Um Einsicht in die Gültigkeit des Satzes des Pythagoras zu erlangen, müssen wir nicht möglichst viele Dreiecke messen. Daß Erpel männliche Enten sind, wissen wir, wenn wir die Bedeutung des Ausdrucks "Erpel" kennen. Daß jeder Gegenstand mit sich selbst identisch ist, ist notwendigerweise wahr, d.h. es hätte nicht anders sein können.

Urteile dieser Art basieren auf den Unterscheidungen "a priori / a posteriori", "analytisch / synthetisch" sowie "notwendig / kontingent", wobei die erste der Erkenntnistheorie, die zweite der Sprachphilosophie und die dritte der Metaphysik zugerechnet wird. Wir wollen uns diese Unterscheidungen anhand der Lektüre von einschlägigen Texten und der Diskussion von zahlreichen Beispielen erarbeiten uns sie kritisch reflektieren.

Die Querverbindungen zwischen den Begriffespaaren sind philosophisch besonders interessant, beispielsweise Kants berühmt-berüchtigtes "synthetisches A priori" oder Ayers empiristische These, daß alles, was wir a priori wissen können, analytisch wahr ist.

Sprachphilosophische Theorien der Bezugnahme haben die traditionelle Auffassung, daß wir notwendige Wahrheiten nur a priori und kontingente nur a posteriori erkennen können, in Frage gestellt und neue Kombinationsmöglichkeiten in Bezug auf die Begriffspaare zutage gefördert: So behauptet Kripke in Naming and Necessity (1980), man könne nur empirisch herausfinden, daß Identitätsaussagen wie "Hesperus ist Phosphorus" oder 'theoretische Identifikationen' wie "Wasser ist H2O" wahr sind, obwohl ihr Wahrheitswert ihnen mit Notwendigkeit zukommt. Sätze wie "Der Urmeter von Paris ist 1m lang" können aufgrund ihres definitorischen Status dagegen laut Kripke a priori gewußt werden, obwohl sie nur kontingterweise wahr sind.

Daß es keine verheirateten Junggesellen gibt, folgt gewissermaßen aus der Bedeutung von "Junggeselle", aber in welchem Sinne ist es notwendig, daß Junggesellen unverheiratet sind? Läßt sich der Satz "Tiger sind gestreift" als analytisch einstufen, obwohl es auch Albino-Tiger gibt? Wenn ich a priori wissen kann, daß ich jetzt hier bin, ist dieser Satz dann notwendig wahr? Diese und ähnliche Beispiele werden wir uns im letzten Teil des Seminars genauer ansehen und den Begriff der Notwendigkeit im Verhältnis zu dem der Apriorität und der Analytizität beleuchten.

Literatur:

Horwath, Joachim & Newen, Albert (Hrsg.), Apriorität und Analytizität, mentis 2007.

In diesem Sammelband befinden sich die meisten Texte bzw. Textauszüge, die wir behandeln werden (Locke, Leibniz, Hume, Kant, Frege, Ayer, Quine, Grice & Strawson, Putnam, Boghossian, Kripke) und liegen größtenteils in deutscher Übersetzung vor.

Weitere und weiterführende Literatur wird im Seminar bekanntgegeben.

Zeit: Donnerstag 14-16 Uhr
Ort: Gebäude A2.3 - Raum 0.09

Austins auf Mitschriften seiner 1947 in Oxford gehaltenten Vorlesung "Problems in Philosophy" basierendes, posthum veröffentlichtes Werk Sense and Sensibilia ist eines der Hauptwerke der sogenannten "ordinary language philosophy" – der Philosophie der normalen Sprache. Am Beispiel von philosophischen Theorien der Wahrnehmung, insbesondere unter Rekurs auf Ayers Version des sogenanntnen argument from illusion, setzt Austin sich darin kritisch mit bestimmten in der Philosophie gängigen Methoden auseinander. Durch bestimmte Vorgehensweisen werden die vermeintlichen philosophischen Probleme, die entsprechende Theorien zu lösen versuchen, laut Austin erst generiert und die Theorien werden der Vielfalt relevanter Phänomene nicht gerecht. Sehen wir uns hingegen unsere übliche Verwendung von Worten wie "sehen", "erscheinen" etc. genauer an, lösen sich diese Probleme auf und die relevanten Phänomene werden im jeweiligen Kontext verständlich. Austins Kritik richtet sich dabei primär an sogenannte Sinnesdatentheorien, denen zufolge wir materielle Gegenstände nie direkt wahrnehmen können, sondern nur Erscheinungen bzw. Sinnesdaten.

