß die Schädigung in jenem Fall durch einen bei objektiver Betrachtung an sich ungefährlichen Vorgang nur infolge einer ungewöhnlichen Empfindlichkeit der betroffenen Tiere eingetreten ist, die vom Züchter den Belastungen einer für die Tierart ungewohnten Umgebung ausgesetzt worden sind.

3. Die Entscheidung des Senats in dem sogenannten Hubschrauberfall (BGHZ 79, 259) steht der hier vorgenommenen Beurteilung nicht entgegen. Einmal handelte es sich in jener Entscheidung nicht um einen psychisch vermittelten, sondern physisch durch Luftdruck ausgelösten Schaden; zum anderen trafen die von dem Helikopter verursachten Druckwellen nicht auf ein extrem schadensanfälliges, sondern auf ein nur mit gewissen Stabilitätsmängeln versehenes Dach. Daß sich der Schutzzweck der Gefährdungshaftung aus § 33 LuftVG auch auf solche Gefahren erstreckt, unterlag "keinem vernünftigen Zweifel" (BGH aaO S. 263).

Auch das Urteil vom 1. Dezember 1981 - VI ZR 111/80 - VersR 1982, 243, in dem der Senat eine Gefährdungshaftung nach dem LuftVG für einen Verkehrsunfall infolge Lärmirritation eines Kraftfahrers durch ein tieffliegendes Düsenflugzeug bejaht hat, führt zu keiner anderen Beurteilung. In jenem Fall hat der Senat darauf abgestellt, daß die plötzliche Lärmentwicklung durch ein tieffliegendes Düsenflugzeug häufig zu nicht steuerbaren Schreckreaktionen von Menschen und Tieren führe und daher als typischer Gefährdungsvorgang grundsätzlich in den Zurechnungsbereich der Gefährdung durch ein Luftfahrzeug falle. Schreckreaktionen mit Schadensfolgen können zwar bei Menschen und Tieren auch durch ein plötzliches und intensives Geräusch infolge eines Unfalls im Straßenverkehr, etwa wie hier beim Zusammenstoß von Kraftfahrzeugen, ausgelöst werden. Die Besonderheit des vorliegenden Falles besteht aber darin, daß der Kläger die Bedingungen dafür, daß die Schweine auch noch in einem 50 Meter entfernten Stall darauf panikartig reagieren und sich gegenseitig zu Tode bringen, erst eigentlich durch die Art der Tierhaltung selbst gesetzt hat.

4. Eine Haftung der Beklagten kommt auch nicht aus § 823 BGB wegen fahrlässig herbeigeführter Schädigung der Schweine in Betracht. Davon geht auch das Berufungsgericht aus. Die Erwägungen, die hier zur Verneinung einer Gefährdungshaftung führen, schließen auch eine Zurechnung des Schadens zur Verschuldenshaftung des erstbeklagten Kraftfahrers aus.

Zu dieser Entscheidung gibt es eine außerordentlich lesens- und beherzigenswerte Anmerkung von Kötz in NZV 1992, 218. Ich zitiere:

Daß dieser Fall auf das Prämienniveau in der Kraftfahrzeug-Haftpflichtversicherung oder in der Tierversicherung merklichen Einfluß ausüben oder sonstwie in der Haftpflichtpraxis die Welt bewegen wird, glaube ich nicht. Aber daß er eine Karriere als "Schulfall" vor sich haben und dem deliktsrechtlichen Scharfsinn der Rechtsgelehrten als Wetzstein dienen könnte - das wird man nicht ausschließen können, und so sei denn mit den folgenden Überlegungen ein erster Stein ins Wasser geworfen.

