Positive Vertragsverletzung (pVV)

Entwicklung und Rechtsgrundlage

Die pVV wurde 1902 von Hermann Staub entwickelt, um schuldhafte Verletzungen schuldrechtlicher Verpflichtungen, die nicht von den damals gesetzlich geregelten Leistungsstörungsinstituten (Unmöglichkeit, Verzug und Mängelgewährleistung) erfasst werden, zu regeln. Der von der positiven Vertragsverletzung betroffene Vertragsteil konnte unter gewissen Voraussetzungen Rechte geltend machen, die ihrem Inhalt nach den Rechten aus den §§ 280, 286, 325, 326 BGB a.F. entsprachen. Aus diesem Grunde konnte man die Rechtsgrundlage der pVV in der analogen Anwendung dieser Vorschriften sehen. Der BGH hatte in BGHZ 11, 80 (84) festgestellt, dass der Rechtsgrund der pVV letztlich in § 242 BGB (Treu und Glauben) liege. Da die Grundsätze über die Haftung aus pVV seit 100 Jahren in ständiger Rechtsprechung angewendet wurden, hatten sie sicherlich den Rang des Gewohnheitsrechts erreicht. Seit dem 1. Januar 2002 haben sie eine gesetzliche Grundlage in §§ 241 Abs. 2, 280 Abs. 1 und 3, 281, 282, 323 Abs. 1 sowie 324 BGB. Dabei handelt es sich um eine atypische Kodifikation von vormaligem Richterrecht, da keine besonderen Vorschriften geschaffen wurden, die unter der Überschrift "positive Forderungsverletzung" im Gesetz aufzufinden sind (Dauner-Lieb/Arnold/Dötsch/Kitz, Fälle zum Neuen Schuldrecht, S. 189).

Voraussetzungen der pVV

Da es "die" pVV nach ihrer Kodifikation im neuen Recht nicht mehr gibt, sondern vielmehr die unter dem Terminus pVV vormals zusammengefassten Fallgruppen und unterschiedlichen Rechtsfolgen über die §§ 241 Abs. 2, 280 Abs. 1 und 3, 281, 282, 323 Abs. 1 sowie 324 BGB verteilt sind, gibt es auch keine einheitlichen Voraussetzungen, die alle Rechtsfolgen der "pVV" im neuen Recht erfassen würden. Man kann vielmehr zwischen allgemeinen Voraussetzungen unterscheiden, die im Sinne eines Grundtatbestandes in allen Fällen der pVV vorliegen müssen, sowie weiteren Voraussetzungen, die für die jeweilige spezifische Rechtsfolge (Schadensersatz statt der Leistung: 280 Abs. 3, 281, 282 BGB; Rücktritt: 323, 324 BGB) erfüllt sein müssen. Die allgemeinen Voraussetzungen, die seit jeher die pVV charakterisieren, entsprechen weitgehend den Voraussetzungen des § 280 Abs. 1 BGB: Es handelt sich um das Bestehen eines Schuldverhältnisses zwischen den Parteien und die Verletzung einer aus dem Schuldverhältnis entspringenden Pflicht durch ein Handeln oder Unterlassen.

Schuldverhältnis zwischen den Parteien

Grundlage der Haftung aus pVV ist das Bestehen eines Schuldverhältnisses. Zumeist handelt es sich hierbei um ein vertragliches Schuldverhältnis. Die pVV ist jedoch darauf nicht beschränkt und kann auch bei gesetzlichen Schuldverhältnissen (z.B. berechtigter GoA) Anwendung finden. Insoweit ist der Name "positive Vertragsverletzung" also missverständlich, er hat sich jedoch in Wissenschaft und Praxis eingebürgert. Häufig liest man auch die Bezeichnung "positive Forderungsverletzung (pFV)".

Pflichtverletzung durch ein Handeln oder Unterlassen

Es kommen nur Pflichtverletzungen in Betracht, die weder eine Unmöglichkeit der Leistung noch Verzug bzw. Verzögerung der Leistung zur Folge haben, da diesbezüglich eigenständige Leistungsstörungstatbestände eingreifen. Ebenso scheiden Pflichtverletzungen aus, deren Folgen von den gesetzlichen Gewährleistungsvorschriften erfasst werden. Diese verweisen zwar im Kauf- und Werkvertragsrecht im Sinne von Rechtsgrundverweisungen auf die Leistungsstörungsregeln des allgemeinen Schuldrechts und somit auch der pVV (vgl. §§ 437, 634 BGB), werden aber durch Sondervorschriften des Gewährleistungsrechts nicht unerheblich modifiziert (vgl. etwa §§ 438, 440, 634a, 636 BGB).