Wir werden Austins Kritik an "konventionellen Methoden" der (analytischen) Philosophie gründlich nachvollziehen und sie uns in letzten Teil des Seminars gegebenenfalls auch noch am Beispiel von Begriffen wie "wissen" und "meinen" ansehen, mit denen Austin sich im Aufsatz "Other Minds" (1946) auseinandersetzt. Schlußendlich wollen wir schauen, was sich dieser Kritik und der von Austin propagierten Methode zugutehalten, aber auch, was sich ihr gegebenenfalls entgegenhalten läßt.

Literatur:

  • Ayer, A.J. - The Foundations of Empirical Knowledge, Macmillan, London 1940.
  • Austin, J.L. - Sense and Sensibilia, Oxford University Press, 1962
  • Austin, J.L. - Philosophical Papers, Clarendon Press, Oxford 1961 (darin: "Other Minds", zuerst erschienen 1946).
Zeit: Dienstag 14-16 Uhr
Ort: Gebäude A2.3 - Raum 0.09

Mit der fortschreitenden Technisierung unserer Welt halten auch immer fortschrittlichere künstliche System einzug in diese. Für manche Menschen kommt Künstliche Intelligenz (KI) menschlicher Intelligenz erschreckend nahe. Dementsprechend verwundert es nicht, dass immer mehr Forschung sich damit beschäftigt, wie solche Systeme in ihrem Verhalten eingeschränkt werden sollen (und vielleicht sogar müssen?) um ein produktives Miteinander von Menschen unbd Maschine zu gewährleisten.

Die Frage, wie solche adäquaten Enschränkungen aussehen sollen, betrifft die Machinenethik – der Suche nach formalen, eindeutigen, algorithmisierbaren und implementierbaren Verhaltenseinschränkungen für künstliche Systeme, um sie dazu zu befähigen, uns Menschen moralisch akzeptables Verhalten entgegenzubringen. Doch können die für Menschen ersonnenen Moraltheorien überhaupt in künstliche Systeme eingebaut werden? Bei konsequentialistischen Theorien scheint dies problemlos möglich (schließlich ist das Abwägen von Konsequenzen oft ein herkömmlicher Rechenprozess). Doch wie sieht es mit deontologischen oder tugendethischen Moraltheorien aus? Und auch wenn solche Theorien implementiert werden könnten, sollten sie es überhaupt? Schließlich wurde sie für Menschen erstellt und nicht etwa für künstliche Systeme. Hier schließen sich unzählige weitere Fragen an: sind künstliche Systeme überhaupt moralische Akteure? Können sie es überhaupt sein? Wie in fast jeder philosophischen Debatte finden sich hier diametral entgegengesetzte Positionen zu den just genannten Fragen.

Doch selbst wenn die oben genannten Fragen geklärt worden sind (wenn sie denn überhaupt klärbar sind), reicht dies vielen Menschen noch nicht. Selbst zertifiziertes moralisches Verhalten oder algorithmen-TÜVs für künstliche Systeme sind vielen Forschern noch zu wenig. Für den menschengerechten Einsatz von künstlichen Systemen wird oft Maschinenerklärbarkeit gefordet – die Fähigkeit künstlicher Systeme, die Beweggründe für ihr Verhalten und ihre Entscheidungen für Menschen nachvollziehbar darlegen zu können. Die KI-Strategie der Bundesregierung und auch die Expertengruppe für KI auf Europaebene betonen, dass die Nachvollziehbarkeit von künstlichen Systemen unabdingbar für ihren menschengerechten und -freundlichen Einsatz ist.

In diesem Seminar werden wir Einführungstexte zu Maschinenethik und Maschinenerklärbarkeit lesen. Ziel ist es, einen Überblick über die für diese Thematiken relevanten Debatten zu bekommen und den Zusammenhang zwischen Maschinenethik und Maschinenerklärbarkeit darlegen zu können. Das Seminar ist ein Einführungsseminar und richtet sich dementsprechend auch an ein Publikum, was kein Hintergrundwissen aus der Informatik oder ähnlichen Fächern hat.

Die Literatur wird am Semesteranfang bekannt gegeben.