1. Die Ausgangsfrage hat der Bundesgerichtshof vollkommen zutreffend gestellt: Ob der Beklagte nach § 7 StVG für den Schaden einzustehen hat, muß aufgrund "einer am Schutzzweck der Haftungsnorm orientierenden wertenden Betrachtung beurteilt werden". Es kommt mithin darauf an, ob die Gefahr, die sich im vorliegenden Fall in dem Tierschaden verwirklicht hat, zu denjenigen Gefahren gehört, für die der Halter eines Kraftfahrzeuges nach dem Sinn des § 7 StVG einzutreten hat. Der Grundsatz, daß sich die Schadenzurechnung am Schutzzweck der Norm orientieren muß, gilt daher nicht nur bei der Haftung aus § 823 Abs. 2 BGB, sondern auch bei der Gefährdungshaftung (vgl. BGHZ 37, 311, 315; 79, 259, 263; 107, 359, 367; BGH VersR 1982, 243, 244; BGH NVZ 1990, 425, 426 mit Anm. Lange. Ebenso das Schrifttum: vgl. Kötz, Deliktsrecht, 5. Aufl. (1991) Rn. 359, 385 ff.)

2. Zu den Gefahren, für die der Betreiber des mit einer Gefährdungshaftung belasteten Betriebes einzustehen hat, gehört auch die Gefahr, daß die akustischen Auswirkungen des Betriebes zu einer Schädigung Dritter führen. Daß der Halter eines Luftfahrzeugs für die Schäden aufkommen muß, die ein Kraftfahrer erleidet, wenn er - irritiert durch den Lärm eines tieffliegenden Flugzeugs - an einem Baum fährt, hat der Bundesgerichtshof selbst entschieden (BGH VersR 1982, 243). Das gleiche wird für die Haftung des Tierhalters und des Eisenbahnunternehmers gelten müssen, wenn durch das Gebell eines Hundes oder den Pfiff einer Lokomotive eine Schreckreaktion bei einem Menschen oder einem Tier ausgelöst wird und es infolgedessen zu einem Schaden kommt. Keinen Unterschied macht es, daß in diesen Fällen der Schaden nicht auf einen Zusammenprall physisch wirkender Kräfte zurückgeht, sondern "psychisch vermittelt", nämlich durch eine Schreck-, Flucht- oder Schutzreaktion des betroffenen Menschen oder Tieres herbeigeführt wird. Ebensowenig wird es darauf ankommen können, daß es sich bei Hundegebell, bei Lokomotivpfiffen oder beim Motorenlärm eines Flugzeugs im allgemeinen um die akustischen Auswirkungen eines störungsfrei verlaufenden "Normalbetriebes", hier hingegen um das Geräusch eines Autounfalls, also eines ungewollten "Störfalls" handelt. Aus diesen Gründen ist auch im vorliegenden Fall davon auszugehen, daß der Schaden an den Tieren auf eine spezifische Gefahr des Betriebes von Kraftfahrzeugen zurückzuführen ist. Dies ist - so scheint es jedenfalls - auch die Ansicht des Bundesgerichtshofs. Denn auch nach seiner Meinung "läßt sich sagen, worauf das Berufungsgericht abstellt, daß sich Gefahren des Kraftfahrzeugverkehrs in dem Lärm verwirklichen können, den ein Verkehrsunfall verursacht."

Wenn der Bundesgerichtshof die Klage des Bauern gleichwohl abgewiesen hat, so deshalb, weil nach seiner Auffassung der Schadensfall "in erster Linie" auf ein Risiko zurückzuführen ist, das der Bauer selbst geschaffen hat: Er habe seine Schweine in Massentierhaltung aufgezogen und dadurch die Gefahr einer Panikraktion durch Geräuscheinwirkung "erst eigentlich" selbst gesetzt. Dieses Ergebnis - nämlich die Abweisung der Klage - läßt sich durchaus mit der Annahme vereinbaren, daß die Voraussetzungen des § 9 StVG im vorliegenden Fall an sich erfüllt sind. Denn anerkannt ist nicht nur, daß sich ein Kläger als Tierhalter die mitwirkende Sach- und Betriebsgefahr seiner Tiere gemäß §§ 9 StVG, 254 BGB auf seinen Ersatzanspruch anrechnen lassen muß, und zwar auch dann, wenn ihn ein Mitverschulden nicht trifft; anerkannt ist auch, daß der dem Kläger anzurechnende Verursachungsbeitrag den des Beklagten so stark überwiegen kann, daß sein Ersatzanspruch ganz ausgeschlossen wird.

