Die Metaethik stellt ein Teilgebiet der Ethik dar, das sich mit den Voraussetzungen und Implikationen unserer moralischen Praxis beschäftigt. Im Gegensatz zur normativen Ethik, die nach allgemeinen moralischen Prinzipien und deren Begründung fahndet, und zur angewandten Ethik, die moralische Standards für spezifische Bereiche bzw. Problemfelder zu etablieren sucht, wird in der Metaethik – weitgehend unabhängig von konkreten normativen Theorien – über das Wesen unseres moralischen Denkens und Urteilens reflektiert.
Das mutet theoretischer an als es ist – metaethische Fragen ergeben sich durchaus recht natürlich aus unserer alltäglichen moralischen Praxis: Wer beispielsweise mit seinem Gegenüber kontrovers darüber diskutiert, unter welchen Umständen Abtreibungen moralisch erlaubt sind, der wird sich irgendwann fragen, ob es in der Angelegenheit eine richtige Antwort gibt oder ob stattdessen verschiedene moralische Standards existieren, die Moral mithin also eine Frage des persönlichen Geschmacks oder des eigenen kulturellen Hintergrunds ist. Diese letzten, abstrakteren Überlegungen sind metaethischen Charakters und unabhängig davon, welchen moralischen Standpunkt man in Sachen Abtreibung favorisiert.
Metaethische Überlegungen betreffen unter anderem Fragen der Metaphysik: Gibt es moralische Tatsachen? Gibt es moralische Eigenschaften? Falls es diese gibt, was können wir über deren Natur sagen? Welchen erkenntnistheoretischen Zugang haben wir zu ihnen? Sind moralische Standards kulturelle Errungenschaften und folglich kulturrelativ? Oder gibt es einen universellen moralischen Standard?
Damit zusammenhängend ergeben sich semantische Fragen nach der Bedeutung moralischer Sätze und Termini: Was meinen wir genau, wenn wir von einer Handlung sagen, dass sie moralisch gut ist? Sind moralische Sätze wahrheitswertfähig?
Metaethische Fragen betreffen auch Fragen der Philosophie des Geistes: Lassen sich moralische Äußerungen etwa auf bestimmte Überzeugungen oder Wünsche des Äußernden reduzieren? Wenn wir von einer Handlungsoption sagen, dass sie moralisch gut wäre, geht dann unser moralisches Urteil notwendig damit einher, dass wir zu dieser Handlungsoption motiviert sind?
Es wird oft davon gesprochen, dass ästhetische Urteile wie „Dieser Film ist zum Schreien komisch“ oder „Die Formensprache zeichnet sich durch Eleganz und Originalität aus“ mindestens in mancher Hinsicht analog zu moralischen Urteilen zu analysieren sind. Wenn am Ende ein wenig Zeit bleibt, werden wir in den letzten Sitzungen einen kurzen Abstecher in die philosophische Ästhetik wagen und prüfen, inwieweit uns die gewonnenen metaethischen Erkenntnisse beim Verständnis ästhetischer Urteile helfen können und ob es hier tatsächlich interessante Parallelen zwischen moralischer und ästhetischer Sphäre gibt.
Wir werden im Seminar mit englischsprachigen Texten arbeiten. Nähere Informationen zum Ablauf und zur behandelten Literatur werden ab Anfang Oktober in Moodle bereitstehen. Wer sich schon vorher informieren oder einstimmen möchte, dem seien Geoff Sayre-McCords Eintrag „Metaethics“ in der Stanford Encyclopedia of Philosophy und Mark van Roojens Buch Metaethics – A Contemporary Introduction (2015) empfohlen.
Das Seminar fungiert auch als Einführung ins wissenschaftliche Arbeiten: Wir werden uns im Seminar also auch mit grundlegenden Techniken des wissenschaftlichen Arbeitens beschäftigen und besprechen, was eine gute wissenschaftliche Arbeit wie etwa eine Hausarbeit ausmacht.
Zeit: Dienstag 16-18 Uhr
Ort: Gebäude B2.2 - Seminarraum 1.02
- DozentIn: Stephan Tobias Schweitzer