Typen der pVV

Im Laufe der Zeit haben sich zwei Haupttypen der pVV herausgebildet, nämlich zum einen die Schlechtleistung und zum anderen die Verletzung von vertraglichen Nebenpflichten.

Schlechtleistung

Eine Schlechtleistung liegt vor, wenn die geschuldete Leistung nicht ordnungsgemäß erbracht wird. Beispiele aus der Rechtsprechung: Tod von Pferden des Käufers wegen Lieferung von Tierfutter, dem giftige Rizinuskörner beigemischt waren (RGZ 66, 289); Verderben von Wein wegen der vom Verkäufer gelieferten mangelhaften Korken (BGH NJW 1990, 908 - in diesem Falle waren die Ansprüche aus pVV jedoch verjährt). Die Schlechtleistung ist im Allgemeinen Schuldrecht in §§ 280 Abs. 1 BGB ("Pflichtverletzung"), 280 Abs. 3 und 281 Abs. 1 BGB ("...der Schuldner die Leistung nicht wie geschuldet erbringt...") und § 323 Abs. 1 BGB ("...der Schuldner eine fällige Leistung nicht vertragsgemäß erbringt...") geregelt. Auf Grund dieser Regelung im Allgemeinen Schuldrecht ist - wie auch bereits im früheren Recht - zwischen Verträgen ohne gesetzliche Gewährleistungsvorschriften und Verträgen mit solchen zu unterscheiden. Bei Verträgen ohne gesetzliche Gewährleistungsvorschriften - wie den Gesellschaftsverträgen (vgl. hierzu BGH NJW 1983, 1188), Dienst- oder Geschäftsbesorgungsverträgen und Auftragsverhältnissen - ist ein Fall der Schlechtleistung allein nach den §§ 280 Abs. 1 und 3, 281 Abs. 1, 323 Abs. 1 BGB zu beurteilen. Bei Verträgen mit gesetzlichen Gewährleistungsvorschriften ist im neuen Recht wiederum zu differenzieren. Da das Gewährleistungsrecht des Kauf- und Werkvertragsrechts im Sinne einer Rechtsgrundverweisung auf die §§ 280 Abs. 1 und 3, 281 Abs. 1, 323 Abs. 1 BGB verweist (§§ 437, 634 BGB), sind diese Vorschriften unter Beachtung der gewährleistungsrechtlichen Modifikationen auf Schlechtleistungsfälle anzuwenden. Wo es aber an einer solchen Verweisung auf das Allgemeine Schuldrecht fehlt (z.B. im Mietrecht: §§ 536 bis 536d BGB) greift man bei mangelhafter Erfüllung nur dann auf die genannten Vorschriften über die Schlechtleistung im allgemeinen Schuldrecht zurück, wenn das Gewährleistungsrecht Regelungslücken enthält.

Verletzung von vertraglichen Nebenpflichten

Den zweiten Hauptanwendungsfall der pVV neben der Schlechtleistung stellt die Verletzung vertraglicher Nebenpflichten dar. Die Palette der in Frage kommenden Nebenpflichtverletzungen ist sehr groß. Im Laufe der Zeit haben die Rechtsprechung und die Literatur einige typische Fallgruppen entwickelt. Einen Teil davon, die Schutzpflichten, hat der Gesetzgeber nunmehr in § 241 Abs. 2 BGB kodifiziert. Die Aufzählung ist jedoch keineswegs abschließend.