Zeit: Donnerstag 12-14 Uhr 
Ort: Gebäude B2.2 - Seminarraum 1.02

Wissenschaftler erforschen Phänomene, die sie erklären wollen. Aber was ist eigentlich eine wissenschaftliche Erklärung? Welche Formen der Erklärungen gibt es? Und wie schaffen es Forscher, potenzielle Erklärungen empirisch zu testen?

In diesem Seminar betrachten wir Erklärungen aus Sicht von Philosophen wie empirischen Wissenschaftlern. Wir betrachten klassische philosophische Ansätze aus der Literatur und hören von empirischen Forschern, wie sie tatsächlich versuchen, Erklärungen für Phänomene in unterschiedlichen Forschungsfeldern, wie z.B. Psychologie, Linguistik oder Mathematik, zu generieren. Wie gut passen die unterschiedlichen philosophischen Ansätze zu der jeweiligen empirischen Praxis? Gibt es überhaupt so etwas wie die gängige oder beste Erklärungsform?

Zeit: Mittwoch 14-16 Uhr
Ort: Gebäude B2.2 - Seminarraum 1.02

Kaum eine Religion verzichtet darauf, ihren Anhänger*innen zu sagen, wie sie leben sollen – was sie zu tun und was sie zu lassen haben. In dem Seminar befassen wir uns exemplarisch mit einigen Religionen und einigen der in diese Religionen eingebetteten Anforderungen. Ein besonderes Augenmerk richten wir dabei auf die Goldene Regel und ihre Verwandten, das Verallgemeinerungs- und das Universalisierbarkeitsprinzip. Doch auch die Doktrin der Doppelwirkung und die Unterscheidung zwischen dem, was Pflicht ist, und dem, was darüber hinaus geht, das so genannte Supererogatorische, schauen wir uns an.

Außerdem stellen wir eine Reihe von grundlegenden Fragen: Was heißt es überhaupt, eine Ethik religiös zu fundieren? Heißt es anzunehmen, dass ein göttliches Wesen Ge- und Verbote erlässt, die nur deshalb Gültigkeit beanspruchen dürfen, weil das göttliche Wesen sie erlassen hat? Und wenn ja, welche Schwierigkeiten sind mit einer solchen Annahme verbunden?

Rechtzeitig vor Beginn der Vorlesungszeit werden das Programm und die Literatur über Moodle bekannt gegeben. Zur Einstimmung empfehle ich die Lektüre zweier Artikel aus der Stanford Encyclopedia of Philosophy (https://plato.stanford.edu/): „Religion and Morality” und „Philosophy of Religion”.

Zeit: Mittwoch 14-16 Uhr
Ort: Gebäude A2.3 - Raum 0.09

Die sehr kurze Schrift Peri hermeneias (lat. Titel: De interpretatione; deutsch manchmal Hermeneutik, manchmal Lehre vom Satz) umfasst kaum mehr als zwanzig Seiten in der OCT-Ausgabe und eignet sich daher gut für eine Komplettlektüre im Rahmen eines philosophisch-philologischen Seminars.

Sie bietet weniger eine Interpretationslehre oder Hermeneutik, wie man schon von den eingebürgerten altsprachlichen Titeln her meinen könnte, sondern eher eine Untersuchung von Aussagesätzen und deren Bestandteilen unter zeichentheoretischen, grammatischen, semantischen und logischen Gesichtspunkten. Dabei spielen beispielsweise der Wahrheitsbegriff, ein zentraler semantischer Begriff, sowie Gegensatzverhältnisse eine gewichtige Rolle, letztere insbesondere auch bei Aussagen, die Modalausdrücke enthalten.

Das Kapitel 9 (von insgesamt vierzehn Kapiteln) ist berühmt für seine Behandlung der Problematik des Wahrheitswerts futurischer Aussagen über kontingente Ereignisse: Wenn solche Aussagen immer schon in der jeweiligen Gegenwart eines Sprechers einen Wahrheitswert hätten, wäre dann nicht die Konsequenz, dass jedes zukünftige Ereignis bereits aus semantischen Gründen in seinem Eintreten oder Ausbleiben vorherbestimmt ist?

Der griechische Text soll übersetzt, interpretiert und unter Sachgesichtspunkten diskutiert werden. Griechischkenntnisse sind daher erwünscht. Die Teilnahme kann aber unter Umständen auch für Interessentinnen und Interessenten ohne altsprachliche Kenntnisse sinnvoll sein.