Ob der Bundesgerichtshof schon die Voraussetzungen des § 7 StVG verneint oder sie zwar bejaht, aber die Haftung des Beklagten auf dem eben geschilderten Wege ausgeschlossen hat, wird aus dem Urteil leider nicht ganz deutlich. In dem berühmten "Silberfuchsfall", den auch der Bundesgerichtshof zitiert hat (RGZ 158, 34), wird zwischen diesen beiden Wegen klar geschieden. Wenn - so hat das Reichsgericht ausgeführt - die Silberfüchse des Klägers durch den "Anblick und das Geräusch eines in größerer Höhe ruhig dahinfligenden Flugzeugs" in Panik verfallen seien, so komme von vornherein eine Haftung des Luftfahrzeughalters nicht in Betracht, weil der in diesem Falle eingetretene Schaden "außerhalb der vom Gesetz gewollten Regelung liegt". Wenn hingegen "die bei den Silberfüchsten hervorgerufene Schockwirkung darauf zurückzuführen wäre, daß ein Flugzeug in geringer Höhe oder mit übermäßigem Geräusch auf die Sinne der Tiere ... eingewirkt hätte", so seien die Voraussetzungen der Gefährdungshaftung des Luftfahrzeugshalters gegeben. Jedoch müsse in diesem Fall der Ersatzanspruch des Klägers insoweit gemindert werden, "als der Schaden durch ein die Voraussetzung des § 833 Satz 1 BGB erfüllendes Verhalten der Silberfüchse mitverursacht worden sei". Mir scheint, daß der vorliegende Fall in die zuletzt genannte Kategorie gehört, weil die Schweine des Klägers nicht durch das Geräusch des ruhig dahinfließenden Kraftverkehrs, sondern durch den plötzlichen Krach zweier in nächster Nähe zusammenstoßender Kraftfahrzeuge in Panik versetzt worden sind. Freilich kommt es auf diese Frage nicht entscheidend an. Denn auch wenn der Bundesgerichtshof den hier bevorzugten Weg gegangen wäre, hätte er den vom Kläger gesetzten Verursachungsbeitrag als überwiegend ansehen und die Klage in vollem Umfang abweisen können. Allerdings wäre auch eine Teilung des Schadens in Betracht gekommen.

3. Entscheidend ist aber, ob man dem Bundesgerichtshof in der Annahme wirklich folgen kann, es habe sich der Bauer den Schaden deshalb selbst zuzuschreiben, weil die ungewöhnliche Geräuschempfindlichkeit der Schweine ihren Grund in den von ihm gewählten Aufzuchtbedingungen hat. "Die moderne Intensivzucht, bei der Tiere in größerer Zahl in engen Stallungen zusammengehalten werden", führe dazu, "daß vor allem Schweine bei außergewöhlichen Geräuschen zu schreckhaften Reaktionen neigen, aggressiv werden und sich zu Tode bringen." Der Kläger selbst sei es daher, der - wenn auch schuldlos und im Einklang mit der heute üblichen Zuchtpraxis - die Bedingungen für den Schaden "erst eigentlich durch die Art der Tierhaltung selbst gesetzt hat".

a) Man fragt sich zunächst, woher der Bundesgerichtshof diese kühne Erkenntnis nimmt. Denn wenn er behauptet, es habe die Geräuschempfindlichkeit der Schweine ihre Ursache in den Aufzuchtbedingungen der Intensivhaltung, so sagt er damit gleichzeitig, daß die Schweine die Geräuscheinwirkungen unbeschadet überstanden hätten, sofern sie unter "natürlichen" Bedingungen gehalten worden wären. Das aber erscheint mir zweifelhaft. Schweine sind - wie man hört - sowohl sehr intelligiente wie sehr sensible Tiere, und das legt die Vermutung nahe, daß sie auf Unfallgeräusche der hier in Rede stehenden Stärke und Plötzlichkeit in jedem Falle panisch reagieren, ohne daß es auf die Besonderheiten ihrer Aufzuchtbedingungen wesentlich ankommt. Die gegenteilige Annahme, auf der das Urteil des Bundesgerichtshofs beruht, scheint auf den tierpsychologischen Kenntnissen des Senats zu beruhen; ein Sachverständigen gutachten wäre aber wohl vorzuziehen gewesen. Zwar heißt es in dem Urteil, daß auch das Berufungsgericht die Empfindlichkeit der Schweine mit den besonderen Aufzuchtbedingungen der Intensivhaltung in Zusammenhang gebracht habe. Aber für das Berufungsgericht war diese Annahme folgenlos und nicht beweisbedürftig, da es der Klage des Bauern aus § 7 StVG in vollem Umfang stattgegeben, also aus jener angeblichen kausalen Verknüpfung von Intensivzucht und Geräuschempfindlichkeit keinerlei Folgen zum Nachteil des Bauern gezogen hat.