Verletzung der Leistungstreuepflicht

Die Parteien haben die Pflicht, den Vertragszweck weder zu gefährden noch zu vereiteln. Es hängt vom Inhalt des Vertrages ab, welche Pflichten sich hier im Einzelfall ergeben. Eine Leistungstreuepflichtverletzung liegt z.B. vor, wenn der Verkäufer entgegen dem Vertrag auf einmal Barzahlung verlangt, anstatt wie bisher dem Käufer Kredit zu gewähren oder wenn er vor der Lieferung eines neuen Kraftfahrzeugs einzelne Teile gegen alte andere Teile austauscht. "Paradefall" für die auf die Verletzung von Leistungstreuepflichten gestützte pVV war nach ständiger Rechtsprechung zum früheren Recht der Fall der ernstlichen und endgültigen Erfüllungsverweigerung (sogen. "Vertragsaufsage") vor Eintritt der Fälligkeit der Hauptleistungspflicht. In diesem Fall erlaubte die Rechtsprechung dem Gläubiger nämlich die sofortige Geltendmachung von Schadensersatz wegen Nichterfüllung oder den sofortigen Rücktritt analog § 326 BGB a.F. (BGH NJW 1986, 842, 843). Im neuen Recht ist dieser Fall der Vertragsaufsage vor Fälligkeit der Hauptleistungspflicht ebenso zu lösen: Das Recht zum sofortigen Rücktritt in diesem Fall folgt zwanglos aus § 323 Abs. 1, 2 Nr. 1, 4 BGB: Bereits vor Eintritt der Fälligkeit der Hauptleistungspflicht ist offensichtlich, dass die Rücktrittsvoraussetzungen beim Eintritt der Fälligkeit eintreten werden, weil der Schuldner nicht leisten wird und eine Nachfristsetzung gemäß § 323 Abs. 2 Nr. 1 BGB entbehrlich sein wird. Aber auch ein Recht auf sofortigen Schadensersatz statt der Leistung gemäß §§ 280 Abs. 1 und 3, 281 Abs. 1 BGB lässt sich begründen: Die Pflichtverletzung (§ 280 Abs. 1 BGB) liegt in der Verletzung der Leistungstreuepflicht als vertraglicher Nebenpflicht. Sie ist auch zugleich die fällige Leistung im Sinne des § 281 Abs. 1 BGB, die der Schuldner nicht erbringt. Eine Fristsetzung ist ebenfalls im Hinblick auf die Vertragsaufsage gemäß § 281 Abs. 2 BGB entbehrlich (ebenso: Dauner-Lieb/Arnold/Dötsch/Kitz, Fälle zum Neuen Schuldrecht, S. 192 f.; ähnlich: Lorenz/Riehm, Lehrbuch zum Neuen Schuldrecht, Rdnr. 361, die allerdings anstelle von § 281 BGB den § 282 BGB anwenden wollen, wogegen jedoch spricht, dass die Leistungstreuepflicht eine leistungsbezogene Nebenpflicht ist, während § 241 Abs. 2 BGB nach seinem Wortlaut und dem Willen des Gesetzgebers auf nicht leistungsbezogene Schutzpflichten beschränkt sein sollte).

Verletzung der Schutzpflicht (§ 241 Abs. 2 BGB)

Die Parteien haben die Pflicht, sich bei der Abwicklung des Schuldverhältnisses so zu verhalten, dass die Person, das Eigentum und sonstige Rechtsgüter der anderen Vertragspartei nicht verletzt werden. Die Verkehrssicherungspflicht ist innerhalb des Vertragsverhältnisses zugleich eine Vertragspflicht. Voraussetzung ist jedoch stets, dass die konkrete Rechtsgutverletzung in Zusammenhang mit dem Schuldverhältnis steht. Solche Schutzpflichten bestehen z.B. darin, für den nach den Umständen erforderlichen Versicherungsschutz zu sorgen, oder in Geheimhaltungspflichten beim Chiffreanzeigenvertrag oder Bankvertrag. Seit der Schuldrechtsreform sind die Schutzpflichten in § 241 Abs. 2 BGB normiert.

Verletzung von Mitwirkungspflichten

Die Parteien sind verpflichtet, mit dem Vertragspartner dergestalt zusammenzuwirken, dass die Voraussetzungen für die Durchführung des Vertrages geschaffen werden oder etwaige Hindernisse beseitigt werden.

Verletzung von Aufklärungs- und Auskunftspflichten

Die Parteien haben die Pflicht, den anderen Vertragsteil unaufgefordert über erhebliche Umstände zu informieren. Diese Pflicht überschneidet sich mit der Schutzpflicht, wenn vor Gefahren zu warnen ist, die das Integritätsinteresse der anderen Partei berühren. Es ist stets zu prüfen, ob redlicherweise eine Information des Vertragspartners zu erwarten ist. Die Informationspflicht ist z.B. sehr hoch anzusetzen bei Lieferanten und Herstellern komplizierter und gefährlicher Produkte.