Zeit: Dienstag 16-18 Uhr
Ort: Gebäude A2.3 - Raum 0.09

Die Metaethik stellt ein Teilgebiet der Ethik dar, das sich mit den Voraussetzungen und Implikationen unserer moralischen Praxis beschäftigt. Im Gegensatz zur normativen Ethik, die nach allgemeinen moralischen Prinzipien und deren Begründung fahndet, und zur angewandten Ethik, die moralische Standards für spezifische Bereiche bzw. Problemfelder zu etablieren sucht, wird in der Metaethik – weitgehend unabhängig von konkreten normativen Theorien – über das Wesen unseres moralischen Denkens und Urteilens reflektiert.
   Das mutet theoretischer an als es ist – metaethische Fragen ergeben sich durchaus recht natürlich aus unserer alltäglichen moralischen Praxis: Wer beispielsweise mit seinem Gegenüber kontrovers darüber diskutiert, unter welchen Umständen Abtreibungen moralisch erlaubt sind, der wird sich irgendwann fragen, ob es in der Angelegenheit eine richtige Antwort gibt oder ob stattdessen verschiedene moralische Standards existieren, die Moral mithin also eine Frage des persönlichen Geschmacks oder des eigenen kulturellen Hintergrunds ist. Diese letzten, abstrakteren Überlegungen sind metaethischen Charakters und unabhängig davon, welchen moralischen Standpunkt man in Sachen Abtreibung favorisiert.

Metaethische Überlegungen betreffen unter anderem Fragen der Metaphysik: Gibt es moralische Tatsachen? Gibt es moralische Eigenschaften? Falls es diese gibt, was können wir über deren Natur sagen? Welchen erkenntnistheoretischen Zugang haben wir zu ihnen? Sind moralische Standards kulturelle Errungenschaften und folglich kulturrelativ? Oder gibt es einen universellen moralischen Standard?
    Damit zusammenhängend ergeben sich semantische Fragen nach der Bedeutung moralischer Sätze und Termini: Was meinen wir genau, wenn wir von einer Handlung sagen, dass sie moralisch gut ist? Sind moralische Sätze wahrheitswertfähig?
    Metaethische Fragen betreffen auch Fragen der Philosophie des Geistes: Lassen sich moralische Äußerungen etwa auf bestimmte Überzeugungen oder Wünsche des Äußernden reduzieren? Wenn wir von einer Handlungsoption sagen, dass sie moralisch gut wäre, geht dann unser moralisches Urteil notwendig damit einher, dass wir zu dieser Handlungsoption motiviert sind?

Es wird oft davon gesprochen, dass ästhetische Urteile wie „Dieser Film ist zum Schreien komisch“ oder „Die Formensprache zeichnet sich durch Eleganz und Originalität aus“ mindestens in mancher Hinsicht analog zu moralischen Urteilen zu analysieren sind. Wenn am Ende ein wenig Zeit bleibt, werden wir in den letzten Sitzungen einen kurzen Abstecher in die philosophische Ästhetik wagen und prüfen, inwieweit uns die gewonnenen metaethischen Erkenntnisse beim Verständnis ästhetischer Urteile helfen können und ob es hier tatsächlich interessante Parallelen zwischen moralischer und ästhetischer Sphäre gibt.

Wir werden im Seminar mit englischsprachigen Texten arbeiten. Nähere Informationen zum Ablauf und zur behandelten Literatur werden ab Anfang Oktober in Moodle bereitstehen. Wer sich schon vorher informieren oder einstimmen möchte, dem seien Geoff Sayre-McCords Eintrag „Metaethics“ in der Stanford Encyclopedia of Philosophy und Mark van Roojens Buch Metaethics – A Contemporary Introduction (2015) empfohlen.
    Das Seminar fungiert auch als Einführung ins wissenschaftliche Arbeiten: Wir werden uns im Seminar also auch mit grundlegenden Techniken des wissenschaftlichen Arbeitens beschäftigen und besprechen, was eine gute wissenschaftliche Arbeit wie etwa eine Hausarbeit ausmacht.