b) Fragen bleiben aber auch dann, wenn man sich die Auffassung des Bundesgerichtshofs zu eigen macht. Selbst wenn in der modernen Intensivzucht eine Ursache des Unfallschadens liegen sollte, so bleibt doch immer noch die Frage, warum der moderne Kraftverkehr ganz ungeschoren davonkommt. Warum gießt der Bundesgerichtshof die ganze Schale seines Zorns auf die Massentierhaltung und nicht auch auf den Kraftverkehr aus? Gewiß: Denkt man sich die Schweine unter den idyllischen Bedingungen einer vergangenen Zeit aufgezogen, so wäre der Schaden nicht eingetreten - das jedenfalls meint der Bundesgerichtshof. Aber ebensowenig wäre es zu dem Schaden gekommen, wenn Personen und Güter noch immer wie in der guten alten Zeit mit Postkutschen und Ochsenkarren befördert würden. Es führt kein Weg daran vorbei, daß der hier eingetretene Schaden auf das Zusammenwirken der spezifischen Risiken sowohl des modernen Kraftverkehrs wie auch der modernen Intensivtierhaltung zurückzuführen ist.

4. Der Bundesgerichtshof hat zwar seinen Ausgangspunkt zutreffend gewählt, indem er nicht auf die "Verursachung" des Schadens, sondern darauf abgestellt hat, ob er auf die Verwirklichung einer Gefahr zurückzuführen ist, für die der Kraftfahrzeughalter nach dem Schutzzweck des § 7 StVG einzustehen hat. Diesem Ausgangspunkt ist er aber im Verlauf der Urteilsbegründung untreu geworden. Denn am Ende hat der doch wieder darauf abgehoben, daß es letztlich der Bauer gewesen sei, der durch die von ihm gewählte Art der Tierhaltung die Schweine besonders geräuschempfindlich gemacht und damit die "entscheidende Schadensursache" selbst gesetzt hat. Vom logischen Standpunkt aus genauso zulässig und vielleicht genauso plausibel wäre es gewesen, wenn man die "entscheidende Schadensursache" in den besonderen Gefahren des modernen Kraftverkehrs gesehen hätte. Auch dies wäre freilich unbefriedigend gewesen. Der vorliegende Fall ist dadurch gekennzeichnet, daß zwei erlaubte Tätigkeiten - der Kraftverkehr und die Schweinezucht - in räumlicher Nachbarschaft gleichzeitig stattfinden und früher oder später miteinander in Kollision geraten. Wer in einem solchen Fall die Frage der Haftung für den entstandenen Schaden danach entscheiden will, welche der beiden Tätigkeiten den Schaden "verursacht" hat - und sei es auch nur "adäquat", "in erster Linie" oder "in entscheidender Weise" - wird eine wirklich überzeugende Lösung nicht bieten können.