Mangelschäden und Mangelfolgeschäden

Die Unterscheidung von Mangelschäden und Mangelfolgeschäden bei der Frage des Verhältnisses der Sachmängelgewährleistung zur Haftung aus positiver Vertragsverletzung zählte zu den umstrittensten und schwierigsten Fragen des alten Schuldrechts. Die Schuldrechtsreformkommission war angetreten, dem Streit ein Ende zu setzen und die Unterscheidung überflüssig zu machen (Abschlussbericht der Kommission zur Überarbeitung des Schuldrechts, hrsgg. vom Bundesministerium der Justiz 1992, S. 22 f., 32 f.). Die Schuldrechtsreform bot die beste Gelegenheit dazu (In der Begründung des Gesetzesentwurfs heißt es denn auch, eines der wesentlichen Ziele der Schuldrechtsmodernisierung sei es die durch die Unterscheidung von Mangel- und Mangelfolgeschäden entstandenen vielfachen Unsicherheiten zu beseitigen BT-Drucks. 14/6040, S. 133). Viele glauben auch, dass das Schuldrechtsmodernisierungsgesetz das Ziel erreicht habe. Dieser Glaube erweist sich indessen als Irrglaube. Denn das Gesetz hat zwar einige, aber eben nicht alle Gründe dafür beseitigt, zwischen Mangelschäden und Mangelfolgeschäden und unter den Mangelfolgeschäden zwischen nahen und entfernten Mangelfolgeschäden zu unterscheiden. Am Ende werden wir zwar die früheren Differenzierungen aufgeben können, müssen uns dafür aber mit neuen Differenzierungen in der Schadensentwicklung anfreunden. Als Trost halten die Änderungen des neuen Rechts eine gegenüber dem alten Recht vereinfachte Handhabung der Unterscheidung in den Schadensentwicklungen bereit.

Gründe für die Schadensabgrenzungen im alten Recht

Die Unterscheidung zwischen Mangelschäden und Mangelfolgeschäden war im Kaufrecht, die Unterscheidung zwischen nahen und entfernten Mangelfolgeschäden war im Werkvertragsrecht von Bedeutung. In beiden Rechtsbereichen verfolgte man mit der Unterscheidung unterschiedliche Ziele. Im Kaufrecht ging es darum, eine allgemeine Schadensersatzhaftung für Schäden aus verschuldeten Mängeln der Kaufsache zu etablieren und die Grenzen des § 463 BGB a.F. zu überwinden, der eine Schadensersatzhaftung nur bei Fehlen einer zugesicherten Eigenschaft oder dem arglistigen Verschweigen eines Mangels vorsah. An diese Grenzen hielt man sich nur für Mangelschäden gebunden, während für Mangelfolgeschäden mit der positiven Vertragsverletzung der Weg zu einer allgemeinen Verschuldenshaftung geöffnet wurde, für die man allerdings verjährungsrechtlich das Korsett der gewährleistungsrechtlichen Verjährungsregelung beibehielt. Im Werkvertragsrecht ging es dagegen nicht um die Etablierung einer allgemeinen Schadensersatzhaftung für Schäden aus schuldhaft verursachten Mängeln der Werkleistung. Diese Haftung gab es schon in § 635 BGB a.F. Hier diente die Unterstellung der entfernten Mangelfolgeschäden unter das Haftungsregime der positiven Vertragsverletzung der Überwindung des gewährleistungsrechtlichen Verjährungskorsetts. An seine Stelle sollte das allgemeine Verjährungsregime treten, was zu jener Zeit eine Verjährung in dreißig Jahren bedeutete.

Die (teilweise) Überwindung der Gründe im neuen Recht

Das neue Recht behält im Werkvertragsrecht die aus dem alten Recht bekannte allgemeine Schadensersatzhaftung für schuldhaft verursachte Werkmängel bei und führt sie für schuldhaft verursachte Mängel der Kaufsache ein, indem es dem Besteller bzw. dem Käufer im Falle der Mangelhaftigkeit der empfangenen Leistung das Recht gibt, nach den §§ 280, 281, 283 und 311a BGB Schadensersatz zu verlangen (§§ 437 Nr. 3, 634 Nr. 4 BGB). Das Regime der Haftungsbegründung für Mangelschäden und Mangelfolgeschäden ist vereinheitlicht. Es unterscheidet sich nicht von der allgemeinen Haftung für (vermutet) schuldhafte Vertragspflichtverletzungen. Von daher gibt es keinen Grund im neuen Recht an der alten Unterscheidung von Mangelschäden und Mangelfolgeschäden festzuhalten. Nicht vereinheitlicht sind dagegen das Verjährungsregime der allgemeinen Vertragshaftung und das Verjährungsregime der Mängelhaftung im Kauf- und Werkvertragsrecht. Und genau hier könnte der Grund für das Wiederaufleben der alten Abgrenzungsstreitigkeiten liegen.

