Ein jüngerer Forschungszweig der Kulturwissenschaften befasst sich mit einem unheimlichen Phänomen: Monster und Missgeburten, Fabelwesen und Ausgeburten der Hölle haben künstlerische Darstellungen in der westlichen Kultur immer nur über kürzere Phasen bevölkert – z.B. die Chimären und Zentauren der Sagenwelt der griechischen Antike, die teuflischen Höllenwesen in den Kathedralen der Gotik, die Dämonen in der Malerei von Hieronymos Bosch, El Bosco, die alptraumhaften Wesen in Bildern von Francisco Goya oder die unheimlichen Erscheinungen in der romanistischen Schauerliteratur, sie alle verschwanden nach kurzer Zeit. Und kehrten wieder: Zuletzt sind die Monster seit den späten 1970er Jahren in aller Welt, insbesondere aber in Spanien wiederauferstanden.
Das Seminar wird zunächst einen kulturgeschichtlichen Überblick über das Phänomen des Monströsen und die verschiedenen ästhetischen und soziokulturellen Dimensionen seines Erscheinens erarbeiten. Warum haben manche Zeiten höhere ‚Screem Scores‘ als andere, warum schaudern und fürchten wir uns einige Jahrzehnte lang vor immer haarsträubenderen Gestalten, um sie dann für lange Zeit aus unserer Kultur zu verbannen?
Im Anschluss stellen wir die Blockbuster Balada triste de trompeta von Álex de la Iglesia, 2001 und Laberinto del Fauno von Guillermo del Toro (2006) ins Zentrum unserer Analysen. Leitfrage wird hier sein, wie die filmischen Horror-Figuren mit gesellschaftlichen Konzepten des Abjekten verknüpft werden (‘abnorme’ Körperlichkeit und Moral, Gewalt…). Lassen sie sich auch als Kodierungen zeitgenössischer sozio-kultureller Kontexte verstehen? Neben der semiotischen Ebene soll auch die mediale Dimension des (Film-)Monsters erfasst werden: Können wir Konsequenzen erkennen, die z.B. der Wandel von ‚realer‘ Maske oder beweglicher Puppe zur digitalen Virtualität von Computer-Animationen hat?
Die künstlerisch-medialen Möglichkeiten der literarischen Sprache, Monströses abzubilden, sollen im letzten Drittel der Lehrveranstaltung untersucht werden. Hier befassen wir uns mit dem Grauen der Evasions-Romane La piel fría (La pell freda, 2002) von Albert Sánchez Piñol und Esta noche arderá el cielo von Emilio Bueso (2013). Wie muss erzählt werden, um die imaginären Bilder des Unheimlichen zu evozieren? Welche literarischen Intertexte geistern, Untoten gleich, durch die Diegese? Und: was hat all dies mit der realweltlichen Gegenwart Spaniens zu tun?
- DozentIn: Janett Reinstädler