Zeit: Dienstag 16-18 Uhr
Ort: Gebäude B2.2 - Seminarraum 1.02

David Hume gehört zu den wichtigsten und einflussreichsten Philosophen der vorkantischen Neuzeit. Zusammen mit John Locke und George Berkeley bildet er das berühmte Dreigestirn des Britischen Empirismus. Ausgehend von Lockes Annahme, dass der menschliche Geist nichtrs enthält, was sich nicht auf die in der Wahrnehmung gegebenen Eindrücke zurückführen lässt, entwickelt Hume in seinem genialischen Frühwerk A Treatise of Human Nature zunächst eine Theorie des menschlichen Geistes, die ihm dann als Grundlage für eine empiristische Erkenntnistheorie dient, in deren Rahmen er die Reichweite, die Grenzen und die Arten unseres Wissens exakt auszuloten versucht.

Diese Theorie enthält eine Reihe von Aspekten und Argumenten, die für die weitere Entwicklung der Philosophie von großer Bedeutung waren und bis in die heutige Zeit ihren Einfluss nicht verloren haben. Hierzu gehören insbesondere Humes empiristisches Sinnkriterium, sein induktionsskeptisches Argument, seine psychologistische Analayse von Kausalität sowie sein Kompatibilismus mit Bezug auf die Frage nach der Vereinbarkeit von Freiheit und Determinismus.

Das Seminar bietet eine Einführung in Humes Theoretische Philosophie. Im Zentrum stehen dabei seine Theorie des menschlichen Geistes sowie seine empiristische Erkenntnistheorie. Darüber hinaus sollen jedoch auich einige Probleme aus der Praktischen Philosophie sowie religionsphilosophische Fragen zur Sprache gebracht werden.

Als Textgrundlage des Seminars wird uns nicht der Treatise, sondern die kleinere, 1748 erschienene Schrift An Enquiry Concerning Human Understanding dienen.

Zeit: Mittwoch 12-14 Uhr
Ort: Gebäude B2.2 - Seminarraum 1.02

The New Mechanism is a framework in philosophy of science that has emerged within the last two decades. It aims to clarify the nature of explanation in the special sciences thus avoiding problems with either reductionist or higher-level models of scientific explanation. The received view to philosophy of science originates from logical positivism, an extreme form of empiricism that took physics as the prime example of scientific practice (Godfrey-Smith 2003). Logical positivists focused on epistemic features of science rather than on actual scientific practice and treated scientific explanations as logical arguments. However, scientific discovery seems less congenial to logical analysis. The development of the field of biology unveiled nature as hierarchically arranged. As a consequence, a sort of naturalistic turn occurred in philosophy of science that shifted the focus from thinking about laws to thinking about mechanisms, and from thinking about theories to thinking about models. Whereas traditional accounts of scientific explanation treat explanation as a form of inter-theoretic reduction, the mechanistic account is an integrative approach that assumes that adequate explanations span multiple levels of organization (Bechtel and Abrahamsen 2005; Bechtel 2008; Craver 2007; Glennan 2017). The aim of this seminar is to investigate whether the mechanistic program is able to provide an attainable and valuable alternative to traditional accounts of scientific explanation.