Fallsituationen von der hier gegebenen Art werden in der ökonomischen Theorie seit langem diskutiert. Dabei werden Lösungen vorgeschlagen, die auch der Richter berücksichtigen sollte, wenn ihm - wie hier - die gesetzlichen Vorschriften den dafür erforderlichen Interpretationsspielraum lassen. Ein Zweig der modernen ökonomischen Theorie beschäftigt sich nämlich mit der Frage, unter welchen Voraussetzungen Rechtsinstitutionen und Rechtsregeln - darunter auch haftungsrechtliche Regeln - einen Beitrag dazu leisten, daß mit Hilfe der knappen vorhandenen Ressourcen ein Maximum an gesamtgesellschaftlicher Wohlfahrt erreicht wird (vgl. zum folgenden Schäfer/Ott, Lehrbuch der ökonomischen Analyse des Zivilrechts (1986) 115 ff.; Adams, Ökonomische Analyse der Gefährdungs- und Verschuldenshaftung (1985) 120 ff.). Haftungsregeln leisten einen solchen Beitrag dann, wenn sie Anreize setzen, durch die menschliches Verhalten in eine Richtung gesteuert wird, die die Erreichung dieses Ziels gewährleistet oder ihm nahekommt. In einem Fall, in dem zwei in räumlicher Nachbarschaft stattfindende Tätigkeiten früher oder später miteinander kollidiern und zu unvermeidbaren Schäden führen, ist dieses Ziel erreicht, wenn die Rechtsordnung dafür sorgt, daß die Summe des aus beiden Tätigkeiten gezogenen Nutzens so groß ist wie möglich. Das bedeutet, daß sie denjenigen mit den Kosten der genannten Schadensfälle belasten muß, der sie mit geringerem Aufwand als der andere vermeiden kann. Zwar erleidet der Belastete dadurch eine Minderung des aus seiner Tätigkeit erzielten Nutzens. Aber diese Minderung ist geringer, als sie für den anderen einträte, wenn dieser mit den Unfallkosten belastet würde, und daher ist die Summe des Nutzens, den beide aus ihren Tätigkeiten ziehen, in diesem Fall die größte. Der Sinn der Kostenbelastung liegt dabei nicht darin, daß die belastete Tätigkeit ganz eingestellt und Schadensfälle infolgedessen ganz vermieden werden. Vielmehr geht es nur darum, daß die belastete Tätigkeit auf ihren optimalen Umfang zurückgenommen und Schadensfälle auf das optimale Niveau gesenkt werden. Dies geschieht dadurch, daß es unter denjenigen Personen, die die Tätigkeit betreiben, die eine oder andere geben wird, für die sich ihre Nutzen und Kosten annähernd die Waage halten und die, wenn die Belastung mit den Unfallkosten hinzukommt, zur Aufgabe oder Einschränkung der Tätigkeit veranlaßt wird.

Es komtm demnach darauf an, ob die Tierschäden der hier eingetretenen Art mit geringerem Aufwand von den Schweinezüchtern oder von den Kraftfahrern vermieden werden könnten. Wird die Frage so gestellt, dann zeigt sich sogleich, daß viel davon abhängen wird, welche der beiden parallel betriebenen Tätigkeiten "ortsüblich" ist und welche nicht. Denkt man sich den Fall so, daß der klagende Bauer seine Schweinezucht unmittelbar neben einer vielbefahrenen, durch ein Gewerbegebiet führenden Straße betrieben hätte, so wäre klar, daß die Kosten der Schadensvermeidung, die den vielen Kraftfahrern durch besonders vorsichtige Fahrweise oder durch Nichtbenutzung der betreffenden Straße entstünden, weit höher lägen als der Aufwand, den zum gleichen Zweck der Bauer - etwa durch Aufgabe der Schweinezucht - treiben müßte. Im vorliegenden Fall ist es hingegen zu dem Unfall auf einer Nebenstraße gekommen, die durch ein Gebiet mit intensiver landwirtschaftlicher Nutzung führt. Der Aufwand, der von den Bauern dieses Gebiets zum Zweck der Schadensvermeidung getrieben werden müßte, bestünde darin, daß die Schweineställe aus der räumlichen Nähe zur Straße wegverlegt oder daß die Schweinezucht - so jedenfalls der Bundesgerichtshof -nicht in Form der Intensivhaltung betrieben oder von den Bauern ganz aufgegeben werden müßte. Dieser Aufwand wäre erheblich, weil er für zahlreiche Bauern auf eine wesentliche Beschränkung der ortsüblichen Formen der Nutzung ihrer landwirtschaftlichen Grundstücke hinausliefe. Hier spricht vieles dafür, daß der den Bauern entstehende Aufwand wesentlich höher liegt als der Aufwand, der den Kraftfahrern entstünde, wenn sie die betreffende Nebenstraße mieden oder sie mit geringerem Tempo oder besonderer Vorsicht benutzten. Daraus ergibt sich, daß der im vorliegenden Fall entstandene Schaden den Kraftfahrern (und nicht den Schweinezüchtern) zugerechnet werden sollte.