Das allgemeine Verjährungsregime

Das allgemeine Verjährungsregime ist vom Schuldrechtsmodernisierungsgesetz grundlegend verändert worden. Während das frühere Recht dem objektiven System verpflichtet war, nach dem die Verjährung eines Anspruchs unabhängig davon beginnt, ob der Anspruchsinhaber Kenntnis von dem Anspruch und dem Anspruchsgegner hat, folgt das neue Recht im Einklang mit den Vorstellungen der Lando-Kommission zum europäischen Vertragsrecht dem subjektiven System und macht den Beginn der Verjährung zusätzlich von der Kenntnis oder grob fahrlässigen Unkenntnis des Anspruchsinhabers abhängig (§ 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB). Damit vermeidet man das konfiskatorische Zuschlagen der Verjährungsfalle, kann die Verjährungsfristen radikal vereinfachen und vereinheitlichen (so geschehen in §§ 195 bis 197 BGB) und entzieht jeglichem Streit über Zuordnungen und Abgrenzungen von Anspruchsgrundlagen den Boden, wenn man konsequent bei diesem Verjährungsmodell bleibt.

Das Verjährungsregime des Gewährleistungsrechts

Das Schuldrechtsmodernisierungsgesetz ist entgegen den Vorstellungen des Gutachtens von Peters/Zimmermann nicht bei diesem Verjährungsmodell geblieben, sondern hat für das Gewährleistungsrecht des Kaufrechts wie des Werkvertragsrechts ein objektives Verjährungsmodell mit gegenüber dem allgemeinen Verjährungsrecht abweichenden Fristen eingeführt. Die Verjährung beginnt zu den in den §§ 438 Abs. 2, 634a Abs. 2 BGB festgelegten Zeitpunkten (Übergabe, Ablieferung, Abnahme) auch ohne die Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis des Anspruchsinhabers. Zwar droht das konfiskatorische Zuschlagen der Verjährungsfalle nicht schon (wie teilweise im früheren Recht) nach sechs Monaten, sondern frühestens in zwei Jahren und bei Bauwerken in fünf Jahren. Nach dem Ablauf dieser Zeiten aber soll dem Verkäufer und dem Unternehmer die Möglichkeit gegeben werden, seine Bücher zu einem bestimmten Projekt zu schließen und sich nicht mehr mit Mängelrechten herumschlagen zu müssen.

So nachvollziehbar gerade dieser letzte Gesichtspunkt für die Einführung eines objektiven Modells im kauf- und werkvertragsrechtlichen Mängelrecht ist, mit unterschiedlichen Verjährungsregimen für allgemeine Haftungen und Mängelhaftungen weckt man mindestens bei denen Begehrlichkeiten, dem Mängelrecht zu entfliehen und sich in den Hafen der allgemeinen Haftung zu retten, deren Mängelrechte verjährt sind. Das Tor zu den alten Abgrenzungsstreitigkeiten ist aufgestoßen.

Lösung für das neue Recht

Es gibt verschiedene Möglichkeiten, dem geschilderten Problem Herr zu werden.

Lösungsmodelle

Man könnte zu der Lösung greifen, die der Bundesgerichtshof zum alten Kaufrecht entwickelt hat. Danach unterfielen alle Schadensentwicklungen im Zusammenhang mit Mängeln der Vertragsleistung dem Verjährungsregime des Gewährleistungsrechts. Diese Lösung besticht auf den ersten Blick durch ihre Eleganz und Einfachheit. Auf den zweiten Blick offenbart sie dagegen Schwächen. Sie zwingt dazu, wertungsmäßig Gleiches ungleich zu behandeln, wenn sie Folgeschäden des schuldhaft verursachten Mangels dem Verjährungsregime des Gewährleistungsrechts und Folgeschäden aus der schuldhaft unterbliebenen Aufklärung über einen nicht schuldhaft verursachten Mangel dem allgemeinen Verjährungsregime unterstellt. Sie versperrt auch nicht den Weg in ein weiteres Haftungsrecht, das dem allgemeinen Verjährungsregime unterliegt, wenn der schuldhaft verursachte Mangel die Verletzung eines deliktisch geschützten Rechtsguts auslöst und der Geschädigte sein Heil in der Geltendmachung des Schadensersatzanspruchs aus unerlaubter Handlung (oder Produkthaftung) sucht. Denn die deliktischen Schadensersatzansprüche werden auf keinen Fall durch das vertragliche Gewährleistungsrecht ausgeschlossen. Deshalb ist die Übernahme der Lösung des Bundesgerichtshofs zum alten Kaufrecht für das neue Recht zu verwerfen.