Zeit: Dienstag 10-12 Uhr
Ort: Gebäude A2.3 - Raum 0.09

Wissen ist ein (wenn nicht der) zentrale(r) Gegenstand der Erkenntnistheorie, dessen Analyse aber auch nach über 2000 Jahren nicht befriedigend gelungen ist. Zwar ist es relativ leicht, notwendige Bedingungen anzugeben -- aber wie eine Vielzahl an Gegenbeispielen (Gettier u.a.) zeigt, ist nicht jede wahre und gerechtfertigte Überzeugung schon Wissen. In seinem Buch Knowledge and its Limits (2000), das mit Recht als eines der wichtigsten Philosophiebücher der neueren Zeit gilt, dreht Timothy Williamson daher den Spieß um: "Knowledge first" -- Wissen zuerst, so lautet sein Slogan, und damit ist zunächst ein Perspektivwechsel gemeint: Auch in Ermangelung einer Analyse kann man Wissen zu seinem Recht verhelfen --- und anderes besser durch Wissen analysieren als durch (Kombinationen) seiner vorgeblichen Komponten. Bereits in seinem vorherigen Buch hat Williamson dies umfassend und beeindruckend in Bezug auf Vagheit vorgeführt, in KaiL finden sich neben Diagnosen skeptischer Argumente und des Überraschungsprüfungsparadoxes auch eine einfache, aber mächtige Theorie der Evidenz (E=K, evidence is knowledge), neue Überlegungen zu Wahrscheinlichkeiten oder den Normen des Behauptens. Schon allein wegen ihrer Fruchtbarkeit verdient Williamsons Sicht Beachtung; diese Ernte bildet aber erst den zweiten Teil seines Buches. Zuvor wird seine Sicht sowohl allgemein motiviert als auch in verschiedenen Hinsichten präzisiert und ausbuchstabiert. Wissen ist u.a. deshalb so wichtig für uns, weil es systematischen Handlungserfolg gut erklärt. Deshalb wollen wir etwa bei Ärzt*innen, dass sie wissen, was sie tun. In diesem Sinne zielen Überzeugungen auf Wissen, bloß zufällig wahre Meinungen sind nicht der volle Erfolgsfall. Seine Position ist in ihrer Konsequenz dann eventuell gewöhnungsbedürftig, denn er bricht in Vielem mit der philosophischen Tradition. Wissen ist nämlich laut Williamson ein mentaler Zustand, der allgemeinste der faktiven (i.e. Wahrheit implizierenden), und damit ein wesentlicher Schlüssel zum Verständnis des Geistes. Während es traditionell näher liegt, Wissen als zusammengesetzt aus (u.a.) etwas Mentalem (Überzeugung) und etwas Externem (Wahrheit), also mithin als nicht 'rein' mental, anzusehen, eröffnet sich für Williamson die Möglichkeit, Arten mentaler Zustände selbst (und nicht nur ihre Gehalte) externalistisch zu individuieren (eben etwa faktive vs. nicht-faktive). Damit knüpft er an Putnams Externalismus und vor allem Burges Anti-Individualismus an, geht aber darüber hinaus und liefert eine originelle, eigene Sichtweise des Geistigen (wobei Wissen natürlich die zentrale Rolle in seiner Analyse zukommt). Unser Geist erweist sich dabei als weit weniger transparent, als internalistische Vorurteile nahelegen: "Anti-Luminosity" nennt Williamson seine Ablehnung von garantiertem Selbstwissen, i.e. er ist der Meinung, dass es keine interessante Klasse mentaler Zustände gibt, die 'luminous', also epistemisch garantiert zugänglich sind, bei denen ihr Vorliegen also vom Subjekt stets leicht gewusst werden kann. Williamson wäre der erste, der zugibt, dass wir oft wissen, was in unserem Kopf vorgeht -- nur gibt es eben keine Garantie, keine Notwendigkeit dafür, kein allgemeines Prinzip dahinter. Sicherlich wissen wir oft, ja typischerweise, wann wir Schmerzen haben (oder uns kalt ist) -- aber wie verhält sich das mit Grenzfällen von Schmerzen im Übergang zu ihrem Verschwinden (bzw. wenn sie graduell einsetzen)? Anti-Luminosity ist argumentativ von zentraler Bedeutung für Williamson, fällt aber selbst keineswegs vom Himmel, sondern wird vor- und umsichtig diskutiert und begründet (und mit seinen Arbeiten zu Vagheit und margin-for-error-principles in Verbindung gebracht). Überhaupt ist Williamson ein Meister der Argumentation, und neben originellen und folgenreichen Positionen finden sich in dem Buch zahlreiche Beispiele interessanter Argumente und Argumentanalysen. In diesem Kurs wollen wir uns das Buch schrittweise vornehmen und Kapitel für Kapitel gründlich diskutieren. Bei Interesse können wir auch das ein oder andere Thema vertiefen und andere Autoren heranziehen (KaiL hat große Resonanz hervorgerufen), aber ich vermute, wir haben mit dem nicht ganz einfachen Primärtext genug zu tun. In jedem Fall erwartet uns clevere, originelle and aktuelle Philosophie.

  • Williamson, Timothy (2000): Knowledge and its Limits, Oxford University Press.
  • Williamson, Timothy (1994): Vagueness, Routledge. Greenough,
  • Patrick & Pritchard, Duncan (eds.) (2009): Williamson on Knowledge, Oxford University Press.
  • Carter, J. Adam ; Gordon, Emma C. & Jarvis, Benjamin (eds.) (2017): Knowledge First, Oxford University Press.
Zeit: Dienstag 12-14 Uhr
Ort: Gebäude A2.3 - Raum 0.09