Der Fall liegt ähnlich wie in § 906 BGB. Hier wie dort geht es um die Zurechnung von Schäden, die aus der Kollision verschiedener, in räumlicher Nachbarschaft betriebener Tätigkeiten resultieren. Ebenso wie in § 906 Abs. 2 BGB die "ortsübliche" Tätigkeit begünstigt, nämlich ihr Betreiber von Unterlassungsansprüchen freigestellt und Ausgleichsanspruchen nur unter besonderen Voraussetzungen ausgesetzt wird, sollte auch bei der Bestimmung des Schutzbereichs von § 7 StVG darauf abgestellt werden, ob der Kraftverkehr "ortsüblich" ist und die von ihm ausgehenden Gefahren deshalb hingenommen werden müssen oder ob umgekehrt die beeinträchtigte Tätigkeit - hier: die Schweinezucht - "ortsüblich" ist und deshalb ihre Betreiber - hier: die Schweinezüchter - Freistellung von den Schäden verlangen können, die sie durch den Kraftverkehr erleiden. Daß in beiden Fällen die "ortsübliche" Tätigkeit zu privilegieren ist, hat seinen ökonomischen Grund darin, daß eine "ortsübliche" Tätigkeit im Interesse der Schadensvermeidung zu verändern oder ganz zu unterlassen in der Regel einen höheren Vermeidungsaufwand fordert, als er durch die Vermeidung oder Unterlassung einer "nicht ortsüblichen" Tätigkeit entsteht.

Gemeinsames Merkmal aller Gefährdungshaftungstatbestände im Bereich der Haftungsausfüllung war bis 2002 der Ausschluss des Schmerzensgeldes. Im übrigen kennen die meisten Gefährdungshaftungen Haftungshöchstgrenzen. Eine Eingrenzung schon auf der Ebene der Haftungsbegründung nehmen manche Gefährdungshaftungstatbestände dadurch vor, dass sie die Haftung bei höherer Gewalt oder unabwendbaren Ereignissen ausschließen.

Die Gefährdungshaftung ist ein Kind der Industrialisierung und Technisierung der modernen Gesellschaft. Das "industrielle Haftungsrecht" trat als Gefährdungshaftungsrecht auf und entwickelte sich bis auf den heutigen Tag außerhalb des BGB. Den Anfang bildete § 25 des Preußischen Eisenbahngesetzes von 1838. Diese Gefährdungshaftung des Eisenbahnbetriebsunternehmers für Personen- und Sachschäden der Fahrgäste und Arbeitnehmer wurde durch § 1 Reichshaftpflichtgesetz auf das gesamte Reichsgebiet ausgedehnt. Eine Erstreckung auf Bergwerke und Fabriken scheiterte an dem entschiedenen Widerstand der betroffenen Unternehmer. Dies führte zu dem Kompromiss einer Repräsentantenhaftung nach § 2 ReichshaftpflichtG (heute § 3 HaftpflichtG: unmittelbare Haftung des Geschäftsherrn für durch Verschulden seiner Leitenden Angestellten verursachten Tod oder Körperverletzung von Arbeitnehmern). Entsprechend den technischen Entwicklungsschüben wurden der Gefährdungshaftung nach und nach folgende Anwendungsgebiete erschlossen: die Kraftfahrzeughalterhaftung im Kraftverkehrsgesetz von 1909, die Halterhaftung von Luftfahrzeugen im Luftverkehrsgesetz von 1922, die Haftung der Inhaber von Energieleitungen (1943/1978), die Haftung für Wasserverunreinigung im Wasserhaushaltsgesetz von 1957, die Haftung des Betreibers vom Atomkraftwerken im Atomgesetz von 1960, die Haftung der Hersteller von Arzneimitteln nach dem Arzneimittelgesetz von 1976, die Haftung des Herstellers fehlerhafte Produkte nach dem Produkthaftungsgesetz von 1989 und die Haftung der Betreiber bestimmter Anlagen bei Umwelteinwirkungen nach dem Umwelthaftungsgesetz von 1990. Auch das BGB kennt einen Gefährdungshaftungstatbestand: die Haftung des Halters von Luxustieren in § 833 BGB.
Last modified: Wednesday, 3 September 2008, 4:21 PM