Man könnte zweitens zu einem ungestörten Nebeneinander der allgemeinen vertraglichen Schadensersatzhaftung mit der Mängelhaftung im Kauf- und Werkvertragsrecht greifen. Doch würde diese Lösung, da sie auch bloße Mängelschäden erfasste, der Anordnung des Gesetzgebers in den §§ 438 und 634a BGB widersprechen. Sie ist deshalb für das neue Recht als gesetzeswidrig zu verwerfen.

Man könnte drittens die Differenzierung zwischen Mangelschäden und Mangelfolgeschäden wieder beleben oder doch etwas Ähnliches tun und die Mangelfolgeschäden der allgemeinen Vertragshaftung und damit dem allgemeinen Verjährungsregime unterstellen, während man die Mangelschäden dem gewährleistungsrechtlichen Verjährungsregime unterwirft. Diese Lösung dürfte auf den ersten Blick auf den größten Widerstand treffen. Auf den zweiten Blick erweist sie sich allen anderen Lösungen als überlegen, wenn man zuvor eine Klarstellung bei dem Kriterium für die Unterscheidung zwischen Mangelschäden und Mangelfolgeschäden einführt. Diese Klarstellung sollte auf der Ebene der geschützten Interessen erfolgen. Auf der einen Seite steht das Leistungs- und Äquivalenzinteresse des Vertragspartners, auf der anderen Seite sein Integritätsinteresse. Nachteilige Entwicklungen durch mangelhafte Leistungen für das Leistungs- und Äquivalenzinteresse unterstehen dem Haftungs- und Verjährungsregime des Gewährleistungsrechts. Nachteilige Entwicklungen durch mangelhafte Leistungen für das Integritätsinteresse unterstehen dem Haftungs- und Verjährungsregime des allgemeinen Haftungsrechts. Dabei ist das allgemeine Haftungsrecht nicht nur das Deliktsrecht, sondern auch das in den §§ 241 Abs. 2, 280 Abs. 1 BGB kodifizierte vertragliche Schutzrecht, soweit es mit den deliktisch geschützten Interessen korreliert.

Vorteile des vorgeschlagenen Modells

Die Vorteile des vorgeschlagenen Modells liegen auf der Hand. Das Modell führt keine neuen und schwer handhabbaren Differenzierungen von Mangelschäden und Mangelfolgeschäden und unter den Mangelfolgeschäden zwischen nahen und entfernten Mangelfolgeschäden ein, sondern orientiert sich an einer für die deliktischen Ansprüche ohnehin vorzunehmenden Bestimmung der deliktisch geschützten Integritätsinteressen (Rechtsgüter). Nur für den Rechtsgüterschutz gilt mit dem allgemeinen Haftungsrecht das allgemeine Verjährungsregime. Zum allgemeinen Deliktsrecht tritt für den Rechtsgüterschutz das vertragliche Haftungsrecht hinzu, das den Rechtsgüterschutz verbessert, indem es die Enge der deliktischen Geschäftsherrnhaftung überwindet und dem Geschädigten eine günstigere Beweislastverteilung bietet. Es gibt keinen Grund, diese Vorteile des vertragsrechtlichen Rechtsgüterschutzes in den Fällen zu versagen, in denen die Pflichtverletzung über einen Mangel der Vertragsleistung zur Rechtsgutsverletzung führt. Warum sollte mit Blick auf die Zurechnung des Gehilfenverschuldens und der Verjährung der, dem nach den mangelfrei durchgeführten Reparaturarbeiten an seinem Hause ein fahrlässig nicht entsorgter Stein auf den Kopf fällt, gegenüber dem besser gestellt sein, der sich eines Tages schwer verletzt in den Trümmern des von den Maurern fahrlässig mangelhaft errichteten Gebäudes findet? In den einen wie dem anderen Fall sind deliktisch geschützte Rechtsgüter durch schuldhafte Vertragspflichtverletzungen betroffen.

Einteilung von Schäden nach den geschützten Interessen

Wenn wir nachteilige Entwicklungen durch mangelhafte Leistungen für das Leistungs- und Äquivalenzinteresse dem Haftungs- und Verjährungsregime des Gewährleistungsrechts und nachteilige Entwicklungen durch mangelhafte Leistungen für das Integritätsinteresse dem Haftungs- und Verjährungsregime des allgemeinen Haftungsrechts unterstellen, bleiben noch die Angabe von Beispielen für die eine und die andere Schadenskategorie und schließlich ein Blick auf die Änderungen, die das neue Recht gegenüber den früheren Differenzierungen bringt.

Nachteilige Entwicklungen durch mangelhafte Leistungen für das Leistungs- und Äquivalenzinteresse umfassen die Untauglichkeit zum Gebrauch, die Kosten zur Beseitigung des Mangels, die Aufwendungen für den Einsatz des nicht zum Einsatz kommenden Gegenstands, den Nutzungs- und Produktionsausfall, den Gewinnentgang. Die meisten dieser Schadensposten decken sich mit dem, was man nach der Einteilung zum früheren Recht als Mangelschaden qualifiziert hat. Nachteilige Entwicklungen durch mangelhafte Leistungen für das Integritätsinteresse sind Schadensfolgen, die aus der Verletzung eines nicht mit der Vertragsleistung identischen Rechtsguts entstehen: Herstellungskosten für die Herstellung des betroffenen Rechtsguts (Behandlungskosten bei Körperverletzungen, Reparaturkosten bei Sachbeschädigungen), der Vermögensverlust bei ausgeschlossener Herstellung, der entgangene Gewinn; kurzum: Personenschäden und Sachschäden und ein aus diesen Schäden resultierender Gewinnentgang.

Änderungen gegenüber dem früheren Recht

Die Änderungen gegenüber dem früheren Kaufrecht liegen in einer neuen Grenzziehung und in der Unterstellung eines Teils der aus der mangelhaften Leistung resultierenden schädlichen Folgen unter das allgemeine Haftungs- und Verjährungsregime. Die Grenzziehung macht nicht mehr an der Unterscheidung zwischen Mangelschäden und Mangelfolgeschäden fest, sondern unterscheidet nachteilige Entwicklungen durch mangelhafte Leistungen für das Leistungs- und Äquivalenzinteresse von nachteiligen Entwicklungen durch mangelhafte Leistungen für das Integritätsinteresse des Vertragspartners. Die Letzteren und nur sie werden dem Haftungs- und Verjährungsregime des allgemeinen Haftungsrechts unterstellt.

Die Änderungen gegenüber dem früheren Werkvertragsrecht liegen ebenfalls in einer neuen Grenzziehung und damit verbunden der Unterstellung eines größeren Teils der nachteiligen Folgen unter das allgemeine Haftungs- und Verjährungsregime. Die Grenzziehung macht nicht mehr an der Unterscheidung zwischen nahen und entfernten Mangelfolgeschäden fest, sondern unterscheidet wie beim Kaufrecht nachteilige Entwicklungen durch mangelhafte Leistungen für das Leistungs- und Äquivalenzinteresse von nachteiligen Entwicklungen durch mangelhafte Leistungen für das Integritätsinteresse des Vertragspartners. Die Letzteren werden insgesamt dem Haftungs- und Verjährungsregime des allgemeinen Haftungsrechts unterstellt. Das ist eine radikale Vereinfachung und scheint insbesondere die Architekten und Planer zu bedrohen, die im alten Recht in erster Linie die Nutznießer aus der Differenzierung naher und entfernter Mangelfolgeschäden waren. Denn die Musterkategorie naher und damit dem Gewährleistungsregime unterstellter Mangelfolgeschäden waren die Schäden am Bauwerk, die aus fehlerhaften Architekten- und Planungsleistungen resultierten. Doch besteht auch für die Architekten und Planer kein Grund zur Sorge. Denn ihrer hat sich der Gesetzgeber in § 634a Abs. 1 Nrn. 1 und 2 ausdrücklich angenommen und ihre Haftung für Werkmängel, die aus Planungs- und Überwachungsmängeln entstehen, dem Verjährungsregime des Gewährleistungsrechts unterstellt.

Ergebnis

Die Unterscheidungen zwischen Mangelschäden und Mangelfolgeschäden sowie nahen und entfernten Mangelfolgeschäden gehören nach der Schuldrechtsmodernisierung der Rechtsgeschichte an. Doch auch im neuen Schuldrecht werden wir uns mit einer Schadensdifferenzierung bei mangelhaften Vertragsleistungen im Kaufrecht und im Werkvertragsrecht anfreunden müssen. Es ist die Unterscheidung zwischen Schäden, die dem Leistungs- und Äquivalenzinteresse zuzurechnen sind, und Schäden, die dem Integritätsinteresse des Vertragspartners zugehören. Für die Ersteren gilt das Haftungs- und Verjährungsregime des kaufvertraglichen und werkvertraglichen Gewährleistungsrechts, für die Letzteren das Haftungs- und Verjährungsregime des allgemeinen Haftungsrechts.

Schaden und Kausalität

Dem Gläubiger muss selbstverständlich auch ein Schaden entstanden sein. Voraussetzung für die Ansprüche aus §§ 280 Abs. 1 und Abs. 3, 281 Abs. 1 BGB ist, dass zwischen der Pflichtverletzung und dem Schaden ein Kausalzusammenhang besteht.

Verschulden hinsichtlich der Pflichtverletzung

Eine Haftung nach §§ 280 Abs. 1 und 3, 281 Abs. 1 BGB kommt nicht in Betracht, wenn der Schuldner die Pflichtverletzung nicht zu vertreten hat (§ 280 Abs. 1 Satz 2 BGB). Für das Vertretenmüssen gelten die §§ 276 bis 278 BGB. Der Schuldner muss also ebenso wie bei Unmöglichkeit und Verzug für das Verschulden seiner Erfüllungsgehilfen einstehen. Wie sich aus der Formulierung des § 280 Abs. 1 Satz 2 BGB ergibt, wird das Verschulden des Schuldners im Falle einer Pflichtverletzung jedoch vermutet. Das Verschulden ist daher keine "Voraussetzung" für den Haftungstatbestand, sondern das fehlende Verschulden ist eine rechtshindernde Einwendung, die die Haftung ausschließt und für deren Vorliegen den Schuldner die Darlegungs- und Beweislast trifft. Das Rücktrittsrecht aus § 323 Abs. 1 und §§ 324, 241 Abs. 2 BGG ist dagegen verschuldensunabhängig ausgestaltet.

Rechtsfolgen der pVV

Die Rechtsfolge einer pVV ist entweder ein Schadensersatzanspruch aus § 280 Abs. 1, aus §§ 280 Abs. 1 und Abs. 3, 281 Abs. 1 BGB oder aus §§ 280 Abs. 1 und Abs. 3, 282 BGB. Auf ihn finden die §§ 249 ff BGB Anwendung. Bei gegenseitigen Verträgen ist der geschädigte Vertragsteil nicht auf die Geltendmachung seines Schadens beschränkt. Er kann vielmehr zugleich (§ 325 BGB) unter den Voraussetzungen des § 323 oder der §§ 324, 241 Abs. 2 BGB vom Vertrag zurücktreten.

Beweislastverteilung

Im Prozess hat eine Partei die Voraussetzungen der Rechtsnormen zu beweisen, die sie angewendet wissen möchte. Für eine gerichtliche Geltendmachung der Ansprüche aus einer Haftung aus §§ 280 Abs. 1, Abs. 3, 281 Abs. 1 bzw. 282 BGB bedeutet dieser Grundsatz, dass der Gläubiger vor Gericht die Voraussetzungen Schuldverhältnis, Pflichtverletzung, Schaden und Kausalzusammenhang darlegen und gegebenenfalls beweisen muss. Demgegenüber ist das Verschulden keine vom Gläubiger darzulegende und zu beweisende Anspruchsvoraussetzung, sondern vielmehr eine rechtshindernde Einwendung, die der Schuldner zu seiner Entlastung darlegen und gegebenenfalls beweisen muss.

Diese Beweislastverteilung bezüglich des Verschuldens stellt gegenüber dem alten Recht eine teilweise Neuerung dar. Im früheren Recht wendete der BGH den § 282 BGB a.F., der zu einer Beweislastumkehr hinsichtlich des Verschuldens führte, zwar auch auf die pVV analog an. Er machte die analoge Anwendung allerdings davon abhängig, dass die Schadensursache aus dem Gefahrenbereich hervorgegangen ist, für den der Schuldner im Zweifel die Verantwortung trägt (BGH NJW 1980, 2186) (Prinzip der Beweislastverteilung nach Gefahrbereichen). Da dieses zusätzliche Erfordernis für eine dem Gläubiger günstige Beweislastverteilung im neuen Recht entfallen ist, ist die Neuregelung insoweit "gläubigerfreundlicher".

Last modified: Thursday, 25 June 2009, 11:02 AM